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Resolution einer nichtsnutzigen Schulklasse erscheint in den Blättern.
Dies alles muß dem Westeuropäer, der russische Verhältnisse nicht kennt, unbegreiflich erscheinen. Es läßt sich aber durch den russischen Volkscharakter, speziell durch das Verhältnis des Russen zu leinen Kindern erklären. Der Russe ist der denkbar schlechteste Pädagoge. Es gibt wohl kaum eine Jugend, die so schlecht erzogen ist, wie die russische. In der Familie sieht man gewöhnlich statt strenger, gerechter Ordnung, Disziplin — hätschelnde Affenliebe, Verweichlichung und fahrlässiges Gehen- lassen; wenn die Resultate dieser Erziehung zu grell an's Licht kommen, erfolgt mitunter eine Züchtigung. Von pädagogischen Grundsätzen bei der Behandlung der Kinder ist selten etwas zu spüren. In den Schulen herrscht bureaukraiischer Zwang statt Disziplin, die Lehrer sind häufig Vorgesetzte und Feinde, statt Leiter und Freunde zu sein. Sie selber leiden unter dem ertötenden Regelzwang. Bezeichnend für die Erziehung der russischen Jugend ist es, daß sie in der Lektüre gor nicht geleitet wird. Ja, man gibt in den Schulen l3jährigen Knaben „Anna Karenina", „Dostojewstki" usw. in die Hand. Während der Deutsche seiner „reiferen Jugend" das schale Zuckerwasser der Jugeudschriften einfiltriert, läßt der Russe seiner Jugend völlig freie Hand. Die Folge dieser Ueberschätzung der Jugend ist eine wirre Oberflächlichkeit, Frühreife und Selbstüberschätzung Die Jugend wird daran gewöhnt, Bücher zu lesen, die sie nicht versteht, über Dinge zu sprechen, die sie nicht kennt, mit Schlagworten groß zu tun, stets mitzusprechen und dadurch die Bewunderung der Eltern und Verwandten zu erregen. Andererseits herrscht eine große Abneigung gegen ernste Arbeit, und nichts wird in Rußland mehr gefürchtet, als daß man die Jugend überanstrengen könnte.
Wenn man die hier nur kurz angcdeuteten Erziehungsgrundsätze berücksichtigt und die Revolutionspsychose hinzunimmt, dann kann man sich eher erklären, wie es möglich war, daß die russische Jugend diese Rolle in der Politik hat spielen können. Nur so läßt es sich erküren, daß die Hochschulen mit Mühe der Vernichtung entgangen sind, Mittelschulen ihnen zu folgen drohten.
Das feste Vorgehen der Regierung im Kampf gegen die Revolution hat auch hier die zerstörenden Wellen zurückgcdrängt. Doch die moralische und geistige Verwilderung der Jugend wird nur sehr langsam zu brechen sein. Sie begann sich als Folge des ungesunden politischen Treibens sebr bald breit zu machen und zeigte sich in unsinnigen Resolutioren, welche Abschaffung der Elternautorität, freie Liebe usw. forderten.
Je mehr die Revolution zu verbrecherischen Mitteln griff und sich zersplitterte, desto stärker mußte auch die moralische Verwirrung innerhalb der revolutionären Jugend zunehmen. Und wenn auch ein Teil der Jugend zu ihren Pflichten augenscheinlich zurückgekehrt ist, so sind die Verhältnisse vielfach noch unleidlich, und die politisch akriven Elemente scheinen jeden Halt verloren zu haben. Man darf auch nicht vergessen, daß stets in revolutionären Zeiten unlautere Elemente sich ans Ruder drängen. So haben wir das traurige Schauspiel gehabt, Studenten und Schüler nicht nur als revolutionäre Agitatoren, sondern auch als Straßenränder, Mörder, Expropriatoren und Attentäter zu sehen. Daß im elektrotechnischen Institut z. B. kürzlich Bombenhülsen und Patronen gefunden worden sind, wird niemand wundern. Doch die schuldigen Studenten haben es ruhig geschehen lassen daß der unschuldige Büffetier verhaftet wurde und für sie leidet. Tie Feigheit stimmt nicht mit den hohlen Phrasen der Studenten. Das Traurigste aber von all dem Bösen ist: die Jugend will nicht mehr gehorchen sondern befehlen. Gymnasien und Universitäten sind kaum noch lebensfähig, ebenso alle anderen Mittel- und Hochschulen. Bisher gaben die Lehrer den Schülern Vorschriften und Zensuren, jetzt schreiben die Scküler den Lehrern vor, wie sie sich zu verhalten haben und verteilen Lob und Tadel nach dem Maß ihrer Erfahrung und Weisheit. So wird der „Now. Wr." aus Kasan berichtet: „Die Tore der Hochschule sind für alle von der Straße Kommenden geöffnet." Während der Vorlesungen versammeln sich in den Hörsälen, außer den Studenten und den Studentinnnen sowie den Hospitanten, Leute verschiedenster Art und in den verschiedensten, nicht immer der Würde der Hochschule entsprechenden Kostümen, die an der Buntheit nichts zu wünschen übrig lassen, dabei erscheinen viele Hörer und Hörerinnen in Galoschen und Winterpaletots in den Auditorien und behalten ihre Hüte und Mützen auf dem Kopf, wobei die Kopfbedeckungen in durchaus origineller Weise variiren: sogar in „Papachas," hohen struppigen Lammfellmützen, sitzen die Jünger der Wissenschaft vor den Professoren. Dabei legen sie sich in ihrem Benehmen keinen Zwang an. Während der Vorlesungen wird geraucht, wobei die Zigarrenstummel auf den Fußboden geworfen werden; laute Gespräche weiden geführt. Mütze und Sammelliste gehen von Hand zu Hand, wobei Spenden für politische Häftlinge, für revolutionäre Propaganda, für die Bewaffnung revolutionärer Organi- sctionen, für den Selbstschutz gesammelt werden. Während des Kollegs gehen die Leute aus und ein, schlagen die Türen zu und stampfen mit den Füßen. Unter solchen Verhältnissen sind die Professoren, im >
erst'ckenden Tabaksqualm, genötigt, ihre Vorlesungen zu halten! — In den Korridoren, vor den Auditorim stehen während der Vorlesungen Tischchen, an denen mit revolutionären Broschüren und Zigaretten ein schwungvoller Handel getrieben wird. — Zur Charakterisierung dieses Milieus der „akademischen Bürger" können unter anderen die vielen Bekanntmachungen, die in den Univeisitätsräumen ausgehängt sind, dienen: bald wird das Abhandenkommen von Galoschen, bald von Mützen oder gar von Paletots angezeigt. — Wie an anderen Hochschulen wird auch an der Kasanschen Universität die Vorschrift des Rektors, wonach Meetings nur zu den Stunden abgehalten werden dürfen, an denen keine Vorlesungen stattfinden, nicht berücksichtigt, ebenso wie die Vorschrift, daß bei den Meetings nur rein innere studentische Angelegenheiten ohne das Beisein externer Personen zur Sprache gebracht werden sollen. Auf Studentenmeetings wird über politische Fragen diskutiert, externes Publikum in bunter Mischung aus den verschiedensten Berufs- und Gesellschaftsklassen wohnt den Studentenversammlungen bei; auch Schüler und Schülerinnen nehmen an den Meetings teil. Revolutionäre Redner, die nichts mit der Studentenschaft gemein haben, tummeln sich auf diesen Versammlungen. Vergebens suchen Professoren, denen die Wissenschaft noch am Herzen liegt, gegendiesen Unfug Protestzu erheben. Sie können nichts gegen die Herrschaft der Radikalen Elemente mit dem „Studentenrat" an der Spitze ausrichten. Dieser „ Studentenrat" hat sogar seine eigene Kanzlei in einem Auditorium der Universität eingerichtet. Und es hat große Aufregung in der Studentenschaft und großen Lärm gegeben, als vor einiger Zeit, am 23. November, die Polizei einen indiskreten Blick in die Geheimnisse dieser eigenartigen „Kanzlei" tat. Der Rektor mußte die aufgeregten Studenten beruhigen. Er bat die Erklärung erlassen, daß die polizeiliche Visitation ohne seine Genehmigung vor- genomwen worden sei, daß der Schlüssel zum Auditorium, in dem sich die erwähnte „Kanzlei" befindet, in die Hände der Polizei geraten sei, und daß er, der Rektor, Maßregeln treffen werde, um die Interessen des Studentenrats zu wahren. Es ist vorgekommen, daß Studenten ihre Professoren vor ihre Versaumlungen zitierten und ihnen Bedingungen stellten, wenn noch weiter gelehrt und gelernt werden werden sollte. Das Schlimmste ist: die Herren Professoren gehorchen. Hier stellt die Jugend alles auf den Kopf und spielt verkehrte Welt. Tie Eltern helfen der Jugend in ihrer Tollheit. O arme Väter, was säet ihr für Unkraut! Was wird die Ernte sein? Man braucht kein Prophet zu sein und kann dieses Vorhersagen: Schauerliches Blutvergießen und > größere Anarchie! (Aus „Auf der Warte".)
Amtliche und Privatanzeigen.
Calw.
Stammholz-Verkauf
am Dienstag, den 4. Juni, vorm. '/-IO Uhr, auf dem Rathaus hier aus den Stadtw.
Meistersberg, Rudersberg und Reisig
Nadelholz 721 Stück mit 801 Fm.
Langholz: I. Klasse 97 Fm., II. Kl. 281 Fm.,
III. Kl. 209 Fm., IV. 150 Fm., V. Draufholz 1 Fm..
Sägholz: I. 30 Fm., II. 22 Fm., III. 11 Fm.
Eiche» (Küfer-, Säg- und Wagner-Eichen) 26 Stück mit 14,33 Fm.
Gemeinderat
Emberg Oberamt Calw.
Vergebung hon Bnnarveiten.
Die bei der Renovierung des Schul- und Rathauses, nebst Anbau von Schüleraborten hier vorkommenden Bauarbeiten, sollen im Submissionswege vergeben werden.
Die Kosten der einzelnen dabei vorkommenden Arbeiten sind wie folgt berechnet:
Schul- und Rathaus Schüleraborte.
Grab- und Maurerarbeit ....
. . 180
860
Zimmer-Arbeit.
. . 70
450
Gipser- „ .
. . 130
90
Schreiner- „ .
. . 230
120
Glaser- „ .
30
Schlosser-u.Schmiede-Arbeit . . .
. . 30
80
Flaschner-Arbeit.
90
Anstrich- „.
115
Tapezierung.
Blitzableitung (System Findeisen)
. . 250
Pläne, Kostenvoranschlag und Bedingungen liegen auf dem Rathanse in Emberg zur Einsicht aus, woselbst auch diesbezügl. Offerte bis Dienstag den 4. Juni nachmittags 4 Uhr einzureichen sind.
Den 21. Mai 1907.
Schultheitzeuamt.
N 0 t h a ck e r.
K. Amtsgericht Calw.
Gerichtstag
in Neuweiler wird am Montag, 3. Juni 1907, von vormittags ' -11 Uhr bis nachmittags ft-1 Uhr, auf dem Rathaus daselbst abgehalten.
Den 27. Mai 1907.
A.-G.-Sekr. Wurster.
K. Forstamt Hirsau.
Verkauf von Laub- und VadeLhoWammhoh
im Wege des schriftlichen Aufstreichs
aus dem Staatswald Ottenbronner- berg und Altburgerberg (Forstwart Möhle. Hirsau), Lützenhardt (Forstwart Ambacher, Hirsau) und Wecken- hardt(Forstw. Schulmeister,Naislach):
1. Laubholze
1 Eiche VI. Kl. mit 0,23 Fm., 37 Buchen mit Fm. 0,99 UI.. 4,87 IV. und 7,41 V. Kl.
2. Nadelholz:
Normales Langholz: 189 Fichten, 2097 Tannen und 341 Forchen mit Fm. 207 I., 304 II., 388III., 439IV. und 110 V. Kl. und Draufholz Fm. 25 IV. und 39 V. Kl.
Ausschußlangholz: 85 Fichten, 1218 Tannen und 808 Forchen mit Fm. 430 I., 667 II, 624 UI., 311IV. und 45 V. und Draufholz Fm. 47IV. und 22 V. Kl.
Normales Sägholz: 2 Fichten, 29 Tannen und 39 Forchen mit Fm. 25 I., 16 ll., 12 III. Kl.
Ausschuß-Sägholz: 3 Fichten, 75 Tannen und 84 Forchen mit Fm. 60 I., 34 ll. und 35 Ul. Kl.
Sortierung und Taxpreise wie bisher.
Tpe unterschriebenen Angebote find
verschlossen und mit der Aufschrift „Angebot auf Stammholz" bis Freitag, den 7. Juni 1907, vor 9 Uhr vormittags, beim Forstamt Hirsau einzureichen. Um 9 Uhr findet die Eröffnung im Gasthaus zum „Hirsch und Lamm" statt. Das Ausschußholz ist zu 100°/» der Taxpreise berechnet. Losverzeichnisse und Schwarzwälderlisten, sowie Formulare zu Angeboten können vom Forstamt bezogen werden.
Emberg.
Brennholzverkauf.
Am Freitag, de« 31. Mai, mittag- 1 Uhr, kommen auf hiesigen Rathaus:
22 Rm. Brennholz
aus dem Gemeindewald im öffentlichen Aufstreich zum Verkauf.
Gemeinderat.
Die Oedurt einer Doektsr reifen kockerireut an
ködert vinkelaolier L frau lodanna §eb. 2ieZIer.