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98. Amts- und Änzeigeblatt für den Sezirk Calw. 82 . Jahrglmg.

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Ersch«inunz«tage: DienStaz. Donnerstag. Sams- tag, Sonntag. JnsertionSprei» 10 Psg. pro Zeile für Stad t und Beztrlsorte; außer Bezirk IS Psg.

Samstag, de« 22. Juni 1907.

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Tagesneuigkeiten.

Nagold 19. Juni. Das Mädchen, das vor 14 Tagen im Walde von einem Handwerks­burschen beraubt worden sein soll, hat jetzt ein­gestanden, daß sie gelogen und den Landjäger» Untersuchungsrichter und Oberstaatsanwalt dadurch getäuscht habe, daß sie mit dem vom Nasenbluten beschmutzten Sacktuch sich das Gesicht verschmiert hat. Der wegen der erdichteten Anzeige ver­haftete Handwerkrbursche dürfte bald wieder in Freiheit sein.

Horb 20. Juni. Die Heuernte ist hier und in der Umgegend in vollem Gange. Sie fällt in jeder Hinsicht ausgezeichnet aus. Guter Wiesenheu wurde mit 2.10 ^ per Ztr. verkauft.

Stuttgart 20. Juni. Die Zweite Kammer hat heute die Beratung des Kultus- etats beim Kapitel 72: gewerbliche Fortbildungs­schule, fortgesetzt, wobei gewünscht wurde, daß der Ausbildung der Mädchen in der Haushaltungskunde mehr Aufmerksamkeit geschenkt werde. Minister v. Fleischhauer versprach, diesen Wunsch bei Revision der Fortbildungsschule zu berücksichtigen. Weiter be­merkter, daß die Ausbildung der Gewerbelehrer je nach ihrer späteren Aufgabe nicht nur in der Baugewerke­schule, sondern auch in der Kunstgewerbeschule er­folgen werde. Beim Kap. Gymnasium :c. stand ein Antrag der Volkspartei zur Beratung, die Verstaat­lichung der Gymnasien, Realgymnasien, Latein- und Realschulen in Erwägung zu ziehen. Der Bericht­erstatter v. Gauß (Vp). wies nachdrücklich darauf hin, daß die Gemeinden außer der Pflicht, zu zahlen, keinen Einfluß auf diese Schulen haben und daß dieses System inkonsequent, ungerecht und schädlich sei. Die Gemeinden strebten nicht darnach, diese Schulen zu übernehmen, wohl aber müsse der Staat Einrichtungen, über die er verfüge, auf seine Kosten treffen. Der Redner empfahl weiter die Reform­schule, bezeichnte die Ueberbürdungsklagen als vielfach übertrieben und verlangte dringend die

Durcharbeit, namentlich in den größeren Städten. Eine Aenderung der Ferienzeit sei nicht notwendig, die Versetzungsprüfung unentbehrlich und die Be­zeichnung Oberprima und Obersekunda sinnlos. Der Abg. Nägele (Vp.) trat gleichfalls für diesen An­trag ein und zwar aus Gründen des Rechts und der Nützlichkeit. Der Antrag wolle die Regierung nur zu Erwägungen einladen. Elsas (Vp.) übte an den humanistischen Gymnasien wegen ihrer Be­vorzugung der alten Sprachen eine Kritik. Die Gymnasien seien eine Halbheit; es fehle ihnen an klaren, festen Prinzipien, vr. Hieb er (D. P.) begrüßte die Einheitlichkeit in der Berechtigung der höheren Schulen und betonte, daß das Gymnasium nicht ein möglichst großes Quantum von Wissen in den Schüler hineinzubringen, sondern vor allem die Aufgabe habe, den Reiz zu weiterem Wissen zu wecken. Die Hauptsache sei die geistige Gymnastik in den jungen Köpfen. Die Zeit sei gekommen, die Reformschule auch in Württemberg einzuführen. Es hätte schon viel Geld gespart werden können, wenn man statt 2 kleinen einander Konkurrenz machenden Anstalten eine Lebenskräftige eingeführt hätte. Die Reformschule habe nur noch einen Haken: das Landexamen. Die Klagen über Ueberbürdung seien übertrieben. An der vorhandenen Nervosität sei nicht so sehr die Schule, als das Elternhaus schuld. Nicht möglich sei die Durch­arbeit und die Abschaffung der Versetzungsprüfung, der Redner erklärte dann seine Zustimmung zu dem volksparteilichen Antrag und befürwortete einen Antrag der Kommission betr. genaue Aufstellungen über die Beteiligung des Staats und der Gemeinden an den Kosten der höheren Lehranstalten. Drei weitere Redner der Volkspartei warfen keine neuen Gesichtspunkte in die Debatte. Hey mann (Soz.) widersprach dem Antrag der Volkspartei zwar nicht prinzipiell, befürchtete aber von ihm eine Ver­zögerung der viel wichtigeren Verstaatlichung der Volksschule. Nach einer Erwiderung des Bericht­erstatters wurde die Beratung in vorgeschrittener Stunde abgebrochen.

Stuttgart 20. Juni. Die Kommission

für Gegenstände der inneren Verwaltung erledigte gestern den Gesetzentwurf betr. Abänderung des Aurführungsgesetzes zum Unterstützungswohnsitz­gesetz, d. h. die Zusammensetzung der Land­armenbehörden. Berichterstatter war der Abg. Schick. Die Vorlage wurde unverändert an­genommen. Weil jedoch der Schlußsatz bestimmt, daß kein Bezirk mehr als. zwei Fünfteile der Gesamtmitgliederzahl bestellen darf, und dadurch die Mitgliederzahl, die nach dem Umlagefuß auf auf die Stadt Stuttgart entfallen würde, von 26 auf 16 reduziert werden muß, würden noch einige Schutzbestimmungen gegen etwaige Majori« sierungen der Stadt Stuttgart durch die andern Bezirke des Kreislandarmenverbandes beschlossen, wonach bei gewissen wichtigen Beschlußfassungen eine 2/3 Mehrheit der Abstimmenden verlangt wird. Außerdem wurde der Stadt Stuttgart eine ständige Vertretung im Ausschuß der Land­armenbehörde zugestanden und bestimmt, daß von den 4 Mtgliedern 2 aus den Vertretern Stutt­garts zu wählen sind. Die vom Gemeinderat Stuttgart gemachte Eingabe, worin um Durch­führung des reinen Steuersystems bei Aufstellung der Mitgliederzahl und demgemäß um Festlegung des Uebergewichts der Stadt Stuttgart über die übrigen Bezirke des Neckarkreises gebeten wurde, ist damit erledigt.

Stuttgart 20. Juni. Am gestrigen Nachmittag waren die Hallen des Hoftheaters nur für eine jugendliche Schar geöffnet: Der König hatte auf Veranlassung des Goethebunde» verfügt, daß für die Schüler und Schülerinnen der Bürger-, Mädchenmittel- und Volksschule beider Konfessionen eine Vorstellung von SchillersTeil" stattfinde. Ueber 1000 Schüler der obersten Klassen, der genannten Lehranstalten bis auf die Vororte hinaus, zu denen auch noch eine Anzahl Zöglinge der Paulinen- und Nikolauspflege sich

Var zischermädchen von der Bretagne.

Von B. W. Howard.

(Fortsetzung.)

Ich bin wirklich ein vom Schicksal selten bevorzugtes Menschenkind," sagte er eines Abends zu dem Priester.Was ich mir wünsche, wird mir fast immer zu teil. Das ist natürlich kein Verdienst, ich erwähne es nur als Tatsache. Ich bin eben ein Glückskind. Freilich habe ich auch keine übertriebenen Wünsche," fügte er fröhlich lachend hinzu.Außer meiner Kunst begehre ich nichts. Am ersten Abend, den ich in Plouvenec verbrachte, sah ich Sie und Guenn alle zwei in für mich äußerst fesselnden Stellungen. Ich nahm mir damals vor, Sie beide zu malen. Das Hab ich erreicht, finden Sie da nicht, daß es mir über Verdienst gut ergangen ist?"

Auf dergleichen heitere Reden ging Thymert selten ein. Hamor fand seinen Gastfreund überhaupt weit düsterer und unzugänglicher, als er für möglich gehalten. Wenn er daran dachte, wie ganz anders der Priester an jenem Morgen beim Frühstück gewesen, wie liebenswürdig, ja heiter er sich damals gezeigt, so mußten ihn der Ernst und die Förmlichkeit, die er jetzt an den Tag legte, eigentümlich berühren. Er glaubte die natürliche Ursache davon in Thymerts trostloser Umgebung auf den öden Inseln, und in dem eintönigen, trübseligen Wellenschlag des brandenden Meeres zu finden.

Erst am Abend, wenn Guenn fort war, kam die liebenswürdige Natur des jungen Priesters wieder zum Vorschein. Bis lief in die Nacht hinein saßen sie oft bei einander. Der Maler erzählte von seinen abenteuerlichen Erlebnissen im fernen Westen; er sprach einfach und bescheiden dem Manne gegenüber, dessen tägliches Leben so reich war an Entbehrungen und Gefahren. Thymert vernahm manches was seine Teilnahme erregte, oft entfuhr ihm ein Ausruf der Bewunderung, des tiefen Mitgefühls, der Begeisterung.

Dann schwieg er wieder, in seinem Blick lag ein unergründliches Fragen, er ward niedergeschlagen und unruhig. Mitunter zeigte er ein ungewöhnliches Interesse an Kunst Malerei, als strebe er dem wahren Wesen der Sache auf den Grund zu kommen, dann wieder überfiel ihn plötzlich eine düstere Schwermut, er achtete kaum mehr auf Hamors Erzählungen, murmelte halbverständliche Entschuldigungen, und stürzte aus dem Zimmer, um draußen in wilder Erregung auf dem Felseneiland auf und ab zu stürmen.

Thymert war oft zu Mute, M gehe er aus den Fugen, die Pflicht der Gastfreundschaft ward ihm zur unerträglichen Qual, er fühlte sich außer stände, sich und seine Umgebung zu verstehen. Keine Gefahr war vorhanden, kein Unrecht geschah, aber die unheimlichen Befürchtungen, die ihn unablässig verfolgten, schienen mit jedem neuen Tage eine bestimmtere Form anzu­nehmen. Er zitterte für die kleine Guenn, die er doch so sicher und glücklich sah, er fürchtete den Maler, zu Zeiten haßte er ihn sogar, obgleich ihm das einfachste Gerechtigkeitsgefühl sagen mußte, daß Monsieur Hamor eine durchaus harmlose, sonnige Natur war, die sich überall Freunde erwarb. Böse Vorahnungen beängstigten und warnten ihn; er fühlte sich namenlos elend, vermochte aber keinen vernünftigen'Grund für seine Befürchtungen zu entdecken. Dieser Zustand allein genügte, ihn unglücklich zu machen. Mochte er aber still und traurig in seinem Studierzimmer fitzen oder ver­geblich trachten, einen Anblick in Hamors ihm unverständliches Gemütsleben zu gewinnen, mochte er sich in seiner alten, fadenscheinigen Soutane trotzig emporrecken und in die Nacht hinausstürmen, mochte er sich mitteilsam und gastfreundlich oder abstoßend und ungeduldig zeigen Hamor war stets und überall sein eifrigster Bewunderer. Die Arbeitswoche auf der Insel, im steten Verkehr mit dem seltsamen, ihn mächtig fesselnden Charakter, erschien ihm als eine der reichsten, fruchtbarsten Episoden seine» ganzen bisherigen Lebens.

Der Priester war entschieden die gewaltigste Persönlichkeit, die er je