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welche bei der vorjährigen Vormusterung als kriegs­brauchbar bezeichnet wurden, die den Schult­heißenämtern zugegangenen Beftimmungstäselchen am liukeu Backenstück der Halfter zu be­festigen.

Die erforderlichen Formulare für die An­legung der Vorführungslisten in doppelter Aus­fertigung und für die Aufforderung der Pferdebesitzer zur Vorführung ihrer Pferde sind den Schultheißen­ämtern bereits früher zugegangen.

Sollten weitere Formulare erforderlich sein, so wären solche unverzüglich vom Oberamt zu er­bitten. Bestimmungstäfelchen werden mit nächster Post hinausgesendet werden.

Auf dem Mnsterungsplatz ist an geeigneter Stelle ein Tisch mit 3 Stühlen, Tintenzeug und Federn aufzustellen.

Die Ortsbehörden sind für die vollzählige Vorführung der Pferde ihrer Gemeinden, für die geordnete Aufstellung und Vorführung der Pferde, sowie für die richtige Anbringung der Nummern und Beftimmungstäselchen an den Pferden verant­wortlich und können sich in Ausführung ihrer Tätig­keit von den örtlichen Polizeiorganen und der Land­jägermannschaft unterstützen lassen.

Die Polizeidiener sind rechtzeitig und genau zu instruieren.

Kurzer Vollzngsbericht ist spätestens bis '7. Juni ds. IS. unter Bezeichnung als .Militaria" zu erstatten.

Calw, 28. Mai 1907.

K. Oberamt.

Vo elter.

Die Ortsbehörden

werden noch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß auch die »ichtgestellungspflichtigen Pferde (s. oben ai) sämtlich in die Pferdevorführungsliste einzutragen sind, selbstverstänglich mit geeignetem Vermerk in Spalte 7 (etwa nicht vorzuführen).

Nur die neuesten Pferdevorführungslisten (mit Rotstift unterstrichen) können verwendet werden.

Es wird empfohlen, die Nummern derjenigen Pferde, welche vorgeführt werden müssen, in der Lifte mit roter Tinte zu schreiben oder wenigstens mit Farbstift zu unterstreichen.

Calw, 29. Mai 1907.

K. Oberamt.

Voelter.

Den Ortsbehörden

wird in Betreff der Wagen-Musterung Nachstehendes bekannt gegeben.

Die Fahrzeuge sollen vierrädrig sein, möglichst nur 10 nicht über 14 Ztr. wiegen, ein kräftiges Untergestell mit Achsen von Stahl oder Eisen und mindestens 18 Ztr. Tragfähigkeit haben. Sie müssen ferner mit 2 Steuerketten oder 2 Aufhaltern von doppeltem Leder und einer Hinterbracke (Wage) versehen sein. Das Vorhandensein eines Lang­baumes und einer abnehmbaren Wagendeichsel ist erwünscht, aber nicht durchaus erforderlich. Die Höhe der auf Nabe und Felgenkranz mit eisernen Reifen versehenen Vorderräder soll nicht unter80 cm, die der Hinterräder nicht unter 1 m und nicht über 1 m 60 cm, die Breite der Felgen nicht unter 5 und möglichst nicht über 8 cm betragen.

Nur die kriegsbrauchbaren Fahrzeuge sind in das Verzeichnis aufzunehmen und hei der Auf­stellung mit der Nummer der Fahrzeugliste zu ver­sehen.

Die Wagen dürfen in denjenigen Gemeinden, in welchen die Musterung nicht stattfindet, nicht vorge­führt werden, es unterbleibt somit die Vorführung der Wagen in folgenden Orten: Weiler und Ort Erstmühl, Dennjächt, Monakam, Ottenbronn, Holz­bronn, Dachtel, Oberkollbach, Speßhardt, Altbulach, Liebelsberg, Hornberg, Hofstett, Agenbach, Schmieh, Emberg, Zavelstein, Sommenhardt, Weltenschwann, Hünerberg, Meistern, Siehdichfür, sowie die von den verschiedenen entfernt liegenden Höfen und Mühlen.

Die Wagen und Pferde von Oberweiler werden in diesem Ort gemustert.

Calw, 29. Mai 1907.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesneingkeiteu.

Aus dem Würmtal 27. Mai. Gestern nachmittag brachen in unserem Tal, wo die Bezirke Böblingen und Leonberg zusammenstoßen, mehrere Gewitter aus, die von wiederholtem Hagel begleitet waren. Die Schloffen kamen in der Größe von Haselnüssen und richteten in den Gärten an den Setzwaren und Bäumen Schaden an, vom Steinobst wurden viele Früchte abgeschlagen, auch da« andere wurde mitgenommen. Wie weit

der Hagel an den Feldfrüchten geschadet hat. läßt sich noch nicht übersehen.

Stuttgart 28. Mai. In der Vorhalle des Landesgewerbemuseums ist am Sonntag die diesjährige Landesausstellung von Lehr- lingsarbeiten eröffnet worden. An Umfang steht sie den früheren Ausstellungen vielleicht etwas nach, dagegen ist bei den Arbeiten selbst in- sofern ein erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen, als den Bestimmungen der Zentralstelle gemäß ein größerer Nachdruck auf die rein Handwerks, mäßige Ausführung gelegt und sog. Schau- und Prunkstücke ferngehalten worden sind.

Eßlingen 28. Mai. Das am 1. Nov. 1902 mit einem Personal von 25 Leuten hier am Marktplatz errichtete Warenhaus der Firma Maier und Landauer aus Ravensburg hat letzten Samstag seine Pforten geschloffen und läßt näch­ster Tage die Restbestände des Warenlagers nebst der vorhandenen Geschäftseinrichtung durch den städtischen Auktionator öffentlich versteigern. Nach dem getroffenen Umbau, scheint die Firma trotz großartiger Reklame in Flugblättern und Geschenk­artikeln, eigenem Rabattsystem, Ausverkäufen, Sonderverkäufen, billigen Wochen rc. ihre Rechnung nicht gefunden zu haben, weil sie vorzieht, noch fünf Monate die Miete zu zahlen, ohne den Verkauf weiterzuführen. Dem Vernehmen nach soll zum Herbst ein Geschäft der Lebensmittelbranche, das sich selbst dasgrößte und leistungsfähigste in Württemberg" nennt, im gleichen Laden ein Zweiggeschäft errichten, worauf sich gewisse hiesige Kreise heute schon freuen.

Heilbronn 28. Mai. Ein reuiger Dieb hat dem Oberbürgermeister vr. Göbel 5 ^ zugeschickt, als Wertersatz für einige Balken, die seinerzeit beim Abbruch des alten Gaswerks entwendet wurden.

Altenriet O.A. Nürtingen 28. Mai. Vorgestern abend 8 Uhr zog ein Gewitter über unseren Ort; hierbei schlug der Blitz in die Scheuer des Bauern Fritz, welche alsbald in Flammen stand. Die Feuerwehr war rasch zur Stelle und so gelang es, das Feuer bald zu be- meistern.

Rottenburg 27. Mai. Von einem schweren Gewitter wurde heute mittag zwischen 3 und 4 Uhr unsere Stadt heimgesucht. Ein wolkenbruchartiger Regen begleitet von starkem Hagel stürzte nieder. Auf den dem Weggental und Seebronn zu gelegenen Straßen schoß das Wasser in Strömen daher, überflutete die freien Plätze und riß sich Bahn durch Gärten und Felder. Von der Stärke der heranwogenden Wafsermaffen gibt ein über 3 Ztr. schwerer Stein der aus einer Dohle gerissen und mitten auf die Straße gewälzt wurde, Zeugnis. Schlecht erging es auf dem heutigen Markt anwesenden Geschirr­händlern, denen die daherstürzenden Fluten einen großen Teil ihrer Ware fortführte.

Bruchsal27. Mai. Einfurchtbarer Unglücksfall ereignete sich gestern Abend. Der in Karlsdorf um 7 Uhr 12 Min. abgehende Personenzug mußte unmittelbar vor der Station Bruchsal anhalten. Zwei Männer stiegen, offen- bar in der Meinung, der Zug sei in der Station angelangt, aus. In demselben Augenblick fuhr aber ein anderer Zug vorbei, erfaßte die beiden Männer und zermalmte sie bis zur Unkenntlichkeit. Die Namen der Verunglückten find noch nicht ermittelt.

Frankfurt a. M. 27. Mai. Bei dem Transport des Eibenbaumes hat sich am Samstag ein Unfall ereignet. Ein 35 jähriger Tagelöhner schob die große Rolle unter, als plötz­lich die Maschine anzog. Die Rolle ging ihm mit dem ganzen Gewicht des Baumes von etwa 900 Zentner über die linke Hand, die völlig zer­malmt wurde. Der Verletzte kam ins Kranken­haus. Ueber den Transport des Baumes ist weiter zu berichten, daß in der Nacht vom Sams- tag auf Sonntag der schwierigste Schritt der ganzen Strecke getan wurde; das Ueberschreiten der Nordend-Trambahnlinien, was durch drei Dampfwalzen bewerkstelligt wurde. Heute früh wurde der Transport wieder ein Stück gefördert.

Man will in Zukunft die Fortschoffurg ausschließ, lich am Tage vornehmen. Deshalb werden die Straßenteile, durch die sich der Zug bewegt, je­weils polizeilich gesperrt.

Frankfurt a. M. 27. Mai. Die Luft­schifferin Fräulein Kätchen Paulus, die am Sonn- tag Mittag mit ihrem Drachen.Luftballon vom Zoologischen Garten aus aufstieg. hatte bei ihrer Landung mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Der Ballon wurde von einem Windstoß erfaßt und über den Main geschleift, sodaß die Luft­schifferin bis an die Brust in den Main geriet und in Groß-Welzheim ans Ufer gelangte. Sie kam wohlbehalten Adends noch in Frankfurt an.

Riga 27. Mai. Heute morgen drangen in das Dienstabteil eines Vorortzuges, in dem ein Kaffenbote mit einer größeren Geldsumme und drei Bahnbeamte saßen, während der Fahrt 5 Revolutionäre ein. Sie erschossen die drei Bahnbeamten, verwundeten den Kassenboten schwer, raubten das Geld und entflohen in den Wald. Der Ueberfall wurde erst nach Ankunft des Zuges gemerkt.

Käse KW du Mischen Kmolttm.

Von Jak. Vetter, Gründer der Zeltmission.

Was der Mensch säet, das wird er ernten. Wer Wind säet muß Sturm ernten." Das sieht man jetzt io recht in Rußland, besonders bei der Jugend. In jeder Revolution schwimmt die Zügelst) an der Oberfläche. Ter Sturm und Drang, das Rütteln am Feststehenden ist der Jugend Vorrecht. Jeder Jüngling macht eine Revolutions­periode durch, gewöhnlich still für sich oder im Kreise seiner Kameraden. Wenn aber die Zeit unter dem gleichen Sturm und Drang steht, wenn Un­zufriedenheit, Sehnsucht nach besseren, idealeren Ver­hältnissen, Kampf mit dem Feststehenden die Losungs­worte sind, dann wird die leicht bewegliche, leiden­schaftliche Jugend unwillkürlich zum Träger der Zeitströmungen, zum Sprachrohr des Volkes. Dies ist immer und bei allen Völkern gefährlich und kann leicht der Jugend selbst verderblich werden.

In Rußland hat die Jugend während der Re­volution eine ganz besonders große Rolle gespielt. Die Zöglinge der Universitäten, der verschiedenen Hoch­schulen, ja der Mittelschulen haben sich stets aktiv an der Revolution beteiligt, zeitweise Stätten der Wissenschaft zu revolutionären Konzentrationslagern gemacht und öffentlich und im geheimen sich in den Dienst der Politik, zum großen Teil der Revolution gestellt. Man kann das jetzige Rußland und seine Entwicklung der letzten Jahre nicht verstehen und nicht kennen, wenn man nicht die russische Jugend in Betracht zieht, die unserer Zeit den Stempel aufgedrückt hat.

Es wäre höchst ungerecht, wenn man die Be­teiligung der Jugend an den revolutionären Wirren dadurch zu erklären versuchen wollte, daß sie unter dem Deckmantelpolitischer Tätigkeit" sich unge­bundenem Wesen, dem Nichtstun und allerhand Exzessen hinzugeben suchte. Man muß im Gegen­teil anerkennen, daß die politischeErregungderStuden- tenschaft ursprünglich rein ideal war. Die Mißwirt­schaft des bureaukratisch regierten Vaterlandes war zu augenscheinlich, um nicht die jugendlichen Köpfe der Studenten zu erbittern und zu Demonstrationen zu treiben. Man kann mit Recht annehmen, daß die hervorragendsten Köpfe und die feurigsten Herzen in der revolutionären Zeit zu den politschen Führern in der Studentenschaft gehört haben und größtenteils dadurch dem Staat geraubt worden sind.

Als aber die Revolution in ein akutes Stadium trat, hätte die Studentenschaft sich allmählich aus dem politischen Kampf zurückziehen müssen. Dies wäre normal gewesen. Erst recht hätte dies geschehen müssen, als die Universitäten die langerstrebte Auto­nomie erhielten. Die politischen Fanatiker wären aus der Studentenschaft ausgeschieden und die Universitäten hätten ihren höheren, wichtigeren Auf­gaben dienen können. Die Studentenschaft widmet sich vollständig der Politik. Neben idealistischen Schwärmern und Fanatikern treten immer mehr unsaubere Elemente und Schreier in die führenden Stellen. Schließlich werden auch die Kinder aus den Mittelschulen herangezogen.

Die Revolution ist so roh und elementar, daß ihr auch ein Sextaner, der einige Schlagworte brüllen kann, als vollwiegender Politiker genügt. Die re­volutionären und liberalen Gesellschaftsschichten sind sogleich so kurzsichtig und barbarisch, daß sie diese Politiker" in ihren Dienst stellen, mögen Schule, Universität und die Zukunft des Landes auch darüber zugrunde gehen. Systematisch wird die wild «wordene Jugend in ihrem frevelhaften Spiel bestMt, jede