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von Stuttgart und Untertürkheim im Gasthof zur Krone zur Feier der Eingemeindung versammelt waren. Die Sachverständigen gaben folgende Gutachten ab. Medizinalrat Dr. Köstlin hat den Angeklagten längere Zeit im Untersuchungsgefängnis beobachtet. Das Verhalten des Angeklagten sei Wochen hindurch ein normales gewesen. Am 24. Oktober v. Js. habe Zwider einen Tobsuchtsanfall bekommen und später seien bei ihm geistige Störungen aufgetreten, weshalb Zwicker auf seine Anordnung in die Irrenanstalt Winnental verbracht worden sei. Der Angeklagte habe geltend gemacht, daß er die Brandstiftungen unter dem Einfluß seiner epileptischen Krankheit begangen habe. Ein Beweis für seine Unzurechnungsfähigkeit sei nicht gegeben. Der Angeklagte sei bei den Brandstiftungen planmäßig vorgegangen. Er der Sachverständige sei der festen Ueberzeugung, daß der Angeklagte die Tat nicht in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit begangen habe. Strafmildernd komme in Betracht, daß Zwicker tatsächlich Epileptiker sei. Medizinalrat Dr. Kreuser-Winnental, hält es für ausgeschloffen, daß ver Angeklagte die Brandstiftungen in einem epileptischen Dämmerzustand, durch den seine freie Willensbestimmung aufgehoben war, begangen hat. Nach der Vernehmung der Sachverständigen trat eine kleine Pause ein. Die Verhandlung konnte aber nicht mehr fortgesetzt werden, da der Angeklagte im Korridor einen Tobsuchtsanfall bekam und von mehreren Landjägern gehalten werden mußte. Die Verhandlungen wurden auf Samstag vertagt.
T Das Tübinger Schwurgericht befaßt sich am Montag, den 1. Juli, mit der Anklage gegen Schreiner Karl Jäck in Oberniebelsbach OA. Neuenbürg wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang; am 2. Juli mit der Anklage gegen den ledigen Kaufmann Robert Treiber von Dobel wegen Brandstiftung und Feuer- Versicherungsbetrug; am 4. Juli mit der Anklage gegen die Krämersehefrau Katharine Wurster von Calmbach wegen Meineid.
Tübingen 28. Juni. In Dettenhausen find in vergangener Nacht die Wohnhäuser des Ernst Fischer und Johann Koch niedergebrannt.
Ehningen im Gäu 28. Juni. Ein verheirateter Elektromonteur wollte an einem Transformatorenhäuschen die Arbeiten zum Abschluß bringen, dabei kam er mit einem Draht der unter Strom stehenden Hochspannung in Berührung, war den augenblicklichen Tod des bedauernswerten Mannes herbeiführte.
Reutlingen 28. Juni. Der Achtuhr- Ladenschluß wird nun auch hier eingeführt werden. Entsprechend einem Antrag eines großen
Teils der beteiligten Geschäftsinhaber wurde seitens der K. Regierung für den Schwarzwaldkreis die Vornahme einer Abstimmung über folgenden Antrag angeordnet: „Für alle Geschäfts- zweige in Reutlingen einschließlich Betzingens mit Ausnahme derjenigen der Bäcker, Metzger, Flaschenbier- und Wurstwarenhändler die Schließung der offenen Verkaufsstellen während des ganzen Jahres, ausgenommen die Samstage, die Vorabende vor Festtagen, sowie die letzten zwei Wochen vor Weihnachten, auch in der Zeit von 8—9 Uhr abends zu verfügen." Dis Abstimmung fand gestern Vormittag statt. Es wurde der Antrag von 189 Ladeninhabern angenommen; dagegen stimmten 83. Es dürste sonach die gesetzliche Einführung des Achtuhr-Ladenschlusses demnächst erfolgen.
Reutlingen 28. Juni. Die Einwohnerzahl von Reutlingen (einschließlich des seit 1. April d. I. eingemeindeten Vororts Betzingen) beträgt nach einer vorgenommenen vorläufigen Feststellung der Berufs- und Gewerbezählung vom 12. Juni 27474; männliche Einwohner sind es 13 084, weibliche 14 390.
Ludwigsburg 28. Juni. Nur noch wenige Tage trennen uns von der Eröffnung des Mine, ralbads Hoheneck auf das man hier allenthalben große Hoffnungen setzt, da sich das stark salzhaltige mit Eisen vermengte Wasser bei seiner seitherigen Anwendung zu Trinkkuren vielfach als von ausgezeichneter Heilwirkung erwiesen hat. Der Wert des Wassers wird sich freilich erst dann richtig schätzen lassen, wenn mit regelmäßigen Badekuren begonnen werden kann. Zur Ermöglichung solcher wird eine Fahrgelegenheit von hier zum Bad und zurück eingerichtet; gebadet kann von 6—12 Uhr vorm, und 3—8 Uhr nachm, werden. Ein Teil der Kabinetts ist mit Ruhebetten versehen und für dies ist selbstverständlich eine längere Badezeit festgesetzt. Ein Bad ohne Ruhebett kostet 70 ein solches mit Ruhebett 1 im Abonnement ist der Preis billiger. Bringt die nächste Zukunft günstige Heilerfolge, in größerer Zahl, so ist nicht daran zu zweifeln, daß die jetzige kleine Anstalt, die nur ein Provi- sorium sein soll, bald einer größeren Anstalt wird weichen müssen, gleichviel ob die Stadt die Quelle selbst behält oder sie einem kapitalkräftigen Unternehmerabtritt. Ein beträchtliches Angebot auf die Quelle ist, wie man hört, bereits vor einiger Zeit erfolgt, doch ging die Stadt nicht darauf ein.
Gaildorf 28. Juni. Heute Vormittag ereignete sich hier ein schreckliches Unglück, indem ein hiesiger Metzgermeister einen 10jährigen Knaben nach Großaltdorf bei Gaildorf schickte, um sein dort befindliches Pferd zu holen. Der Knabe
wollte das Pferd reiten. Durch ein heranrasendes Automobil scheute das Pferd und warf den Knaben herunter, wodurch derselbe so schwere Verletzungen erlitt, daß an seinem Aufkommen gczweifelt wird.
Sulzbach bei Hall. Gestern mittag um 4 Uhr hat sich bei der Einfahrt des Personenzugs 139 auf der hiesigen Station der geistig etwas beschränkte Taglöhner Georg Hessenthaler von Rappoldshofen in selbstmörderischer Absicht auf die Schienen gelegt und wurde sofort getötet.
Neresheim 26. Juni. Auf traurige Weise kam dis Ehefrau eines Fabrikarbeiters in Oberdorf ums Leben. Dieselbe beteiligte sich am Sonntag an einem Waldsest. Ein anderer Teilnehmer stieg auf einen Baum, um von der Höhe herunter zu singen. Der Ast brach und der Sänger stürzte auf die am Boden sitzende Frau. Mehrere Rippenbrüche und auch innere Verletzungen waren die Folgen. Der Mann litt keinen Schaden. Auf dem Heimtransport der Verletzten fiel auch noch infolge Scheuwerdens der Pferde der Wagen um und die Frau wurde eine Stecke weit geschleift. Am Montag ist sie ihren Verletzungen erlegen.
G Pforzheim. Die Goldabfällediebstähle und deren Hehler nehmen nicht ab. In den letzten Tagen sind wieder 8 Personen teils von hier teils von Engelsbrand undHohen- warth in Untersuchungshaft genommen worden.
München 28. Juni. Im Prozeß Peters legte während der heutigen Verhandlung Dr. Peters die Urteile der kaiserlichen Disziplinar- kammer dem Gerichtshöfe vor, worauf dieselben zur Verlesung gelangten. Während der Verlesung kam es zu einer stürmischen Szene. Als der Afrikareisende Eugen Wolf die Behauptung aufstellte, daß vr. Peters 15 Jahre lang mit Krupp in Essen verkehrt habe. Infolge dieser Erklärung ersuchte Generalleutnant von Liebert in höchster Erregung den Vorsitzenden, ihn sofort als Sachverständigen zu entlassen, wenn ein solcher Herr als Sachverständiger neben ihm am Tische Platz nehme. Rechtsanwalt Dr. Rosental bezeichnete es als unerhört, daß der Name Krupp, der für Deutschland von so hoher Bedeutung sei, hier in beschimpfender Weise in die Verhandlung gezogen und derart besudelt werde. Hierauf behauptete Wolf, daß vr. Peters wiederholt im Zimmer des Herrn Krupp im Westminterhotel zu Berlin geweilt habe.
München 28. Juni. vr. Peters wurde gestern Abend als er nach dem Schluß der Gerichtsverhandlung eine Straßenbahn bestieg, von einem unbekannten Manne angesallen, der ihn vom Trittbrett herunterriß und mit einem
Vas KschenMchen von der Bretagne.
Von B. W. Howard.
(Fortsetzung.)
„Nun, das muß ich gestehen!" rief Hamor laut auflachend; in Guenns Augen stahlen sich ein paar heiße Tränen der Scham.
„Nein, nein, ich will nicht lachen," tröstete der Maler gutmütig, „es sieht ja auch so ganz hübsch aus, Guenn. Was ist dir aber nur eingefallen, solch einen dummen Streich zu begehen?" Er sprach so gütig zu ihr, daß Guenn die Fassung wieder gewann und zu antworten vermochte.
„Ich brauchte Geld," brachte sie stockend hervor.
„Aber wozu denn?"
„Für das Neviner Gnadenfest," erwiderte sie mechanisch mit seltsam umschleierter Stimme.
„Gerechter Himmel, deshalb?" rief der junge Mann überrascht. „Nun Guenn, ich will dir keine Vorwürfe machen." Er kam sich sehr großmütig vor, da er ihr Haar gerade jetzt hätte brauchen können. „Es geht natürlich niemand etwas an. Jetzt geh' nur und schaffe mir so schnell wie möglich ein Mädchen herbei, mit recht langem glänzend braunem Haar, so wie deines war; lang aufgeschossen muß sie sein, wie es zu dem Haar paßt. Du bist zwar nicht lang, aber deine Umrisse machen den Eindruck — weißt du jemand?"
„Ich glaube wohl," entgegnet e fie hastig, ihr Häubchen wieder aufstülpend und wandte sich zum Gehen.
„Guenn!" rief ihr Hamor nach, in einer seiner Anwandlungen von Liebenswürdigkeit, „du nimmst mir doch nicht übel, daß ich vorhin gelacht habe? Du sahst wirklich wie ein Wickelkind aus, es war zu komisch, du bist mir deshalb nicht böse, nicht wahr?
„Oh nein, Monsieur," fie machte einen schwachen Versuch zu lächeln.
„Uebrigens. wenn du mir jemand auf etwa eine Stunde schickst, brauche ich dich heute nicht mehr. Ich arbeite bis zum Dunkelwerden unten an der Landspitze. Komm also erst morgen, zur gewöhnlichen Zeit."
„Ja," flüsterte Guenn, dann ging sie um ein Mädchen zu suchen mit eben so langem Haar, wie ihres früher gewesen. Es schien ihr, als ob Monsieur Hamors Lachen vorhin ihr nicht so weh getan haben würde, wenn er nicht damals beim Tanzen den Kopf abgewendet hätte. „Lenas Haar ist lang und braun, sie hatte immer das längste außer mir. Sie wird nicht kommen wollen, aber ich werde sie schon überreden. Es ist ja ganz natürlich, daß er eine andere verlangt, wenn ich nicht mehr habe, was er braucht," setzte sie mit einer für ein Weib großartigen Freiheit des Urteils hinzu, „aber ach, mein Haar, mein schönes, langes Haar! Hätte ich nur wissen können, daß er es brauchen würde!" Seufzend suchte sie Lena auf.
„Die Weiber sind doch alle gleich," bemerkte Hamor, als sie weggegangen war, „ist's nicht die eine Eitelkeit, so ist's eine andere!"
„Hm," meinte Douglas nachdenklich, „ich maße mir kein Urteil an über die Weiber." ^
„Ich will mich zwar nicht besonders rühmen, aber ich glaube fie zu kennen," sagte Hamor.
Den Nachmittag über arbeitete er an der Landspitze und beabsichtigte in der Dämmerung den weiten Heimweg durch die ebsmius ereux zu machen; es traf sich aber günstig für ihn, daß gerade, als er zusammenpacken wollte ein Boot in Sicht kam, aus welchem ihm Meurice einen herzlichen Seemannsgruß zurief.
Hamor folgte seiner Aufforderung, zu ihm einzusteigen, mit Freuden; die frische Seefahrt war ihm eine angenehme Erholung nach der Tagesarbeit.
In bester Laune und mit kräftigem Appetit kam er zum Essen nach Haus.
Es war ihm wohl aufgefallen, daß Meurice ganz gegen seine Gewohnheit noch so spät draußen gewesen, doch dachte er nicht weiter darüber nach, da ihm der Umstand so gut zu statten kam.
Zwischen fünf und sechs Uhr herrschte bereits dichte Finsterniß in den Heckenwegen, durch die Hamor stets von der Landspitze heimkehrte.
Hinter einer hohen Mauer, an der vorbei ein kleiner Pfad in den Haupt- weg führte, standen drei Männer im Gespräch:
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