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Amtsblatt für das Oberamt Aleuenbürg
Nr. 8»
Donnerstag den 1«. April 1V3S
94. Jahrgang
Frankreich gegen Sanktionen
Skeptische Beurteilung der bevorstehende« Genfer Verhandlungen
Pnr is, Ik. April. Außenminister Flandin hatte am Mittwoch nachmittag vor seiner Abreise in seinen Wahlkreis noch Besprechungen mit dem italienischen, dem spanischen und dem englischen Botschafter in Paris. Uchcr den Inhalt der Besprechungen ist bisher amtlich nichts bekanntgegeben worben, ebenso auch nichts über die Beratung zwischen dem Außenminister, dem Ministerpräsidenten und dem Staatsministcr Paul-Boncour.
In politischen Kreisen ist inan nach wie vor sehr skeptisch in der Beurteilung der bevorstehenden Genfer Verhandlungen. Man erwartet, daß die Beratungen des 13er-Aus- schusses im Zeichen scharfer Gegensätze zwischen der abessinischen und der italienischen Auffassung stehen werden. Dem Präsidenten des 13er-Ausschnsscs werde wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als dem Ausschuß mitzuteilen, daß es ihm unmöglich gewesen sei, eine Annäherung zwischen^dem italienischen und dem abessinischen Standpunkt hcrbeizuführen. Abessinien verharre Lei der Auffassung, daß die Friedensvcrhandlungen im Rahmen des Völkerbundes stattfinden müßten, wobei der Völkerbund sich als Mittler zwischen beiden Parteien zu betätigen hätte. Italien dagegen weise darauf hin, das; die Friedensvcrhandlungen unmittelbar zwischen Addis Abeba und Rom zu führen seien, wobei der Völkerbund sich auf die Rolle eines Beobachters zu beschränken hätte. Die Aufgabe des 13er-AnsschusseS sei lediglich, sich über bas Verfahren der Friedens-Verhandlungen schlüssig zu werde». Nach der zusammeu- fasseudeu negativen Feststellung der Lage durch Madariaga werde England Stellung zu nehmen haben. England, so meint man in französischen politischen Kressen, könne nicht im Unklaren darüber sein, daß eine Verschärfung der Sühnemaßnahmen und insbesondere die Verhängung eines Ausfuhrverbotes für Petroleum unwirksam wäre.
Einige Blätter weisen noch einmal auf die Nutzlosigkeit der bisher ergriffenen Sanktionen hi» und erklären, daß ihre Verschärfung, wenn sic den gewünschten Erfolg zeitigen solle, militärischen Charakter annehmcn »nützte. Ties würde aber unbedingt unübersehbare Fullen nach sich ziehen, für die Frankreich jede Verantwortung ablchne.
Der Genfer Sonderberichterstatter des „Jntransigoant" spricht von einer neuen, drohenden Krise des Völkerbundes. Zahlreiche Vertreter der mitteleuropäischen Staaten, die ihre ganze Hoffnung in den Völkerbund setzten, zeigten sich jetzt ziemlich entmutigt. Ein Zusammenbruch des Völkerbundes, so erkläre man, bedeute den Zusammenbruch jeder Ordnung. Diese Einstellung der kleinen mitteleuropäischen Staaten, so schreibt der Berichterstatter, verdiene besondere Aufmerksamkeit. Frankreich müsse unbedingt eine energische Handlung zum Zweck der Herstellung des internationalen Rechtes unternehme!!, wenn es sich nicht der Gefahr einer Isolierung aussetzen wolle.
Der „Tcmps" glaubt, die Haltung Frankreichs bei den Besprechungen des I3er-Aus- schusseS dahin anslcgen zu können, daß man auch weiterhin versuchen werde, eine Verschärfung der italienisch-englischen Spannung zu vermeiden. England habe berechtigten Grund, einen Krieg zu vermeiden, dessen ganze Last allein ans seinen Schultern liegen würde. Aber auch Italien habe keine Veranlassung, sich ans einen offenen Kampf mit England eiuzulassen. Diese beiden Tatsachen, so schreibt das Blatt, schalteten auch von vornc- hercin jede Möglichkeit eines englisch-italienischen Konfliktes ans, der ein Verbrechen gegen die Zivilisation darstellen würde. Es komme aber häufig in der Geschichte vor, daß Völker, ohne einen Krieg zu wollen, in tragische Abenteuer verstrickt würden, weil ein bis zum äußersten getriebcnse diplomatisches Spiel sie vor eine Lage stelle, wo Prestigefragen die Oberhand über die Vernunft gewännen. Hierin liege auch heute die Gefahr und der Völkerbund würde seine Daseinsberechtigung verloren haben, wenn er sich nicht rechtzeitig dafür einsetze, diese Gefahr zu
bannen. Der „Temps" schließt mit dem Hinweis, Laß cs Aufgabe des Völkerbundes sei, zunächst den Weg für die Einstellung der Feindseligkeiten in Abessinien vorznbereiten und dann eine friedliche Beilegung des Konfliktes zu fördern.
Unterredung Aloisis mit Madariaga
Baron Aloisi hatte unmittelbar nach seiner Ankunft in Genf am Abend eine ein- stündige Unterredung mit Madariaga. Die Besprechungen, die sich nur auf Verfahrensfragen bezogen, haben, wie mair hört, zu keinem Ergebnis geführt. Sie sollen Donnerstag vormittag wiederum in Anwesenheit des Generalsekretärs des Völkerbundes fortgesetzt werden. Dann soll gegebenenfalls noch vor dem Zusammentritt des Dreizehner-AusschusscS eine amtliche Mitteilung veröffentlicht werden. Für unmittelbare italienisch-abessinische Besprechungen, wie sie unter dem Vorsitz Madariagas in Aussicht genommen sind, bestehen, wie verlautet, im Augenblick keine Voraussetzungen.
haben begonnen
London, 15. April.
Unter strengsten Vorsichtsmaßnahmen, die jedes Durchsickern von Nachrichten verhin- dern sollen, haben am Mittwochvormittag die Generalstabsbesprechungen zwischen Großbritannien. Frankreich und Belgien, die Frankreich vor einem „deutschen Ueberfall' Ichützen sollen, begonnen. Die erste Sitzung fand im Gebäude der britischen Admiralität statt; die weiteren Besprechungen werden je nach dem Gesprächsstoff in der Admiralität, im Kriegs, oder im Luftfahrtministerium abgehalten werden. Diese erste Sitzung dürfte nur Formalitäten gewidmet gewesen sein, da sie nur eine halbe Stunde dauerte.
Die Generalstabsbesprechungen wurden am Mittwoch nachmittag, diesmal nach Waffengattungen räumlich getrennt, fortgesetzt. Die Marinevertrcter der drei Nationen tagten in der Admiralität nnd die Vertreter der Armee nnd der Lnftstreitkräfte im Kriegsministerium bzw. im Lnftfahrtministerium. Für Ende der Woche ist wieder eine gemeinsame Sitzung der
Addis Abeba, 15. April.
Einige von der Nordfrvnt eintreffende, amtlich noch nicht bestätigte Berichte erwecken den Eindruck, als habe sich die Lage der abessinischen Streit- kräfte in den letzten Tagen ge- bessert. In abessinischen Kreisen ist man der Meinung, daß die italienische Taktik, stärkere Abteilungen ans befahrbaren Straßen gewaltsam vorzutreiben, den abxssini- sen Streitkräften die Möglichkeit gebe, wieder zu den Guerilla-Methoden überzugehen. In einem dieser Berichte wird die Besetzung Go ndars durch die ita» li e ni s ch e n Truppen nur als vorübergehend bezeichnet. Noch vor Ostern soll es den Abessiniern gelungen sein, die italienische Besatzung überraschend anzugreifen und zu vernichten.
Nach anderen Meldungen hat die Armee des Kaisers in der Nacht zum Ostersonntag in Stärke von 20 000 Mann einen überraschenden Angriff aus das von 4000 Ita. lienern besetzte ehemalige Hauptquartier des Kaisers, Kworam, unternommen. Es oll dabei zu blutigen Kämpfen gekommen ein. Die abessinischen Meldungen behaup- en, daß 2000 Italiener gefangen worden seien. Am Ostermontag habe mau 2000 Italiener begraben, davon die Hälfte Weiße Truppen. Tie abessinischen Darstellungen verzeichnen nur geringe Verluste auf Seiten der Angreifer.
Von der Süd front wird gemeldet, daß die Italiener südlich von Sassa- bauet; nach vorangegangencm Gasbombar-
Vertreter sämtlicher drei Waffengattungen vorgesehen. Der politische Korrespondent der „Evening News" berichtet, daß der Rahmen der Besprechungen begrenzt sei und daß das britische Kabinett ein genaues Programm vorbereitet habe. Trotz der Versicherungen über einen begrenzten Charakter der Stabsbesprechungen herrsche aber nicht unbeträchtliche Besorgnis hinsichtlich 'der Folgen, die diese Besprechungen unter Umständen haben könnt
Italien und die GeneraMabs- bespeechlmgen
Rom, 15. April. Zu der Nichtbetciligung Italiens an den Londoner Generalstabsbesprechungen wird in unterrichteten Kreisen Roms betont, daß dies eine Folge der reservierten italienischen Haltung in der gesamten Locarnofrage sei, die Italien von Anfang an eingenommen und durch seinen Londoner Botschafter bereits Lei der ersten Sitzung der Restlocarnomächte zum Ausdruck gebracht habe. Da die Sanktionen andanern, bestehe, so erklärt man, auch die italienische Reserve in den europäischen Fragen fort.
Zn den Generalstabsbesprechungen äußert sich heute in der „Tribuna" Davanzati, nach dessen Auffassung es nur zwei Auslegungen dieser Londoner Beratungen gebe. Entweder seien sic eine symbolische nnd daher völlig überflüssige Geste nnd gar nicht verpflichtend für England. Dann würde auch das Fernbleiben Italiens ein Fernbleiben von überflüssigen und vergeblichen Angelegenheiten sein. Oder die Generalstabsbesprechungen seien eine ernste Angelegenheit. Dann, so schreibt Davanzati, würde das italienische Fernbleiben aus Gründen, die alle kennen, die konkrete Tatsache des Fehlens der bewaffneten Kräfte Italiens bedeuten. Da die Generalstäbe der Locarnomächte die Effektivbestände n. Schiffe für Kontinental-Enropa zusammenzählen müßten, Habs das Fernbleiben Italiens wirklich eine „sehr große Bedeutung", freilich in anderem Sinne, als es die „Times" darlegen wolle, umsomehr als Italien wirksame bewaffnete Kräfte, unabhängig von den Zusammenkünften der Generalstäbe, zur Verfügung habe.
dement zum Angriff vorgegangen seien. Der Angriff scheint ein Umgehungsmanöver gegen die Armee des Generals Nas Nassibu darzustellen, da die itälieni- sehen Hauptkräfte auf beiden Flügeln besonders stark eingreifen sollen.
Asmara, 15. April. (Funkspruch des Kriegsberichterstatters des DNB.) Die italienischen Truppen sind in Dessie eingezogen, ohne ans Widerstand zu stoßen. Als erste zogen die Asbo Galla ein, die die Nachhut des Ncgus-Hecres in Eilmärschen verfolgen und bereits seit einigen Tagen vor den Toren Dessies gelagert hatten. Sofort nach dem Einzug wurde ans dem Ghibbi nnd auf dem italienischen Konsulat die Trikolore gehißt. Dessie, die Hauptstadt der Wollo Galla, ist in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht einer -er wichtigsten, abessinischen Punkte. Von dort führt eine verhältnismäßig brauchbare Straße in einer Länge von 350 Kilometern nach Addis Abeba. Dessie ist nicht eine typisch abessinische Stadt, sondern sie besitzt viele Bauten nach europäischem Muster. Die Stadt hat in der abessinischen Geschichte oft eine bedeutende Rolle gespielt.
Friedensappell der Kaiserin von Abessinien an die Wett
Addis Abeba, 18. April.
Die Kaiserin von Abessinien richtet« am Dienstagabend über den Kurzwellensender Addis Abeba einen flammenden Protest ae»
gen den „italienischen Angriffskrieg" an die ganze Welt. Die Kaiserin, die in amharischer Sprache das Wort ergriff, erklärte u. a., sie spreche nicht nur als Kaiserin des abessini- fchen Reiches, sondern auch als Frau und Mutter. Sie wies darauf hin, daß Italien die internationalen Verträge nicht einhalte und durch Bombenabwürfe und Gaskrieg unschuldige Menschen töte, deren Leiden unermeßlich seien. Die Rede, die anschließend Von der ältesten Tochter des Kaiserpaares übersetzt wurde, schloß mit der Aufforderung an die gesamte zivilisierte Welt und an den Völkerbund, Mittel und Wege zu finden, um den grausamen Krieg umgehend zu beendigen, den Abessinien nicht gewollt habe.
AWWWarMn
zum GebmMag des Mrers
kk. Berlin, 18. April.
Am Geburtstage des Führers — am kommenden Montag — werden in allen Standorten der Wehrmacht Truppenparaden der- anstaltet. Die größte derartige Truppenschau wird in Berlin auf der Charlottenburger Chaussee veranstaltet. In Stuttgart nimmt die Parade aller Truppenteile der Standorte Stuttgart-Bad Cannstatt und Eßlingen der Kommandierende General des V. Armeekorps, Generalleutnant Geyer, am 20. April um 11 Uhr aus der Festwiese gegenüber der Adolf-Hitler-Kampfbahn ab.
7 Todesopfer
Rom, 15. April.
Tas fahrplanmäßige Verkehrsflugzeug aus der Strecke Turin-Mailand ist am Mittwoch infolge des starken Sturmes abgestiirzt. Die 7 Insassen wurden getötet. 6 von ihnen sind Italiener, der siebente ein gewisser Andreas Eggen. Es konnte bisher noch nicht festgestellt werden, ob Eggen deutscher oder schweizerischer Staatsangehöriger ist.
Auch das Flugzeug Mailand-Nom geriet in schweres Unwetter und konnte den Apen- nin nicht überfliegen. Es nahm daher eine Notlandung in Ancona vor, die ohne Zwischenfall verlief.
Zu dem Unglück auf der Flugstrecke Mailand-Turin wird noch gemeldet, daß es sich um das regelmäßig verkehrende Verkehrsflugzeug handelt, das Mittwoch vormittag um 10.12 Uhr Mailand verlassen hatte.
Die Maschine war ein älteres dreimotoriges Fokker-Flugzeug holländischer Herkunft. Bei den Passagieren handelt es sich um sechs Italiener und einen Schweizer Staatsangehörigen namens Andercgger.
Das Unglück ereignete sich in etwa sieden Kilometer Entfernung von Chivasso bei dem Oertchen Lanzo Tarinese. Noch um 11.55 Uhr hatte der Bordfunker mitgcteilt, daß an Bord alles in Ordnung sei. Beim nächsten Funk gab er bekannt, daß das Flugzeug in starken Nebel geraten sei nnd deshalb blind fliegen müßte. Das Flugzeug, das bei dem dichten Nebel und dem starken Sturm keine Notlandung vornehmen konnte, war anscheinend von dem sonst üblichen Weg aügeirrt und dabei gegen einen Hügel gestoßen nnd zertrümmert worden.
Wir» krhwrigt
Belgrad. 15. April.
Tas offiziöse Blatt ..Breme' nimmt zu der Tatsache Stellung, daß die österreichische Regierung eine Beantwortung des Protestes der Kleinen Entente wegen der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht in Oesterreich abgelehnt hat. Damit sei. schreibt das Blatt, diese Frage noch nicht von der Tagesordnung abgesetzt. Man könne im Gegenteil mit Bestimmtheit sagen, daß die Staaten der Kleinen Entente ihre Aktion fortsetzen würden mit dem Ziel, eine Lösung zu finden, die im Einklang stehen würde mit der Achtung der internationalen Verbindlichkeiten, sowie mit den Interessen Jugoslawiens, der Tschechoslowakei und Rumäniens. Tie Anfang Mai in Belgrad stattfindende Konferenz, der Außenminister der Kleinen Entente werde sich in erster Linie mit dieser Frage be- fassen.
AbellWche UebeeeMungssttisnen