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8. Calw. Gestern veranstaltete der hiesige Liederkranz seinem verehrten Vorstand, Herrn Präzeptor Bäuchle, eine sehr schöne und herzliche Jubelfeier. Es sind nämlich 25 Jahre, seitdem Herr Präzeptor Bäuchle als Lehrer am hiesigen Realprogymnafium tätig ist; dieselbe Zeit aber gehört er auch dem Calwer Liederkranz an, den er zugleich bereits 20 Jahre als Vorstand leitet. Während schon am Mittag die Ausschuß. Mitglieder sich in der Wohnung des Hr. Präzeptors einfanden, um ihre Glückwünsche zum Jubelfest darzubringen und einen prächtigen Blumenstrauß zu überreichen, zog am Abend der stattliche Sänger, chor vor dessen Haus und brachte ihm ein mufi. kalische« Ständchen. Hierauf begab man stch in den festlich geschmückten Saal des Bad. Hofes, wohin unterdessen auch passive Mitglieder des Lieder, kranzes und viele Damen gekommen waren, um einige festliche und fröhliche Stunden mit dem Jubilar und dessen liebenswürdiger Gemahlin in engerem Kreise beisammen zu sein. In buntem Wechsel folgten hier einander Toaste und Reden und Lieder ernsten und heiteren Charakters, und die Unterhaltung war ungezwungen und herzlich. Aus allem ging hervor, daß sich der verdiente Jubilar im Liederkranz, dem so manche seiner früheren Schüler und Söhne seiner alten Lieder, kranzfreunde angehören, der besten Sympathien erfreut. Die Treue zum Liederkranz und die Liebe zum deutschen Lied haben ihm diese er. worben und werden sie ihm für alle Zukunft be. wahren. Die Mitglieder des Liederkranzes wünschen deshalb, es möge Hr. Präzeptor Bäuchle noch viele, viele Jahre gesund und kräftig als Lehrer am hiesigen Real» progymnasium walten und zugleich der umsichtige, erfahrene und mutige Leiter und Führer des Liederkranzes sein!
l Calw. (Süddeutsche Zeltmission.) Zur Einweihung der Süddeutschen Zeltmisfion, welche an den beiden Pfingsttagen hier statifand, ist trotz starken Regens und ziemlicher Kälte eine große Menschenmenge herzugeströmt, so daß das Zelt an beiden Festtagen voll besetzt war. Der Mittelpunkt des Tema war: Jesus, Christus und sein Werk. Die Herren Inspektor Rappard, Baron v. Gemmingen, Pfarrer Coerper, Evangelisten Zimmermann und Vetter legten mit beredter Zunge kostbare Zeugnisse des Evangeliums ab. Die Vorträge wurden von dem Publikum mit großem Interesse entgegen genommen und war die Stille in den großen Versammlungen besonders auffallend. Es ist zu erwarten, daß die Zeltmisston, welche noch bis 2. Juni täglich 2 Versammlungen hier abhalten wird, in der Art ihrer Arbeit immer mehr Kreise für Gott und Gottes Werk interessieren wird.
N Simmozheim. Zu Anfang des Jahres kam in den Spalten dieses Blattes die
Notiz, daß der Kirchengemeinderat von Simmoz. heim aus Grund eines ausführlichen Gutachtens des Orgelrevidenten, Herrn Oberlehrer Schäffer, Nagold, die Anschaffung einer neuen Orgel beschlossen habe. Die Erbauung derselben wurde bald darauf, nachdem mehrere Fabriken Offerten eingereicht hatten, der Firma Friedrich Weigle in Echterdingen übertragen. Am 1. Mai d. I. wurde die alte Orgel, welche der Gemeinde etwa 160—170 Jahre treu gedient hatte, entfernt und mit der Aufstellung der neuen Orgel begonnen. Dieselbe darf nicht nur als schönster Schmuck der Kirche, sondern auch als ein Meisterstück der Orgelbaukunst bezeichnet werden, ein Urteil, das auch nach eingehender Prüfung der Orgel durch den Revidenten, Herrn Seminaroberlehrer Schäffer, Nagold, bestätigt wurde. Am Nachmittag wurde dieselbe bei dem liturgischen Gottesdienst, in welchem Seminaroberlehrer Schäffer die Orgelbegleitung und Herr Repetent Strotbeck zwei wirkungsvolle Gesangssolt übernahm und einem sich daran anschließenden Orgelkonzert der Ge- meinde vorgeführt, welche beide ein beredtes Zeugnis von der Vorzüglichkeit der Orgel ablegte, so daß wir, wie der Epilog bei der Einweihung der Orgel sagte, allen Grund haben, dem Er- bauer derselben, Hrn. Friedrich Weigle, sowie allen denen, welche bei der Anschaffung mitzuwirken hatten, Dank schulden. Möge auch das neue Werk recht lange der Kirchengemeinde Dienste leisten!
Horb 21. Mai. Die 22jährige Sofie Zimmermann, Tochter des Farremvärters in Betra, wurde gestern Abend in Dettingen von ihrem jüngeren Bruder unvorstchtigerweise mit einem kleinen Terzerol, das als ungeladen galt, ins Auge geschossen. Die Verletzte mußte noch in der Nacht nach Tübingen gebracht werden.
Stuttgart 17. Mai. Ein Zauber. Priester oder die verhexten Schweine. Unter diesem Sprichwort wird dem „Kirchl, Anz." geschrieben: „In Neusürstenhütte, O.A^ Backnang, mußte ein vermöglicher Bauer, der im Gerüche größter Frömmigkeit steht, aus der evang. Landes- kirche ausgetreten ist, und als methodistischer Stundenhalter fungiert, kurz vor der Kirchweihe des vorigen Jahrs 3 an Milzbrand erkrankte Schweine schlachten. Er glaubte durchaus nicht an einen Milzbrandbazillus, sondern war fest überzeugt, daß jene Schweine verhext worden seien. Um nun die unbekannte Hexe für ihre vermeintliche Uebeltat zu bestrafen, hängte er das Herz eines dieser Schweine in seinem Kamin in den Rauch und murmelte etwa folgenden Zauberspruch: wie dieses Herz im Rauch verdorre, so möchte der- jenige, welcher seine Schweine verhext habe, an Herzleiden erkranken! Bald , darauf, am 11. Nov. 1906, starb ein Maurer daselbst an Herzleiden. Der Bauer soll nun geraume Zeit den Wahn
gehegt haben, dieser Maurer habe seine Schweine verhext."
Stuttgart 21. Mai. In Deutschland bestehen zur Zeit 327 selbstständige Tierschutz, vereine, von denen 185 dem Verband deutscher Tierschutzvereine angeschlossen sind. Die Zahl der Mitglieder der einzelnen Vereine bewegt sich zwischen 10 und 10000 (München). Neben Vereinen, die kein oder doch nur ein bescheidenes Vermögen besitzen, gibt es auch recht reiche. Zu diesen gehört vor allen der Berliner Tierschutz, verein mit 251000 ^ Vereinsmögen. Ueber 200000 ^ besitzt ferner der deutsche Tierschutz, verein in Berlin, mehr als 100 000 ^ der deutsche Lehrertierschutzverein (Berlin) und der Alte Dresdener Tierschutzverein.
Stuttgart 21. Mai. Etwa 50 Teer- und Asphaltarbeiter sind heute früh wegen Lohn- differenzen in den Ausstand getreten. Die Firma I. A. Braun in Cannstatt mit etwa 100 Ar- b eitern hat die Forderungen der Arbeiter bewilligt.
Stuttgart. Vom Kgl. Staatsministerium ist zu Gunsten der Bestrebungen des Schwäb. Frauenvereins eine Geldlotterie genehmigt worden, deren Ziehung garantiert bereits am 5. Juni ds. Js. im Ziehungssaale der Kgl. Stadt- direktion in Stuttgart stattfindet. Bei dieser Lotterie gelangen 1337 Geldgewinne im Betrage von ^ 40000 — Hauptgewinne 15000,5000, 2000 ^ zur Ausspielung.
Schramberg 21. Mat. Auch hier kam die Spannung der Fletschpreise gegenüber dem Viehpreise, die sich aus 44 H pro Kilo ausdehnt, während Stuttgart und Karlsruhe eine solche von 20—25 rZ haben, zur Sprache und zwar auf dem Rathause. Hier ist auch das Schweinefleisch noch um 15 teurer als in Stuttgart. Ehe eine Preiskommiffion gebildet wird, welcher die Preisfestsetzung obliegen soll, soll die Metzger, innung aufgefordert werden, sich zu den wesent- lichen Preisverschiedenheiten zu äußern.
Biber ach 20. Mai. Ein Söldner in dem Bezirksvrt Langenschemmern verkaufte an einen Taalöhner von Barabein bei Warthausen sein Haus und seine Felder, ohne sich zu vergewissern, ob der Käufer auch zahlungsfähig sei. Es stellte sich heraus, daß der Käufer nicht einen Pfennig Vermögen hatte, er verkaufte alsbald das lebende und tote Inventar wieder und verschwendete den Erlös. Dem betrogenen Verkäufer des Anwesens dient jetzt das Gemeindehaus als Wohnung, der Betrüger ist im Gefängnis untergebracht.
Ulm 21. Mai. Ueber seine schulärztliche Tätigkeit hat Stadtarzt vr. Sing dem Ge- meinderat einen Bericht vorgelegt, der einige allgemein interessierende Punkte aufweist. Der Bericht erwähnt eingangs, daß im Zeitraum von 5 Wintermonaten 2900 Kinder in den Schul-
„Du ganz gewiß, das kann Dir niemand absprechen."
Sie lachte hell auf, ihr froher Sinn war zurückgekehrt. Sie war die alte Guenn und doch eine neue. Dieselbe und doch so verschieden von ihrem früheren Wesen, aber frisch, furchtlos, bestrickend — wie es am besten zu ihr paßte. Hamor wünschte sich von Herzen Glück zu dieser Wandlung.
„Wann werden wir anfangen?" fragte sie eifrig.
„Ja, das hat noch seine Schwierigkeiten: ich muß erst mit dir beraten."
„Nun?" drängte ste erwartungsvoll und nahm eine geschäftsmäßige Miene an.
„Du weißt, ich möchte dich im Boot stehend, an der Fähre haben so wie ich dich damals sah. Den Hintergrund könnte ich von einem Kahn aus malen, aber ließe sich'- wohl machen» daß du mir dort Modell ständest?"
„Ich glaube kaum," lachte sie seelenvergnügt; „der Fährmann würde alle Augenblicke sein Boot brauchen, und ich müßte fortwährend aufspringen, um die Buben zu verjagen. Sobald bekannt würde, daß Guenn Rodellec an der Fähre Modell steht, versammelte sich wohl das ganze Dorf um uns zu sehen. Wenn es Jeanne wäre, möchte es angehen, aber bei mir nicht," setzte sie hinzu in dem Bewußtsein, das nur wahre Größe verleiht.
„Du wirst wohl recht haben, Guenn, ich dachte mir's gleich — was sollen wir also tun?"
„Mir fällt etwas ein, Monsieur: malen Sie ruhig Ihre Mauern und die schlüpfrigen Stufen am Landungsplatz; wenn Sie mich dann brauchen, fahren wir hinüber nach den I-nnnlons, wo uns der rsctsur schon helfen wird," rief Guenn zuversichtlich.
„Guenn, du bist ein wahres Genie, das ist ein herrlicher Einfall! Auf den Immüons habe ich auch gleich den Pfarrer, du solltest wirklich Premierminister werden!"
Das mußte wohl jedenfalls etwas Angenehmes sein, wenn sie auch
keine Ahnung hatte, was — denn Monsieur sah ste dabei mit so beifälligem Lächeln an!"
Als Jeannes und Nannics Stimmen sich auf der Treppe hören ließen, sang Guenn bereits wieder in der heitersten Laune: mon äisu, lg. vis sst amörs."
Hamor aber ging sogleich eifrig daran, einen großen Bogen Papier zum Entwurf des neuen Bildes auf einen Rahmen zu spannen.
Während dieser Vorgänge im Atelier, hatte sich ein kleine», weiße» Boot, aus der Richtung der Imnvloiis herkommend, dem Strande genähert; sein Insasse, ein dunkler Mann im schwarzen Priesterrock, war an das Land gestiegen, blickte mit gütigen Augen in jedes ihm bekannte Gesicht und tauschte freundliche Grüße mit allen, denen er begegnete. Thymert war mehrere Wochen nicht nach Plouvenec gekommen, heute rief ihn eine Amtspflicht herüber, und dabei fiel ihm ein, daß er nicht länger zögern dürfe, Monsieur Hamor aufzusuchen. Besuche zu erwidern war eine Pflicht, die den Pfarrer nur selten drückte; auch heute folgte er weniger dem Gebot gesellschaftlicher Höflichkeit als dem Zug seines guten Herzens. „Wenn ich nach dem, was draußen vorgefallen ist, nicht zu Monsieur Hamor gehe, wird er glauben, ich sei beleidigt, und das bin ich wirklich nicht — für einen Fremden finde ich ihn recht liebenswürdig — deshalb will ich ihn aufsuchen."
Der Pfarrer ging geraden Wegs nach den Vo^s-Asurs, um Madame zu begrüßen. Er erzählte ihr, was ihn heute nach dem Dorfe geführt habe und setzte hinzu: „ich gedenke auch Monsieur Hamor meinen Besuch zu machen."
„Das wird für beide Teile ein Vergnügen sein," entgegnete Madame mit unerschütterlicher Ruhe. „Soll ich's ihm sagen?" fragte sie sich dabei im Stillen, „nein, denn sonst geht er nicht hin und es ist jedenfalls besser, wenn er selbst zufieht wie die Dinge stehen. Es ist keine Gefahr vorhanden, ganz und gar keine." (Forts, folgt.)