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Erzählungen für den Feierabend
Die ÄttrotteA stOet ckrs
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Der Dolomitenführer Johann Kruselberger »uS dem obersten Pustertal, den sie später den alten Stabelervater hießen, sitzt in seiner Stube und schwitzt. . ,
Es würgt ihm den Hals- Das Herz springt hastig auf und nieder. Die Finger zittern, dre um das Weinglas greifen und der kalte Schweiß steht auf seiner Stirn.
Damals im Rosengarten, als er drei Kirchturm hoch in der Wand hing, an einem einzigen schlechten Griff, und ihm em Stein- trumm auf die Finger schlug, da lachte er Oeha!" Als er im Ortler damals im wütigen Schneesturm Tag und Nacht um sein Leben kämpfte und ihn die Trafoier Führer halberfroren aus der Eisspalten klaubten, da meinte er bloß: „A bissele kalt isch es gwesen!" Und als ihn später einmal die Ampezzaner Führer im Schuttkar der Croda auf die Bahre legten, schaute er bloß über die Wand hinauf, die er herabgefallen war, die Schulter verrenkt, die Knochen zerschlagen, griff nach Kopf, Händen und Füßen und sagte bloß: ..Es fahlt weiter nix!"
Aber — Angst?
Es ist das erstemal tn seinem Leben, daheim in der Stube, daß ihn die kalte Angst schüttelt wie einen nassen Hund.
Er steht auf und schaut lange zur Stubendecke empor.
Aber oben bleibt alles still.
Wieder greift er um das Weinglas und tut einen Schluck. Aber der Wein schmeckt chm heute nicht, ein Zeichen, daß es weit fehlt.
Nun geht er mit großen Schritten in der Stube auf und ab.
Draußen vor dem Fenster ist die Dirn und läßt beim Brunnen den Kübel voll laufen. Der junge Postknecht drüben über dem Platz klopft seinem Schimmel die Seiten.
Er kann es nicht verstehen, daß die Welt heute genau so ist wie immer. Wieder bleibt er stehen und horcht empor. Es ist ihm, als habe er etwas gehört.
Mit zwei Sätzen ist er bei der Türe und ruft in den Gang hinauf: „Jscht was?"
Aber niemand gibt ihm Antwort. Er wischt sich mit dem Rockärmel über die Stirne und schaut wieder in seinen Wein.
So hockt er eine Weile.
Dann reißt er das Fenster auf und schreit zornig: ..Dirn, der Kübel ischt voll!"
Die junge Dirn nickt schnell noch einmal dem Postknecht zu, der fernen Schimmel einspannt und geht ins Haus.
Die Angst wird arg und ärger. Als alles vergeblich ist, nimmt er die Spielkarten mischt sie und gibt aus. Ein Spiel für zwei. Er nimmt sein Blatt, zupft den Schellkönig heraus und spielt aus. Dann rutscht er über die Bank hin. hebt das andere Blatt auf und trumpft mit der Schellfau drüber,
„Gstochn!" sagt er.
Jetzt hat er wieder sein Blatt und legt den Herzzehner vor.
„Hiez brauchst halt an Buam!" sagt er zur andern Seite hinüber.
„An Buam?" murmelt er und erschrickt über seine eigenen Worte.
Aengstlich horcht er wieder ?ur Decke empor. Dann schüttelt er den Kopf und haut mit harten Knöcheln den Herzbuben auf den Zehner hin.
..Standi . . . pedi". ächzt der Stabeler und holt einen brunntiefen Seufzer herauf, „kannst ihr nit sagen, sie soll a brssele warten? Es dauert ,a nimmer lang. Der Io- Hannes ischt grad mitten im Pasten, im Fuchspasten sagst —. dös versteht sie woll. mueßt es halt schian manierlich sagen. Er kimmt nacher glei. sagst, sie soll daweil no a biücle niedersitzen, bis es vorbei ischt!"
..Die Baroneß wartet nit". lacht der Hausknecht. ..dö will heut no ausm Hau- nold!"
äuslerin. die zwischen Schüsseln und Zu- ern sitzt und geduldig den Rosenkranz betet, ..es ischt ja no nix!"
„Bscht". deutet der Stabeler und tritt an das Bett.
„Mari", sagt er heimlich.
Da schlägt das junge Weib die Augen aus und schaut eine Weile den Mann an.
..Hans", sagt sie und lacht ein wenig. ..du schwitzt ja!"
„Bal es so viel warm ischt da herinnen", sagt der Stabeler und wischt sich über die Stirn.
Dann nimmt er ihre Hand sorgsam in seine groben Finger.
..Wia ischt es?" fragt er nach einer Weil.
..Allweil gleich", sagt die Mooslläuslertn schnell und das Weib nickt: „Allwell gleich."
»
Der Aranoerer
Bodo Rtmmermann
Akatte Aevge /
Von T k> lisbsl,
..Buam grad gnuel" sagt er mit sicherer Stimme, um sich selbst Mut zu machen.
Da geht die Türe auf. Es ist der Nomedi. der Neuwirts-Hausknecht.
„Hans", sagt er besorgt, „hiez schaug i dir schun a ganze Weil beim Fenster einer zue. Was ischt denn dös heut mit dir? Da hockst beim Wein und säufst nit und spielst Karlen und spielst do nit und stichst dir deine Trümps selber?"
Der Stabeler wischt das Kartenblatt zusammen.
Der Nomedi klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Mensch, dir fahlt was", sagt er.
Der Stabler schupft bloß die Achseln und schaut unsicher an dem Mannsbild aus und nieder.
Ter Hausknecht setzt sich umständlich an den Tisch, nimmt das Glas und trinkt es leer. „Dem Weindl fahlt nix", sagt er und wischt sich den Bart, „sahln mueß es bei dir. Bal einer da brösl-trucken neben dem Weinglas! hockt, wie a Häusl Elend, der ischt nit recht!"
Er beobachtete den Stabeler. wie er jetzt mit großen Schritten auf und ab geht.
„Hans, bischt epper krank?" sagt er.
„Krank nit", sagt der Stabeler. Als er wieder einen angstvollen Blick zur Decke emporwirft, schießt dem Romedi ein Blitz rns Hirn: „Ah so!" lacht er, ..Fuchspasten tuest!" "
.-Bfcht". tut der Stabeler, „nit so laut!"
„Ja. Hans, da kimm t hiez woll ung'legen". mernt der Romedi. „ischt epper bester, s geh zum Kaßlatterer. Aber die Baroneß — du woaßt ja, wie sie ischt. „Der Johannes!" hat sie gsagt, „der Johannes mueß Herl"
..Ah", stöhnt der Stabeler. „hiez kimmt ) ah no. grad hiezl"
„Grad hiez, sozusagen standipedi!"
Blaue Berge!
Von den Bergen strömt das Leben. Reine Lust für Mensch und Vieh. Wasterbrünnlein spat und früh Müssen uns die Berge geben.
Frische Matten!
Grüner Klee und Dolden sprießen: An der Schwele, schlank und sein. Glänzt der Tau wie Edelstein,
Und die klaren Bächlein fließen
„Ah. du Sakrawoltstuiselel Für den Hau- nold zahlt sie sufzehn Gulden und den Wein extra!"
Der Hausknecht schüttelt den Kops. „Bleib du lei da und tue Pasten. Hans", sag; er. „t geh halt zum Kaßlatterer. Der hat eh no nia so an fetten Brocken an sein Seil g'hängt!"
Der Romedi sieht, wie den Stabeler der Zweifel packt. Er greift nach der Tür.
„Wart", stöhnt der Stabeler.
„Woaßt, Hans, dös sein dem Kaßlatterer die liebsten, die leicht wie a Federl am Seil hängen, aber Pfundschwer zayln!"
„Mir ah", seufzt der Stabeler. Dann lasst er sich aus und tritt hinaus aus der Gang. Behutsam steigt er die Stiege empor, schleicht hin zur Schlafkammer und nimmt vorsichtig die Türschnalle zwischen die zehn Finger.
Es ist alles still drinnen.
„Bfcht". macht er zu sich selber, drückt die Schnalle nieder und schiebt sich, jo heimlich es geht, durch den Spalt.
„Um Gottschristiwillen, waS will denn dös Mannsmensch da!" zischt die alte Moos-
Grüne Saaten!
Aus dem zarten Blatt enthüllt sich Halm und Aehre, schwanket schön. Wenn die milden Lüste wehn.
Und das Körnlein wächst und füllt sich.
An dem Himmel
Strahlt die Sonn' im Brautgeschmeide; Weiße Wölkchen steigen aus.
Ziehn dahin im stillen Laus;
Gottes Schäslein gehn zur Weide.
„Mari", würgt der Stabeler hervor, „es kimmt alles z'samm heut. Der Romedi ischt kemmen und sagt, daß die Baroneß da ischt. Sie möcht, t soll sie aus den Haunold führn!"
„Die Baroneß därfst nit stehn lassn" sagt das Weib, „dö ischt unser böschte Kundschaft."
„Wia du halt moanst. Mari", sagt der Stabeler. „nacher mueß i woll gehn!^
Er drückt ihr die Hand. Dann greift er nach der Türe.
„Mooshäuslerin". sagt er heimlich, „tue achtgeben, was i dir schass, daweil t mit der Baroneß ausm Haunold bin: Bai es a Bue ischt, nacher hängst den blauen Kittel ausm Söller außen und bal es a Madel ischt. den roten."
Was ist das für ein goldener Tag! Du Morgensonne scheint auf die breiten Schindel- dächer, die noch naß sind vom Tau der Nacht Das ganze Dorf fängt zu dunsten an. Der Sonnenschein zittert in der Luft. Draußen, wo reif und schwer die Kornfelder der Jnnicher Bauern stehen, kriecht noch der letzte Morgen- nebel das Püstental hinaus. Ueber den Aeckern aber steht die Luft schon rein und ist voll vom hellsten Lerchensang. Dunkel steigt der Berg
wald auf. Durch den letzten zackigen Saum der Zirben leuchten die Türme oeS Haunold herab und darüber ist der schönste Sommerbimmel.
Die Baroneß springt daher, sie fprtzt den, Schnabel und pfeift schulbubenmaßig, sie schürzt den Rock und rennt in das nasse GraS« und wenn ihr auch der Stabeler langmächtig das Gattertor aufhalt, klettert sie keck daneben über den Zaun. Sie kann nicht einen Schritt lang auf dem Weg bleiben. Ball» ist sie vom, bald ist sie hinten und weiß nicht, wo aus, wo ein, mit ihrem Uebermut.
„Goaß, damische", denkt der Stabeler und sagt: „Baroneß, tue aufm Weg bleiben!"
Aber die Baroneß steht mitten im Schütthofbauer seiner schönen Hauswiesen drinnen, rupft etliches Gras aus und springt damit dem Stabeler nach, der, den Rucksack mit dem Seil hintoben, mit weitausgreifenden Schritten den Bergweg hinaufrennt.
„Johannes", ruft sie und hält den Strauß an ihr Mieder, „was steht mir besser, Margariten oder Vergißmeinnicht?"
„Na", sagt der Stabeler, bleibt stehen und schaut zurück ins Dorf.
„Welche?" fragt die Baroneß.
„Die andern!"
Da schüttelt sie verwundert den Kops und betrachtet ihn lange, wie er da steht und an ihr vprbeischaut hinunter ins Tal. Sie sucht seinem Blick zu folgen.
„Das Dorf ist noch ganz im Nebel", sagt sie. „Dös siech i selber. brummt der Stabeler und greift wieder aus- Die Baroneß mustert ihn wieder eine Weile und steckt die Vergißmeinnicht ans Mieder. Dann aber zupft sie ihre Margarite aus und ruft laut: „Er liebt mich!"
„Er liebt mich!" jubelt sie um den finsteren Johannes herum, vorn, hmten, überall.
„Und wissen Sie wer, Johannes?" fragt sie schließlich.
„Dös ischt mir Wurscht", sagt der Stabeler. „Mir auch", lacht die Baroneß, „ich weiß es ja selbst nicht, wer mich liebt! Drum freu ich mich ja so, Johannes. Er das ist der Wald, der Berg, der liebe Gott, die ganze Welt, alles! Alles liebt mich, alles!"
„Alles?" fragt der Stabeler, „der Schütthofbauer aber gnnß nit!" Denn sie springt schon wieder mit wehenden Locken und ausgebreiteten Armen in die Wiese hinein, tanzt in dem schönen Futtergras herum und rupft wieder einen Buschen Margariten ab.
Ehe der Stabeler in den Wald tritt, wirft er noch einen schnellen Blick hinunter ins Tal. Es kann ja nicht mehr lange dauern, bis die Sonne den Nebel ausgebrannt hat. Ueber dem Wald muß der Blick frei sein und dann wiÄ sich ja erweisen, wie alles ist.
So springt der Stabeler rn großen Sätzen, flink wie ein Hirsch, in den Wald hinein und oen steilen, steinigen Weg hinauf, daß die Baroneß keuchend hinterdrein stolpert.
Wie sie ihn endlich einholt, löst sie ihr blaues Busentuch und wirft es ihm von hinten um den Hals.
„Ziehen, Johannes!" keucht sie.
„Siehst es, Goaß, damische, hiez kimmst nimmer weiter", denkt der Stabeler und sagt: „So nit, Baroneß, anders!"
Er wirft etliche Seilschlingen ab, sie hält ich am Ende an. und so zieht er sie über den Waldweg hinauf.
„Langsam, Johannes, keuch» sie, „langsam!" Endlich nimmt der Wald ein Ende und tut sich auf. Mit einem Satz schnellt der Stabeler aus den letzten Bäumen heraus und späht hinunter ins Tal, das jetzt klar und sauber ist.
Die Baroneß fliegt im Bogen hinterher und sinkt völlig erschöpft tn die Moosbeerstauden.
„Nix", stöhnt der Stabeler. „no allwetl nix".
Dann wendet er sich zur Baroneß. „ES flunkezt mir alles so vor meinen Augen, t woaß nit, was dös ischt". sagt er. „Baroneß. hiez schaug amol du, du hascht die jüngern Augen. Woaßt woll. wo met Häusl ischt. glei entern Bach. Siechst du aufm Söller eppas hängen? Eppes BlaueS. ha? Oder eppes Rotes?"
Die Baroneß schaut auf. aber nicht tnS Tal. sondern auf den Stabeler und fragt' „Was soll denn hängen. Johannes?"
„A Kittel, a weiberner!"
Da schüttelt sie ihre Locken und will wissen. was das alles bedeutet. „Du siehst ja ah nit mehr wia i!" brummt der Stabeler. Sonst sagt er nichts mehr und richtet sich wieder zum Gehen.
Die Baroneß ist jetzt voller Neugier. So oft er sich umdreht und. die Hand über die Augen schattend, htnunterschaut ins Tal. bestürmt sie ihn mit Fragen. Aber er Mt jetzt überhaupt das Maul nicht mehr auf.
Wie sie schon die längste Zeit tn den Felsen klettern und eS einmal so ist. daß der Stabeler tn einem engen, finsteren Riß stehen muß. aus dem er nickt heraussehen kann, während die Baroneß eme halbe Seil- länge über ihm frei aus einer Kanzel stellt, ruft sie ihm hinunter: „Der blaue Kittel hängt, Johannes!"
Da schreit der Stabeler: „Nacher ischt eS a Bual"
Und steht mit einem Satz auf der Kanzel. .Mos" fragt er und schaut scharf hinunter in» Dorf, „t..»t stech ... nix!"