506
auf. Der Anprall erfolgte mit solcher Wucht, daß der Motor und der Aussatz des Wagens zerstört und vom Beleuchtungsmast der untere Teil zersprengt wurde. Sämüiche Insassen wurden aus dem Wagen geschleudert. Während die drei Kellnerinnen, einer der männlichen Passagiere und der Chauffeur mit Schürfungen und Verletzungen im Gesicht und am Kopf davon kamen, wurde der andere Insasse der ledige 26 Jahre alte Kaufmann Karl Beck von hier, so unglücklich auf das Pflaster geworfen, daß der Schädel sprang und der Tod sofort eintrat. Gegen den Lenker der Automobils, den verheir. Friedrich Feil wurde nun Anklage wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung erhoben und zwar wirst ihm die Anklage vor, er habe die Fahrt in angetrunkenem Zustand unternommen, sei zu rasch gefahren und habe ferner die Fahrbahn aus dem Auge gelassen. Wie von den Insassen und dem damals vor dem Kronprinzenpalais stehenden Wachtposten übereinstimmend bezeugt wurde, soll Feil in rasendem Tempo gefahren sein. Der Angeklagte bestreitet nicht, daß er zu rasch gefahren sei, nur will er den Beleuchtungsmast in der Dunkelheü nicht gesehen haben, auch gab er zu, daß er angetrunken war. Die Strafkammer fand ein Verschulden des Angeklagten als erwiesen und verurteilte ihn zu 7 Monaten Gefängnis. Der Vertreter der Anklage hatte 10 Monate Gefängnis beantragt. Dem Besitzer der Automobildroschke entstand s. Z. ein Schaden von 4500
Stuttgart 25. Juni. Die Haftgeldbetrügerin, die in letzter Zeit unter dem falschen Namen Emma Hirsch zahlreiche Betrügereien verübte, wurde gestern in der Person der Köchin Kunigunde Malcher aus Oettingen in Bayern ermittelt und festgenommen.
Vaihingen a. Enz 25. Juni. Nur noch ein halber Monat trennt uns von dem längst erwarteten Gauturnfest des „Unteren Neckargaues," welcher in den Tagen vom 13.—15. Juli nach vielen Jahren wieder einmal in unserem lieblichen Enzstädtchen abgehalten wird. Schon find Vorbereitungen getroffen, die große Turnerschar und zahlreiche Turnfreunde welche in diesen Tagen in unseren altehrwürdigen Mauern weilen werden, festlich zu empfangen und gastfreundlich aufzu- nehmen. Neben der edlen Turnkunst, die in diesen Tagen von den frisch-fromm-fröhlich-freien Jüngern Jahns in anspornendem Wettstreit geübt wird, ist auch für sonstige Unterhaltung und Vergnügung gesorgt. Die rebenumkränzte Stadt und ihre Bewohner bereiten sich bereits vor, ihren Gästen den Aufenthalt so schön und gemütlich als möglich zu machen.
G m ün d 24. Juni. (Preisverteilung beim Liederfest.) Im ländlichen Volks- zesang erhielten erste Preise: 1. Liederkranz
Botnang, 2. Harmonie Rechberghausen; zweite Preise: 1. Liederkranz Unterrombach, 2. Männergesangverein Rohr, 3. Eintracht Nellingen, 4. Liederkranz Oberbettringen, 5. Liederkranz Unterböbingen. Im höheren Volksgesang erhielten erste Preise: 1. Liederkranz Heubach, 2. Sängerbund Ravensburg, 3. Liederkranz Schramberg, (die beiden letztgenannten Vereine haben gleiche Punktzahl.) Zweite Preise:
1. Liederlust Mettingen, 2. Liederkranz Ulm, 3. Männergesangverein Möhringen, 4. Walker- 'sche Singchor Ludwigsburg, 5. Liedertafel Göppingen, 6. Liedertafel Aalen, 7. Alemannia Ulm, 8. Concordia Wasseralfingen. Im Kunstgesang erhielten erstePreise:1. Frohsinn Schwenningen,
2. Arbeiterbildungsverein Stuttgart, 3. Germania Geislingen; zw eite Preise: 1. Liederkranz Geislingen, 2. Amicitia Eßlingen, 3. Frohsinn Heilbronn (die beiden letztgenannten Vereine haben gleiche Punktzahl), 4. Frohsinn Cannstatt. Das Wetter war trocken und heiter.
Tübingen 24. Juni. Am Samstag abend wurde in der Karlsstcaße ein Zjähriger Knabe von einem Radfahrer niedergefahren. Anscheinend nahm der Knabe keinen Schaden und lief selbst nach Hause. Doch scheint er eine innere Verletzung erlitten zu haben, an der er in der Nacht starb.
Ulm 25. Juni. Von der noch mehrere Jahre in Anspruch nehmenden Bahnhoferweiterung sind in der letzten Zeit eine neue eiserne Verbindungsbrücke von der Stadt zum Kienlesberg und die Bahnhofanlage in Söflingen fertiggestellt worden. Die nächste Arbeit wird die Erbauung von 6 Stellwerksbuden auf dem Gelände des Rangierbahnhofs darstellen, deren Pläne gestern die Genehmigung der Bauabteilung des Gemeinderats fanden.
Wiesbaden 24. Juni. Bei Ketternschwalbach rannte dem Wiesb.G.-A. zufolge ein Automobil infolge zu raschen Fahren» um eine gefährliche Kurve mit voller Wucht gegen eine Gartenmauer. Die 60 ein dicke Mauer wurde vollständig niedergerissen. Die Jnsaßen aus Freudenstadt in Württemberg stürzten heraus. Einer namens Benkhuisen brach den rechten Oberarm, der andere blieb unverletzt.
Beuthen 25. Juni. Der wegen zweifachen Mordes zum Tode verurteilte Roßschlächter Liberia gestand, daß in seiner Roßschlächterei der Arbeiter Poloczeche von dem berüchtigten Einbrecher Czech ermordet worden sei.
Berlin 24. Juni. Die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung auf die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter ist, wie die „Nationalzeitung" hört, zur Zeit Gegenstand der Beratung in den Reichs- und
preußischen Staatsbehörden. Die Frage dürfte voraussichtlich so geregelt werden, daß durch ein Reichsgesetz die Versicherungspflicht der ländlichen Arbeiter zur Einführung gelangt, die Durchführung derselben aber den Bundesstaaten durch Landesgesetz überlassen wird.
Berlin 25. Juni. Der Ende Mai erfolgte Tod des Stabsarztes vr. Wienecke in Gobabis wird nach einer amtlichen Meldung aus Windhuk auf Ermordung zurückgeführt.
Berlin 25. Juni. Die „Post" erhält von dem Mitglieds des Abgeordnetenhauses Grafen Otto Moltke aus Netersen in Holstein folgende Zuschrift: Zu der Veröffentlichung des Herrn M. Harden in der Nr. 38 der „Zukunft" vom 22. Juni 1907 stelle ich, um seinem Gedächtnis zu Hilfe zu kommen und unrichtigen Auffassungen von vornherein zu begegnen, das Folgende fest: 1. Es entspricht den Tatsachen nicht, daß ich in dem mit Herrn Harden am 11. Mai geführten Gespräch gemeinsam mit ihm eine Verständigung versucht oder gar ihm „artig die Möglichkeit an- gebotsn hätte", seine Worte ins harmlose umzudeuten. Nichts von Beidem ist geschehen. 2. Es ist eine durchaus irrtümliche Auffassung, daß ich Herrn Harden im Laufe desselben Gesprächs gebeten hätte, das früher in der „Zukunft" be- hehandelte Thema, d. h. also die Bezichtigungen meines Vetters — wenn es möglich sei — nicht mehr zu berühren. Ebenso irrtümlich ist auch die Antwort des Herrn Harden wiedergegeben, ganz besonders darin, daß „wir also übereinstimmten und weitere Konsequenzen wohl vermeiden könnten". 3. Ich habe zunächst für meinen eigenen Gebrauch noch an demselben Tage, am 11. Mai die gesummten Verhandlungen mit Herrn Harden vor Zeugen zu Protokoll gebracht und werde hiervon vor Gericht nach Umständen denjenigen Gebrauch machen, welcher mir zur Abwehr gegen irgendwelche einseitige Darstellung erforderlich erscheint.
Berlin 25. Juni. Graf Posadowsky wird dem Berliner Tageblatt zufolge seinen Wohnsitz von Berlin nach Naumburg a. d. S. verlegen. Während der nächsten Jahre gedenkt er sich auf Reisen zu begeben, um die wirtschaftspolitischen und vor allem sozialpolitischen Verhältnisse fremder Staaten eingehend zu studieren. Sein Weg wird ihn nach Frankreich, Italien und England, vielleicht auch nach Amerika führen.
— „Ueber den zu Gefängnis verurteilten Abg. Erzberger" schreibt die Post: So hat nun endlich der Abgeordnete Erzberger, der so oft und so lange mit unerwiesenen Behauptungen operiert und in Bezug auf unsere Kolonialangelegenheiten den größten Skandal hervorgerufen hat, den verdienten Denkzettel erhalten. Das Gericht hat den Angeklagten zu einer Woche Gefängnis ver-
Rodellec die Stille; „Barba — die heilige Jungfrau schenke ihr Frieden! — ist gestorben; mein Knabe ist lahm; aber wenigstens war doch meine Tochter ehrlich und brav." Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf seine Gefährten.
„Brav und ehrlich? das will ich meinen! Ist sie doch das hübscheste Mädchen in ganz Plouvenec!" rief HM, dem der Grog anfing zu Kopfe zu steigen. „Frisch wie eine Kirschblüte und dabei so widerhaarig wie Brombeergestrüpp. Daß mir keiner ein Wort gegen sie zu sagen wagt, ich schlage ihn zu Boden wie einen tollen Hund!"
„Ich sage ja gar nichts," beruhigte Rodellec, und füllte Hoels Becher. „Ich behaupte nur, daß der verdammte Maler sie alle behext hat."
Mit einem derben Fluch sandte Lo'ic Hamors Seele zu allen Teufeln.
„Er winkt, und sie kommt; wenn er den Finger hebt, vergißt sie uns alle," fuhr Rodellec fort. „Der Bursche lächelt und zeigt seine weißen Zähne und mein Mädel folgt ihm wie ein Lamm. Schon vor Tagesanbruch eilt sie auf und davon, um nach den Inseln zu kommen. Ich sage Euch, dar bedeutet nichts Gutes. Wo hat sie ihre neuen Kleider zum Gnadenfest her? Sie will es mir nicht sagen, ist das nicht sonderbar? Ich als Vater habe doch das Recht, nach dergleichen Dingen zu fragen." Er warf sich in die Brust voll tugendhafter Entrüstung.
„Oh!" sagte HM, als wisse er nicht, was er davon zu halten habe.
„Ich spreche sonst mit niemand über diese Dinge," meinte Rodellec, „aber ich weiß, du bist mein Freund, HM, ich kann mich auf dich verlassen. Ich möchte ruhig und verständig über die Sache mit Euch reden, möchte Euern Rat einholen!"
HM fühlte sich geschmeichelt. Der Vorschlag ließ sich hören.
„Mein Rat geht dahin, ihm den Kopf einzuschlagen und ihn vom Hasendamm in's Wasser zu stoßen," rief Lv'ic mit unheimlich funkelnden Augen.
„Nein," sagte Rodellec, „es wäre schon besser, ihm an irgend einem abgelegenen Platze aufzulauern, wenn er abends heimgeht. Ein Streit ist
leicht vom Zaune gebrochen, man wird handgemein, und wenn ein Unglück geschieht — wer kann dafür? — Was davon ruchbar werden sollte, steht bei uns. wir müssen nur Sorge tragen, daß er nichts mehr ausplaudern kann. Am Hafendamm geht's zu lebhaft her, da könnte sich leicht ein dummer Teufel einfallen lassen, einen Unfall mit einem garstigen Namen zu benennen."
Plötzlich fielen die Scherben einer Fensterscheibe klirrend zu Boden und ein Stein flog dicht an Rodellecs Kopf vorbei. Fluchend rannte er zum Fenster und schaute hinaus; er konnte jedoch nichts entdecken, da er in der Ferne suchte, was sehr nahe zu finden war. Dicht am Haus, in tiefem Schatten kauerte Nannic, der, wo es not tat, auch kühne Mittel zu gebrauchen verstand.
„Die nichtsnutzigen Buben mit ihrem verdammten Steinewerfen I" brummte Rodellec. „Also, wie ich vorhin sagte, wir treffen ihn auf dem Nachhauseweg an einem stillen, dämmerigen Ort — dort wollen wir ihm sein Grinsen für immer vertreiben."
„Aber nur in ehrlichem Streit," sagte HM voll ängstlicher Scheu.
„Versteht sich, Mann, versteht sich!" versicherte Rodellec, mit bedeutungsvollem Augenzwinkern die Becher füllend und HM zutrinkend. „Traut Ihr mir etwas anderes zu?"
Endlich hatte er HM so weit, daß dieser auf seine Pläne einging und sich hoch und teuer verschwor, den fremden Burschen zu reizen, zu beleidigen, zu Boden zu schlagen. Vorher hatte jedoch mancher Becher geleert werden müssen; auch stand zu fürchten, daß HMs Feuereifer mit dem Dunst des Schnapses wieder verfliegen werde. Nach Art der Schwächlinge zeigte er sich zwar nachgiebig und stimmte allem bei, ob man sich aber im Augenblick der Entscheidung wirklich auf seine Hülfe verlassen konnte, war eine andere Frage.
(Fortsetzung folgt.)