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gesellten, durften Zeugen des Schauspiels sein. Die Darsteller und Darstellerinnen gaben ihr Bestes, und die jugendlichen Theaterbesucher kargten nicht mit ihrem Beifall. Glücklich über den schönen Nachmittag, stolz ihren Theaterzettel als Erinnerung mitführend, zogen um 6 Uhr die Kinder nach Haus.

Stuttgart 18. Juni. (Milchpantscher- prozeß.) Vor dem Kgl. Schöffengericht Stuttgart- Stadt hatte sich heute die Schmiedsehefrau Anna Bischofs van Untertürkheim wegen Milch­fälschung zu verantworten. Sie hatte, wie der als Sachverständiger geladene vr. Mezger vom städtischen chemischen Laboratorium ausführte, im Monat März ds. Js. an einen hiesigen Bäcker wiederholt bis auf 1,8 Prozent Fett abgerahmte und überdies zum Teil noch gewässerte Milch als Volle Milch" verkauft. Besonders interessant war dieser Fall deshalb, weil sie an einem Tag, an dem bei ihrer Ankunft am hiesigen Hauptbahnhof aus ihren sämtlichen Kannen Proben entnommen worden waren und die Untersuchung derselben einen mittleren Fettgehalt von 3,8 Prozent er­geben hatte, trotzdem kurze Zeit darauf an den betr. Bäcker eine Flasche Milch mit einem Fett­gehalt von nur 1,7 Prozent alsVolle Mich" verkaufte. Durch die polizeiliche Kontrolle konnte später festgestellt werden, daß sie täglich von einem Tag zum andern eine Kanne Milch in einem Keller hier aufbewahrte und diese so nach dem Passieren eventueller Bahnhofkontrollen täglich abrahmen konnte. Sie gestand auch zu, seit längerer Zeit täglich von drei Flaschen je einen Schoppen Rahm abgeschöpft und die entrahmte Milch trotzdem alsVolle Milch" verkauft zu haben. Der Sachverständige bezeichnte diese Manipulation als Nahrungsmittelfälschung. Die Kgl. Staatsanwaltschaft beantragte 10 Tage Gefängnis. Das Urteil lautete auf eine Geldstrafe von 30 Ueberdies hat die Angeklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Stuttgart 20. Juni. Die Verkehrs­einahmen der deutschen Eisenbahnen im Mai ds. Js. betrugen aus dem Personen- und Gepäck­verkehr 62438170 aus dem Güterverkehr 128581333 insgesamt demnach 191019503

12358694 ^ mehr als im gleichen Zeit­raum des Vorjahrs. Bei dem Personenverkehr haben sich die Einnahmen um 6 747 486 bei bei dem Güterverkehr um 5 611208 ^ gesteigert. Bei den Mehreinnahmen kommt in Betracht, daß das Pfingstfest in den Berichtmonat (1906 in den Juni) fiel.

Stuttgart 20. Juni. Auf dem heutigen Großmarkt waren 700 Körbe mit Kirschen zu­geführt, die zu 1624 H das Pfd. raschen Ab- satz fanden. Prestlinge kosteten 2545 --Z.

Heilbronn 20. Juni. Der Verband der

Rabattvereine Württembergs hält am Samstag und Sonntag, den 22. und 23. Juli seinen vierten Verbandstag in Heilbronn. Damit ist verbunden die 15. ordentliche Mitglieder­versammlung des Württ. Bundes für Handel und Gewerbe.

Göppingen 19. Juni. Dem gestrigen Viehmarkt waren zugetrieben: 4 Stück Ochsen, 10 Stück Kühe, 35 Stück Schmalvieh. Verkauft wurden 2 Stück Ochsen, 4 Stück Kühe und 5 Stück Schmalvieh. Die Preise stellten sich bei Ochsen auf 945 ^ per Paar, bei Kühen auf 370460 ^ per Stück und bei Schmalvieh auf 132463 ^ per Stück. Der Gesamtumsatz beziffert sich auf 3276

Gmünd 19. Juni. Wenige Tage trennen uns noch vom längst erwarteten Liederfest. Schon aber regen sich Hunderte von fleißigen und geschickten Händen in allen Teilen der Stadt, um dieser ein Gewand seltenster Art zu geben. Die Hauptstraßen sollen nach den Entwürfen des kunst- gewerblichen VereinsVorwärts", der über vor­zügliche und künstlerisch durchgebildete Kräfte ver­fügt, einheitliche, stilgerechte Dekorationen erhalten, für die von der Studt und den Anwohnern der betr. Straßen namhafte Aufwendungen gemacht werden. Es dürfte daher, ganz abgesehen von den musikalischen Genüssen, schon diese umfang­reiche Ausschmückung der Stadt den Besuch des Liederfestes lohnen.

Karlsruhe 19. Juni. Der beantragte Ausschluß des sozialdemokratischen Redakteurs Geck aus der BurschenschaftTeutonia" ist am Sonn­tag vom Bundes-Convent mit der Begründung abgelehnt worden, daß es nicht zu den Aufgaben der Burschenschaft gehöre, die politische Haltung ihrer Mitglieder zu zensieren.

Mannheims. Juni. Die gegenwärtige Kongreßwoche steht im Zeichen derschwarzen Kunst". Der Verein deutscher Zeitungsverleger, die Deutsche Buchdruckerberufsgenoffenschaft und der deutsche Buchdruckerverein tagen hier. Der Hauptversammlung der Zeitungsverlegerver­einigung ging gestern die Mitgliederversammlung des Vereins badischer und pfälzischer Zeitungsverleger voraus, die nachmittags um 5 Uhr im Versammlungssaal des Rosengartens durch den Vorsitzenden des Vereins vr. Knittel- Karlsruhe, mit einer Begrüßungsansprache und der Erstattung des Jahresberichts für 1906/07 eröffnet wurde. Aus dem Jahresbericht geht hervor, daß die Zahl der Vereinsmitglieder nach der Auflösung des Oberbadischen Zeitungsverleger­vereins 75 Mitglieder beträgt. Bezüglich der Frage der Anzeigen von Heilmitteln wurde eine Denkschrift an das Ministerium gerichtet, in welcher die gleichmäßige Behandlung des § 84

der R.-Str.-G.-B. im ganzen deutschen Reich verlangt wird. Die Jahresrechnung pro 1906/07 und die Voranschläge für 1907/08, durch Buch­druckereibefitzer Jul. Bensheimer-Mannheim er­stattet, wurden gutgeheißen. Aus den weiteren geschäftlichen Verhandlungen ist erwähnenswert, daß nach längerer Ansprache ein mit den An­noncenexpeditionen abzuschließender Vertrag ein­stimmig angenommen wurde, nach dem der An- zeigenrabatttarif den heutigen Zeitverhältniffen entsprechend geregelt wird. Der Rabatt darf höchstens 40"/» betragen. Auf amtliche und be­hördliche Anzeigen wird kein Rabatt gewährt. Die Konventionalstrafe für jeden Fall der Zu­widerhandlung wurde auf 50 ^ festgesetzt. Ebenso einstimmige Annahme fanden die in 7 Paragraphen zusammengefaßten allgemein gültigen Geschäflsgrundsätze für die Vereinsmitglieder. In diesen ist bestimmt, daß Gratisreklamen und Notizen, die den Zweck haben, Anzeigen zu sparen, auch wenn sie in Gemeinschaft einer Anzeige er­scheinen, unbedingt abzulehnen und nur zum Nor­malpreis im Anzeigen- oder Reklameteil aufzu­nehmen sind. Weiter wird als wünschenswert empfohlen, überall da, wo es die örtlichen Ver­hältnisse gestatten, in Anbetracht der erheblichen Steigerung der Herstellungskosten der Zeitungen eine Erhöhung der Abonnementspreise in den einzelnen Orten allgemein durchzuführen. Die nächstjährige Hauptversammlung findet in Vi Il­lingen statt.

München 20. Juni. Der Untersuchungs­richter am Landgericht München I ist mit einer neuen Wucheraffäre beschäftigt, in der es nicht weniger als 67 Beschuldigte geben soll. Es handelt sich meist um Geschäfte mit wertlosen Aktien, zum Teil auch um Warenwucher. Da die Opfer zumeist auswärts wohnen, zieht sich die Untersuchung in die Länge.

Frankfurt a. M. 19. Juni. Bei einem Zusammenstoß eines Straßenbahnwagens mit einem Gießfaß ergoß sich das Wasser in den Straßenbahnwagen. Für das Bad brauchten die Passagiere nichts extra zu zahlen.

Frankfurt a.M.20.Juni. Der Eiben­bau m steht seit gestern wieder auf eigenen Füßen, doch wird es immerhin noch einige Tage dauern, bis die Einpflanzung vollständig vollzogen ist. Die Eibe hat gegenüber einem der Haupteingänge zu dem neuen botanischen Garten ihren Platz.

Trier 19. Juni. In der Nacht vom Montag zum Dienstag ist in der Eifel die Tem­peratur auf den Gefrierpunkt gesunken. Aus vielen Gegenden laufen Meldungen über Frost­schäden ein. Die Temperatur verblieb mehrere Stunden lang unter Null.

Breslau 19. Juni. Ein schwerer Un­glücksfall ereignete sich bei Salesche im Kreise

gesehen. Den tiefsten Eindruck übte jedoch seine außerordentliche und fesselnde Kraft auf ihn während der Ereignisse einer denkwürdigen Nacht.

Es war am Samstag. Hamor hatte sich vollständig befriedigt mit dem Ergebnis seiner Wochenarbeit erklärt, alles übrige könne er sehr gut im Atelier beenden. Guenn war beglückt durch sein Lob, trostlos die Inseln zu verlassen, ganz seinem magischen Einfluß hingegeben. Gegen Abend ward es stürmisch, und Meurice kam nicht, sie abzuholen. Guenn fühlte in jeder Fiber das Nahen des Sturmes, das Brausen der zornigen Winde, das drohende Grollen des Ozeans. Ihre blauen Augen erschienen beinahe schwarz vor innerer Erregung, auch Hamor freute sich auf das ungewohnte Schauspiel; Thymert allein ward unruhig und äußerte besorgt:Guenn, Meurice wird nicht landen können bei diesem Sturm."

Llems ekose," erwiderte Guenn.

Ja, aber dann müßtest Du doch die Nacht über hier bleiben?"

Und warum nicht? ich habe immer gewünscht hier zu schlafen. Sie werden doch für solch ein kleines Ding wie mich gewiß ein Plätzchen übrig haben, mcmsisur le reeleur," versetzte Guenn halb bittend halb befehlend.Ich bin nun einmal hier und wenn Meurice nicht kommt muß ich bleiben, das ist klar, Sie mögen mich nun wollen oder nicht. Huh! wie die Wogen an die Felsen schlagen!"

Es steht schlimm mit dem alten Jean," bemerkte Thymert nach einer Pause.

Sie werden doch nicht nach der Cigogne wollen," sagte Guenn ängstlich,das wäre ja eine Fahrt auf Tod und Leben."

Der Priester zuckte die Achseln:und dennoch muß ich hinüber."

Leidet Jean viel?" kragte das Mädchen.

Er findet keine Ruhe; er bewegt den Arm fortwährend in der Luft gleich einem Pendel und ist doch so müde. ,Jch bin eine Uhr/ sagte er, ,ich muß es tun Ticktack/"

Wie seltsam!" rief Hamor.

Durchaus nicht, Monsieur," versetzte der Priester errötend und mit unwilliger Geberde.Wieso seltsam? Es ist aus dem Leben: Jean war ein Uhrmachersohn in Brest. Er lief fort zur See. Jetzt liegt er im Sterben und der alte Mann versetzt sich in seine Kindheit zurück. Ich sehe dabei nichts Seltsames." Thymert stand auf und durchmaß mit zwei Schritten das kleine Gemach.

Wenn Sie hinüber fahren, will ich mit," rief Guenn mutig.

Es ist heut zu rauh und gefährlich für ein Mädchen," wehrte der Priester ab.

Hab' ich mich schon je einmal gefürchtet?" Lebhaft aufspringend stellte sie sich kühn und herausfordernd an seine Seite;ich werde auf jeden Fall mit Ihnen fahren."

Ist das Dein Ernst, Guenn?" fragte der Priester mit tiefem Seufzer.

Darf ich auch mitkommen?" bat Hamor.

Was könnte Ihnen daran liegen?" Der Priester maß seinen Gast mit einem beinahe feindseligen Blick,weshalb wollen Sie mitfahren? Was kümmert Sie der alte Jean?"

Hamor zögerte, er sah das verhaltene Feuer in Thymerts Augen glühen. Dann sagte er mit ruhigem, ehrerbietigem Tone:Ich könnte Ihnen doch vielleicht bei der Führung des Bootes von Nutzen sein, numsisur is rsoteur?"

Die Sanftmut seines Wesens erschien Guenn wahrhaft bewunderns­würdig.Gewiß, er soll uns Helsen," erwiderte sie. Ernst und gefaßt stand sie neben Thymert, bereit durch Sturm und Gefahr mit ihm zu dem sterbenden Fischer zu eilen. Wie gut und tapfer war doch die kleine Guenn, und welcher Trost für sein gequältes Herz lag in ihrem Entschluß.

Der Widerstand des Pfarrers war gebrochen.So kommen Sie,