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Verlag und Rotationsdruck: C. Merkliche Buchdruckerei. Inh. Fr. Biesinger Neu -lbürg (Württ.i
Amtsblatt für üas Oberami Fleuenbürg
Rr. 140
Freitag den 1». Juni 193«
94. Jahrgang
Neuorientierung ErotzbritannienS
Die Avlehr von den Sanktionen — AukenminMer Eden nnd Minitterprösident Valdwin
vor dem englischen Unterhaus
Die Mitarbeit Deutschlands ist für den Frieden Europas nicht zu entbehren und wir wünschen nichts Besseres, als mit Deutschland zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten. Das ist der Zweck, der dem Vertrag von Lorarno zu- grunöclag.
Es war der Zweck, an den anfeinanderfolgende britische Regierungen gedacht haben, als sie die Reparationsregelung verhandelten, die in dem gänzlichen Verschwinden der Reparationen in Lausanne gipfelte. Er hat eine hervorragende Rolle bei den Verhandlungen der Abrüstungskonferenz gespielt. Nach dem Zusammenbruch dieser Konferenz im Frühjahr 1934 hat die Regierung dieses Landes mit ihren Anstrengungen nicht nachgelassen.
Ich wünsche hier ans einen Punkt hinzuweisen. Im Februar letzten Jahres hat die gemeinsame britisch-französische Erklärung, die hier in London erzielt wurde, den Versuch gemacht, eine allgemeine Regelung zum Zwecke der Befriedung Europas zu erzielen. Es handelt sich um ein umfangreiches Uebereinkom- men für eine Anzahl europäischer Staaten, einen Luftpakt, ein Ueberemkommen über die Rüstungen, das die Rüstungsklausel des Vertrages von Versailles ersetzen sollte. Sehr bald hernach führte Deutschland die allgemeine Wehrpflicht ein, nnd die Lage wurde kompliziert, aber wir haben während des ganzen letzten Jahres in unseren Anstrengungen nicht nachgelassen, einen Luftpakt in Westeuropa zu sichern sowie ein Abkommen über die Begrenzung bestimmter Formen der Rüstung. Aus bestimmten Gründen hielten es die Deutschen für richtig, ihre Antwort aufzuschieben.
Das war die Lage, die ich Vorsand, als ich das Auswärtige Amt übernahm. Ich war der Ansicht, daß ich beweisen müsse, wie ernst mein Wunsch sei, freundschaftliche Verhandlungen mit der deutschen Regierung aufznnehmen, die den Zweck haben sollten, funktionierende Abkommen zu sichern, an denen dieses Land teilnehmen könnte. Infolgedessen wies ich unseren Botschafter in Berlin an, dem Reichskanzler zu sagen, daß ich seine Ansicht über die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und Deutschland teilte. Die nächste Entwicklung ging am 7. 3. vor sich, als
der deutsche Botschafter in das Auswärtige Amt kam, um mich davon zu unterrichten, daß deutsche Truppen an diesem Morgen in die demilitarisierte Zone hineingegangen waren. Die Plötzlichkeit der Handlung der deutschen Regierung erregte die größte Besorgnis in Belgien und Frankreich sowie in vielen anderen Ländern und in einem großen Teil Europas.
Unter diesen Umständen bestand die Politik der Regierung darin, die Besorgnisse zu beschwichtigen, um so eine Lage zu schaffen, in der Wohl erwogene Ueüerlegungen und sorgfältige Verhandlungen möglich sein sollten. Wir nahmen nicht an, daß die Handlung der deutschen Regierung rückgängig gemacht werden könnte und haben dies auch nicht verlangt. Wir ersuchten aber die deutsche Regierung, einen freiwilligen Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens zu leisten. Die deutsche Regierung fühlte sich leider hierzu nicht in der Lage. Wir haben alles getan, was wir konnten, um das Vertrauen wieder herzustellen und Besorgnisse zu beschwichtigen. Das war der Grund, warum wir am 19. 3. unsere Verpflichtungen und Garantien gemäß dem Locarnovertrag erneut bestätigten. Aus diesem Grunde stimmten wir Stabsbesprechungen zu, um die technischen Bedingnnp-n festzulegen, unter denen unsere Verpflichtungen im Falle eines unpropozierten Angriffes durchgeführt werden sollten. Darüber hinaus stellten wir klar, daß wir bereit waren, mit Frankreich, Belgien und Deutschland über neue Nichtangriffspakte und Sicherheitsabkommcn in Westeuropa zu verhandeln. Darüber hinaus war es für uns und Europa wichtig, Lessen versichert zu sein, daß Deutschland glaubt, daß ein Punkt erreicht worden ist, an dem es erklären kann, daß es den politischen Status Europas anerkennt, abgesehen !mvon natürlich, wie dieser späterhin durch freie Verhandlungen und Uebereinkommen abgeändert wird. Eine offene und beruhigende Antwort auf diese Fragen, dessen bin ich sicher, würde ein Signal für die Rückkehr des Vertrauens sein. Wenn eine Versicherung über diesen Punkt gegeben werden könnte, würden alle Elemente in der gegenwärtigen Lage gegeben sein, die
Sie einheitliche -rutsche Polizei
Diensteinführung de« NeichsfUhrers SS Himmler durch Dr. Trick
LA. London, 18. Juni.
Die mit großer Spannung erwartete Unter- hausfitzuna begann um 16 Uhr. Außenminister Eden, dessen Erklärungen schon am Mittwoch vom Kabinett gebilligt worden waren, hatte noch am Vormittag eine Aus- spräche mit dem Ministerpräsidenten Bald- w i n. Das Für und Wider der Aushebung der Sanktionen wurde am Donnerstag in allen Kreisen lebhaft diskutiert. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang? ist ein Aussatz Vernon Bartletts im „News Chro- nicle", der u. a. behauptete, daß, wenn Eden sich entschlossen habe, nicht zurückzutreten, dies auf seine Ueberzeugung zurückzuführen sei, daß der Völkerbund nicht so nahe vor dem Zusammenbruch stünde, wie die meisten seiner Kollegen dies glaubten, vielleicht sogar wünschten. Die Forderung, Italien wieder als alten Freund zu begrüßen — der Eden vielleicht Widerstand leisten werde —. würde von Leuten gestellt, die glaubten, daß Italien bereit sei, sich an der neuen Ein- kreisimgspolitik zu beteiligen. In den gleichen Kreisen arbeite man aber auch mit dem Argument, daß Italien den Briten mehrere Millionen Pfund schulde, zu deren Nückzah- lung es. bewogen werden müsse. Daß auch die Tochter Lloyd Georges, Miß Megan Lloyd George, in einer Frauenversammlung gegen die Aushebung der Sanktionen aufgetreten ist, ist eine der Begleiterscheinungen der britischen Innenpolitik.
Die mit Spannung erwartete Rede des Außenministers Eden enthielt zunächst die Feststellung, daß die britische Negierung den Beschluß durchführen werde, den man aus der nächsten Völkerbundsversammlung in Genf treffen wird. Die Negierung hat die Absicht, auch diesmal die Führung zu übernehmen. Wenn sich die Frage erhebt, was der Völkerbund tun soll, so muß man zugeben, daß der Zweck, zu dem man die Sanktionen auferlegt hat, nicht erreicht worden ist. Die Fortsetzung der Sanktionen, um einen Druck aus Italien damit auszuüben, hat keinerlei Nutzen. Die durch den erfolgreichen Feldzug Italiens in Abessinien geschaffene Lage kann nur durch "ine militärische Aktion von außerhalb rückgängig gemacht werden. Wenn der Völkerbund die Absicht hat, in Abessinien einen lölkerbundsfrieden zu erzwingen, dann muß ll-r Völkerbund zu einer Handlung schreiten. Ae unvermeidlich zum Krieg im Nittelmeer führt. Niemand kann aber Voraussagen, ob ein solcher Krieg aus Vas Mittelmeer beschränkt bleibt.
Tie britische Regierung ist nichi bereit, eine militärische Aktion zu unternehmen. Die Fortsetzung der Sanktionen würde aber nur zu einem Zusammenbruch der Sanktionsfron: führen, io daß sich der Völkerbund in Kürze in einer noch bedenklicheren Lage als jetzt befände. Die Zusicherungen auf Beistand im Falle eines Angriffs im Mittelmeer, die Großbritannien gegeben hat. werden mäh- lend der der Aufhebung der Sanktionen folgenden unsicheren Periode anfrechterhalten werden. Angesichts der Erfahrungen der letzten Monate hat die Negierung beschlossen, im Mittelmeer ständig eine Ver - teidigungsstellung aufrecht zu erhalten, die st ä r k e r i st als die vor Beginn des Streites. Die Völkerbundsreform muß bis zur Herbstsitzung verschoben werden, weil wohl kein Volk bereit ist, diele Frage aus der nächsten Versammlung zu behandeln.
Das Verhältnis zu Deutschland
Eden wandte sich hierauf Deutschland zu
Und „AH wünsche mich mit den Ver
handlungen zu beschäftigen, die die Regierung vernicht hat, ständig in Gang zu bringen, seitdem Deutschland das Rheinland im März wiederbesetzt hat. Die Regierung dieses Landes hat sich seit langem für eine Politik eingesetzt, vw aus dem Wunsche bericht, gute Beziehungen zwischen Deutschland und'den Ländern herzu st Wen, die seine Gegner im Kriege gewesen sind.
Berlin, 18. Juni.
In Durchführung des Führererlasses führte Reichsinnenminister Dr. Fr ick Donnerstag vormittag den mit der einheitlichen Zusammenfassung der Polizeilichen Aufgaben rm Reich beauftragtem Reichsführer SS. Himmler in sein Amt ein. In seiner Ansprache sagte Dr. Fr ick u. a.: Der Führer und Reichskanzler hat gestern mittag einen Erlaß vollzogen, mit dem er eine geschichtliche Tat vollbracht hat, deren Bedeutung gar nicht überschätzt werden kann. Es ist das erstemal in der tausendjährigen Geschichte Deutschlands, daß das ganze Reich eine einheitliche Polizeileitung besitzt, einen Führer der gesamten deutschen Polizei, der die Einheitlichkeit der Exekutive im Reiche verbürgt. Das ist wieder ein gutes Stück Reichs re form, an der wir seit drei Jahren mit Erfolg arbeiten.
Nachdem Dr. Frick noch einige Worte zu General Daluege gesprochen hatte, stellte er den versammelten Offizieren, Beamten und Angestellten der Polizeiabteilung den neuen Chef der deutschen Polizei vor und setzte dann, zu Neichsführer SS. Himmler gewandt, fort: Ich setze Sie hiermit in Ihren neuen Wirkungskreis als Chef der gesamten deutschen Polizei ein. Ich schenke Ihnen, lieben Pg. Himmler, mein volles Vertrauen und bin überzeugt, daß Sie die deutsche Polizei so formen und führen, daß sie in guten wie in schlimmen Tagen allen Eventualitäten gewachsen ist.
In seiner Ansprache stigte Neichsführer SS. Himmler n. a.: Wir sind ein Land
im Herzen Europas, umgeben von offenen Grenzen, umgeben von einer Welt, die sich mehr und mehr bolschewisiert. Wir haben damit zu rechnen, daß der Kampf gegen den alles zerstörenden Bolschewismus ein Kampf von Menschenaltern sein wird. Darauf ein ganzes Volk einzustellen und, wie die Wehrmacht zum Schutze gegen außen, die Polizei, zusammengeschweißt mit dem Orden der Schutzstaffeln, zum Schutze des Reiches nach innen auszubauen, darin sehe ich meine Aufgabe. Auf die Treue, den Geist und die Pflichterfüllung dieses soldatischen Korps kommt es an, ganz gleich, wo der einzelne steht, ob er Bote ist oder Ministerialrat. Ich weiß, daß Sie diese Treue und diesen Geist haben, und daß ich mich in all den Jahren der Zukunft auf Sie. verlassen kann. _
General der Polizei DaIuege. sagte: Wir können stolz darauf sein, datz in diesem Augenblick ein Traum in Erfüllung geht, den ich als SS.-Führer schon vor der Revolution geträumt habe, nämlich zu verbinden die Polizei der Bewegung mit der Polizei des Staates durch die Person des Reichsführers SS. Himmler. Es ist nun endlich möglich, zwei Teile, die zusammengehören, zunächst einmal organisato- risch zusammenzufügen, um sie dann auch ideell zu einem Korps nationalsozialistischer Ueberzeugung zusammcnzuschweihen. Diese Aufgabe zu erfüllen, dürfen wir stolz sein. Wenn die Schutzstaffel den Stolz hat, die Garde der Bewegung zu sein, so soll die Polizei im Deutschen Reich den Stolz haben, die Garde des Neickies zu sein!
uns gestatten würden, den Versuch zu unternehmen, eine dauerhafte Regelung in Europa abzuschließen, die auf dem Verschwinden der entmilitarisierten Zone beruht.
Das war das Hauptziel der Mitteilungen, die der britische Botschafter der deutschen Regierung am 6. Mai übermittelte. Die Fragen, die damals der deutschen Regierung gestellt wurden, waren unserer Ansicht nach sehr notwendig.
Aus diesem Grunde glaubt die Regierung dazu berechtigt zu sein, eine baldige Antwort, der deutschen Regierung zu erwarten, eine Antwort, die, wie wir hoffen, einen Fortschritt der Verhandlungen bedeutet, Sie wir in erster Linie erfolgreich verwirklicht zu sehen wünschen."
Eden schloß hieraus mit der Feststellung, daß er sich in seiner Rede auf zwei Gegenstände beschränkt habe. Es gebe aber noch viele andere Fragen. Niemand werde jedoch leugnen, daß der italienisch-abefsinischc Streit und die Verhandlungen mit Deutschland die gegenwärtige Lage beherrschten. Eden schloß mit ber Feststellung, datz der Friede das sei, was der Welt vor allem not täte. (Beifall der Regierung.)
Bewegte AuSWraOe
Nach Außenminister Eden ergriff Green- wood für die Arbeiterpartei das' Wort. Er sagte, daß noch niemals eine Rede gehalten worden sei, die mehr zu bedauern sei, als die Edens. Millionen Menschen würden seine Rede mit Scham und Entsetzen lesen und tief bestürzt darüber sein, daß die Regierung den schlimmsten Politischen Verrat begangen habe. Napoleons Rückzug aus Rußland sei historisch weniger bedeutungsvoll als der Rückzug Englands.
Lloyd George, der hierauf für die liberale Opposition das Wort ergriff, erklärte, Eden gehe nach Genf, um den Völkerbund zu zerstören. Von diesem Augenblick an werde es nnr noch internationale Anarchie geben. Es habe keinen Zweck, wenn Eden noch sage, daß er den Völkerbund wiederherstellen und reparieren wolle. Welche der Nationen weigere sich denn, die Sanktionen beizubehalten? Nicht eine. Die Reihen des Völkerbundes seien nicht zerbrochen. Eden gehe vielmehr hin, um dies zu tun. Als man die Sanktionen begonnen habe, sei die Flotte nicht bereit gewesen. Sie habe keine ausreichende Munition unter dieser patriotischen Regierung gehabt. Er glaube es einfach nicht, wenn gesagt werde, daß die gr«ße britische Motte den Italienern nicht hätte entgegengestellt werden können. Jetzt aber sei die Motte voll ausgerüstet. Die Kriegsgefahr habe sich vermindert und die Haltung der beiden wichtigsten Mittelmeermächte habe sich grundsätzlich geändert. Die Laval-Regierung sei gegen die Sanktionen gewesen. Jetzt aber sei eine Regierung von gänzlich anderem Charakter vorhanden. Blum habe dem „Daily Telegraph" zufolge dem britischen Außenamt mehr als einmal mitgeteilt, daß Frankreich bereit sei, Großbritannien bei jedem Schritt zu unterstützen, den es zur Durchführung der Völkerbundssatznn-gen ergreife. Ob das wahr sei?
Eden erhob sich hierauf und stellte fest, die französische Regierung habe erklärt, sie sei nicht bereit, die Initiative zur Aufhebung der Sanktionen zu ergreifen. Sie sei aber bereit, mit der britischen Regierung zusammenznar- beiten.
Lloyd George fuhr fort, daß auch Spanien seine Ansichten geändert habe. Die Gesamtheit der Mittelmeermächte sei bereit, Großbritannien zu unterstützen und die Aktion laufe fort. Der auswärtige Handel Italiens sei um über die Hälfte zurückgegangen. Er sehe nicht ein, warum man aufgeben solle, nur weil Addis Abeba erobert worden sei. Lloyd George ging dann dazu über, die Regierung unter dem Beifall der Opposition lächerlich zu machen.
Die heftigen Angriffe Lloyd Georges riefen eine so starke Erregung im Unterhaus hervor, daß, als sich ein anderer konservativer Abgeordneter zum Wort meldete, stürmisch nach Baldwin auf den Bänken der Opposition gerufen wurde.
MinMerpeWdent Valdwin
Baldwin erhob sich unter dem Beifall seiner Anhänger und wies darauf hin, daß seit undenklichen Zeiten keine Aussprache stattgefunden habe, die größere Erregung bervorgerufen