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Groß-Strelitz. Zwei Schulknaben badeten im dortigen Dominalteiche und versanken an einer tiefen Stelle. Zwei andere Knaben, die zur Rettung der Ertrinkenden herbeieilten, fanden gleichfalls den Tod.
Berlin 20. Juni. In dem Beleidigungs- Prozeß des Gouverneurs a. D. Bennigsen gegen den Reichstagsabgeordneten Erzberger wurde letzterer wegen Beleidigung zu einer Woche Gefängnis sowie zur Tragung der Kosten verurteilt. Außerdem wurde dem Kläger Publikationsbefugnis zugesprochen. Auf die von Erzberger erhobene Widerklage erkannte das Gericht auf Freisprechung Bennigsens. Der Abgeordnete Erzberger mußte in der heutigen Verhandlung unumwunden zugeben, daß er, als er seine Behauptungen aufstellte, keinerlei Beweismaterial in Händen hatte. Die Vergleichsverhandlungen scheiterten an der ablehnenden Haltung Bennigsens.
Berlin 20. Juni. Am Neubau des neuen Operetten-Theaters am Schiffbauerdamm hat sich heute Mittag V» 12 Uhr ein schweres Unglück ereignet. Ein eisernes Gerüst, das heute Morgen aufgestellt worden war und zum Aufziehen von Steinen verwendet werden sollte, stürzte plötzlich quer über die Straße nach vorn, sodaß die Verbindungseisenstangen bis in die Spree hinab reichten. Ein Droschkenkutscher, der dort seinen Standplatz hatte, wurde schwer am Kopfe verletzt. Ebenso wurde sein Pferd schwer verletzt und der Wagen demoliert. 6 Arbeiter wurden nach der Charitö gebracht. Zwei Arbeiter sollen in die Spree hinabgeschleudert worden sein, ohne daß es bisser gelungen wäre, sie aufzufinden.
Berlin 20. Juni. Ein erschütternder Vorgang spielte sich gestern Abend hier ab. Wegen einer harten Züchtigung, die er durch seinen Vater erfahren hatte, sprang der 12 jährige Sohn Adolf des pensionierten Lokomotivführers Petzold aus dem Fenster des 2. Stockes nackt auf die Straße, wo er mit schweren Verletzungen liegen blieb. Der Vater wurde verhaftet.
Hamburg 19. Juni. Bei der Segelwettfahrt, die in Gegenwart des Kaisers der Norddeutsche Regatta-Verein auf der Unterelbe veranstaltete, siegte der Kaiser mit seiner Jacht „Meteor."
Hamburg 20. Juni. DerStreik der Seeleute verläuft im Sande. Die Zahl der Seeleute, die entgegen den Versammlungs-Beschlüssen wieder Schiffrdienst nehmen, wächst täglich. Deshalb beabsichtigt man, in einer für Freitag einberufenen Versammlung über das Ende des Streiks abzustimmen.
Paris 20. Juni. Der Prinz vonSa chsen- Weimar ist beim Passieren der Grenze als er
sich im Automobil nach Paris begeben wollte, gegen einen Grenzstein gefahren. Der Prinz und sein Begleiter wurden heraurgeschleudert, erlitten jedoch nur unbedeutende Verletzungen, während der Chauffeur schwer verwundet wurde. Der Wagen wurde vollkommen zertrümmert.
Haag 19. Juni. In der heutigen zweiten Konferenz-Sitzung, die um 3 Uhr Nachmittags begann, wird bei der Festsetzung der Kommissionen Freiherr von Marschall einen Antrag ankündigen. Der Vertreter Deutschlands wird erklären, daß er in der ersten Kommission (der von Bourgeois präsidierten Schiedsgerichts-Kommission) die Bildung eines internationalen Oberprtsengerichtes beantragen werde. Bisher sind Prisengerichte bekanntlich national, sodaß also diejenigen Staaten, die Prisen gemacht haben, selbst über die Berechtigung ihres Vorgehen entscheidens. Der deutsche Antrag bezwegckt die Ermöglichung eines Appels an eine internationale Oberinstanz.
Petersburg 19. Juni. Ueber die Soldatenunruhen in Kiew werden folgende Einzelheiten gemeldet: 500 Soldaten des Geniebataillons bemächtigten sich Nachts des Zeughauses, erbeuteten scharfe Patronen und gaben eine Salve in die Lust ab. Als der Bataillonrchef herbeieilte, wurde er mit drei anderen Offizieren getötet. Bonden Soldaten wurden 60 verwundet, 250 verhaftet, 190 flohen.
Petersburg 19. Juni. Die Verhaftungen der freiheitlich gesinnten verdächtigen Elemente werden fortgesetzt. Die Zahl der Verhaftungen beträgt im Ganzen 5500. Die Gefängnisse sind dreifach überfüllt. Gestern wurde auch der Vizepräsident der verflossenen Duma, Berefin, als der Teilnahme an der Verschwörung verdächtig arretiert. Nachts wurde eine Versammlung polnischer Studenten von Gendarmen umstellt und das Versammlungslokal durchsucht, wobei viele kompromittierende Schriften gefunden wurden. 100 Studenten wurden verhaftet.
Petersburg 20. Juni. Nach Auflösung der Duma ist die Bewachung Stolypins in seinem Palais auf der Gelagin-Jnsel bedeutend verschärft worden, weil Attentate gegen ihn befürchtet werden. Die Bedeutung Stolypins bei Hofe ist durch die Auflösung derart gestiegen, daß er als unumschränkter Diktator betrachtet werden kann. Eine ganze Reihe Moskauer Zeitungen ist durch hohe Geldstrafen gemaßregelt worden. Wie aus Regierungskreisen verlautet, beabsichtigt Stolypin auf dem Gebiete der Agrarfragen einige temporäre Bestimmungen zu erlaffen.
London 19. Juni. Unter den Sportsleuten herrscht große Aufregung. Der goldene Pokal, um welchen auf der Bahn von Ascott gestritten wird, ist gestohlen worden. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, eine Spur der Diebe
zu entdecken. Man glaubt, daß der Pokal, welcher von großem Werte ist, sofort nach dem Diebstahl eingeschmolzen worden ist.
London 20. Juni. Der Vertreter der „Tribüne" bei der Haager Konferenz meldet seinem Blatte, daß Aussichten vorhanden seien, eine Einigung in der Frage der Einschränkung der Rüstungen zu erzielen. Um diese Frage zu beraten, fand eine Besprechung zwischen den englischen, amerikanischen, französischen und ruffischen Delegierten statt. Bei dieser Gelegenheit verlautet, daß Oesterreich und Italien, also die beiden Verbündeten Deutschlands, Vorschlägen, die Frage der Beschränkung der Rüstungen einer Kommission zu überweisen, die dem nächsten Friedenskongreß, der in sechs Jahren stattfinden soll, einen Bericht vorzulegen habe. Die englischen Delegierten be- zeichneten diesen Vorschlag als unbefriedigend. Auch die französischen Delegierten sind der Ansicht, 6 Jahre seien eine zu lange Frist für die Arbeiten dieses Ausschusses. Es ist wahrscheinlich, daß eine solche Kommission ernannt wird und daß die Frist herabgesetzt wird.
Vermischtes.
Die Behandlung abgeschnittener Blumen. Blumen sollten nie bei Sonnenschein abgeschnitten und auch im Zimmer nicht den Strahlen der Sonne unmittelbar ausgesetzt werden. Ebenso nachteilig ist es freilich, wenn sie gänzlich des Lichtes beraubt sind. Den einzelnen Blumen ist es ferner durchaus schädlich, wenn man sie in große Sträuße und sehr fest zusammenbindet; auch darf man nie mehr in ein Gefäß zusammenstellen, als dieses bequem zu fassen vermag, und zur Aufnahme frischer Blumen sollte man nur solche Gefäße als geeignet betrachten, die weit und tief genug sind, um den größten Teil der Stiele vom Wasser bedecken zu lassen. Bet der täglichen Erneuerung des Wassers darf man nicht versäumen, die Spitzen der Stiele glatt zu verschneiden, ein Verfahren, das man auch zu beobachten hat, ehe man die frisch abgefchnittenen Blumen ins Wasser setzt. Die Röhren der Stiele werden dadurch geöffnet, was das Einsaugen des Wassers erleichtert; jedoch ist diese Operation nur wirksam, wenn man sie mit Hilfe eines scharfen Messers ausführt; bedient man sich dazu einer Schere, so bewirkt man gerade das Gegenteil, indem dann die Röhren der Stiele gedrückt und beschädigt werden, was den freieren Zufluß des Wassers verhindert. Die Wiederbelebung schon verwelkter Blumen kann man in den meisten Fällen durch lauwarmes Wasser erzielen, in das man einige Tropfen in Weingeist aufgelösten Kampfers tut; man rechnet auf ein Liter Wasser fünf bis sechs Tropfen dieser Flüssigkeit.
Die französischen Weinbauern. Die Behauptung der Blätter, daß die Regierung
Monsieur, wenn Sie wollen und verzeihen Sie mir meine Unfreundlichkeit, ich habe so schwere Borgen."
„Aber, ich bitte Sie, monsieur 1s eurö!" rief Hamor und ergriff mit Wärme die dargebotene Hand des Priesters.
„Er sieht aus wie ein Engel," dachte Guenn, „wie wunderschön ist sein Lächeln, — Thymert war wirklich unwirsch, er ist so oft unwirsch gegen Monsieur."
Die drei verharrten in tiefem Schweigen. Eine Windsbraut fuhr durch die langen Gänge, man vernahm seltsames, klagendes Aechzen und Stöhnen. Der kleine Erec schreckte aus dem Schlaf in die Höhe und die alte Brigitte kam mit angsterfüllter Miene hereingestürzt.
broustts äs 1a Llorl," rief sie, sich bekreuzend.
Auch Thymert und Guenn bekreuzten sich in frommer Scheu. Dann öffnete der eure die Tür; ein heftiger Windstoß fuhr herein und erfüllte die ganze Kapelle, daß die geweihten Fahnen unserer lieben Frau und die Chorgewänder in der Sakristei zu wehen und zu flattern begannen. Thymert stand auf der Schwelle und lauschte gespannt nach der Cigogne hinüber. „Noch nicht, noch nicht," murmelte er» zu den andern zurücksehend. Sie saßen in banger Erwartung da. Guenns junges Gesicht trug einen milden» säst feierlichen Ausdruck. Auch Hamor war ernst und schweigsam gestimmt. Im stillen bewunderte er Guenn, die eifrig strickend am Tisch saß, den Lichteffekt auf ihrem weißen Kopfputze beobachtend; auch tat ihm der Pfarrer leid, der sich den bevorstehenden Verlust seines alten Fischers zu Herzen zu nehmen schien.
Wieder stand Thymert an der geöffneten Tür, unbekümmert, daß ihm der Sturm den Regen in's Gesicht peitschte. „Mein armer alter Jean," murmelte er traurig, „ich weiß wohl, daß es heute Nacht mit dir zu Ende geht, du wirst den morgenden Tag nicht mehr erleben. Aber ich werde zu dir kommen, ob ich dar Zeichen sehe oder nicht."
Plötzlich schoß aus der undurchdringlichen Finsternis ein Heller, blitz- artiger Feuerschein. —
Thymert trat in's Zimmer zurück. „Sie rufen mich," sagte er zu den Harrenden, „soebenzhaben sie vom Fort aus die Rakete aufsteigen lasten." Seine Hand lag einen Moment wie schützend und segnend auf Guenns Scheitel. Nun der Sterbende seiner bedurfte, hatte er Ruhe und Fassung wiedergefunden. „Willst du wirklich mitkommen, Kind?" fragte er, „es ist eine fürchterliche Nacht."
„Ich komme," murmelte Guenn entschlossen, sie stand auf und knüpfte sich ein warmes Tuch um den Kopf.
„So kommt denn alle beide," sagte der Priester.
Ein erneuter Windstoß erschütterte das Haus, und abermals ließ sich jener seltsame Klageton in den Lüften vernehmen. „I-a droustto," flüsterte Guenn erschrocken und bekreuzte sich.
„Es ist jetzt Zeit," sagte der Priester, und eilte nach der Sakristei. An seiner Brust barg er das kostbare Kästchen, mit dem Viatieuw, die Stola in ein Teertuch gehüllt, verwahrte er in der inner» Tasche, dann ließ er sich von Brigitte eine Laterne reichen und schritt voran, nach dem Ankerplatz. Das Boot lag geschützt, doch stand das Wasser hoch darin. Es war eine Art Rettungsboot, das Thymert benutzte wenn man kein Segel aufhiffen konnte, die beiden Männer griffen zu den Rudern, Guenn hing sich die Laterne an den Arm und übernahm das Steuer. Es schien säst ein Ding der Unmöglichkeit, vom Lande abzustoßen; immer und immer wieder wurden sie nach dem zurückgsworfen, fast bis zu dem düster beleuchteten einzigen Fenster der Kapelle.
Vom Fort der Cigogne stieg eine zweite Rakete auf — Thymert beugte das Haupt und sprach ein Stoßgebet zu unserer lieben Frau, dann warf er den Kopf stolz zurück und sandte seine mächtige Stimme über die zürnenden Wogen. (Forts, folgt.)