Zum GMchknls

Von Karl Burkert

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Fast klingt es schon wie eine kerne Sage, dies graue Sterben tn dem starten Streit. Verweht ist längst die liefe Totenklage tm groben Wind der neugekpannten Zeit.

Sie sind vermorscht, die dort so heiß gestritten, sie werden still in Erz und Holz und Stein. Vergebens war es nicht, was sie gelitten, in unser Dasein rauscht ihr Blut hinein.

So vieles, was bislang noch unverstanden in dir und mir in unserm Volke schlies. ihr Glaube löste eS aus Hast und Banden, ward Wille, der zu hohem Flug uns ries.

Was sie vollbrachten einst, das war das Neue, das war ein Sang, entströmt noch keinem Mund. Wer es- begreift, der blüht in einer Treue, gibt in der Liebe sich, im Opfer kund.

In das zwilternde Licht der Märzabend­stunde fällt der Ton einer Drossel. Wie ein zärtliches Wort schmiegt er sich in meine Ge­danken. Es kommt mir in den Sinn, daß es wieder Frühling werden will. Frühling!

Ach. wie viele Frühlinge haben nicht schon in mein Dasein geglänzt! Und immer war da eine Drossel. Ihr dunkler Flötenton ist von meinen Märzerinnerungen kaum zu trennen. Auch m den Krieg und seine tiefe Tragik klingt er weich und tröstlich hinein.

Kann man's noch denken, daß einmal Krieg war? Standen wir um diese Zeit einst draußen am Feind? Sie liegen wohl schon sehr sern. diele Tage. Wir sehen sie nur noch wie durch einen Schleier. Aber wir sehen sie noch. Wir haben sie hart erlebt.

Möglich, daß wir schon manches vergehen haben, was dort war. Vielleicht müsten wir sogar dankbar sein, daß unser Gedächtnis nicht mehr alles weiß. Lange genug lohte, donnerte und schrie all das wüste und wilde Geschehen hernach noch in unsere Tage und Nächte hinein. Dem einen und andern von uns wollte es schon scheinen, als könnte sich seine gcguälte. geschreckte Seele niemals wie­der aus dem Grauen ihrer Erinnerungen erlösen.

Wie gut. daß wir so vieles vergehen konn­ten! Tenn sonst. Herrgott noch einmal! Wie könnten wir heute noch fröhlich sein? Wie könnten wir uns noch der Sonne freuen? Wenn jene Bilder des Jammers noch immer in uns wach wären?

Ja. es ist allmählich still in uns gewor­den. Jahr um Jahr ein bißchen stiller. Wir haben Abstand gewonnen zu diesen uner­hörten. grausamen Dingen. Fast will es uns bisweilen Vorkommen, als wären wir nie­mals dabeigewesen. Aus dem Rausch und der Verfluchung des Krieges haben wir wieder zurückgesunden ins vormalige Leben.

Nicht völlig in das Leben wie es einst gewesen. Die meisten der hergebrachten Hort- zoiue gingen inzwischen verloren. Aber wenigstens unsere Nerven beben nicht mehr. Wir glauben wieder an Menschlichkeit. Frie­den und Bestand. Wir sehen die Welt nicht mehr im Schatten des Todes. Die Tragödie fallender Festungen und sinkender Schiffe, das Pathos stürmender Bataillone und brausender Schwadronen ist uns heute weit entrückt. Nur noch wie eine grandiose Epik steht es in unserem Bewußtsein.

Wir. die vier Jahre hindurch durch Eisen und Feuersiammen geschritten, empfinden ja die wenigste Lust über das Vergangene zu sprechen. Die am meisten erlebt haben schweigen davon am tiefsten. Und doch geht es nicht an immer und Immer davon still zu sein. Tie Helden die diese große Zeit ge­boren hat vornehmlich die Helden, die wir draußen in allen Winden und Weiten liegen lassen mußten können cs erwarten daß wir mitunter von ihnen reden. Oder glaubt man. sie hätten nichts hinterlahen, als den schma­len Hügel den mit zwei Schritten ein Kind überschreitet?

Ihr Fungen. die ihr von den Stürmen der Schlachten nicht durchschüttelt worden seid, mögt vielleicht denken: WaS wollen sie nur? Haben sie nicht ihren Krieg verloren?

Jawohl das haben wir. Wir können das nicht in Abrede stellen. Aber was hat das schließlich zu sagen? Es kommt daran! an in welchem Geist man einen Krieg verliert! Und der Geist von dem wir von Anfang kuS Ende durchglüht waren und den wir in alle Welt hinausilammten der muß euch zur Bewunderung und Ehrfurcht zwingen. Es gibt auch Eichcnkränze iür die Besiegten.

Wir haben sie aus hundert Schlachten mit heimgebrachl.

Ehrenmäriche allen denen, die endlich der Uebermacht erlagen!

Ehrenmärsche kür die. denen die Schisse tm Eiienhagel versanken und die ihre Fah- nen und Sturmlieder unter ihren fallenden und verblutenden Leibern begraben mußten!

Ehrenmärsche dem besiegten Feldherrn allen lernen Offizieren und dem kleinsten unbekannten Mann!-

Wieder ein Trosselrus durch die Abend­stille. Ich weiß nicht, wie okt er sich inzwi­schen gemeldet hat. Ich Hab ja nicht hinge- hört. Meine Gedanken waren weit weg. Auch meine Augen waren wohl nicht ganz hier. Ich kann's nicht sagen, wo sie unterweilen, umherschweisten.

Und jetzt sehen sie einen grauen Soldaten. Ueber ein Feld, das klein zu grünen beginnt, wie es die Felder im März turr kommt er langsam aus mich zugeschritten. Etwas Un- wirkliches. Schattenhaftes schreitet mit ihm. Man hat das Gefühl, als ob zu seiner Rech­

ten und Linken und hinter ihm marschiert würde. Es ist wie der Nebel in einem Wald wird ober wohl etwas anderes sein. Viel- leicht sind es die Toten von seinem Negi- ment.

Wie er näher kommt, gewahre ich daß sein verdreckter Waftenrock an der linken Brustleite zersetzt ist Solch ein zackiger glü­hender Splitter muß da hindurchgetahren sein. Und mit diesem Eisendorn un Lerlu will er noch marschieren?

Aber dann sehe ich daß er ein Toter ist Kein Fleisch mehr rm Gesicht. Wo die Augen sein tollten diese scharfen Jägeraugen, star- ren leere Höhlen. Ter Stahlhelm ist ihm tiel in die Stirne gerutscht. Wäre er noch ein Lebender käme so was nicht vor. Aber nun war es eben möglich.

Immerhin man sieht es noch gut. daß er ein Soldat ist. Ein Soldat des Kaisers. Einer von denen die sich opfern wollten. Einer der im Fallen soviel Licht aus dem Himmel auf sich hermedergerissen daß die Erde wo er liegt, noch nach Jahrhunderten davon leuchten wird. Einer von den unsterblichen Helden!

AM TdttN MllkN / Bon Georg Sckmiitkle

Ich saß bei der Mühle vom Toten Mann, Da hob der Tag zu singen an.

Und in den jungen Birkenzweigen Begann das Vogellied zu steigen Ins Morgenlicht, ins Himmelsblau Das war ein Schmettern und Musizieren, Ein lebenshungrig Jubilieren In Sonnenglanz und Morgentau.

Ich saß bei der Mühle vom Toten Mann, Es krochen die Nebel am Wiesenplan,

Ihn. der uns allen Bruder hieß.

Nun ruht er still am Waldesrande. - Dort, wo er hell weit tn die Lande Des Morgens die Neveille blies.

Und sitzen wir andern am Toten Mann, Jst's manchmal, als töne ein Klingen an. Dann wüsten wir alle ins Dunkel lauschen. Hinüber, wo die Erlen rauschen.

Und weht es lockend durch die Luft,

Fern, wie gedämpft Trompetenblasen.

Und hat kein Vogel im Wald mehr geschlagen. Der Spielmann ist's, der unterm Nasen Da haben wir ihn zu Grabe getragen. Der Kameraden einen ruft.

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Austmvme: Ketdet-Dalker

Bilder aus einem Kriegslararett /

Nkr sterbende Bergmann

Eines Tages ist die Schwester an eine kleine stille, abgelegene Stelle des großen Hauses versetzt worden. Es sind zwei kleine Stuben, varin steht je ein Bett, und wer hier hererngetragen wird der ist schon aus dem Kreis des Lebens herausgestellt. Er braucht Ruhe zum Sterben, und braucht doch auch, da es mit dem Sterben nicht immer so schnell geht, für die harte Arbeit, die es zu tun gibt, einen Kameraden der ihm die Hand reicht: eine hilfreiche Hand, die er fasten kann, so lange die seine noch die Krask dazu hat. und die, wenn er versagt und loslas. sen muß. ihrerseits nicht losläßt.

Da ist ein Bergmann aus dem Ruhrgebiet ein Ichwarzbärtiger Landsturmmann. Er hat mit einem kleinen Häuflein Kameraden einen ganzen Nachmittag lang eine mehr­fache Uebermacht ausgehalten: man hat es im Lazarett erfahren durch die Begleitmann­schaft. Wenige sind - verwundet übrig geblieben, einer dieser Bergmann auch: er ist am schwersten getroffen. Er trägt eine tiefe unweigerlich tödliche Wunde. Denn der Splitter einer Gran-ne hat ihm. nachdem

er unter dem Herzen durchgeschlagen hat mit großer Zerreißung die Nieren zerstört, so daß da vielleicht noch Tage, vielleicht auch noch Wochen übrig sind, schmerzlich zu ver- kommen, indes die riesige Wunde am Rücken um sich frißt wie ein Wols.

Dieser Bergmann nun liegt in der kleinen Stube, blaß und schmerzvoll wenngleich kaum ein Laut über die trockenen rissigen Lippen geht. Es ist eine last unablässig-' Verbindung zwischen den beiden, der Schwe­ster und dem Pflegling. Tenn es gilt da dauernd mit trockenen Verbandstoffen die scharfen Säfte auszusaugen, die brennend aus dem Innern, her an der Wunde weiter­zehren. Rand um Rand ausfransend in un­aufhaltsamer Zerstörung. Und ebenso gilt es den ausgemergelten Mund und Nachen feucht zu kühlen, und dem Frost in den Glie- dern mit Wärme zu begegnen.

..Ob eS noch lange dauert?' fragen nur die Augen, die tief in den Höhlen liegen Aber es kommt ihnen nicht die Antwort die sie begehren, denn auch Stunden können Ewigkeit sein, wenn sie randvoll mit Oua len sind, und wer kann misten wie viele

solcher Stunden sich noch zu Tagen reihen werden? Lieier große knochige Mensch stirbt nicht ehe die letzten Säfte die zum Leben gehören verbrauch: sind.

Eines Tages aber geht leise die Tür vom Gang her aut und herein treten zwei Frauen die ein Kind ein etwa achliähriges Mädchen vor sich herichieben. Latz Kind 'st blond und hat ein mageres Gestältlein das ' ,n dürftigen Kleidern steckt aber eS sieht dennoch nach pftegiamen Händen aus. Die Hände gehören der Mutter die m>- gleichen Wasserstellen Augen aus einem liebevoll er- gebenen Gesicht schaut. Sie ist schwär» ge­kleidet und auch die andere Frau die wie es sich herausstellt die Schwester des Ster- benden ist hat sich schon aut Trauer ein- gestellt, so gut es sich mit ihren armseligen Beständen tun lasten wollte. Sie treten alle drei an das Bett sie streicheln die schweren, müde daliegenden Hände die sich zum Gruße ein wenig zu heben versuchen aber sogleich kraftlos wieder zurückfallen.

.Ta sind wir nun Emil und du mußt sterben' lagt das Weib <anftbeweglich. Und der Mann nickt dazu schwer und ernst. Man macht einander da nichts vor. Sie sind zum Abschied hergekommen und vielleicht bleiben sie da bis es vorbei ,st. Ob das aber mög­lich ist kann kein Mensch misten denn bas Herz tut noch leine Schläge pflichtgetreu, es muß noch besonders gebrochen werden, ehe es aufhört zu schlagen. Das kostet vrel. und es ist nichts für ein Kind, dabeizustehen und zuzusehen.

..Ich soll dir Grüße sagen von den Kin­dern. Sie haben setzt dann keinen Vater mehr, und wir müssen zusammenstehen da­mit wir durchkommen. Sie sind gesund und brav alle sechs.' Es geht ein leiser ferner Schein von Glück über da? bläuliche Gesicht des Mannes. Sechs Kinder hat er: eines davon steht hier an seinem Bett. D>e andern lasten ihn grüßen. Heute noch sink sie eine Familie, er freilich er muß davongehen.

..Geh' nur ruhig. Emil' sagt leine Schwe­ster. ..sür die Kinder wird gesorgt: wir hal­ten zusammen. Das haben wir dir noch lagen wollen. Tu kannst unbesorgt gehen.' Er nimmt das Wort auf; er trinkt es in sich hinein: es ist da wieder einmal alles ein­fach. io alles gelassenen Willens und alles gelassenen Vertrauens voll.

Tie Schwester trägt Stühle herbei. Sie bringt Kaffee und Weißbrot und deckt einen Nebentisch. Sie esten und trinken: sie sind in aller Frühe aufgebrochen. Immer wie­der geht eines ans Bett und legt seine Hand auf die des Mannes: er ist müde, die Augen fallen ihm zu. Dann tut er sie wieder auf: ob sie noch da sind? und läßt die Lider wie­der sinken.

Nach einiger Zeit gehen sie dann wieder. Es ist vielleicht bester: es geht vielleicht noch nicht so schnell. ..Schwester. Sie bleiben bei ihm? Sie tun ihm dann das Letzte?' Die Frau hat so ein ergeben farbloses Gesicht, aber es sind ungewemte Tränen hinter den Augen, und die Stimme verhält ihre Schmerzen.

..Er ist ein guter Mann gewesen, er hat: nie ein böses Wort gehabt. Immer hat er an uns allen seine Schuldigkeit getan.'

Die Schwester bleibt am Bett als die drei aus der Tür geben; sie sollen sehen daß er nicht verlassen lei. Sie wenden sich noch ein­mal um. nehmen das Bild tn sich hinein und gehen ihres Weges. Der Abschied ist schon geschehen, nun gilt es. ..fest zusammenzu- stehen'.

Dann, bald kam die Zeit der letzten Ar­beit und des letzten Dienstes, und die große Ruhe. ..Zu Ende getragen', muß die Schwe- ster immer wieder denken, wenn sie die Züge betrachtet, die hehr werden tn der Verein­fachung deS Todes.

So geht es oft. Sie kommt sich als Kame­radin aller vor als Stellvertreterin derer daheim auch. Stellvertreterin, das wird überhaupt ein Wort, das sich in ihr Leben hineinbildet.

Sarlkvglers MtvZrer Kamvk

In denselben Tagen, da der Bergmann sein Leben zu Ende trägt, geht in der Neben, kammer etwas Große? vor sich.

Der heitere Oberbayer Hartkogler. der eine verhältnismäßig leichte Verwundung am Unterschenkel hat. ein blühender und kräftiger Mann spür: eine? Morgens, daß er nicht recht schlucken kann, und als er sich »mwenden will um seine Beobachtung dem Nachbar mitznteilen. versagt zu dieser