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(Kegen die Uebernahme der Fleischbeschaugebühren durch die Bundesstaaten sprechen die früheren Gründe, namentlich finanzielle, der jährliche Staatsaufwand würde mindestens 500 000 betragen. Die Beschaugebühren (' ,,, ^ auf ein. Pfund) seien ohne Belang. Er bitte um Ablehnung des Antrags. Weiterhin bekannte der Minister auf Grund von Ankündigungen, daß die Grenzsperre gegen die Schweiz nicht früher als geschehen, hätte angeordnet werden können und daß die Maul- und Klauenseuche weiterhin im Zurückgehen begriffen sei. Im Laufe der Debatte wünschte Freiherr v. Per glas (B. K.) u. a. Belassung der Zentralstelle im Landesgewerbemuseum und Bekämpfung der Reblaus durch Amerikanerreben. Gegenüber den „schönen Reden" der Sozialdemokraten über ihre Fürsorge für den Kleinbauer wies der Abg. Körner (B. K.) darauf hin, daß kein diesbezüglicher Antrag von ihm gestellt, wohl aber von einem Milchwucher gesprochen worden sei. Sei das Fürsorge für Kleinbauern? Die Fürsorge für die Landwirtschaft geschehe im Interesse des ganzen Vaterlandes. Abg. Herbster (Ztr.) betonte in frisch wirkender Rede die Notwendigkeit der Sicherung der Landwirtschaft, in der Groß- und Kleinbauer an einem Seile ziehen. Feuerstein (Soz.) vertrat einen Antrag, die Regierung zu ersuchen, eine jährliche Uebersicht über den Stand und die Entwickelung der im Lande bestehenden landwirtschaftlichen Vereine und Genossenschaften oller Art nebst den ihnen verwilligten Staatsbeiträgen und sonstigen staatlichen Unterstützungen geordnet nach Kreisen, Oberämtern und Gemeinden vorzulegen. Minister v. Pischek bezeichnet diesen Antrag als zu weitgehend. Die Statistik könnte jeweils mit der Denkschrift über die Lage der Landwirtschaft gegeben werden. Die Anträge des Zentrums fanden im Laufe der Erörterungen teils Zustimmnng, teils Widerspruch. Das Ergebnis war die Verweisung andre Kommission der Gegenstände für innere Verwaltung. Das gleiche Schicksal erfuhr ein Antrag Wasner betr. Erwägungen darüber, ob nicht das gesamte landwirtschaftliche Schulwesen vom Kultusministerium losgelöst und dem Ministerium des Junern unterstellt werden kann. Der Antrag Feuerstein wurde nach Umänderung des Wortes „jährlich" in „periodisch" angenommen. Morgen Vormittag Fortsetzung. Schluß der Sitzung gegen 8 Uhr.
Stuttgart 10. Mai. Seine Königliche Majestät haben anläßlich des Ablebens des Präsidenten a. D. von Schlierholz hier und des Professor Dr. v. Jürgensen in Tübingen den Hinterbliebenen Allerhöchst Ihre Teilnahme aussprechen lassen.
Stuttgart 10. Mai. Am Mittwoch nach, mittag ging die Alexanderstraße abwärts das Pferd eines Mineralwasserhändlers durch und rannte derart an eine Gartenmauer an, daß der Besitzer und Leiter des Fuhrwerks vom Wagen an die Mauer geschleudert wurde. Der Mann trug eine erhebliche Kopfverletzung davon und mußte in seine Wohnung geführt werden. — Gestern nachmittag fiel in einem Hause der Bismarckstraße ein 4 Jahre alter Knabe in einem unbeachten Augenblick von der Küchenveranda des
4. Stockes in den betonierten Hof und war sofort tot.
Endersbach OA. Waiblingen 10. Mai. Nachdem in letzter Zeit die Schweine im Preise gesunken sind, der Bauer aber bis vor Kurzem die Milch- und Läuferschweine noch teuer bezahlen mußte, haben in letzter Zeit die Hausschlachtungen hier um sich gegriffen und das Pfund Schweine, fleisch wurde um 65 an die Bürgerschaft ab- gegeben, während bei den Metzgern 75 pro Pfund bezahlt werden mußte. Vermutlich um den Hausschlachtungen Einhalt zu tun, ließen heute 2 hiesige Metzger durch die Ortsschelle bekannt geben, daß sie das Pfund zu nunmehr 60 Pfennig abgeben.
Kirchheim 10. Mai. Die Beteiligung an dem würtlembergifchen Fleischerverbands, tag,, welcher vom 12.—14. Mai hier stattfindet, scheint eine außerordentlich rege zu werden. Die Tagesordnung für die Verhandlungen am Montag umfaßt 4 Punkte. Außer den üblichen Geschäftsberichten und Festsetzung des Haushaltungsplanes für 1907 werden Referate gegeben über: 1. Lieferung von Fleisch- und Wurstwaren durch Groß. Wurstereien an Konsum- und Rabattvereine. 2. Erörterung neuerer, das Mctzgergewerbe berührender Entscheidungen von Behörden. 3. Die Weiter erhebung der Fleischsteuer bis 1917 und 4. Stellungnahme zur Gründung einer Verbandszeitung. Wahlen und Bestimmung des Orts für den nächsten Verbandstag bilden den Schluß der Tagesordnung.
Hall. Der alte Siederstanz, der das letztemal im Jahr 1900 aufgeführt wurde, soll dieses Jahr am Pfingstmontag in dramatischer Einkleidung, die sich auf seine Stiftung bezieht, im Saal des Gasthofs zum „Hirsch" zur Aufführung kommen. Es sind 2 Aufführungen vorgesehen, vormittags 11 Vr und mittags 2^ Uhr. Aus- wärtige können Karten gegen Einsendung von 60 --Z bei dem Schriftführer des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs, W. German, beziehen. Bei günstiger Witterung wird vormittags 10 Uhr auch ein Umzug stattfinden.
Ulm 10. Mai. Bei prächtigem Wetter nahm gestern das 21. württembergische Landesschießen hier seinen Anfang Vormittags fand im Saalbau ein Festakt statt, in welchem die Schützengilde Göppingen da« Bundesbanner an die Schützengilde Ulm und diese an die Stadtgemeinde Ulm übergab, in deren Namen es von Oberbürgermeister Wagner in Empfang ge- nommen wurde. Um V-12 Uhr veranstalteten die Schützen, die aus dem Land schon zahlreich vertreten waren, eine Festfahrt durch die zum Teil hübsch geschmückte und beflaggte Stadt, worauf sie sich zur schön gelegenen Schießstätte im Weiherbachtale bei Klingenstein begaben, dort begann um 2 Uhr das Schießen auf 22 Ständen. Auf dem
Schützenkeller und in der Umgebung des Schießplatzes herrschte ein Treiben, wie bei einem Volks- fest; ein Riesenbierzelt, Weinstuben und Volksbelustigungen waren vorhanden. Um 7 Uhr abends begann das Konkurrenzschießen. Der König, die Herzöge Philipp, Robert, Albrecht und Wilhelm von Urach, der Fürst von Hohenzollern, sämtliche hiesige Offizierkorps, die Stadt, die Gilden des Landes u. s. w. haben Ehrengaben und der Kaiser eine goldene Medaille gestiftet.
Ulm 10. Mai. Beim 21. württembergische» Landesschießen wurde im gestrigen Konkurrenz, schießen nachstehendes erzielt: Feldscheibe 300 m: Wahl-Oberndorf 98 Kreise, Menzel-Stuttgart 90 Kreise; auf Her Feldscheibe 175 in: Schw egelbaue r-Heidenheim 97 Kreise, Röhm-Uhingen 88 Kreise.
Pforzheim 10. Mai. Am Mittwoch nachmittag erlitt der hiesige, von Neuenbürg her- fahrende Bäckermeister Schroth infolge Scheuens seines Gespanns vor einem Eisenbahnzug einen schweren Schädelbruch. Er wurde in weitem Bogen aus seinem Gefährt geschleudert und liegt lebensgefährlich verletzt darnieder.
München 10. Mai. In dem Beleidigungs- Prozeß vr. Karl Peters gegen die Münchener Post, hat die beklagte Partei den Antrag gestellt, den deutschen Kaiser als Zeugen in diesem Be- leidigungs-Prozeß zu vernehmen. Der Verhandlungstermin ist auf den 23. Mai festgesetzt.
Rom 10. Mai. Tribun« berichtet aus Alexandrien in Aegypten, daß eine Feuers- brunst die Ortschaft Matarik am Nil vernichtete. 2000 Wohnhäuser wurden zerstört.
London 10. Mai. Die heutigen Blätter bringen alarmierende Meldungen aus Indien, wo die Gährung bedrohliche Fortschritte macht. In Lahore sind blutige Unruhen ausgebrochen. Tausende Dacoits und Hindus ziehen plündernd und brennend durch die Provinz Mymensingh. Diejenigen Eingeborenen, welche treu zur englischen Herrschaft halten, werden ermordet oder von ihren Standesgenossen gemartert. 37 Agitatoren wurden verhaftet. Hochverräterische Mani- feste werden im ganzen Lande in Tausenden von Exemplaren verbreitet. Die Stadt Tarakanda wurde von aufrührerischen Horden ausgeplündert und niedergebrannt.
Manchester 10. Mai. In einer gestern hier gehaltenen Rede kam der Premier-Minister, Campbell Bann er man auf die Ausführungeir des Fürsten Bülow betr. die Abrüstungs frage zu sprechen. Er sagte, er zweifle nicht daran, daß auch jetzt noch etwas zu erreichen sei, aber es sei viel schwieriger ohne vorherige allgemeine Billigung des Grundsatzes durch alle Großmächte darüber, daß eine Verringerung der Rüstungen
mit dem Aurbessern der Netze beschäftigt. Es waren arme, stille Geschöpfe, durch Siechtum zu ihrer sitzenden Tätigkeit gezwungen; Guenn trat jetzt unter sie wie ein Wirbelwind. Das Gespräch, das bis dahin lebhaft genug gewesen war, geriet bald ins Stocken. Guenn war hier nicht am Platze, das fühlte sie selbst. Sie ärgerte sich über die fleißigen, gesetzten Mädchen, die gar nichts jugendlich Frisches hatten und von ihrer Anwesenheit wenig erbaut erschienen. „Sie sind gerade so dumm und langweilig wie die Katze," dachte sie bei sich, und wieder überschlich sie die geheime Enttäuschung, die sie vorhin bei dem ablehnenden Benehmen der kleinen Mietze empfunden. „Vermutlich wäre es bei den Nonnen in Quimper ähnlich zugegangen," meinte sie im Stillen und sagte dann laut zu den Mädchen gewandt: „Es ist nicht sehr unterhaltend bei Euch, das muß ich sagen, ich gehe lieber, lebt wohl!"
Aber als sie dann wieder draußen auf der Landstraße war, fand sie auch nicht die gewünschte Zerstreuung. Ihre Gedanken wanderten unablässig nach dem Atelier hinüber. Was wohl Nannic dort oben tun mochte? Es mußte ihm wohl gefallen, sonst wäre er sicher nicht geblieben. Wenn sie sich nur unbemerkt hätte hinaufschleichen und einmal hineingucken können! Es schien ihr so seltsam, sich Nannic bei einem Fremden zu denken. Jeanne war natürlich auch oben, und Monsieur Hamor saß da, hielt den Pinsel mit den langen, weißen Fingern, malte und lächelte dabei wie immer.
Die arme, kleine Guenn! Da stand sie nun unter dem steinernen Torbogen und fühlte sich grenzenlos verlassen und allein in Nässe und Kälte. Es hinderte sie freilich nichts das Tor zu öffnen, über den Hof und die Treppe hinauf nach dem Studio zu gehen; nein, es hinderte sie nichts, gar nichts, nur — ja, war denn eigentlich? Sie wußte er selbst nicht zu sagen. Ungewöhnt, sich von ihren Empfindungen Rechenschaft abzulegen, wußte sie deutlich nur das eine, daß es nicht in ihrer Macht stehe Nannic zu erreichen, wenn sie nicht zugleich alle ihre Vorsätze, ihre trotzig
behauptete Meinung, ihre ganze stolze Sprödigkeit aufgeben wollte. Gestern Abend, als man sie noch spät gerufen hatte, um ihren Vater aus dem Wirtshaus Heimzuföhren, wie das sehr häufig geschah — andere junge Mädchen wußten es auch nicht besser — und sie die unsichern Schritte des Wankenden auf dem langen Heimweg stützte, hatte sie aus seinen verworrenen Reden nur die immer wiederkehrenden Worte herausgehört: „Sechzig Franken — sechzig Franken!" — Heute, am frühen Morgen, hatte ihr Vater den Sinn dieser Worte klar gemacht und ihr anbesohlen, sich ohne Säumen nach Hamors Atelier zu verfügen und sich ihm für sechzig Franken monatlich als Modell zu vermieten. Die elterliche Autorität war in Plouvenec noch unumschränkt. Selbst wenn der Vater als Trunkenbold und Wüstling bekannt war, galt sein Machtspruch dem Kinde gegenüber so viel wie der eines silberhaarigen, gottesfürchtigen Patriarchen unter seinen Stammesgenossen.
Guenn war blaß geworden bei dem unerwarteten Befehl. So lange sie denken konnte hatte sie sich ihrem Vater noch nie mit einer Bitte genaht. Heut aber bat sie ihn, wie ein anderes Kind einen besseren Vater gebeten hätte. „Vater," sagte sie leise — sie nannte ihn sonst nie bei diesem Namen — zwinge mich nicht dazu!"
„Du bist eine Närrin!" brauste Rodellec auf.
„Ich habe noch nie etwas von dir verlangt," fuhr sie scheu und doch ungestüm fort, „gewähre mir nur das eine — schicke mich nicht zu ihm, nur zu dem nicht! Ich will ja sonst überall, will jedem von ihnen sitzen, nur nicht zu ihm, nicht zu ihm, Vater!" Des Mädchens Stimme bebte vor verhaltener Leidenschaft; in dem einen Worte, „Vater" lag da« ganze heiße Flehen ihrer Seele.
„Du gehst zu Hamor und sonst zu keinem," beharrte Rodellec in finsterem Trotze. „Wenn Du binnen drei Tagen nicht bei ihm bist, bringe ich Dich selbst hin." (Forts, folgt.)