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82. Jahrgrmg

Amts- und Anzeigeblatt für den Sezrrk Calw.

ErscheinungSLage: Dienstag, Donnerst ag, SamS- rag, Sonntag. AnsertionSpreiS 10 Psg. pro Zeile für Stadt and Bezirksorte; nutzer Bezirk 12 Pfg.

Amtliche Be ka»«t mach«ngerr.

Die Herren Aerzte

werden davon in Kenntnis gesetzt, daß das Formular für dasärztliche Gutachten zu dem Antrag auf Bewilligung einer Invalidenrente" unter Ziffer 19

eine kleine Ergänzung erfahren hat, und ersucht, sich künftig des neuen Formulars, welches dem Oberamt zugegangen ist, zu bedienen. Die bis­herigen Formulare können aüfgebraucht werden, es muß aber bezüglich der Ursache der Invalidität die gewünschte Auskunft durch Unterscheidung von Haupt- und Nebenursachen gegeben werden.

Weiter werden die Herren Aerzte auf die Bestimmung in Ziffer VI Abs. 1 und 2 der dem neuen Formular beigelegtenErläuterungen" auf­merksam gemacht.

Calw, 4. Mai 1907.

K. Oberamt.

Amtm. Rtppmann.

An die Ortsbehörden für die Arbeiter- Versicherung, betreffend die ärztlichen Gutachten zur Erlangung einer In­validenrente.

Nachdem es schon häufig vorgekommen ist, daß für Versicherte, welche nnmittelbar nach Ab­weisung eines Heilverfahrensgesuchs um eine In­validenrente nachsuchen, ein neues ärztliches Gutachten zur Erlangung einer solchen beigebracht wird, so werden die Ortsbehörden darauf aufmerksam gemacht, daß solch ein neues Gutachten nur dann erforderlich ist, wenn feit der Abweisung des Heilverfahrens­gesuchs ein längerer Zeitraum verstrichen ist.

Calw, 4. Mai 1907.

K. Oberamt.

Amtm. Rippmann.

Die Ortsbehörden

werden beauftragt, für beschleunigte Ausstellung der Etats für das Rechnungsjahr 1907/S8 Sorge zu tragen und dieselben in doppelter Aus­führung bis 1. August d. I. zur Prüfung und Genehmigung hieher vorzulegen.

Donnerstag den 9. Mai 1907

Bei der Aufstellung der Etats ist folgendes zu beachten:

1. Die Armen-Etats sind unter Zuziehung der Ortsgeistlichen aufzustellen.

2. Erhebliche Abweichungen der neuen Etats­sätze gegenüber demVorjahrsind unterBemerkungen" zu erläutern. Wo Grundstocksergänzungs- und Schuldentilgungspläne bestehen, ist genau zu unter­suchen, ob dieselben im Etatsjahr 1906/07 eingehalten wurden und sind etwaige Rückstände neben der planmäßigen Tilgungs- bezw. Ergünzungsrate in die neuen Etats aufzunehmen, soweit verfügbare Mittel der Reftverwallung zur Deckung der Rückstände nicht vorhanden find. Weiter ist genau festzustellen, ob pro 31. März 1907 .der Geldgrundstock voll­ständig ergänzt und auch das Betriebskapital in der vorgeschriebenen Höhe vorhanden ist. Etwaige Fehlbeträge sind in den Etats zu berücksichtigen.

3. Haben einzelne Gemeiudesteuerpflichtige mindestens '/« der Gemeinde-Umlage zu bezahlen, so ist das in Art. 14 des Gesetzes vom 21. Mai 1891 (Reg.-Bl. S. 103) vorgeschriebene Verfahren zu beobachten, und daß dies geschehen, nachzuweisen. Sind derartige Steuerpflichtige in der Gemeinde nicht vorhanden, so ist dies im Etat kur; zu bemerken.

4. Auf dem Titelblatt des Gemeinde-Etats muß die Höhe der Gemeindeumlage, Gemeinde­einkommensteuer und Gemeindekapitalsteuer pro 1906/07 angegeben sein.

5. Dem Etat ist eine Berechnung des ver­fügbaren Vermögens der Restoerwaltung vom letzten Jahre mittelst eines vorläufige« Ab­schlusses der Rechnung des vergangenen Jahres beiznfügen.

6. Soweit eine Umlage in Frage kommt, ist eine Berechnung über die Berechtigung bezw. Ver­pflichtung zur Erhebung einer Gemeindekapital- und Gemeindeeinkommensteuer, sowie über die Höhe der Gemeindeumlage nach den in 8 33 der Vollzugs­verfügung vom 22. Sept. 1904 (Reg.-Bl. S. 263) gegebenen Grundsätzen aufzustellen und den Etats anzschließen.

Calw, 7. Mai 1907.

K. Oberamt. Voelter.

Sborin-m-in»pr-tn d. Stadt pr. VIertelj, Mk. 1.10 incl.LrSgerl. MrrteljLLrl. Boftbe-ugSprei« ohne Sestellg. f. d. Ort»- u. Nachbar. ortSverkehr: Dir., s. d. sonst. Verkehr Ml. 1.10. Bestellgeld « Psg.

Tagesuenigktte».

NCalw 8. Mai. Gestern Dienstag Abend vereinigten sich Mitglieder des Alldeutschen Verbandes im Gasthof z. Waldhorn, um den angekündigten Vortrag des Herrn R. Geiser aus Berlin überPersönliche Erinnerungen aus dem Lande der baltischen Revolution" entgegen­zunehmen. Die russische Revolution wird nach den Ausführungen des Redners bei uns vielfach falsch verstanden, die Mafien fragten nichts nach der Art der Regierung; das wirtschaftliche Elend suchte Besserung seiner Verhältnisse und benützte dazu die durch den japanischen Krieg geschaffene Schwäche der Regierung. In die baltischen Provinzen Livland. Esthland und Kurland wurde die Bewegung künstlich hereingetragen. Der deutsch-baltische Stamm dieser Gebiete, der nur 200000 Seelen zählt, ist qualitativ hoch anzu­schlagen; er bewies von jeher nationales Be­wußtsein und deutsche Volkstreue und hat in 7 Jahrhunderten mitten unter Letten und Esthen sein Volkstum bewahrt. Das Baltentum ist geboren aus dem Drang der Kolonisation und Christianisierung des Mittelalters; deutsche Kaufleute und deutsche Schwertritter nahmen Besitz von dem Land, und so besteht das Baltentum noch heute aus dem Kaufmannsstande, aus Großgrundbesitzern und aus dem Stand der Akademiker. Es fehlte dem Deutschtum der Stand der Kleinbauern und Arbeiter, zu dem die heid­nischen Letten und Esthen erzogen werden mußten. Das Verhältnis war ein gutes, denn die Ein- geborenen verdanken den Deutschen alles, was sie haben, namentlich auch ihre Kultur, ihre gute Volksschulbildung. Auch die Leibeigenschaft hatte der deutsche Adel in freiwilliger Weise schon im Jahre 1808 freigegeben. Die nationalen Gegen­sätze wurden erst künstlich geschaffen durch die gewaltsame Rusfistzierung des Zaren Alexander III.

Var KschermSdchen von der Bretagne.

Von B. W. Howard.

(Fortsetzung.)

Nannte Rodellec schöpfte tief Atem ehe er die gefährliche Ent­scheidung wagte.Zwei Franken", erscholl es von seinen bleichen Lippen. Hamor öffnete lächelnd die Hand und zeigte den erstaunten Anwesenden das richtig darin verborgene Zweifrankstück. Dies war der stolzeste Moment in Nannics jungem Leben. Der arme kleine Bucklige warf sich so mit einemmale zum Herrn der Situation aus. Seine Augen strahlten vor Entzücken, regungslos stand er inmitten seiner verblüfft dreinschauenden Gefährten.

Hamor lachte heimlich.Nannic, wir find verwandte Naturen, wir glauben beide an uns selbst, von nun an wollen wir geschworene Freunde sein." Die beiden jungen Mädchen traten näher und näher heran, aber Hamor schien sie nicht zu bemerken. Madame stand ruhig in der Tür, anscheinend nur die herrliche Nacht bewundernd.

Staunton hatte im Stillen darauf gewartet, daß sich Hamors lieber- mut endlich legen würde, als er aber aufblickend die jungen Mädchen gewahrte, lächelte er bedeutsam vor sich hin.Jetzt geht mir ein Licht auf, Hamor, daß dein lustiges Poffenspiel am Ende nur eine feine Kriegs­list ist."

Ich bin noch nicht fertig," lachte Hamor» jetztkommt ihr daran, würdige Mtglieder meiner Ehrenlegion. Achtung, rechts um! Wenn ich bis drei zähle, lauft ihr aus. Die Wette gilt für alle. Während ihr fort seid, wird der Preis für den Sieger gesammelt."

Ich werde reichlich beisteuern," sagte Staunton,ich zahle immer am liebsten für die Abwesenheit dieser Rotte Kora."

Auf das verabredete Zeichen stürmte die wilde Bande auf das vor­herbestimmte Ziel los.Jetzt Nannic, geh du umher und sammle ein. Du wirst hier am Tisch und drinnen im Cafs schon einige Sous erobern."

Kaum hatte Hamor ausgesprochen, als auch schon Guenn dicht an seiner Seite stand und ihn mit zomfunkelnden Augen maß:Lassen Sie meinen Bruder in Ruhe!" rief sie leidenschaftlich erregt.

Ah, Guenn, bist du da?" es lag freudige Ueberraschung im Tone seiner Stimme,und Jeanne auch? seid ihr gekommen, um den Wett- lauf der Buben mit anzusehen?"

Was gehen mich die Buben an, ich sage Ihnen nur, daß Sie meinen Nannic ungeschoren lassen sollen."

Aber Guenn," suchte Hamor zu begütigen.

Sie haben ihn ausgelacht, ich Hab' er wohl gesehen, ich habe Ihre Mienen dabei beobachtet," und zornig stampfte ihr Fuß den Boden.

Mein liebes Kind, das hast Du ganz falsch verstanden, es ist mir gar nicht eingefallen über ihn zu lachen; sei doch vernünftig und bedenke, daß ich ihm nur ein kleines Vergnügen bereitet habe. Der arme Junge kann ja nicht teilnehmen am Wettlaufen und am Raufen der andern, aber er möchte sich doch auch einmal hervortun und wichtig erscheinen. So habe ich ihn jetzt glücklich gemacht. Ist das so schlimm?"

Guenn stand regungslos lauschend, wie unter einem Bann, ihr Atem ging schwer, ihre Augen schienen Hamor jedes Wort von den Lippen zu nehmen. Wie klang seine Stimme so fröhlich und doch so weich. Es war ja alle« wahr, was er von Nannic sagte, alles, alles. Er sprach nur aus, was sie selbst schon oft gedacht hatte. Ihr Bettagen tat ihr jetzt sehr leid, sie hätte das gern eingestanden, aber sie konnte kein Wort Hervorbringen.

Wie kannst du nur so böse sein, Guenn?" sprach die zärtliche Stimme aufs neue,glaubst du, ich würde Nannic weh tun wollen? Wie töricht, Kind, welcher Unsinn!"