Zaiiverjliihl gesessen heut nacht in der Gei- sterstnnd. .
„Ich sa» nichts wettert bescheret der glückstrahlende Girgl. ..N!tt einen, Hansel- inan» red ich überhanpls »uniner. init to etnein Notnicker. Also Bauer, ich srag dich noch einmal was kostet dem Hvs. wenn ich ihn bar anszahl?"
Ter Zeindlinger niininl eine Banknote nach der ander» und prüft sie argwöhnisch.
„O Büberl" sagt er dann ernst „nur scheint, der Geist hat dich ansgeschiniert. Diese Banknoten gelten >a nichts mehr. Es find lauter Tausender ans der Juftattons- zeit. die gelten alle miteinander keinen Psen- mg mehr. Nftr scheint, du bist an den falschen Geist gekommen..."
„Oder du bist verkehrt ans dem Stuhl gesessen". gibt der Hänselmann seinen Len! dazu. .Das heißt. wenn ich noch mit dir reden dars..."
Ter Girgl schaut groß und klein, und wie die Hauslente dann vor Lachen nur so los- brüllen, dämmern ihm die Zusammenhänge allmählich aus, wer der Geist gewesen sein könnte, wer den .Schatz" versteckt und wer die braunen Tausender dazu beigesteuert hat.
Und augenbltcks schmettert der Hafen mit dem Schatz aus die Tischplatte, daß die Scherben mit den Jnflationsbanknoten um die Wette stiegen.
Und draußen poltert ein Stuhl an die Haustür, daß die neunerlei Hölzer, jedes sür sich, in alle Winde stieben.
*
Denselben Tag hat Girgl mit seinen Hausgenossen nichts mehr gesprochen. Jetzt redet er schon wieder — sogar mit dem Häuselmann ...
Cacilia Lobsamer
Eine vorweihnachtliche Erzählung Von Mcliael Kok Ibas 8
Jetzt, da es auf Weihnachten zugeht und der Schisport wiederum in Schwung kommt, wird es gut sein, nach allen Seiten hin, bas heißt: aktive Sportsleute und passive Land- oevölkerung, behufs allgemeiner Nutzanwendung an den Fall der Cäcilia Lobsamer zu erinnern, weil er trotz anfänglicher Ungunst der Aspekte zuletzt doch für alle Beteiligten zur vollen Zufriedenheit geendet hat.
Also! Am Fuße des nordöstlichen Wiesensteilhanges des Keindl (sprich: Koandl!), eines ansehnlichen Moränenhügels, liegt das Gütl der Häuslerswitwe Cäcilia Lobsamer. Der Wieswachs ringsherum ist ausgezeichnet, der Obstgarten nie ohne Erträgnis und das muffige Stüberl im Obergeschoß sommerein sommeraus an Fremde vermietet, die entweder überhaupt keine Nasen haben oder das Muffeln lieben. Solcherweise kann es der alten, allein im Leben stehenden Lobsamer- Zilli nicht fehlen, und sie sagt es auch oft genug, sie tausche mit niemand, was und wo immer er sei!
Tiefe schöne Zufriedenheit nun hat vor mehreren Jahren der Schisport zerstört, und schuld daran war der Pfluderer Schorschl, weil er sich nichts sagen ließ und lieber unserm Herrgott den Tag abstahl, als daß er im väterlichen Kolvnialwarengeschäft mitgearbeitet hätte. Der Pfluderer Schorschl war nämlich der erste, der mit seinen Luchsaugen den vorbesagten Keindlhang als kreisliches Schi-Uebungsgelände erkannte und sogleich als ausgemachter Gegner eines ernsten Tagwerks in Benützung nahm. also, daß er von früh bis spät aus seinen Brettln den Hang herunterrutschte und in dem Schuß, der von der Bergfahrt her noch in den Schneeschuhen steckte, unmittelbar am Lob- samerischen Kuhstall vorbeisauste. Und gerade nach dieser Seite hin hatte der Kuhstall seine zwei niederen Fenster, und gerade vor diesen Fenstern standen die zwei Lob- samer-Kühe. an ihren Barn gekettet.
„Schorschl," sprach darum die alte Zilli, und zwar erstnials in allerGüte. „Schorschl. d'Welt is weit. Muatzl grad net allewei an meine Srallfenster vorbeisausen. Woaßt, Schorschl. dö Küah vertragen so was net. Sie schaugen z'vui, fressen z'weni und gengan in der Milli zruck. 's Kuahviech, woaßt, is oamal z'gschwind aus seiner Ruah bracht und nur bloß in der Ruah mag si 's Kuahviech mit der Milli befassen. Geh halt mit deine Brettln, wannst scho 's Hifalln net graten kost, liaber anders- wohi, Schorschl!"
Der Schorschl hätte ihr wahrscheinlich den Gefallen getan, die Verspottung seiner wiederholten Stürze aber bewog ihn zn dieser Gegenrede: „Woast du, was a Schneebrillen is, Zilli?"
„Na".
„Nacha schaug amol da durchi!" und er hielt der Alten die dunklen Gläser an die Augen.
Die Zilli schrie: „Jnser liabe Zeit! Da is ja all's stockfinster wia in der Höll."
„Siegst Zilli, a solchem Brilln muaßt du deine zwoa Küah aufseHen. Damit daß s' im Fressen nimmer irr wern. Deine Küah kinnan nur bloß d' Schneeliachtn net vertragen."
Und jetzt war der Schorschl schon wieder weiß hott wo. und die Lobsamer-Zilli konnte ihm nur noch Nachrufen: „Lausbua, dreckiger!"
Dem Pfluderer Schorschl aber folgten die Sportsgenossen und -genossiirnen aus der nahen Kleinstadt nach dem famosen Uebungs- gelände, und sür die zwei Lobsamer Kühe benenn eine Zeit, die es ihnen angeblich außer
ordentlich schwer machte, sich auf die Milchproduktion zu konzentrieren. Cäcilia Lobsamer rügte das zuerst nur durch gelegentliche Ansprachen an die Schiläufer, wobei sie besonders an die mitwirtci de Damenwelt sich wandte. „T es verrückte Urscheln, ös verrückte," sprach sic da mehrmals des Tages; „ös aa nc>! A Ruah uauchan meine Küah — habt's g'hört — aber net entern damischen Spurt und enter narrische Mode. Bleibts dahoam bei der Arbet oder nagts wenigstens enter traurigs Gstell wo anders hi! I ko 's da »et braucha."
Ta ihr aber jedesmal nur schallendes Gelächter antwortete, so ging sie zum Bürgermeister. Ter riet ihr. eine Warnungstafel anfznstellen: Schilauf verboten. Niemand kehrte sich daran, und die Zilli erklärte, der Bürgermeister sei ein Tepp. Setzte sich hin und schrieb an das Gericht. Eilten ganzen Sonntag lang schrieb sie mit steifen Fingern, widerspenstiger Feder und immer röter werdendem Kops.
„Ich ruffe." schrieb sie. „das hohe Gericht an um Beistand, indem daß meine Kühe immer weniger Mili mehr geben mit lauter Schisahrn. wo die Weiberleut die Hossen öffentlich anhaben wie in Sodoma und Gomora. Es muß aber ein Unterschied sein
zum Auseinandcrkennen und gehört über- haupts nicht aus die Keiudlleiten her indem daß diesse aus meinen Namen im Grundbuch steht. Tie dummen Teifin sagen, ich soll den Stall verlegen aus die ander Seiten. Tort ist aber mein Stuben sich besindlich. Solen leicht die zwei Kühe aus der Osenbank sizen und st'ii die Leut stricke» und ich dafür schön tanl aui dem Stroh im Stal liegen? Schützen Sie mich, hohes Gericht, indem daß ih eine arme Witfrau bin und kome ans die Gant wenn meine Kühe nicht mehr fressen mögen. Weil ihnen der Abedid vergeht von dietser neuen Hassen mode. wo sür alle Geschlechter gleich ist und hart an meine Stalienster vor- beisanst. Cäcilia Lobsamer."
Ter Oberamtsrichter nun. Gott sei Taut kannte den Bauernschlag und die Lobsamer- Zilli zumal. Ließ den Vorstand des Wintersportvereins kommen und wirkte der Häuslerin Lobsamer eine allwtnterlich wiederholende Entschädigung von 25 Reichsmark aus. Und sonderbar: seitdem ist der alten Zilli die sodonutische Mode ganz recht, ja es fressen sogar ihre zwei Kühe wieder mit dem früheren Appetit. Was doch so ein Gerichtsherr sür eine schier unheimliche Macht hat! Mitunter sogar über das Hornvieh.
Jul, Jul, Jul — wir Jul!
Das Kuchenbrot war gebacken, die Schweine- nieren waren gebraten und überall stand unter dem warmen Herd der Hefeteig, und das Waffeleisen wurde ununterbrochen über dem flammenden Christnachtsfeuer gedreht. Jedermann erwartete Freunde oder war eingeladen zum Feiern bei Kameraden oder bei der Liebsten, und jedermann sehnte das Ende des kurzen Tages herbei.
„Hei. hei!"
„Mutter, Max ist da, darf ich mit?" Der Bursche hörte sie fragen, aber Mutter hatte keine Zeit zu antworten; Anne war mit einem Satz die Treppe hinaufgesprungen In der Küche standen alle Backgerätschaften durcheinander und Frau Demeyer emsig dazwischen mit bekleckerter Schürze und aufgerollten Aermeln. „Ich bin doch Manns genug, um auf sie aufzupassen. Ihr seid doch nicht ängstlich?" ries dc: Junge hinein, „Marie wird vielleicht noch Nachkommen und Karl ist schon voraus." „Sind dieKühe versorgt?" sragte dicBäuerin. „Ja—aa, Mutter!" rcef das Mädchen laut. Während der Arbeit hatte sie sich schon das Gesicht gewaschen, um schneller fertig zu sein,-und bevor Max noch seine Pseise angeftcckt hatte, stand Anneken umgekleidet in ihrem engen schwarzen Jäckchen vergnügt trampelnd vor dem Schrank und suchte ihre Schuhe. Die Bäuerin hob die Augen nicht von den vielen Kuchenlaiben, die zum Aufgehen neben dem Herd standen, und zwischendurch warf sie Reisig auf den rotglühenden Ofen. „Ist noch was zu tun, Mutter?" „Steht die Milch bereit? Zieh' dich warm an, es ist eisig kalt draußen," ermahnte sie noch. Doch das Mädchen konnte seine Freude nicht verbergen. „Max, ich bin soweit! Wann kommt der Vater nach Hans?" wandte sie sich noch einmal zu ihrer Mutter, und wieder, ohne auf Antwort zu warten: „Mutter, wir gehn!" Sie warf den Mantel über die Schultern. „Gott behüte dich." „Guten Abend Frau Demeyer." „Mutter, vergiß die Kalbkuh nicht."
„Ich dachte schon, ich dürfte nicht mit, weil du allein gekommen bist." slüsterte Anneken und hüpfte eilig neben dem Burschen über das raschelnde Stroh. Sie ließen den Metzger bei seinem Schwein und die Kinder bei ihrem Spiel und verließen den Hof. „Biel Vergnügen und vertrag, euch gut! Ter Schiiee macht überall ein bißchen hell, »nt es ist Mondschein heute nacht, gesegnete Feiertage im voraus!" rief der Metzger ihnen nach.
Das Hostor war kaum geschlossen, da spürten die beiden, wie froh und frei sie waren — so ganz allein in dem weiße» Schneeland am sinkende» Abend. Sie gingen näher aneinander. und Anneken blickte Max nun freundlich in die Augen, um zu sehn, ob er auch so wohl gesinnt war. And er war ganz dabei: er sah ihr süßes Gesichtchen. umkränzt von den Blumen ihrer Mütze über den krausen braunen Löckchen. Ihre Augen glänzten, und die kalte Lust särbte die Rundung ihrer Wangen und ihr hübsches Näschen bläu.
Anneken knöpfte ihre Halbschuychen noch einmal und lies dann ein Stückchen, um wieder neben Mar zu kommen. Sie waren schon ein ganzes Ende gegangen, aber jetzt wußten sie auf einmal nichts mehr zu sagen. Sie blickten über das tote Land und in den Abend, der schneller dunkelte, und sie wurden schüchtern und verlegen voreinander, daß sie so allein über die einsame Strecke gingen, so sern von Haus.
Ter Junge fühlte die Stille des Abends und dachte an alle Mädchen, die er jetzt gleich beim Spiel finden würde . . . und daß er eben sein Anneken neben sich hatte, ganz allein im Schnee, das Glück machte lhm den Kopf wirbelig. Sie schwiegen alle beide, und er ... er sah sich einmal um. rechts zuerst dann links und dann gebückt nach hinten und ohne etwas zu sagen, kam er einen Schritt näher und fing ihre Hand ein. die aus dem Mantel heraushing, und hielt sie fest in der seinen. Sie schwangen un gleichen
Schritt. Ei, wie hüpfte sie eilig und leicht neben ihm her. und der Schnee knirschte unter jedem Schritt. Tie schwarzen Menschen dort hinten, die eilten auch zum Feiern — hierhin oder dorthin, aber sie waren weit, und sie ahnten nichts davon, wie Max und Anneken hier zu zweit ihres Weges gingen.
Es war vollends Nacht geworden säst ehe sie's merkten, der Mond glänzte hell am Himmel, und zwei graublaue Schatten bewegten sich zu ihren Füßen. Tie Stille und Einsamkeit wogen nun noch schwerer. Der Schnee quietschte unter ihren Füßen, und drei Schritte weiter glitzerte er wie gemahlenes Glas. Sie kamen noch näher aneinander, so daß ihr Mantel seinen Leib streifte, und während sie mit knappen Worten über gleichgültige Tinge plauderten, drückten sie im Hin- und Herschwenken ihr inniges Glück aus — im gegenseitigen Händedruck.
„Wir sind bald da", sagte der Bursche, aber inwendig wünschte er. sür immer aus diesem Weg bleiben zu können und vor dem Morgen nicht anzukommen. Er wußte nicht woher dies plötzliche Glücksgefühl in ihm anfstieg und so fröhlich schimmerte durch die stille mondhelle Nacht.
Er zeigte nach rechts aus einen undeutlichen Schneehaufen mit etwas Schwarzem unter den Tüchern. ..Tas ist der abgebrannte Huf und dort der Bach, und da in der Tunkel- heit, siehst du die Sterne?" Er beschrieb und zeigte, als ob sie nicht ebensogut wüßte wie er, wie die Gegend aussah.
„Weißt du, daß Philemon die Natalie doch nicht heiraten wird?" sragte das Mädchen. „Es scheint, sie kriegt nicht genug mit . .
„Er hat sie einfach nicht lieb genug".. und dabei preßten seine Finger ihre Hand.
Ans der Brücke begegneten sie einer alten Frau mit einem Kinde: sie ließen sich los und gingen einen Schritt auseinander und sagten dninps „Guten Abend", um nicht erkannt zu werden. Tie Häuser am Rande des Torfes, wo sie nun entlang kamen, waren an allen Fenstern erleuchtet und es roch überall nach Waffeln und Pfannkuchen und gebratenem Fett.
„Sich mal den Mond. Anneken". Er hielt sie an. und sie guckten alle beide in den Himmel. Und dann spürten sie zu gleicher Zeit, daß sie ein gewagtes Spiel spielten und weiter mußten. Sie lachten, und Mar steckte sich eine irische Pseise an und sie redeten nun lauter als es nötig war über Angelegenheiten von Hof und. Stall wie es Verliebte tun mögen, die belauscht werden .. Sie wollten einander keine Gelegenheit geben, zu sagen, was sie dachten und sie scheuten 'ich. das auszuspreche». was sie voneinander wußten. Sie verlangten danach aus der Einsamkeit herauszukommen und z» den Ee- sährten die laut und lustig waren. Wohl hätten sie noch lange alleine wandern mögen, aber der Ernst bedrückte sie. und was sie sich mit Fingerspie! und Lächeln gesagt hatten das drohte sich in Worten deutlich zu machen, und das war noch zn früh zu leichtsinnig denn hinter dem Süßen Zärtlichen drohte schmetterndes Gelächter das alle Zartheit in ein alltägliches Bosien- spiel verwandeln müßte. Was sie sich da unter dem üblichen Geplauder gciag! hatten und voneinander wußten das war noch io neu io unerwartet, daß sie es nicht zn glauben wagten, und daß sie meinten in einem glücklichen Traum zn lein.
„Wer hätte das gedacht, daß wir zwei alleine nach dem Tanneiihoi gehen würden?" — „Ich hab's gewußt Anneken. rch hab's so eingerichtet. Karl ist schon weg mit Bandoorn. und Miel Fleters Hab ich gesagt. er soll Marie abholen sie sind zusammen zu Peter Mnllie gegangen."
Ein Stück weiter ans den Seitenpsaden gingen noch Menschen, aber sie fanden r»e^ wanden, der bekannt schien oder denselben Weg hatte wie sie. „Guten Abend" klang es immer wieder, und Mar und Anneken ließen nun die Breite des Wegs zwischen sich, damit niemand merkte, daß sie verliebt waren. „Wir irrsten ia keinen einzigen Bekannten,
Au Zweit unter nächtlichen Sternen
— Heul' abend feiern
Max?" — „Die andern werden schon dort n-iii, und Mi, sind die letzten." Er sah sich noch einmal sorgfältig um ob niemand hinter ihnen herkam »nd als sie freie Bahn vvi sich halten konnte» sie das Spiel wieder ipiclen iüi den Rest des Weges. Er versuchte wieder ihre Hand z» lassen. Ter Kirchweg lief über zwei Helle Felder, ringelte sich tchnial zwischen den schwarzen Schalten zweier Hüte hindurch »nd dann kamen sie wieder ins Freie, aui den „Knitter" den Festplatz. Zur Sette lag das Tors, die schwarze» Blöcke rund um de» Turm, und darüber strahlten die lntxndcn Hörner und das große Gelärm der seieriiden Leute. Tie Freude hing wie Helligkeit überall in der Lust und hinler ledeni erleuchteten Fenster konnte inan fröhliches Feiern vermuten. Und über dem Land und den Dächern glänzte der Mondschein io hell wie Tageslicht und noch viel schöner und die Sterne glitzerten wie lanzende Edelsteine, und sie blinzelten »nd lachten und neckten sich da oben m ihrer Höhe, dicht gesät über die ganze Bläue des Himmels.
Anneken wand still ihre» Arm los und verftichle seine Hand von ihrer Hüfte zu schieben. „Sie haben sicher schon ange- sangen... wir müssen uns eilen." — .Ach, es ist noch nicht io späl wir kommen immer noch zurecht, um uns an Wasteln satt zu essen — die Nachl ist so lang." Es war. als sollte der Mond für ewig still stehen, als Max das sagte. „Unsere Lotte hal gestern glücklich gekalbt sonst hält' ich jetzt bei ihr Wache halten müssen... Ta hält' ich mir nicine Liedchen alleine singe - können." Sie lachten alle beide bei dem Gedanken. »Wo gehst du morgen hin?" sragte sie auf einmal. „Morgen? Nirgends!" — „Ich muß den ganzen Tag zu Hause bleiben." — „Ta sind wir!" Und er sah sich noch einmal um, ob keine Bekannten hinter ihnen herkämen. «Aus „Liebesspiel in Flandern". Roman von Stijn Streuvels. Verlag I. Engelhorns Nachf., Stuttgart.)
Der Gpielzeugmacher
Der Spielzeugmacher Fridolin hak wohl M Anbetracht aller ieiner Nöten vorweg iür den Aufenthalt in dieser Welt eine Niete gezogen. Sonst säße er nicht io arm und mutterseelenallein in leinen alten Tagen in der kalten Kellerstube, bastelnd und malend, was ihm aber kaum das Salz an die Suppe einträgt.
Es ist hall grad ein bissel zu viel zum Sterben. aber zu wenig zum Leben. Vielleicht hat er sich in seinem langen Leben ja zur Not manchmal etwas zu Helsen gewußt: aus leeren Holzkiften bat er zum Beispiel a,tt dt»-— einfachste und billigste Art leine Möbel her- gestellt. und eine grüne Oelfarbe darüber erzeugte iür seine Augen schon ziemliche Wohlhabenheit. Aber im großen und ganzen hat er doch über dieses Erdenmißgeschick nichts als nur zu klagen oder zu schimpfen. Seit Jahren Plagt er sich Tag und Nacht mit Ser Idee herum, wie denn etwa aus so zwanzig kleinen runden Kügelchen und Stäbchen, alle säuberlich aus Holz gedreht, ein neues Spielzeug ausgedacht und hergestellt werden könnte. Vor allem soll es natürlich sehr billig werden daß es sich jedermann leisten kann. Und doch sollten aus diesen möglichst wenigen Teilen die mannigfaltigsten Figuren entstehen. Etwa ein grimmiger Drache oder eine langhalsige Giraffe. ein eleganter Mann oder auch ein lustiges Eichhörnchen, »nd wenn es geht vielleicht noch ein schöner Paradiesvogel. Wäre das nicht herrlich?
Also wenn die Sache klappt denkt er sich, braucht man nur diele zwanzig kleine, ans einfachem Holz gedrechselte Kügelchen und kurze Stäbchen die man beliebig dann zu- saiiimenstecken kann weil jeder einzelne Teil mit drehbarem Holzstist »nd einem hierzu passenden Loch versehen sein muß. Ja solche und ähnliche Tinge und anderes schrulliges und originelles Spielzeug hat der Fridolin kchon manchmal erdacht und dazu noch recht lustig ausgeführt und bunt angemalt.
Hernach bekommt er dann von den Leuten allemal ein 'Nasenwasser iür seine Erfindung und das Elend längt dann bald wieder von vorne an aus dem allen Hnngerloch zu psti- ien. Bis daß er aber dann zu guter Letzt doch anfhört zu basteln schnitzen und leimen, indem der crlte bucklige Svielzengmacher endlich eines schönen Tags in ein anderes besseres Land verreist hosterttlich wird er dort für alle leine guten Ideen belohnt.
Tie Nachbarsleute meinten freilich noch, daß der Spielzengsndolm gar nichts versäumt hätte wäre er schon viel früher gestorben denn es sei ja doch nichts bei seiner Arbeit heransgekommen. Daß er aber mit seinem ersonnenen Spielzeug in den Kinder- herzen weiterlebt kümmert sie nicht. Nach ihrer Meinung hätte er Vernünftigeres machen sollen nichtahnend daß ein? Kinder- ireilde kür diele Welt auch etwas bcdeutet. Aber solches übersehen wir.
Karl 8t>rner
im Äutliao der NT-Prclle Würt-