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Nun sind es nur noch zwei Tage bis zur feierlichen Eröffnung der XI. Olympischen Spiele. Berlin, die Hauptstadt des Reiches, der Schauplatz der bisher größten Weltspiele, ist gerüstet. Alle erdenkliche Mühe wurde darauf verwandt, Kämpfer und Zuschauer so gut wie noch nie unterzubringen, ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.Man wird die XI. Olympiade die .Wunder - Olympiade' nennen!" . . . schrieb vor wenigen Tagen eine bekannte Budapester Zeitung. Und tatsäch­lich, man kann, ohne voreingenommen zu sein, behaupten, daß noch nie Olympische Spiele so herrlich und so phantastisch ausgezogen wurden. Deutschland, das Dritte Reich Adolf Hitlers, ist Garant für die Durchführung der Spiele in olympischem Geist. Noch gute 48 Stunden, dann wird das Spiel der Völker beginnen. Das Spiel, für das sich eine ganze Welt interessiert.

Die Jugend baut die Brücke des Jriedens

Sie rillen »w l. ^ugasl,, kowmenöea Samstag, Me lugeoö üer Well! (Bild: Schlrneri

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Sommerjonne über Berlin, der Hauptstadt des Reiches. Flatternde Fahnen. Festlich ge­schmückte Straßen. Froh gestimmte Menschen. Olympia 1936. Fest des Friedens, Fest der Jugend!

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Irgendwo, in Amerika, in Afrika, in Austra­lien, packt einer seine Koffer. Mit ihm viele an­dere. Alles Menschen, die der nie vergehende Ruf der Olympischen Glocke aus dem grauen Alltag herausriß. Menschen, die mit größter Hingabe nur einem Ziel dienten: Kämpfer, Sieger für ihr Land zu werden.

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Ein Schiff gleitet über den Ozean. Ein Zug rast durch die Gegend. Beide geschmückt mit der Olympischen Flagge. Den fünf farbigen Ringen auf weißem Grund. Sie bringen Men­schen, die in die Stadt der Olympischen Welt­spiele wollen. Sportler und Sportlerinnen Auserwählte ihrer Nationen.

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Die heilige Flamme der Olympischen Fackel ist bereits unterwegs. Laßt eure Herzen höher schlagen! Dort, wo augenblicklich das Leben stärker Pulst als anderswo, wartet auf euch die Welt. Ihr sollt kämpfen, wie es sich für anständige Sportsleute ziemt. Sollt siegen, wenn ihr besser seid als die andern, sollt ver­lieren, wenn ihr es nicht seid.

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Ob aber du siegst oder ein anderer, spielt keine Rolle. Vielleicht ist es der Mann aus dem australischen Busch, vielleicht der aus dem Fernen Osten, vielleicht der aus Ame­rika? Wir wissen es nicht, wollen es nicht wissen. Denn schließlich siegst nicht du und nicht dein ritterlicher Gegner, sondern dein Volk, das du, Auserwählter, würdig zu ver­treten hast.

Geh mit mir ins Olympische Dorf! Sieh dir den Frieden an, der dort herrscht! Der Brücken schlägt über Tausende von Kilo­metern. Der dauerhafter ist, als papierene Verträge. Der nicht feierlichst unterzeichnet wurde, sondern eben da ist und bestehen bleibt, solange die Menschen, die ihn ge­schlossen. leben.

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Das ist es ja gerade, das Sichgegenseitia- kennen und -schätzen-Lernen. Etwas, was viele

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nicht verstehen werden, die es nicht erleben dürfen. Sieh dich um und du wirst sagen, noch nie friedlichere Menschen gesehen zu haben. Der Italiener und der Franzose, der Engländer und der Japaner, sie sind heute alle eins: Entschlossene Olympia-Kämpfer.

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Nun, da die Spiele immer näher rücken, ist alles Trennende gefallen. Alle haben nur, wie einst Baron de Coubertin, den Wunsch, in olympischem Geist zusammenzukommen, zu kämpfen, zu spielen, zu siegen. Wenn dann die Flagge eines Landes am Siegermast hochgeht, stimmen sie ein in die Hymne der glücklichen Nation. Freuen sich über den stol­

zen Sieger, der nichts tat als seine Pflicht, Nicht für sich, nicht für dich, für sein Volk!

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Und wenn ihr alle, die ihr zu uns gekom­men seid, wieder scheidet, wir werden euch

nicht vergessen. Sondern mit euch verbunden bleiben durch jene unsichtbare Brücke, die, ge­baut von der Jugend der Welt, nie vergehen soll.

Lrieb krarel.

Amerikas kunftfprmgerin Dorothy poyntonmacht in Schick"!

Beobachtungen im olympischen Schwimmstadion-Italiener mit Spanicrn verwechselt/von nnlliuili

Im Olympischen Schwimmstadion hört man mehr ausländische als deutsche Laute. Weshalb es sich schon lohnt, einmal etwas länger bei den farbenprächtig gekleideten Aktiven und Zuschauern zu verweilen. Da sitzen die Mexikaner mit breitrandigen Strohhüten, die unter dem Kinn von einer langen Kordel zusammen­gehalten werden.

Blaue, rote und gelbe Tücher haben sie um die Schul­tern geschlungen, und mit ihren kan­tigen Gesichtern erinnern sie leb­haft an den von uns so oft bewun­derten Film-Cow­boy Tom Mix.

Nicht weit davon stehen die Philip­pinen. Rote Jok- keimützen tragen diese kleinen brau­nen Burschen. In blauen Overals, daneben die Män­ner aus dem Moh­renland, lies Aegypten. Statt­liche Athleten mit schwarzen, krausen Haaren und gera­dezu phantastisch leuchtenden Augen.

Klein und beschei­den ein Japa­ner im grünen Trainings-Anzug.

.Wie eine Katze folgt er mit den Blicken der Trai­ningsarbeit der Schwimmer Ame­rikas. Nichts ent­geht ihm! Nicht der schnelle 50-Meter- Spurt Peter Ficks, nicht der kurze Tempogalopp Jack Medicas. Er ver­folgt jede Bewe­gung der amerika­nischen Trainer, steht hier als Beobachter und wird nachher seinen Landsleuten genau be­richten, wer Japan den Sieg in der und der Konkurrenz streitig machen könnte.

Die Amerikaner haben also heute das Stadion eine Stunde für sich allein. Da ist Elisabeth Ryan, die mit ruhigen Zügen über lange Strecken geht, und daneben Dorothy Schiller, die mir mit Lachen erzählt, daß ihre Vorfahren ausGermany" ausgewandert seien. Am meisten Aufsehen erregte wieder Dorothy Poynton, die immer in Schick macht. Karminrote Finger­nägel, tollgeschminkte Lippen, scharf rasierte Augenbrauen und vor der Nase ein kleines Hartgummiplättchen. Letzteres soll die Nase beim Sprung vom hohen Brett vor zu hartem Aufschlagen schützen. Bei so täglich 20 bis 30 Trainings- sprüngen vom Fünsmeterturm ist dies also

schon notwendig. Sie springt wundervoll die kleine lustige Dorothy. Waagrecht wirst sie den Körper in die Luft, dreht blitzschnell Ueberschlüge und Saltos, um sich daun vor dem Eintauchen ins Wasser kerzengerade zu strecken. Nicht ein einziges Mal kommt sie mit

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der Breitseite aus die Wasseroberfläche, im­mer Pfeilt sie kerzengerade in die Tiefe. Un­ten auf dem kleinen Brett arbeitet die drei­zehnjährige Marjorie Ger st ring, Amerikas jugendliche Sprungmeisterin. Sie besitzt eine mcht mehr zu übertreffende Kon­zentration und Exaktheit.

Silentium für Frau Palucca

Langsam schlendern wir hinüber auf einen der Nebenplätze. Marschtakte tönen uns ent­gegen. Dort übt man Reigen und Tänze mit einigen tausend Mädchen. Zur Umrahmung der sportlichen Wettkämpfe! Mit Keulen und Medizinbällen schwingen und werfen die gleichgekleideten Mädchen im Takte der Musik, bilden Kreise und Linien in wunder­voll beschwingtem Nythmus, um schließlich in großem KarrS zu enden. Eine scharfe Stimme ertönt durch den Lautsprecher

Silentium für Frau Palucca." Sie schwebt herein, diese weltberühmte Palucca und füllt mit ihren federleichten Schritten spielend die ganze weite Fläche.

Carramba...

Und wieder gehen wir weiter auf einen anderen Platz. Zur Trainingsstätte der Leichtathleten. Zwei kleine Berliner Jungen drücken sich am Gitter die Nase Platt.W att is 'n dett vor u e Nation?" Sagte der eine. Darauf der andere:Quatschkopp. Hörste dett u i ch. dett die imma Carramba sagen?" Daneben geschossen, mein Junge, das sind keine Spanier, sondern Italiener.

Eben schickt der weißhaarige Trainer die 4X100 - Meter - Stassel aus die Reise. Die Frauen sind an der Reihe. Ganz klappt es noch nicht, aber immerhin sieht man, daß gutes Material vorhanden ist. Als die Mädel fertig sind, schaue ich mich verzweifelt nach einem Dolmetscher um. Und da kommt eben in seiner ganzen Größe der bekannte Stutt­garter L-portphotograph Bon, der in Ber­lin neben vielen anderen Bildberichterstat­tern für die NS.-Presse arbeitet, über den Nasen marschiert.Hallo Bon, kannst du Italienisch?" rufe ich spaßeshalber und traue meinen Ohren nicht, wie er an­standslos eine Unterhaltung mit den Italie­nerinnen anfängt. ... Tutti srutti, nella spinozza ... so geht das wie der Teufel. Argorni, Bongiovani, Bullano und Bacher sind die Namen der Läuferinnen, während Fräulein Nabaghietti als Trainerin funk­tioniert. Natürlich gefällt es ihnen im Olym­pischen Dorf und im Reichssportfeld. Sie­ge s a u s s i ch t e n ? Ja, an die deutschen Frauen trauen sie sich nicht ganz heran, aber sie werden bis zum letzten kämpfen.

Fünfzig Meter Diskus nebenbei

Einige amerikanische Athleten sind auch da. An der Spitze dieüberlebensgroßen" Diskuswerfer Carpenter und Dünn. In geradezu aufregender Gemütlichkeit gehen sie mit dem Diskus um und drehen ihn ohne onderliche Anstrengung hinaus. 50 Meter rud das immer mit erstaunlicher Regel­mäßigkeit! Nicht weit davon spielen die Muskeln der Hammerwerser. Der mittel- große Favor läßt den Hammer schräg über die Aschenbahn sausen, wo im letzten Augenblick einige seiner Kameraden noch zur Seite springen können. Im krassen Gegen­satz dazu das leichte Konditionstraining der inzwischen erschienenen Japaner. Der Stab­hochspringer O e schwebt wie ein Vogel mehr­mals über 4 Meter. Sein Landsmann Nishida beschäftigt sich einstweilen mit Startversuchen.

Regentropfen...

Freundlich gibt der weißbehelmte Schupo den Weg frei, als wir wieder zur Stadl zurückfahren. Es regnet in Strömen. Be­sorgt schauen die Berliner gen Himmel: Wird sich das Wetter bessern oder gibt es eine nasse Olympiade? Aber die all­gemeine Hochstimmung wird dadurch nicht getrübt. Berlin steht jetzt in Erwartung,des Olympischen Feuers, und wenn dann die Pylonen draußen im Reichssportfeld entzün­det sind, dann mag es regnen oder stürmen, dann kämpft die Jugend der Welt um den Olympischen Lorbeer, und diese ganze Welt hält dann den Atem an.