Mittwoch den 29. Juli 1936
Der Enztäler
94. Jahrgang Nr. 174
AlS der Maschinist am Kraftwerk in Kirche n- tellinsfurt den Rechen reinigen wollte, bemerkte er eine weibliche Leiche, Es handelt sich um eine Frau aus Mahringen, die sich auf dem Wochcnmarkt in Tübingen ein Körbchen Heidelbeeren angeeignet hatte und deshalb in Haft genommen wurde. Rach ihrer Entlassung suchte sie den Tod im Neckar.
Ein schwerer Unfall ereignete sich in dem Sand- öruch Spitzholz am Gerlinger Buckel bei Sind e l- singen. Bermutlich infolge der Ncgensülle in den letzten Tagen lösten sich plötzlich große Stein- und Gcrvllmassen und verschütteten den darunter arbeitenden 27j>ihrigcn Eugen Mayer, der eine schwere Rückgratverletzung davon, trug.
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Dieser Tage fanden die Schlnßprüsunge» an der Höheren M a s ch i n e n b a n s ch u l e Eh- lingen in den einzelnen Fachabteilungen der Schule mit den mündliche» Prüfungen ihren Ab- schlich. Es bestanden insgesamt 67 Prüflinge, und zwar 18 von der Maschinenbauabteilung, 29 von der Abteilung sür Feinmechanik und Mengenserti- gung und 20 von der Abteilung für Flugzcug- nnd Kraftwagenbau.
Sindelfingen, 28. Juli. tM i t d e m K o P f durch die A u t o s ch e i b e.) Ein mit seinem Fahrrad in scharfem Tempo den für Fahrräder verbotenen Weg von der Bäckerei Hörmann zur Zimmerstrabe heruntcrkom- mender zehnjähriger Junge suhr aus ein von unten heraufkommendes Personenauto mit voller Wucht aus. Durch den starken Anprall wurde der Junge buchstäblich durch die Türscheibe des Autos geschleudert. Blutüberströmt, mit schweren Schnittwunden am Kops und Gesicht und mit einer Gehirnerschütterung -mußte der Junge ins hiesige Krankenhaus verbracht werden.
Ts; unter den Trümmern des Wagens
Ludwigsburg, 28. Juli. Ein schwerer Unfall ereignete sich aus der Straße nach Marbach. Der 52 Jahre alte Zigarren- und Zigarettenvertreter Johann Luka selber von Ludwigsburg befand sich mit seinem Wagen aus der Fahrt, als ihm in einer Rechtskurve ein mit Kies beladener Lastkraftwagen entgegenkam. Der Personenwagen fuhr mit voller Wucht auf den Lastwagen auf und über schlug sich dann mehrere Male. Unter den Trümmern konnte man den verunglückten Fahrer mit furchtbaren Verletzungen nur noch als Leiche bergen. Er hatte einen schweren Schädelbruch und schlimme Gesichtsverletzungen- erlitten, außerdem war ihm der linke Arm ausgerissen worden.
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Ellwangen, 28. Juli. Die Justizpressestelle Stuttgart teilt mit: Am 28. Juli ds. Js., früh 5 Uhr, ist in Ellwangen der am 19. Januar 1877 geborene Christian Hammer aus Stillau, Kreis Ellwangen, hingerichtet worden.
Hammer, der vom Schwurgericht in Ellwangen wegen Mordes zum Tode verurteilt war, hatte am 11. Juli 1935 gemeinschaftlich mit seiner vermindert zurechnungsfähigen Tochter ihre in Blutschande erzeugten beiden Kinder im Alter von 4 und 8 Jahren in einem Tümpel ertränkt, um sich ihrer zu entledigen.
Wesen Msensthande verurteilt
Ebingen, 28. Juli. Dem Polizeiamt Ebingen wurde bekannt, daß der verheiratete Jude Louis Weil, Viehhändler in Haigerloch, mit der ledigen L. F. von hier rasseschänderische Beziehungen unterhielt und diese auch noch nach dem Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze fortsetzte. Er wurde durch hiesige Kriminalbeamte in Haigerloch festgenommen und hierher transportiert.
Um 21.1 v. s. weniger!
Die Wohlsahrtserwerbslosen Ende Juni 1936
Die Zahl der von den Fürsvrgcverbänden laufend in offener Fürsorge unterstützten und von den Arbeitsämtern anerkannten Wohlsahrtserwerbslosen betrug Ende Juni 1936 in Württemberg 617 oder 0,2 auf 1000 Einwohner. Auf Stuttgart entfielen davon
301 oder 0.7 aus 1000 Einwohner. Gegen- über Et>pe Mai 1936 ist die Zahl der Wohl- sahrtserwerbslosen in ganz Württemberg um 138 --- 21,3 V. H., in Stuttgart um 43 --- 14,1 v. H-. zurückgegangen.
rv. Die Neichsrundfunkkammer muß wieder einmal Lärm schlagen. Wegen des Lärms, den freigebige Volksgenossen ihrer Umgebung mit dröhnenden Lautsprechern aus allen Fenstern ihres traulichen Heimes spenden. Die in diesem Fall angeklagten Ruhestörer haben natürlich immer nur die Absicht, den Volksgenossen, die nun einmal kein Rundfunkgerät besitzen, mittels ihres auf höchste Stärke gedrehten Lautsprechers einen unentgeltlichen Empfang zu schenken. In diesen schönen Sommertagen hat das dann den Vorteil, daß der Radiofanatiker
ErkteWswerk der WwöbWen AI.
Der Landesbeauftragte des Jugendführers des Deutschen Reiches, Gebietsführer Sundermann, hat folgenden Befehl erlassen:
Wehrfreiheit und Nahrungsfreiheit sind die Grundlagen der Unabhängigkeit unseres Volkes. Vor uns steht die Sommerernte 1936, deren Einbringung infolge des Landarbeitermangels noch nicht gesichert ist. Es ist notwendig, alle verfügbaren Kräfte und Mittel einzufetzen, damit wir auch in den kommenden Monaten unser tägliches Brot haben. Die nationalsozialistische Jugend steht mit beiden Beinen im Alltagskampf und trägt die Sorgen des Volkes nnt. Wir wollen auch in diesem Fall anpacken.
Ich ordne daher den Einsatz der gesamten Schwäbischen Hitler-Jugend für die Sicherstellung der diesjährigen Ernte an.
1. Die Belegschaften sämtlicher Schwäbi» bischer Hitler-Jugend-Lager werden je drei Tage lang als Erntehilfsmannschaften eingesetzt. Die Bannlager (Hitler-Jugend) beteiligen sich an der Ernte selbst. Die Jungbannlager (Deutsches Jungvolk) helfen bei den Nacharbeiten (Aehrenlese). Die Lagerführer nehmen die Aufteilung gemeinsam mit dem Kreisbauernführer vor.
2. Die Landesbauernschaft wird sich mit den führenden Stellen der Wirtschaft in Verbindung setzen, um darüber hinaus die Freistellung der Jungarbeiter aus den Betrieben für diese Aktion zu erwirken. Ich erwarte, daß sich alle Kameraden, denen vom Betrieb diese Möglichkeit gegeben wird, uneigennützig in den Dienst dieses Hilfswerks stellen. Ebenso ist es für alle Studenten und höhere Schüler Ehrenpflicht, mit anzupacken.
Es muß der gemeinsamen Arbeit von Reichsnährstand und Hitler-Jugend gelingen, die Sorgen des deutschen Bauern und damit des ganzen deutschen Volkes zu mindern.
Hitler-Jugend, anpackenl
Zu dem Befehl des Gebietsführers hat die Landesbauernschaft Württemberg und die Sozialabteiluna des Gebietes 20 (Württ.)
folgende Ausführungsbestimmungen erlassen:
1. Der Kreisbauernführer setzt sich umgehend mit den Lagerführern der ihm zugeteilten Lager Persönlich in Verbindung und regelt mit ihnen den Einsatz der Ernte- hilfsmannschasten. Der Kreisbauernführer ist für die Zuteilung auf die einzelnen Orts- bauernschaften seiner Kreisbauernschaften verantwortlich, während der Ortsoauern- führer diese Frage innerhalb seiner Ortsbauernschaft zu regeln hat.
2. Die Kreisbauernschaft sorgt für Trans- Portmöglichkeit vom Lager zum Arbeitsort, sofern die Anfahrt nicht mit den Fahrrädern erfolgen kann.
3. In der Regel bleiben die eingesetzten Mannschaften bei den Bauern zu Nacht und werden im Bauernhaus verpflegt (falls ein tägliches Zurückkehren ins Lager wegen zu großer Entfernung nicht möglich ist). Da die Jungen, die die Lager besuchen und Erntehilfe leisten, ihren Lagerbeitrag trotzdem weiterbezahlen, werden die betreffenden Bauern oder Landwirte ersucht, den Jungen ein Entgelt zu geben.
4. Der Einsatz erfolgt in jedem Fall als Gruppeneinsatz. Der Junge darf nicht län- aer als 3 Tage beschäftigt werden. Der Lagerführer gibt in jedes Dorf einen Führer mit, der für die dort eingesetzten Jungen verantwortlich ist.
5. Als Erntehilfsmannschaften kommen die Hitlerjungen in den Altersstufen von 16 bis 18 Jahren in Frage; die darunterliegenden Jahrgänge der Hitler-Jugend und des Deut- schon Jungvolks werden lediglich zu Arbeiten nach der Ernte herangezogen (also z. B. Aehrenlesen usw.). Ueber die zum Einsatz kommenden Jugendlichen entscheiden in ledem Fall der Lagerführer und Lagerarzt.
6. Die Hitler-Jugend-Führerschaft trägt dafür Sorge, daß der Einsatz ihrer Käme- raden für den Bauern auch eine tatsächliche Hilfe darstellt.
Diese Aussüyrungsbestimmungen zeigen, daß der Einsatz der Schwäbischen Hitler- Jugend-Lager eine wesentliche Unterstützung für den Bauern bei der Einbringung der Ernte dieses Sommers darstellt. Die Hitler- Jugend steht damit wieder in der vordersten Front, wenn es gilt, zu helfen.
lemeswegs alle Sendungen zu Hause im unbequemen Lehnstuhl anhören muß, sondern er kann seinen Abendspaziergang durch die sonst so stillen Straßen unter ständiger Begleitung durch Beethovens „Neunte"' genießen.
So komisch es auch sür die Lautsprecherprotzen klingen mag — sie sind nicht einmal überall beliebt. Es gibt nicht wenige Menschen, die sich von der Tagesarbeit in wohltuender Stille erholen wollen und die im Lautsprecherlärm des Nebenhauses eine Belästigung sehen. Sie sind sogar so unhöflich, in besonders schlimmen Fällen, wenn wiederholte Mahnungen nicht helfen wollen, nach der Polizei zu rufen, die dann ihrerseits für den „Sozialismus der Tat" des unverbesserlichen Lautverbreiters nicht das geringste Verständnis ausbringt. Der Strafzettel winkt und zu den bösen Äugen der Nachbarschaft hat man noch eine, wenn auch verhältnismäßig kleine Geldausgabe.
Deshalb ein Rat in Gutem: Stellt eure Lautsprecher auf Zimmerstärke ein. Der Nachbar wird euch dankbar sein. Sollte er je einmal Wert auf Rundfunkempfang legen, so wird er sich immer noch an euch wenden können. Äber aufdrängen sollte man ihm das Nundfunkprogramm, von der Morgengymnastik zum Nachtkonzert, wirklich nicht.
MarktAerttAte
Amtl. Großmarkt für Getreide und Futtermittel Stuttgart 28. Juli. Das immer noch regnerische Wetter verzögert die Erntearbeiten. Für Weizen neuer Ernte besteht Bedarf für Anfang August. Es wurde von Niederbayern verschiedentlich gekauft. Die von dort vorliegenden Muster neuer Ernte waren teils mittlerer Qualität, teils von kleberreicher Güte. Für Futtergetreide besteht rege Nachfrage. Der Absatz in Mehl ist unverändert gut, ebenso in Mühlennachprodukten. Es notierten je 100 Kilogramm; württ. Weizen 76/77 Kilogramm, W. 7 bis 15. August Erzeugerfestpreis 20.70, W. 10 21, W. 15 21.40, W. 17 21.70; Roggen 71/73 Kilogramm Erzeugerfestpreis N. 14 ab 16. Juli 15.80, R. 18 16.30, R 19 16.50; Futtergerste, 59/60 Kilogramm, G. 7 ab 16. Juli Erzeugerfestpreis 15.70, G. 8 16; Futterhafer, 48/49 Kilogramm H. 11 bis 15. Aug. Erzeugerfestpreis 17.10, H. 14 17.60, Wiesenheu 5 bis 6, Kleeheu 6 bis 7, draht- gepreßtes Stroh 3.
Mehlnotierung im Gebiet des Getreidewirtschaftsverbands Württemberg. Preise für 100 Kilogramm, zuzüglich 50 Pfg. Frachtenausgleich frei Empfangstation. Weizenmehl mit einer Beimischung von 25 bis 30 Prozent Kernen Aufschlag 1 RM. Per 100 Kilogramm. Reines Kernenmehl 3 RM. Aufschlag. Weizenmehl mit einer Beimischung von 20 Prozent amtlich anerkanntem Kleberweizen 1.25 NM. Per 100 Kilogramm Aufschlag. Weizenmehl Basis-Type 790 Inland W. 7 Juli-Preis bis 14. Sept. 1936 27.90, W. 10 28.40, W. 14 29, W. 17 29; Noggen- mehl Basis-Type 997 R. 14 bis 14. August 1936 22.70, R. 18 23.30, N. 19 23.50; Kleiegrundpreise ab Mühle einschließlich Sack Weizenkleie W. 7 bis 14. Sept. 1936 9.95, W. 10 10.10, W. 14 10.30, W. 17 10.45; Noggenkleie N. 14 bis 14. Aug. 1936 10.10, N. 18 10.40, N. 19 10.50; Weizen- und Roggen-Futtermehl jeweils bis zu 2.50 NM. per 100 Kilogramm teurer als Kleie. Für alle Geschäfte sind die Bedingungen des Reichsmehlschlußscheins maßgebend.
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21j
Vor zwei Tagen war sie von ihrsr Reise zurückgekommen und hatte gestern bei Berkendts zu Mittag gespeist. Dort hatte sie von der Wunderentwicklung Prells und von seinem Sieg gehört, und das hatte sofort ihre übernommenen Verpflichtungen wieder wachgemacht. Außerdem gab es für sie dabei Geld zu verdienen. Zur selben Zeit rief Sebaldus an und teilte mit, daß er endlich die gewünschte Wohnung für Prell in seinem Haus gefunden hatte. Nun wurde sofort gemeinsam beschlossen, Prell am nächsten Morgen zu überrumpeln und mit seinen sämtlichen Sachen umzufrachten. Und das etwas exzentrische Fräulein Wäninger hatte darauf bestanden, diesen Umzug als Frau zu betreuen.
Erstaunt, fast entsetzt öffnete Frau Lütting die Tür. Sie spülte gerade Geschirr und ließ hastig die aufgekrempelten Blusenärmel über die nassen Arme herunter. Ängstlich öffnete sie die Tür zur guten Stube und bat die feinen Herrschaften, auf den grünen Plüschmöbeln Platz zu nehmen. Sie war froh, daß die immer lärmenden Kinder schon in der Schule waren.
„Ich hol' Herrn Prell schon", sagte sie eifrig, als sie sah, daß Herr Sebaldus durch die feuchte Küche in Roberts Kammer gehen wollte. Aufgeregt warf sie die Tür hinter sich zu.
Robert sah in dem blütenweißen Sweater, den er zum Morgenlauf anhatte, sehr nett aus. Verlegen begrüßte er Fräulein Wäninger und seinen Manager. Es war ihm einen Augenblick peinlich, als er die eleganten Leute auf dem ärmlichen Sofa sitzen sah.
, sah Robert neugierig an und bemerkte
tatsächlich eine Veränderung, die mit ihm vor sich gegangen n'c?' »Fabelhaft sehen Sie aus. Nun sind Sie also auf dem -esten Wege, ein berühmter Mann zu werden."
Verlegen wehrte Robby ab. Sein Manager lächelte väterlich.
Sebaldus zog ein ironisches Gesicht. „Natürlich geht es voran. In jeder Beziehung. Jetzt kriegen Sie sogar eine pikfeine Wohnung. Ich habe für Sie ein fabelhaftes Zimmer besorgt, mit eigenem Bad, wie für einen Fürsten. Wir können gleich Ihr ganzes Zeug mitnehmen."
„Ja, mein Wagen steht vor der Tür", bestätigte Herr Berkendt.
Robbys Stirn zog sich in unmutige Falten. „Wie meinen Sie das? Jetzt, sofort soll ich umziehen? Daraus wird nichts." Er war wütend. Wieder hatte man über seinen Kopf hinweg völlig eigenmächtig gehandelt. Ein Gefühl von Haß gegen den immer freundlichen und immer schleichenden Sebaldus stieg in ihm hoch. „Ich fühle mich bei Frau Lütting absolut gut aufgehoben."
Berkendts beruhigende Stimme ließ sich vernehmen. „Der Frau wird kein Unrecht geschehen. Die Sache werde ich regeln. Die Gelegenheit mit der neuen Wohnung war so günstig, daß wir fchnell zugegriffen haben. So was gibt's nicht alle Tage. Soweit mir bekannt ist, wußten Sie doch, daß Sie umsiedeln sollten." Er sah Sebaldus an.
„Gewiß, natürlich", bestätigte dieser eifrig. „Ich habe wiederholt mit Herrn Prell davon gesprochen. Nicht wahr?"
„Gewiß", brummte Robby, „Bloß so plötzlich —"
Ilse Wäninger lachte hell auf. „Unser Boxer fühlt sich bevormundet. Und ich dachte mir gerade, es würde ihn freuen und aussöhncn, wenn ich ihm ein bißchen behilflich bin. — Hier können Sie wirklich nicht wohnen bleiben, Herr Prell." Ein nicht mißzuverstehender Blick durchstreifte das Zimmer und ging durch die offene Tür in den Korridor hinaus, durch den ein dumpfer Küchengeruch zog,
„Ja, ja, versteh' ich schon." Robby sah es ein, aber sein Ärger verflog nicht. MN Qebaldus ging er nun in seine Kammer, um die wenigen Sachen, die er besaß, einzupacken.
Frau Lütting erschrak, als ihr Herr Berkendt mitteilte, daß ihr Mieter sie auf der Stelle verlassen würde. Aber
sofort beruhigte sie der nagelneue Fünfzigmarkschein, den er ihr dabei in die Hand drückte. Schließlich hatte ihr Herr Prell schon mehrmals gesagt, daß er bald ausziehen würde. Als Robby ihr zum Abschied die Hand gab, sagte sie bittend: „Kommen Sie uns bloß öfter besuchen, Herr Prell. Die Kinder werden's gar nicht glauben können, daß Sic weg sind,"
Robert nickte. „Js schon gut, Frau Lütting. Und dann geb' ich gleich noch 'ne Anzeige für Sie auf, damit Sie 'n neuen Mieter finden."
„Wenn Sie das doch tun würden, denn wär' ich Ihnen aber dankbar." Sie stand noch, solange sie Robert sehen konnte, an der Treppe und nickte ihm nach.
Erst als Berkendts Wagen in die Straße einbog, wo Robert von nun ab wohnen sollte, wurde ihm klar, daß er nun völlig unter Sebaldus' Aufsicht kommen sollte. Daß sich sein Unmut nicht in einem energischen, wütenden Protest auslöste, lag nur an Ilse Wäningers Gegenwart. Er beherrschte sich mit Gewalt. Aber es war keine Kleinigkeit, sein Temperament zu unterdrücken. Das Auto hielt vor dem Haus, wo Sebaldus wohnte.
Mürrisch betrat Robert die vornehme Wohnung im ersten Stock, die direkt über Sebaldus' Heim lag. Seine Laune wurde von Minute zu Minute schlechter. Stumm besah er sich das elegante Zimmer, in dem großartige Ledersessel standen und wo sich sogar ein Tischtelephon befand. Anschließend an den Riesenraum war ein Badezimmer, das, wie Herr Sebaldus vorhin gesagt hatte, tatsächlich das Prädikat „fürstlich" verdiente. Aber was nutzte ihm alles, wenn er das Bewußtsein haben mußte, ein unfreier Mensch zu sein. Lüttings hatten irgendwie zu ihm gehört, und hier war er ganz allein.
Herr Berkendt erriet seine Gedanken. „Die Wohnung liegt so besonders günstig, weil die neue Sportschule so nah ist. Es war ein glücklicher Zufall, daß sie frei wurde und Herr Sebaldus sofort zugegriffen hat."
(Fortsetzung folgt.)