Donnerstag de« 16. April 1936
94. Jahrgang Nr. 88
Der Enzlöler
Hchutäbtäckie
^Am DienZtagnachmittag stieß ein vollbesetztes Personenauto aus Richtung Bietigheim etwa ein Kilometer vor Besigheim gegen einen Randstein, riß ihn um und stürzte die an dieser Stelle L Meter hohe Böschung hinab. Dort prallte er Hegen einen Baum. Glücklicherweise wurde keiner der Insassen verletzt, während das neue Personenauto schwer beschädigt wurde und ab- geschleppt werden mußte.
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Ter Einbrecher, der vor kurzem durch bas EtationSkommando Nürtingen seiner Festnahme zugesührt wurde, hat inzwischen nicht weniger M 47 Einbruchsdieb stähle zugestanbcn. Der Bursche benützte zu seinen nächtlichen AuS- slügen ein Mietauto, wobei seine Geliebte Lbaul- seurdienste tat.
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In Neu Hausen a. F. starb im Alter von 77 Jahren Oberlehrer i. N. Joseph Volk.
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Das 5jährige Söhnchen des Bauunternehmers Konrad Schairer in Tailfingen wurde beim Ucberqueren der Straße von einem Personenkraftwagen angefahren, wobei es eine so schwere Kopfverletzung erlitt, daß es nach wenigen Stunden im Krankenhaus in Ebingen starb. Ter Knabe wurde schon einmal vor Jahresfrist durch den Sturz von einem Fuhrwerk lebensgefährlich verletzt.
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Der Präsident der Neichskammer der bildenden Künste, Berlin, hat den Kunstmaler Tiebert in Jsny für das Gebiet Württemberg zum Beisitzer des Ehrenrats für die Fachgruppe Maler »nd Graphiker ernannt.
Schwieberdingen, Oberamt Ludwigsburg. 15. April. (Tödlicher Unfall eines N'adsahrers.) Als am Ostermontag die hier wohnhaften Eheleute Bo ihn er imt dem Fahrrad von Stamnchcim heimkehrten, wurde die im Alter von 36 Jahren stehende Ehefrau von einem Krastwagen angefahren und so schwer verletzt, daß sie blutüberströmt und bewußtlos liegen blieb. Ein von Feuerbach herbeigcrufener Krankenwagen brachte die Verunglückte nach dem dortigen Krankenhaus, wo sie am Dienstag ihren schweren Verletzungen erlegen ist. Tie verunglückte Wilhclmine Vothner war Mutter von vier Kindern.
Salach. Oberaml Göppingen. ,v. April. AL e b e ii s g e s ä h r l i ch verunglück t.) Am Dienstagabend ereignete sich an der Kreuzung Hauptstraße—Landstraße hier ein schwerer Nnglückssall. bei dem ein 'Radfahrer so erhebliche Verletzungen davontrug, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Ter Radfahrer fuhr in Richtung Eislingen, wobei ihm eine Zugmaschine mit Anhänger ent- gegeukam. Als die Beiden auf gleicher Höhe waren, kam von hinten ebenfalls ein Lastwagen. welcher die vor ihm fahrende Zugmaschine überholen^ wollte. Dabei streifte der Prauereiwagen den Radfahrer mit der Türklinke, riß ihm den linken Arm n b und schleuderte ihn mit dem Kopf an den Verschlußriegel des Lastwagens. Mit schweren Kopf, und Armverletzungen blieb der Bedauernswerte bewußtlos auf dem Gehsteig liegen, wo ihm die erste ärztliche Hilfe von einem Arzt aus Süßen zuteil wurde. Es handelt sich um den in den 50er Jahren stehenden Hermann Fritz aus Ulm, der sich anscheinend aus einer Besuchs- oder Urlaubsreise befand. Er wurde ins Kreiskrankenhaus nackt Göppingen gebracht.
Bon den Beeisern erfnN
Stuttgart, 15. April. In einer Kohlen- Handlung in Bad Cannstatt verunglückte am Dienstagvormittag ein 22 Jahre alter Arbeiter dadurch, daß er während seiner Arbeit unter dem Kohlenkran von dem im gleichen Augenblick heruntergelassenen Greifer ersaht wurde. Er erlitt schwere Kopfverletzungen. die den sofortigen Tod zur Folge hatten.
Sie Chemie bringt es an den Zag
Lebcnsmittelfälscher fcstgestellt Schwab. Hall, 15. April. Die seit 1. Okt. 1935 in Schwöb. Hall durchgesührtc Lebensmittelkontrolle durch die chemische Landesuntersuchungsanstalt hat laut „Haller Tagblatt" (NS.-Presse) bereits in zwei Fällen zu scharfen Beanstandungen geführt. In einem Fall wurde angeblicher Vollfettkäse nur mit einem 20prozentigen Fettgehalt sest- gestellt. Ter beanstandete Käse, von e ner auswärtigen Firma nach Hall geliefert, wurde beschlagnahmt; ein Strafverfahren ist in die Wege geleitet.
Im zweiten Fall wurde festgestellt, daß in einer Metzgerei rote Würste statt mit 16 Prozent Fremdwasfer mindestens mit 37 Prozent Wasser hergestellt worden sind und daß zur Verdeckung dieses übermäßigen Wasserzusatzes etwa 1 Prozent Kartoffelmehl gigcsetzt wurde; auch wurde die Wursthülle gegen die bestehenden Vorschriften rot gefärbt. Auch in diesem Falle ist Strafanzeige erstattet worden.
V. Württ. Wemmarrr Stuttgart. Der 9. Württ. Weinmarkt im Kursaal in Bad Cannstatt am Mittwoch hatte ein Rekordangebot von württembergischen Unverschnitte- nen Erzeugerweinen zu verzeichnen. Nicht weniger als rund 3000 Hektoliter, und zwar 1800 Hl. Rot-, Gemischt und Schiller- und 1200 Hl. Weißwein waren zum Verkaufe an- gemeldet. Gegenüber dem Vorjahr war das diesjährige Ausgebot um das Dreifache, gegenüber 1934 sogar um das Sechsfache höher. Vom Remstal kamen 130 Hl. Rot zur Versteigerung, vom mittleren Neckartal 407 Hl. Rot, vom unteren Neckartal 111 Hl. Weiß und 225 Hl. Not, vom Weinsbergtal 409 Hl. Weiß und 194 Hl. Rot, vom Bottwartal 51 Hl. Weiß und 88 Hl. Rot, vom Kocher-, Tauber- und Jaasttal 450 Hl. Weiß und 26 Hl. Rot, vom Zaberaäu, vom Enztal und von der Maulbroni.er Gegend 106 hl. Weiß und 530 Hl. Rot. Der Verkauf erfolgte dies- mal nicht wie bisher durch Versteigerung, son- dern zum erstenmal durch freihändigen Verkauf gegen Schlußschein. Nach der Eröffnung setzte sofort ein recht lebhafter Handel ein. Ver- käufer waren Weingärtnergenossenschaften, große Weingüter, aber recht viele einzelne Weingärtner. Käufer waren in der Haupt» sache Gastwirte, zum Teil auch Weinhändler und Private. Die Käufer zeigten großes Interesse, doch zogen sich oie Verkäufe zum Teil recht lange hinaus. Die Verkaufserlöse bewegten sich durchschnittlich auf der Höhe der Auszeichnungspreise, die angesichts des großen Angebots gegenüber dem Vorjahr um etwa 10—15 Prozent niedriger lagen.
Jahrgang 1S26 ..rüüt ein'
Iungvolbplmpfe rühre« die Werbetrommel
Ter Jungvolkpimpf ist im natioipalsozia- listischeu Deutschland ein Begriff geworden. Jeder Deutsche kennt diese Jüngsten der Nation in ihren schlichten blauen Uniformen. Hört man im Gewirr der Straße Trommel- gedröhn und Fantarengeschmetter, man weiß: Gleich wird ein Trupp von Jungvolk- pimpsen sichtbar werden, die wohlausgerich- tel aus Fahrt ziehen, ihrem Heime zustreben oder vom Sportplatz kommen.
Wenn m diesen Tagen der blonde Tambour noch kräftiger seine Schlegel aus der Landskiiechttrommel tanzen läßt, wenn die Fanfaren noch Heller schmettern, sich jeder einzelne noch mehr zusammenreißt. die Rich- tnng im Marsch verbessert, wenn sich jeder Jnngvolkpimps bemüht, eine noch straffere Haltung an den Tag zu legen als bisher, dann wissen wir. daß es Heuer darum geht, den letzten Jungen von der Straße weg in die fröhliche Ge- nieinschaft der Jüngsten unseres nationalsozialistischen Staates z n holen. Baldur von Schirach hat das Jahr 1936 zum Jahr des Jungvolks ailsgerufen. Man setzte sich das Ziel, jeden Jungen im Alter von 10 bis 14 Jahren im Jungvolk zu erfassen.
Jahrgang 1926 zieht nun ein. Gab es früher Eltern und Erwachsene, die mit erhobenem Finger und mit scheinbar berechtigten Bedenken meinten, einer Erziehung der Jugend durch sich selbst das Wort reden zu müssen, sie schweigen jetzt und wurden zu Befürwortern der Erziehungsmethoden des Jungvolkes und der HI., weil sie sich der besseren Einsicht beugen mußten.
Tatsächlich bedeutet die Selbstfüh - rung der Jugend eine Revolution aus erzieherischem Gebiet, die einmalig ist und in der ganzen Welt nichts Ebenbürtiges be- sitzt — wir mögen schauen, wohin wir wollen. Das ist der Impuls, au« dem heraus die ganze Arbeit getragen wird, denn ohne Lelbstiührung der Jugend gibt es keine HI.- Bewegung, und ohne HJ.-Bewegung keine nationalsozialistische Partei.
Das deutsche Jungvolk ist mehr als eine Kraftreserve der Partei. Es ist die erste E r z i e h u n g s st u fe zum Nationalsozialismus. und darum ist die Erziehungsarbeit des Jungvolks darauf gerichtet. aus jedem Jungen einen anständigen deutschen Nationalsozialisten zu machen. Nicht gegen, sondern mit dem Elternhaus bildet nran die jungen Menschen seelisch und charakterlich. Auch der dritte gleich, berechtigte. Erziehunqsfaktor der deutschen Jugend, die Schule, stellt sich mit in die gemeinsame Front, wie ein Aufruf des Sauptamtsleiters des NSLB.. Gauleiter Wächiler. beweist, der sich an alle Lehrer wandte, die Werbeaktion des Jungvolks tatkräftig zu unterstützen.
Ist der Junge erst einige Wochen beim Jungvolk, dann kommen die Zeiten, wo er ohne Fahrt und Heimabende, ohne die Ka- meradschaft seiner Altersgenossen nicht mehr sein möchte. Zum Opfer, zum Sozialismus und zur Einordnung muß sich allerdings jeder bekennen — auch der Pimpf von zehn oder vierzehn Jahren.
'Das Jungvolk kennt in seinen Reihen keine Klassen, kennt keine Konfessionen, bringt auch
niemand in innere Konslikte, eS will lediglich die freiwillige große Nationalsozialist^ sche Gemeinschaft aller deutschen Junges sein. Nicht auf staatlichen oder parteilichen Befehl entstand die nationalsozialistische Jugendbewegung: Aus sich selbst heraus wuchs sie und stellte sich kämpfend mit in die Reihen. Dieses ist auch der Grund, warum niemals von dem Prinzip der Freiwilligkeit des Beitritts zum Jungvolk und zur HI. abgegangen werden wird. Das deutsche Jungvolk ist keine Vereinigung wie der Polnische Jungschützenbund, keine italienische Balilla, keine englische Schülertruppe, keine Boys Association, kein sowjetrussischer Komsomolzenverband, die sich mehr oder weniger mit äußeren Erfolgen begnügen: Das deutsche Jungvolk ist eine Jungengemeinschast. die — wie bereits gesagt — ihr einziges Ziel darin steht, Deutsche zu erziehen mit einer inneren und äußeren nationalsozialistischen Grundhaltung. Die Ausgaben des Jungvolks und der HI. sind die, den kommenden Generationen Deutschlands den künstigen Weg einer neuen deutschen Nationalerziehung zu zeigen. Wir brauchen keine Muttersöhnchen, sondern gerade aufrechte Kerle, die im Jungvolk, in der Schule und im Elternhaus ihre Pflicht erfüllen, eine kleine Pflicht zwar, aber auch Dienst für die große, alle Deutschen umspannende Idee.
Als Führer kann sich gerade bei den Jungen, die mit klarem Blick alles Unechte und Falsche ablehnen, nur der durchsetzen, der ein echter gerader Kerl ist. Wie stark der Einfluß dieser Führer auf die Jungen sich bemerkbar machen kann, wißen am besten die Lehrer und Eltern. Mit einem Wort kann solch ein Führer von einem Jungen das erreichen, worum sich Schule und Elternhaus Wochen- und monatelang vergeblich bemühen. Worte von Kamerad zu Kamerad — auch in diesem Alter — wirken oft mehr als alle autoritären Drohungen und Ermahnungen.
Die jahrelange Arbeit im Jungvolk und in der HI. war nicht vergeblich. Eine straffe Haltung haben die Jungen, ob mit oder ohne Uniform. Sie achten mehr auf sich, fühlen sich verpflichtet' ihrer kleinen Gemeinschaft gegenüber und sind — so seltsam das auch klingen mag — in ihren jüngsten Jahren schon Mit träger einer neuen kulturellen Entwicklung der deutschen Nation.
Am 19. APril werdest in einer größeren Feierstunde der Jahrgang 1926 und die bisher abseits stehenden Jungen probeweise dem Jungvolk eingegliedert, die von den Käme- raden geworben wurden. Schon heute wehen von Hunderten und Tausenden von deutschen Schulen die Fahnen der nationalsozialistischen Jugend, weil mehr als 90 v. H. der Schüler einer solchen Anstalt in Reih und Glied mitmarschieren.
Es gibt keinen deutschen Vater und keine deutsche Mutter, die ihrem Sohn den Eintritt in das Jungvolk verwehren würden. Gern geben sie ihrelterlichesJa!, wenn der Junge darum anhalt, und in wenigen Tagen wird er dann selbst mitmarschieren in den Reihen der braungebrannten frischen Pimpfe, wird er Angehöriger sein der arößten Jugendbewegung der Welt, die ohne staatliche und geldliche Hilfe aus Idealismus und Treu« zur Idee zu ihrer heutigen Gestalt sich emporarbeiiete. Er wird mit einfallen in das Lied, das von Hellen Fanfaren und vom dunklen Trommelschlag begleitet, sich an den Häuserzeilen bricht:
„Seht an. die Fahne weht.
Wohl dem, der zu ihr steht!
Di- Trommeln schallen weit und breit
Frisch auf! Frisch auf zum Streit."
Gert Sachs.
Sie AmeMüersMe
Novelle von Theodor Storm 1. Fortsetzung
Er mochte schon elf Jahre und sie ein halbes Weniger zählen, da gingen sic eines Nachmittags einmal nach Norden statt nach Osten. Auch hier lag vor ihnen die weite, sandige Fläche mit breiten Wegen und kahlem Stein- Walle. Von dem — sie wußten cs — fast eine Meile entfernt liegenden Dorfe konnten sie jedes Hans erkennen, am Westrande die Kirche mit dem hohen, spitzen Turm, sogar die Fenster und die Türen in derselben.
Siehst du?" sagte Maike lachend, „da geht die Kirchtnr auf, und die Katz springt heraus; sie hat einen Besen in den Pfoten, ich denke, sie hat die Bänke abgefegt."
„Was schwatzst Lu?" rief Franz, der ans Gedanken auff-uhr, „solche Katzen haben die Bauern nicht; die sind nur in deinen Märchen."
„Ich mag hier aber nicht Weiterl" sagte Maike.
Er sah sie an.
„Nein, laß uns umkehren I" Ein Weg zweigte eben rechts ein Wenig östlich ab.
„Komm", sagte er, „wir wollen diesen gehen!"
Auch hier liefen nur die kahlen Wälle an beiden Seiten.
„Da ist's nicht'besser I" rief sie ihm schmollend zu und blieb zurück. Aber er kannte sie und ging, ohne sich nmzmehen, in den neuen Weg.
Kaum fünfzig Schritte hatte er getan, so kam schon ihre Stimme hinterher: „To wart doch, Franz! Warum läufst du von mir?" Bist du Lös, Franz?"
Er stand still und sah sich um. „To komm", sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.
„Nein, mein Haarband ist losgcgairgen; bind's mir erst wieder fest!" Und sie strich mit ihren schmalen Händen die Fülle rabenschwarzen Haars zusammen, die ihr tief unter dem Nacken herabfiel.
Als er das im Sommcrhcmch wehende Band darüber wieder in eine feste Schleife knüpfte, lief eine Amsel mit zierlichen Schritten über den Weg. Er nickte nach ihr hinüber, daß sie aufflog. „Du bist auch so eine Schwarzdrossel!" sagte er zu dem Mädchen, „aber die Amsel singt so schön; schade, daß du nicht singen kannst."
„Oh", sagte sie, „das tut nichts."
„Aber", sagte er, „wenn du ans deinen kleinen Füßen gehst, das ist beinahe, als wenn gesungen wird."
Alls ihren dunklen Augen fuhr ein Blick auf ihn. „Du!" sagte sie, und ein stolzes Lächeln fuhr über ihr zartes Antlitz. Dann legte sie ihre Hand in die seine, und sie gingen miteinander in dem Wege weiter, und nur einzelne Worte wurden zwischen ihnen laut. Auf einmal gingen sie auf einem cingezäun- ten Wege, Nußsträncher und blühender Weißdorn standen zu beiden Seiten in dichtem Laubgedräuge auf den Wällen; sogar der leichte Sommerwind schwieg hier. Blaue und fcuerfarbene Falter spielten um die wilden Blumen, die aus den Rändern wuchsen, und
mitunter kam vom Zaune her ein Duft von Geißblatt, das verborgen darin blühte. Fremd wie eine Andacht umfing es die beiden; in der Nähe der Stadt gab es nicht solche Redder, und so weit wie heute waren sie sonst noch nicht gekommen.
„Hat die Drossel hier ihr Nest?" fragte das Mädchen leise, als ob sie kaum zu sprechen wagte.
„Weiß nicht, vielleicht!" entgegnete Franz ebenso..
Ein Neuntöter flog krächzend neben ihnen aus einem Hagedorn, und die Kinder traten näher, um nach einem Nest zu sehen. Aber ihre Augen hefteten sich starr auf einen Dorn, an welchem eine anfgespicßte Biene noch die Flügel regte.
„Pfui!" rief Franz, „das hat der schlimme Vogel getan, von dem der Schulmeister uns neulich erst erzählte!" und wollte behutsam die Biene herabziehcn.
„Laß, laß doch!" sagte Marke und hob sich neugierig auf den Zehen, um das vergebliche Arbeiten des gespießten Insekts zu betrachten. „O wie wunderbar!"
Aber schon hatte der Knabe sie abgenommen und ihr mit dem Fuße einen raschen Tod gegeben. „Pfui, das ist grausam!" sagte er, griff nach des Mädchens Hand und zog es mit sich fort.
Nach einer Weile hörten Zäune und Wälle auf, und die weite, braune Herde lag offen vor ihnen. Nur erst ein roter Schimmer flog darüber her, sie blühte noch kaum, es war erst Ende Juli. Mer fern am Horizonte zitterte die Luft in Weißen Wellen. Ihnen zur Linken lag ein kleines Wasser, an dessen
Rande zwischen Mummeln eine gelbe Iris blühte; dahinter stieg ein mäßig hoher Hügel ans.
„Ein Heidengrab!" rief Maikc.
Aber Franz schüttelte den Kopf: „Sieh nur, es steht ciir Pfahl darauf mit einer Spitze; das muß die Fcmstätte sein, der Galgenbcrg."
„Aber wo ist denn der Galgen?"
„Der ist seit lange abgebrochen; ich glaube, sie brauchen ihn nicht mehr."
Hand in Hand, wie behutsam, stiegen die Kinder an dem Hügel hinauf. Als sie oben waren, ließ Maike die Hand des Knaben los und blickte über die Heide, die sich unabsehbar nach Nord und Ost hinauszog. Dann plötzlich stieß sie einen Schrei des Entzückens aus.
Franz, der an dem Pfahl gestanden und dessen eiserne Spitze mit scheuem Finger betastet hatte, wandte jäh den Kopf. Da lag Marke unweit von ihm auf dem Boden; neben ihr war eine völlig kahle Stelle, die mit ein paar Steinplatten übcrmanert schien, aber ringsumher blühte eine Flut von jenen kleinen Immortellen, die er hinter der Mühle so oft für sie gepflückt hatte. Das Mädchen strich mit ihren Händchen darüber hin und Wider, als wühle sie in einem Reichtum. „Und hier", rief sie, „kann ich sie mir selber"pflücken, hier ist keine Angst dabei. Und sieh nur, die sind nicht blaß, wie drüben auf den Sandbergen, sie sind ganz rot, wie Purpur leuchten sie."
Den Knaben durchfuhr es; ja, sie leuchteten wie Purpur: „Das ist von Blut!" ries er, „laß sie stehen!"
(Schluß folgt.)