Wir waren daheim ein Dutzend Kinder. Als einem der Arlteren aus dieser wurlenden Schar oblag mir oft die Aufgabe, die jüngeren Ge­schwister zu warten. Da ich für diese, einem weiblichen Wesen mehr zusagende Arbeit wenig Talent und Neigung zeigte, da ferner mein Sinn für Familie und Volksgemeinschaft noch gar nicht ausgeprägt war, ergriff ich regel­mäßig die Flucht, wenn die Anzeichen dafür sprachen, dag ich wieder einmal diese für einen frisch lebendigen Buben äußerst unangenehme Aufgabe übernehmen sollte.

In solchen Augenblicken drohender Gefahr rannte ich stets auf Schleichwegen zum Schnei­der am Berg hinaus, wo mich Mutterruf oder Vaterpfiff nicht mehr erreichten. Beim Schnei der am Berg war gut Hansen. Der alte Schnei dervater war mir sehr gewogen, weil ich ihm bei der Arbeit oft an die Hand ging, und mit . seinen schon älteren Buben konnte ich nach Herzenslust herumtollen.

Beim Schneider am Berg gab es zudem allerhand Köstlichkeiten, die einen Buben locken mochten, wie Walnüsse, gedörrte Apfel­schnitten, Zwetschgen und Birnen, mit denen der Schneioervater keineswegs geizte.

Nur auf der obersten Simse des Gefchirr- ständers hatte der Schneidervater einen Topf . aus Steingut, der mir schärfstens und streng­stens verboten war.

Bub", hatte der Schneidervater gesagt, rühr' ja diesen Topf nicht an! Das wäre dein Tod! Denn dieser Topf enthält das allergreu-

rn

llso, laß dir's gesagt . sein und merk' dir's! Ein Löffel voll von dem ! Gift wär' dein sicherer Tod!"

Wie graute mir vor dem unheimlichen Tops!

! Hätte mir der Schneidervater nichts von ihm gesagt, hätte ich ihn wohl gar nicht beachtet. Seine Warnung hatte nun meine Neugier ge­weckt, und ich nahm mir insgeheim vor, dieses entsetzliche Gift einmal zu besichtigen, wenn die Luft gerade rein wäre.

Ich erspähte also zunächst die Wege, wie ich am einfachsten und kürzesten diesen verbotenen Topf erreichen könnte. Ich hatte es bald her­aus: Den Schrägen an dem Geschirrständer rücken, auf den Schrägen den Herdschemel stellen, hinaufklettern und den Topf herunter­holen. So mußte es gehen.

Als dann einmal die Luft rein war, folgte dem Plan die Ausführung. Das ganze Schnei­derhaus war zum Heuen in die Waldwiefe. Ich hatte also stundenlang Zeit, mich mit dem unheimlichen Gifttopf zu beschäftigen.

Mit hochklopsendem Herzen holte ich den Steinguttopf vom obersten Sims des Geschirr ständers und entfernte den Verschluß.

Eine braunschwarze klebrige Masse starrte mir entgegen. Also, dachte ich, so schaut das greuliche Gift aus, von dem ein Löffel voll schon ein Roß umbringt. Mir schauderte und das Herz schlug mir immer höher.

He länger ich aber diese unheimliche braune ! Brühe anstarrte, desto mehr gewöhnte ich mich an den Anblick. Nun hätte ich zu gern gewußt, wie das Teufelszeug schmeckt. Ich überlegte: Wenn ein Löffelvoll ein Roß umbringt, dann kann mir ein kleines Pätzlein gewiß nicht schaden.

Im Vertrauen auf meine Bombengesundheit ! nahm ich ein Pätzlein. Es schmeckte gar nicht übel. So etwas Gutes hatte ich noch gar nie gegessen. Schade, daß es Gift ist! da könnte man den halben Topf ausleeren!

Ich wartete die längste Zeit, ob sich die vom Schneidervater prophezeiten Anzeichen der Vergiftung, nämlich Brechreiz und Bauch ; grimmen, einstellten.

Nichts rührte sich in meinen Eingeweiden. Ich war so gesund wie zuerst auch, und nahm das zweite Pätzlein, das mir gleich noch besser

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diesen Gifttops nicht anzurühren, m den Wuiü geschlagen halte. Mir erbarmten meine guten Eltern und Geschwister, wie ich mir vorstellte, wie sie über mein frühes Ableben untröstlich wären, so daß ich selbst die bittersten Tränen vergoß. Ich war wie aufgelöst. Den einzigen Trost bot mir der Gedanke, daß es in einer so großen Familie wie der meinen auf eines mehr oder weniger nicht ankomme, besonders nicht auf mich, der den guten Eltern soviel Verdruß machte, weil ich gar nicht Kinder warten wollte, wie auch heute wieder an die­sem Unglückstage.

Sicher war es eine Strafe des Himmels, daß ich heute zwangsläufig zu diesem gräß­lichen Gifttopf greisen mußte, damit mit meinem jungen Leben zugleich auch meinem Ungehorsam und meinen sonstigen Untaten ein für allemal ein Ziel gesetzt würde.

Oh. welches bittere Erwachen müßte es für mich in der Ewigkeit geben! Ich sah meinen Schutzengel, wie er vor Scham über meine Missetaten das Antlitz verhüllte. Ich sah das Buch des Lebens, in dem nur böse Streiche verzeichnet waren und keine einzige gute Tat. Was half es mir. wenn ich von jetzt an mein Leben gründlich bessern wollte und dazu die heißesten Vorsätze faßte, jetzt, wo mich der Sensenmann vielleicht schon am Schlaffittchen hatte?

In diesem Augenblick ging die Stubentür auf und herein traten der alte Schneider­vater und seine Buben. Sie machten alle große Augen, als sie mich in Tränen auf­gelöst im Bette liegen sahen.

Fragende Blicke gingen hin und her. End­lich. weil es ohnedies schon gleich war. be- quemte ich mich zu einem Geständnis. Ich

maiele stumm nach dein Gililop! aut dein Lims der Geichiirstäiideis und sprach un- tröstlich: ..Ich Habs probiert. Weil ich da­heim alleweil Krnderwarten muß. Das bringt mich sowieso noch um. Und da Hab ich halt Gift genommen!'

Ta brachen die Schneiderbuben in ein Ge- lächter aus. wie ich in meinem früheren und späteren Leben keines mehr vernommen habe. Wie die Wilden sprangen sie rm Zimmer herum, bis sie halbtot vor Lachen auf Tischen und Stühlen hockten und sich in einemfort bogen.

Nur der Schneidervater hatte seinen Ernst noch halbwegs bewahrt und er sprach zu mir. indes seine Mundwinkel zuckten:

Hast du viel von dem Gift genommen?"

Gut drei Dutzend Löffel voll", stöhnte ich im Todesschauern.

Siehst du", sprach der Schneidervater wieder,so straft Gott die bösen Buben. Wie eindringlich habe ich dich verwarnt, du sollst mir dieses Gift nicht anrühren. Aber auch du kannst nicht folgen. Und jetzt hast du die Bescherung!"

Muß ich sterben!?" jammerte ich.

Diesmal noch nicht", sprach der Schnei­dervater nun auch lachendweil in dem Topf kein Gift war. sondern Honig! Ich Hab dich nur probieren wollen, ob du folgen kannst."

Mit einem Sprung war ich aus dem Bett und hing dem Schneidervater am Halse.

GerettetI Das Leben war mir neu ge­schenkt! O Gott!

Merk dir's. das nächstemal ist kein Honig mehr im Topf, sondern wirkliches Gift!"

Ich Hab mircks gemerkt. Aber der gute Schneidervater scheint es verpesten zu haben. Denn es war auch später kein Gill, sondern wieder nur Honig im Topf.

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mundete als das erste

Und als sich auch auf dieses zweite Pätzlein keine Beschwerden einstellten, gewann ich das größte Vertrauen zu diesem Gift und die Ueberzeugung, daß mir überhaupt kein Gift schaden könnte.

Ich holte mir also einen Eßlöffel aus der Tischlade und nach Herzenslust, solang ich konnte.

Dann stellte ich den Topf wieder auf den Geschirrständer, rückte Schrägen und Herd­schemel an ihren Platz, wischte den Löffel an meiner Hose ab und legte ihn wieder in die Tischlade.

Das Gift hatte mir so ausgezeichnet gemun­det, daß ich mir gelobte, mich bei nächster Ge­legenheit wieder daran satt zu essen.

Für heute hatte ich genug.

Allmählich kamen mir aber doch Bedenken. Wie, wenn das Gift doch noch zum Ausbruch käme? Dann ist es dein sicherer Tod. Denn du hast nicht einen Löffel voll, der schon ein Roß umbringt, gegessen, sondern Dutzende!

Obwohl ich auch jetzt noch keinen Brechreiz und kein Bauchgrimmen spürte es war mir im Gegenteil pudelwohl von dem Gift überfiel mich doch eine greuliche Todesangst. Ich legte mich also, wie es sich für einen Ster- Lenden geziemt, in das Bett des Schneider­vaters, das in der Stubenecke stand, und war­tete auf die letzten Menschendinge.

Ich erbarmte mir selber über alle Maßen, daß ich so jung schon sterben müsse, und machte mir die bittersten Vorwürfe, daß ich die wohl­gemeinten Warnungen des Schneidervaters,

Sprechen Sie mir nicht mehr von Mitleid: wisten Sie nicht, wieviel Elend das Mitleid in die Welt gebracht hat?

Ich will Ihnen davon erzählen.

Es gibt in Italien, in den Bergen von Chiantt. mitten in diesem paradiesischen Gar­ten, in diesem Kranz aus Oelzweigen und Weinlaub, unter diesem seidenblauen Him­mel, einen Fleck, der so düster, so melancho­lisch ist. wie uur immer ein Ort sein kann, den finstere Zypressen wie Totensackeln um­stehen. Wie schwarzer Rauch quellen sie aus der Erde, wie ausqualmendes Erdpech. Allem andern, das sonst so üppig in diesen Bergen gedeiht, haben sie die Nahrung weggesrei- sen. Steil und steif, ein schwarzes Grab­gitter. stehen sie um die wenigen Hütten des Dorfs und um den einzelnen Turm, der hundert Schritte weiter ein kümmerlich zer­bröckelndes Dasein fristet, einziger Nest eines alten, längst zerfallenen Kastells.

Aus bestimmten Gründen, die nicht hier­her gehören, war ich gezwungen, eine Zeit an diesem traurigsten aller Orte zu leben. Ich hatte mir. da die Bauernhäuser doch gar zu erbärmlich waren, die einzige noch wohn­bare Kammer im Untergeschoß des Turmes notdürftig hergerichtet und verbrachte viele Tage und Wochen dort. Wenn ich nicht be­schäftigt oder aus einem Ausfluge war, lag ich meist am Fenster unter den Ranken eines vom Alter fast schwarzgewordenen Eseustocks und prägte meiner Seele das trostlose Bild der finsteren Berglandschaft ein, als die sich mir derheitere, sonnige Süden" hier dar­bot.

Es mag sein, daß die Härte und Dunkel­heit dieser Landschaft sich den Seelen ihrer Bewohner mitgeteilt hat, wie ähnlich in den von Uebermaß an Licht und Glut gesegneten Gegenden ein Uebermaß heftiger Leidenschaf, ten heranreist, die wir Menschen eines ge­mäßigten Landstrichs nicht kennen und nur unheimlich, mit einem ängstlichen Schauder empfinden.

Wie dem auch sei,. ich hatte manches beobachtet, das mir meine Vermutung zu be­stätigen schien. Was mich besonders traurig stimmte, war das Verhalten dieser Menschen zu ihrem Vieh. Wenn man sie darauf an­sprach, wie ich es anfangs vielfach tat, wenn man ihnen klar zu machen versuchte, daß die Tiere unter ihrer harten Behandlung litten, so begriffen sie es nicht einmal und waren, sei es aus Widerspruch, sei es aus Aerger und Trotz, womöglich das nächstemal noch unerbittlicher und grausamer.

So wurde ich einst von meinem Fenste:

eiber feil

er

aus Heuge, wie ein Maultiertreiber sein Tier in geradezu unmenschlicher Weise miß­handelte. Nicht genug damit, daß er es un­barmherzig mrt einem Stocke schlug: er fiel auch mit Faustschlägen über das arme Tier her, spie es an und nahm endlich gar zu rohen Fußtritten seine Zuflucht. Das Tier, ein Bild des Erbarmens, stand mit gesenktem Kops und ließ alles über sich ergehen, wohl an noch Aergeres gewöhnt.

Nicht so ich. Ich muß gestehen, daß die Häufigkeit solcher Vorgänge mich bereits all gestumpft hatte; hier aber war das Maß so weit überschritten, daß mir die Geduld riß. Ich rief und drohte zuerst vom Fenster aus; dann eilte ich aus den Weg hinunter und stellte den Mann ob seiner Erbärmlichkeit zur Rede. Es uwr. wie immer in solchen

Fällen: Er verstand mich gar nicht. Das Tier sei sein Eigentum. das war alles, was er mir erwiderte. er könne mit ihm tun oder lassen, was er wolle. Und wenn es ihm gefalle, könne er das Teufelsaas mit einem Stein totschlagen. Bei der Madonna, wer ihm das wehren wolle?

Ich sah wohl ein. daß ich ebenso gut mit einem Holzpflock, hätte verhandeln können. Das schlimmste war: Der Mann geriet über meinen Tadel in neue Wut, und da er sie an mir nicht auszulasien wagte, wandte er sich wieder der armen Kreatur zu und siel mit noch derberen Pässen und Stößen flu­chend und scheltend über sie her.

Länger vermochte ich es nicht mit anzu­sehen. Ich war da meine Geschäfte sich zufriedenstellend abwickelten gut bei Kaste. Kurzerhand legte ich meine Hand auf den Hals des Tieres und fragte:

Wieviel kostet es?"

Madonna!" rief der Tiertreiber und sah mich offenen Mundes an.

Es ist mein Ernst", antwortete ich.Was soll das Tier kosten? Vielleicht kaufe ich es."

Mit dem diesem Volke eigenen Handels­geiste durchschaute der Italiener die Sach­lage. Von der größten Wut zu plötzlicher Zärtlichkeit wechselnd, begann er. das Tier zu liebkosen und zu loben, klopfte ihm Hals und Schenkel, legte seine Wange an die des Tieres und strich seine guten Eigenschaften in so übertriebener Weise heraus, daß man sich im Orient hätte glauben können. Ich lachte ihm glatt ins Gesicht und unterbot den geforderten Preis so gründlich, daß er von neuem böse zu werden drohte. Da er aber Miene machte, seine üble Laune wieder an dem Tier auszulasten, steigerte ich mein Angebot, und wir wurden zu einem Preis handelseinig, den zu nennen ich mich heute noch schäme: für ihn war es ein über alles Matz gutes Geschäft: ich hatte meiner mit­leidigen Regung nachgegeben und stand nun da und sah mein neuerworbenes Eigentum an und dachte nach, wer von uns beiden wohl der grötzere Esel sein mochte .. .

Die Nacht über stellte ich das Tier, besten früherer Herr sich vergnügt Pfeifend und singend entfernte, im Burghofe unter, in besten Steingetrümmer dürres Gras und Disteln in Fülle wuchsen. Bis in den Traum verfolgten mich die traurigen Augen der ge­plagten Kreatur, die großen Ohren wurden zu Windmühlenflügeln und mein Kamps gegen die Herzlosigkeit dieser Menschen nahm die Form des Don Ouichotteschen Mühlen- rittes an. Dazu peinigte mich im Unterbe­wußtsein unablässig die Frage, was ich mit diesem lästigen und höchst überflüssigen Kost­gänger beginnen solle . . .

Sehr zeitig, als noch der Mond durch die Zypressen schimmerte, wurde ich von unge­wohnten Geräuschen wach. Der stille, sonst so tote Weg um meinen Turm schien sich be- sebt zu haben. Ich hörte Huftritte, Rufe und Schntte und nahm an. daß vielleicht ein Markttag oder ein Volksfest Leute aus der Umgebung anaelockt habe. Als jedoch der Lärm sich nicht entfernen wollte, vielmehr anschwoll und sich zu einer Flut nicht wie­derzugebender Flüche und Lästerungen stei- rie. beendete ich schnell meine Toilette und aute zum Fenster hinaus.

Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich vor meiner Behausung und bis weit in Dorf

Br»ue hinein den Weg von Eselrettern und -lreibern bedeckt sah. dre, kaum daß stx meiner ansichtig wurden, wie aui Kommando ihre Stöcke und Peitschen erhoben und aufs grausamste au! ihre Tiere einzuhauen be­gannen! In wenigen Minuten sah es brau- tzen aus wie aus einem Schlachtfeld. Nicht genug damit, daß diese Herz- und gewissen, losen Menschen ihre Tiere peinigten, es be- fürchtete auch jeder, daß ein anderer ihm zu- Vorkommen und ihn verdrängen könne und so schwirrte ost genug die Peikschenschnur dem oder diesem um die Ohren. Knüppek- schlage und Steinwürse Hagelten, eine Flut der gemeinsten Beschimpfungen goß sich über das stille Bergtal. die Esel wieherten röhr­ten und stampften. Staub stieg aus und das Geschrei und Gebrüll der Tiere und Men- schon mochte im Kleinen eine Vorstellung vom Lärm und Getöse einer Reiterschlacht vermitteln.

Denken Sie sich in meine Lage! Denn war nicht ich. war nicht meine Börse Ziel- und Mittelpunkt dieses Höllenspektakels? Wem es gelang, in die Nähe meines Fensters zu kom­men. der schrie mir zu:

..Kaufen Sie den Esel. Signore kaufen Sie, oder ich schlage das Brest zuschanden.

beim Himmel bei Christus corpo di Bacco. verrecken soll er!" Und mit Hieben und Stößen fielen sie immer wieder über ihre armen Tiere her. die nicht wußten, wie ihnen geschah.

Das hatte ich. das hatten sie von meinem Mitleid. Ich will nicht davon sprechen, wie grenzenlos komisch im Grunde diese Geschichte war. Tenn im Augenblick offen­barte sich mir nur zu sehr der Ernst meiner Lage. Und an den Schlägen und Stößen, die Mensch und Tier zuteil wurden, war wahrhaftig auch nichts Komisches!

Was hätten Sie getan vor so viel drohen- den Fäusten, so viel ausgeristenen Mäulern?

Ich wußte mir selbst keinen Rat. Aber wie man so ost in gefahrvollen Situationen just das rechte tut. obschon man nicht über­legt und sich nur dem augenblicklichen Ein­fall überläßt. so ging es mir. Im Grunde stand ja hinter dieser so drohend erscheinen­den Sache nur die unbegrenzte Kindlichkeit der Menschen: und nur etwas ähnlich Kind­liches. schon säst Kindisches konnte das Ganze lösen:

Jnstinktmäßlg zog ich mich vom Fenster zurück: augenblicklich rückte die ganze Bande nach, geschwungene Fäuste und brüllende Gesichter drohten zum Fenster hinein. Ich bückte mich und sah in einer Ecke, zwischen allerhand Gerümpel ein Stück Bleirohr stehen. Entschlossen ritz ich eS an mich. legte es an Schulter und Wange und ries, die Nohrmündung auf das Fenster richtend:

..Schert euch weg. oder ich schieße!"

Die größte Kanone des Weltkrieges kann nicht schneller und radikaler gewirkt haben, als meinLuft'gewehr! Wie Spreu stoben die draußen auseinander, die das Maul am weitesten aufgeristen hatten, rannten am schnellsten, es waren ihrer, die sich schreiend und strampelnd auf die Erde warfen, andere, die hinter Steinen Deckung suchten oder sich hinter ihre Tiere verkrochen, die sie eben erst mit Schimpf und Schlägen behandelt hatten! Wem es gelang, der schwang sich auf sein Reittier und suchte schreiend das Weite. Wer nicht aufsteigen konnte, der fand Schutz in den Wolken gelben Staubes die die Hufe aufwirbelten, und als ich gar ein ganz wenig mit der drohenden Mündung fuchtelte, da liefen, da rannten, da rasten auch die letzten davon, lieber ihre Tiere im Stich las­send. als länger dieser entsetzlichen Gefahr sür Leib und Leben ausgesetz! zu sein!

Sehen Sie, das war ja nur ein lustiges Nachspiel, und mit Fug und Recht mögen Sie heute darüber lachen, wie ich es auch hinterher getan habe. Aber sagen Sie selbst: Sind die Schläge und Püffe damit unge­schehen. sind die Prügel und Wunden auS der Welt, die unschuldige Tiere aushalten mußten, weil ich um eines von ihnen Mit­leid trug? Und ist es nicht unendlich be­schämend. wie leicht der Mensch aus einer ihm gefährlichen Lage herauszukommen ver­mag und wie schwer das Tier?

Kein Gelachter kann die Klage der ge- quälten Kreatur übertönen. Und das Scherz­hafte mag man über anderen und besseren Spästen vergessen. aber das stumme Leid und den Schmerz dieser Tiere vergesse ich nie.

Man muß immer früh aufstehen, mein Junge. Der Vogel, der am frühesten auf ist. bekommt den fettesten Wurm."Ja, Mutti, aber tür den fetten Wurm wäre eS doch bester gewesen, wenn er später ausge- standen wäre!"

Die Abc-Schützen werden eingeführt. Der Lehrer fordert die kleinen Schulneulinge aus, sich einen Platz zu wählen. Alles sucht und findet seinen Sitz. Nur ein Knirps setzt sich nicht. Der Lehrer sagt: ..Nun. Hermann, setz^ dich doch auck!" Darauf der Kleine: L dank schön i will mi net lang hier aufhalte!

HerauSgegeben Im Auftrao der NS-Pregc tembera von Hans RevbIna IMrn

Würl- a. D.»