mnnenflube

Nr. 24

1936

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HlsäUlttis

Leittia Le«sLk»iltti»t

Wenn ln früheren Jahren an Svmmer-em fehlendes Brett im Zaun.Das Gatter

tagen die Kälter am Fenster ihrer Stube saß, versteckt hinter dem braunen Samt der Lev- koien und dem roten Schrei der fetten Gera­nien. und vom Strickzeug aus einen Blick aus die graue Landstraße warf, jerum. da war ein armer Handwerksbursche unterwegs, dem das Ranzel dünn am Rücken hing, oder ein Viehhändler ließ, dösig, nickend, sein Bräun- lein traben, oder ein Heuwagen schwankte hochbeladen durch ein offenes Scheunentor.

Und was ihre Ohren an Kurzweil ausnah men, war das Kauderwelsch der spielenden Kinder, das und Hott eines Knechtes, das Stampfen und Muhen der Stalltiere, und das Heilige wäre zuerst zu nennen, zu den Tagzeiten das Betläuten.

Das ist anders geworden.

Hup. hup töfs. tösf, so braust der Teufelslärm Tag und Nacht. Tag und Nackt rasen die verwünschten Gott verzeih' dle Sünd' Autos und wirbeln den Staub in die saubere Stube der Kätter. Tie in den Satanswagen fahren, müssen ganz verrückte Menschen sein. Wie-Prinzen und Prinzessin­nen sitzen sie pomadig und sein hinter den Glaswänden oder sie glotzen aus lehmgelben Kappen und unförmigen Brillen wie die Spatzenscheuchen im Krantacker.

Länger als ein gottgessgnetes Jahr schimpft die Kätter und erbost sich und sperrt Fenster und Herz vor dem Neuen.

Das Neue dringt wie eine Seuche auch in das Tors. Tie Jungen haben einen Nadler- Verein. einen Turnverein, eine Musikkapelle und einen Fußballverein. Tie Kätter räso­niert über das modische Wesen.

Als aller Zorn nichts nützt und sie schier Appetit und Schlaf darüber verliert, da legt sich mählich der Grimm und ein anderes schält sich daraus. Es wird der eigentliche Kern sichtbar, die wahrhaftige Ursache der schäumigen Entrüstung.

Mehr als je sausen die Menschen mit ihren Maschinen durch das Dorf.

Unzufrieden wird die Kätter. Nichts ist ihr zu paß. Weder das Geselchte mit Knödel, noch der gute Zichorienkafsee und die schmal­zigen Nudeln.

Sie grandelt. Man sieht auch rein gar nichts von der Welt. Sie kommt jährlich zweimal zu den Jahrmärkten ins Städtle. Sonst ist sie seit ihren Mädeljahren, als sie sommerlang bei einem weitschichtig verwand­ten Bester aushals, der aus einem Anweien am Bodensee wirtschaftete, nimmer weg- gekommen. Ein junger Bester war selbiges Mal auch da gewesen ... oft noch hat sie an den Joses denken müssen. Er blies die Har­monika. daß die Kätter aus Lust jodeln und aus Wehleid weinen mußte, und wenn sie zum Melken ging, paßte er sie im Stall ab, daß sie mit einem Schreckschrei in seine be­reitgehaltenen Arme flog.

Mei Kätterle. met Schnätterle, mach a guets Wetterle sang der Joseph, wenn sie zum Heuen gingen.

Am Abend unterm Birnbaum schwätzte er verhalten närrisches Zeug, und wenn die Blätter dunkel hingen und Gold am Himmel schwamm, horten sie schweigsam aus die Frösche im Ried und küßten sich.

Warum sie keine LiebeSleute wurden? Ein Bernerwägelein trug sie samt einem neuen Spenser und einem dasigen Herzweh in die Allgäuer Heimat zurück und ' der Bester rückte mit überlautem Juhu zum Militär ein. Mit dem Schreiben hasten sie es beide nicht. Es war ihnen halt nicht vorbestimmt.

Als die Kätter jung war , . .

Jetzt ist sie alt und grandelt.

Rein gar nichts sieht man von der Welt. Völlig nichts. Tie Männer sind zufrieden, wenn sie heim Schwätzen ein volles Bierglas vor sich haben, die Weiber verlangen nichts anderes als den Ratsch beim Heimgarten. nur sie ist die Gescheite, und darum ist sie unzufrieden, wie so viele Ausgeklärte eS sind.

Das Wort und daS Wissen hat sie von einem Hausierer ausgenommen. Die Kätter ist beileibe nicht dumm.

Sie möchte auch einmal im Auto fahren. Das ist der große Wunsch, der ihr im Magen liegt und sie gallig macht. Im Torf lachen sie über die Kätter, als sie ihr Begehren laut werden läßt. Auch zum hochwürdigen Herrn Pfarrer greint sie von dem Wunsch. Ter eistliche Herr lacht, daß die Fältchen in den angen lustig tanzen, dann verweist er: ..Das ist Hoffart. Kätter. die steht alten Wetz bern nicht an. Immer bescheiden in den Grenzen bkeibeni" Er weist mit dem Stock

müßt ihr neu flicken

Tie Gerügte schupft gekränkt die gebeug­ten Schlittern. Man weiß beim Pfarrherrn schwer Ernst und Spaß zu scheiden. Aber. . ein altes Weib, das braucht der hochwürdige Herr sie nicht ins Gesicht zu schelten.

Es ist am Sonntag vor Fronleichnam. Pfingstrosen blühen in den bäuerlichen Gär­ten. Weiße Jasminbuschen duften an den Hecken. Zwischen den Hellen Birkenblättern rieselt das Sonnengold. Da fährt ein grau-.

der Schrank das teure Angebot lohnt, dann hat er justament den gleichen Wert für die Kätter. Sie bleibt verstockt und der Herr verschwendet umsonst schöne Worte.

Die Kätter steht, geduckt und eigenwillig, mit dem Besuch unter der niederen HauStür. Unter der Linde blinkt das graugestrichene Auto. Die Sonne streichelt es von allen Seiten, Potztausend, da kommt ihr ein Ein­fall. Wenn der Herr zwei Drittel der ge­botenen Summe gibt und sie um das letzte Drittel einen vollen Tag im Auto spazieren führt, dann soll er den Schrank in Gottes Namen haben.

Ihr brucht Euch net geniere mit mir vor de Lite, i zieh 's side Häs an. Und fürs Esse

. -

TN

Fuhrmann (AusKunst unö Leben")

M. Bernutü

Wir zwei sind Kameraden. Mein Schimmel, du und ich. Wie oft vom frühen Morgen, Bis dann der Tag verblich.

Ging es auf langen Straßen Mit unsrer schweren Last.

Wir fahren nicht im Trabe, Wir lieben nicht die Hast.

Wir führen Sand und Steine, Kisten und Kasten schwer.

Wir fahren hin und wieder.

Nie ist der Wagen leer.

Wir fahren miteinander.

Wir gehn im gleichen Schritt.

Und fahr' ich einst von hinnen. Mein Schimmel, du gehst mit. >-I st.

gestrichenes stolzes Auto aus den Kirchplatz und bleibt neben den grünen Linden fau- chend und ratternd stehen. Ein nobler Herr steigt aus und geht in denOchsen". Das ist nicht weiter verwunderlich. Der Fremde wird Durst haben. Verwunderlicher ist, daß der Herr eine kurze Weile darnach auf das Häus- lein der Kätter zugeht.

Er will den hellroten Kirschbaumschrank, der von der Urgroßmutter vererbt ist. kaufen. Er sammelt alte Möbel. Gott hels, denkt die Kätter, was giht's für dumme Narren. Aber trotz dem schönen Batzen Geld, den der Fremde für den Kasten bietet, ist er ihr nicht feil. Sie ist seinen Gebrauch ihrer Lebtag gewöhnt. Die Bauernschlauheit regt sich, voll Mißtrauen funkeln ihre Aeuglein. Wenn

rumm i selber uss." Aergerlich überlegt der fremde Käufer. Maschinen surren und stampsen in seiner Fabrik, er beschäftigt einige hundert Arbeiter; aber er hat irgend­wo un Schwarzwald ein gebücktes Großmüt-' teile, auf deren Hof er selige Ferientage ver­lebt hat. Eugen Pohl aus Stuttgart besitzt auch inwendiges Gut und er lüpft davon den Deckel und schöpft den Humor heraus.

.Los. Mutter, macht Euch schön! Packt Euch also warm ein. e3 zieht mächtig beim Fahren."

Er ruht nicht, bis die Alte in Tücher und Decken fest eingewickelt im Wagen sitzt, ob­wohl sie dagegen murmelt, weil dieser Art das seidene SonntagShäS nicht zum Estimie- l ren kommt.

Bei der Abfahrt ist daS halbe Don >. gegen.Hurra,. Kätter!" brüllen ein paar Buben. Tie anderen stehen nach Törilerarl stumm und schauen bedächtig. Tie Kätter te- kreuzigt sich dreimal.

Wohin sie fahren will? ... An den Boden- iee und zum Gehöil des Bellers.

Der^ Kätter vergeh« am Anfang Hören und Sehen und sie hak gar nicht zu wann unter den Tüchern. Ihr Führer liest in dem alten bangen Gesicht, er reicht ihr ei» Fläich- chen mit Kirschenge,st. Ter tu, gut.

An Dörfern. Wäldern und Wirten hnscken sie blitzschnell vorbei, durch kleine Stätte und Marktslecken. Ten Sinnen bleibt nichts haften. Hup hup schrillt die Warnung. Tie Kätter ist bänglich, wenn die Lenle so langsam answeichen, und erbost wen» die Jpngen absichtlich frech stehen bleiben.

Auch die brannscheckigen Kühe verhallen mitten im Weg und das Hennenvolk spaziert im letzten Augenblick gner über die Siraße. Langholzsuhrwerke knarren langsam fürbaß^ die Bauern sitzen träge aui den Shren. Sie haben mit dem Answeichen keinen Preisterer. Daß die Autofahrer so viel Langmut aus- bringen. die Wahrnehmung bringt die Kätter schier in eine Neu- und Leidstimmung. Sausend flitzt die Fahrt.

Ein Wagen überholt den anderen m wütendem Rennen. Motorräder rasen knat­ternd entgegen, ein Höllenlärm ist. Tie Kätter hat sich das Autofahren kommoder ausgemalt.

Nach knapp zwei Stunden fahren sie den blauen Bodensee entlang, an Rebhängen und fremdartigen Gärten vorüber und rasten am User in einem Hotelgarten. Silberne Fischlein tummeln sich im klaren Master, blaue Wellen hüpsen an den Strand. Weiße Segel ziehen eine schimmernde Bahn. Ruder­boote flitzen, ein Dampfer zieht vorüber. Es ist bigott zum Aushalten. Die Kätter ent­faltet das seidene Häs und schaut. Um das ungleiche Paar kreist lachende Neugierde. Das Dorfweiblein errät ohne weiteres den Bezug, es schweigt und denkt sich seinen Teil. Die Kätter schaut, schaut aus den See. schaut aus die Landseite. Sie steht wieder aus vom Sitz, geht hierher, schlurit dorthin.

Kunterbunt ist heutzutage die Welt.

Mit Fußtritten werfen starke, innge Män­ner mächtige Bälle in die Höhe mit Geschrei und Lärmen. Sie haben knieknrze. weiße Hofen und ein rotgestreisles Hemd am Leib, völlig wie Hanswursten. Unterweilen rennt am Landweg eine Herde Jungmannen, sie ringen um den letzten Atem, triefen vor Schweiß und Hetzen wie Sträflinge, denen die Polizei aus den Ferien ist.

An den weißgedecklen Tischen im Wirts- garten hofieren Stadtsräulein im kurz-- geschvrenen Haar. Sie haben das Aussehen von halbwüchsigen Schulmädchen. Ohne Aus­sicht lausen sie mit dem Leichtsinn paarweis.

Tie Kätter sitzt mit schamroten Wangen. Sie ist merkwürdig still und verschlossen. Ihr geschlissenes Mundstück hat sie unterwegs verloren. Herr Eugen Pohl aus Stuttgart deutet ihr Schweigen auf hilflose Schüchtern­heit. Weit gefehlt. Die Kätter ist allerdings übernommen von den Eindrücken. Das Auto hat sie in eine andere Welt gefahren, in eine neue und verrückte Welt. Sie findet sich nicht zurecht.

In den Lüften schreckt sie ein Surren. Flugzeuge schwirren in der Himmelsbläue gleich mächtigen Vögeln. Neben dem Wirts­garten am Lee ist eine Badeanstalt. Schwarz­gebrannt wie Neger liegen Männer und Frauen schier nackt an der Sonne. Bor aller Augen geben sie sich dem Gefchau pretS. -.a ist die Kälter voll Scham. Eugen Pohl er­zählt ihr fürsorglich, daß das die neue Zeck sei... Sie habe den Sinn für das Natür­liche gesunden, sür das Gesunde, das Zweck­mäßige. Ter Sport sei Vermittler einer dringlich gebotenen Körperkultur. Aber von Hygiene und Körperpflege und dergleichen Dingen verstehe ein altes Mütterlcin vom Land eben doch nichts. Gutmütig lacht er und brennt sich eine goidberiugke Zigarre an. Als er von einem Bekannten angernien wird, schiebt die Kätter den Stuhl zurück und geht: sie hastet zu einem nahen Wäld­chen und setzt sich ans eine versteckte Bank. Sie muß eine Weile allein sein. Ihr Herz klopft, die Lippen bewegen sich zittrig, das Neue greift sie an.

Sie ist nicht allein, wird ein Liebespaar sein, das sich wenige Schritte vor ihr in das Heidekraut setzt. Sie will wegichleichen. da spricht daS Mädchen laut, hart und trocken:

Die Wohnung ist uns aui den Ersten sicher. Möbel auf Abzahlung auch. Aber an Stelle der Nähmaschine kaufen wir emen Radio."

Mir ist's einerlei. Ohne die Panne wäre ich als Dritter durchs Ziel. Herrgott, ich mache schlapp... daS Bier ... die Hitze - - -

Der junge Mensch streckt sich der Länge nach aus und schnarcht vor dem nächsten Finkenrus. Das Mädchen legt sich auch zum Schlafen zurecht. Die Vöglein singen >utz und weich. Die Baumwipsel rauschen. Es m eine wundersame Stille.

Da geht die Kätter. ein faltiges verhutzel­tes Weibrein, und sie trügt so viel Wissen rn sich, daß eS sür ihr Leben vo«->ndS auS,