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Montag früh wieder hieher zurückzukehren, wogegen ein anderer Teil der Vereine in benachbarten Orten unserer Stadt von sich aus Unterkunft gesucht hat. Die Zahl der in htes. Stadt unterzubringenden Sangergäste sind gegen 5000. Dar hiesm in Aussicht gestellte ^ an Betten ist sichergestellt (Ravensburg ja es können nach der neuesten Feststellung des WohnungSaus- schuffes annähernd V» der hier unterzubringenden Gäste, dank des Entgegenkommens der Einwohnerschaft, mit Betten versorgt werden, ohne daß die Anordnung einer zweiten Aufnahme der Quartiere durch die Mitglieder der Wohnungskommission notwendig erschien. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Massen quartiere überschreitet das Maß der hier gestellten Anforderungen Die Wohnungskommission ist so in der Lage, noch weiter ein- kommenden Anforderungen an Quartieren, speziell Massenquartieren, gerecht zu werden. Wir hoffen, so unsere Sangesgäste in einer Weise unterzubringen, daß die hiesige Stadt, in Bezug auf ihre Gastfreundlichkeit, gegenüber anderen Feststädten keineswegs zurücksteht und die Sänger mit Be- friedigung auf das hiesige Fest und ihre Unterkunft zurückblicken.
Balingen 29. Avril. In vergangener Nacht bald nach 1 Uhr ertönte das Stadt-Alarm- Signal und bald gewahrte man eine hellauflodernde Feuergarbe. In der erst vor wenigen Jahren neuerbauten Korbwarenfabrik der Firma Eckenfelder und Widmann, Besitzer Carl Widmann, war Feuer ausgebrochen, da« sich bald über das isoliert gelegene Gebäude ganz ausdehnte, so daß dasselbe rasch dem Element zum Opfer fiel.
Ulm 29. April. Am Samstag abend wollte der funktionierende Lokomotivführer Kinzler von hier zur Ablösung eine Maschine besteigen, glitt auf dem Trittbrett aber aus und kam mit beiden Beinen unter die noch im Gang befindliche Maschine, ein Bein wurde ihm am Knie abgefahren, am zweiten wurde der Fuß gequetscht. Am Sonntag früh wurde der 65 Jahre alte Vater des Verunglückten, auf dem Bahngleis bei Jungingen tot aufgefunden. Er hatte Ulm mit dem Stuttgarter Frühzug verlassen und war vom Zuge abgestürzt.
Ulm 30. April. Ein Nachspiel zur Landtagswahl fand gestern vor der hiesigen Strafkammer seinen Abschluß. Angeklagt der gewaltsamen Verhinderung an der Ausübung des Wahlrechts war der Wagnermeister Wilhelm Grupp von Schlat, OA. Göppingen. Die Anklage behauptete, Grupp habe am 18. Dezember bei der Landtagsnachwahl zwei Wählern, die auf den volksparteilichen Kandidaten lautenden Zettel aus der Hand gerissen und ihnen dafür sozial- demokratische Wahlzettel ausgehändigt. Die Vernehmung der Zeugen ergab aber, daß Grupp keine Gewalt anwendete und es wurde auch festgestellt, daß die betreffenden Wähler an der Aus
übung ihres Wahlrecht« durch das Vorgehen Grupps nicht gehindert worden waren, da sie noch mehr Wieland'sche Zettel besaßen. Der Staatsanwalt ließ daher die Anklage fallen und Grupp wurve freigesprochen.
Ravensburg 30. April. In vergangener Nacht sind dem Stadttierarzt Diener hier, der wegen strenger Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten als Schlachthausverwalter und Fleischbeschauer von einem gewissen Teil der Metzger bzw. ihren Knechten angefeindet wird, beinahe sämtliche Fensterscheiben seines Schlafzimmers im Verwaltungsgebäude des Schlachthauses eingeworfen worden. Als Täter wurden drei Metzgerknechte ermittelt und festgenommen. Möge sich der psiichtgetreue Beamte in Ausübung seines Berufes nicht beirren lassen und sich weiterhin der vollen Sympathien der fleischkonsumierenden Bevölkerung erfreuen!
Vermischtes.
Der Storch und das preußische Ab« geodnetenhaus. In der letzten Woche nahm im preußischen Abgeordnetenhaus der Zentrumsabgeordnete vr. Belzer-Sigmaringen das Wort und zwar in den Erörterungen über die Hebammen- frage. Er ließ, wie der „Berl. Börsenzeitg." zu entnehmen ist, ein trauriges Liev ertönen von schwäbischen Orten, die ganz isoliert fern vom Verkehr liegen und keine Hebamme haben; im Winter sei dies bei den schwer zugänglichen Nestern sehr peinlich, deshalb müsse jeder Ort eine Hebamme haben. „Der Storch" so fuhr der Redner fort, „kommt nicht nur im Frühling, manchmal auch in finsterer Winternacht. Meine Herren, das muß anders werden!" (Schallendes Gelächter.)
Der neue Eisenbahu-Dersoueu- u. GeMlarif.
Geltung des Tarifs.
Am 1. Mai 1907 tritt auf den deutschen Eisenbahnen ein neuer Eisenbahn-Personen- und Gepäcktaris in Kraft. Durch den neuen Tarif werden die bisherigen Tarifun- gl eich heilen der verschiedenen Bahnen beseitigt. Aus allen Staats bahnen mit Ausnahme der Bayrischen und Badischen und auf den meisten gr ößeren Priv atbahnen werden vier Klassen mit gleichen Einheitssätzeneingerichtet. Auf den Bayrischen und Badischen Bahnen wird die niedrigste Klasse nicht als vierte Klasse bezeichnet.
Die auf einzelnen Bahnen bestehenden Aus- nahmetarife (Kilometerhefte, Fahrscheinbücher, Landeskarten usw.) werden aufgehoben.
Die württ. Landeskarten werden jedoch noch bis zum 16. September 1907 einschließlich nach den seitherigen Bestimmungen ausgegeben.
Fahrgeld uud Fahrkarten.
Die Rückfahrkarten und Rundreisekarten mit Preisermäßigung werden aufgehoben.
Der Fahrvreis für die einfache Fahrt beträgt künftig für eine Person und ein Kilometer in I. Klasse 7
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Zur Bequemlichkeit der Reisenden können bei Antritt der Reise zwei Fahrkarten für einfache Fahrt gelöst werden, von denen eine bei der Ausgabe für den Rückfahrstempel für die Fahrt in umgekehrter Richtung gültig gemacht wird. Für die Rückfahrt können auch Karten gelöst werden, die (z. B. bei Ausflügen) von einer anderen Station, ferner für eine andere Klasse, für eine andere Zuggattung oder über einen anderen Weg gelten. Für den Nahverkehr werden, soweit ein Bedürfnis vorliegt, Doppelkarten zur Hin- und Rückfahrt in Form einer Karte aus- gegeben. Mit Karten, die den Rückfahrstempel tragen, und mit Doppelkarten kann die Rückreise (gleichwie die Fahrt bei einfachen Karten) am Tage der Lösung oder am folgenden Tage angetreien werden.
Schnellzugberrutzuug.
Als Schnellzüge sind nur solche Züge vorgesehen, die dem großen, durchgehenden Verkehr dienen. Ein erheblicher Teil der heutigen Schnellzüge wird als „Eilzüge" bezeichnet. Die Schnell- und Eilzüge werden in den Kursbüchern und Fahrplänen durch fetten Druck der Siundenzahlen, die Schnellzüge außerdem durch eine stark punktierte Linie an der linken Seite der Zugspalte hervorgehoben. Schnellzüge, die aus Durchgangs-(OMagen bestehen, werden durch Beisetzung des Buchstabens l) vor der Zugnummer bezeichnet.
Die Patz kartengbühr in den V-Zügen wird aufgehoben. Um von den durchgehenden Zügen den Lokalverkehr tunlichst fernzuhalten, wird in den Schnellzügen, gleichviel ob es O- oder Abteilzüge sind, ein Schnellzugzuschlag erhoben. Die Eilzüge sind zuschlagfrei.
Der Schnellzugzuschlag beträgt: für 1 bis 75 Km 0,60 Mk. in l./H Klaffe, 0,25 Mk. in III Klaffe, für 76 bis 150 km 1,00 Mk. in l./II. Klaffe, 0,50 Mk. in III Klaffe, über 150 km 2,00 Mk. in l /!! Klaffe,
1,00 Mk. in Hl Klasse.
Gegenüber dem seitherigen Schnellzugzuschlag tritt — abgesehen von ganz kurzen Entfernungen — durch den neuen Tarif eine außerordentliche Verbilligung ein.
Der Schnellzugzuschlag ist entweder in die Preise der Fahrkarten eingerechnet oder er wird mit besonderen Zuschlagkarten erhoben. Reisende, die von einem Personenoder-Eilzug auf einen Schnellzug übergehen wollen, erhalten die Zuschlagkarten am Fahrkartenschalter.
Fahrtunterbrechung.
Die Reise kann nach den bisher geltenden Vorschrifen unterbrochen werden, doch fällt die Bescheinigung der Fahrtunterbrechung auf den Stationen weg.
„Auch ich habe den steinernen Mönch gesehen," bestätigte der Pfarer.
„Also ist es wirklich wahr!" rief Guenn triumphierend. „Er soll ein Fischermädchen geliebt haben; das war eine schreckliche Sünde, nicht wahr, monsisur 1s rsetsur?"
„Ja, das war eine Sünde, gewiß Guenn."
„Und muß er nun ewig in der Hölle braten? fragte sie mit sichtlicher Befriedigung.
„Wer weiß?" entgegnete Thymert in müdem Ton; vielleicht ist es auch schon Strafe genug, wenn man zu Stein verwandelt wird."
Er saß jetzt neben ihr und starrte wie traumverloren ins Weite.
„Guenn," begann er dann nicht ohne Befangenheit, wie nach Worten suchend: „man kann sich kaum vorstrllen, daß du nun beinahe siebzehn Jahre alt bist."
„Nicht wahr?" stimmte sie freundlich bei und sah an ihrem zierlichen Figürchen hinunter. „Dar kommt davon, weil ich so klein bin." Thymert gegenüber fühlte sie sich nicht gedrungen zu versichern, daß sie lieber klein sei, er erweckte nicht ihren Widerspruch. „Ich bin stark, stärker als alle andern!"
Noch immer erhob er den Blick nicht. Plötzlich fragte er ganz ohne Zusammenhang: „Wie würde es Dir gefallen, nach Quimper in die Schule zu kommen?"
Guenn« kleine braune Hände sanken in den Schoß, sie machte große Augen vor Erstaunen.
„Ich? in die Schule wie die Demoiselle«? Nein, mousisur 1s ree- tsur, da« würde mir ganz und gar nicht gefallen," rief sie mit Entschiedenheit.
„Es ist ein sehr guter Ort für Mädchen," fuhr der junge Mann begütigend fort. „Sie lernen dort, wie sie fitzen und sich bewegen sollen, sie lernen sticken. Sie gehen in den sonnigen Gärten spazieren, sie spielen vierhändig auf dem Piano, auch sind die Schwestern da."
Guenns Wangen färbten sich dunkler, der Seewind spielte in den
krausen, kastanienbraunen Löckchen auf ihrer Stirn. Mt übernatürlicher Schnelligkeit klapperten ihre Stricknadeln.
Monsieur 1s rsetsur," begann sie erregt, und richtete sich kerzengerade auf. „Vielleicht entsinnen Sie sich, daß ich schon mit zwölf Jahren aus der Schule gekommen bin! Kann ich nicht laufen und mich bewegen, auch ohne die Schule in Quimper, soll ich mich am Gängelband führen lassen, wie ein kleines Kind? Sticken könnte ich auch in Plouvenec lernen, wenn ich nicht so viel anderes zu tun hätte."
„Ich habe ja auch nur daran gedacht, well ich meinte, Du würdest gern mit andern Mädchen zusammen sein," suchte er sie zu begütigen. „Du lebst zu viel unter Männern, und die Frauen hier sind vielleicht noch — sorgloser als die Männer." Wie hatten die Fremden gesagt? Sie ist ein Herz und eine Seele mit den Matrosen. Was war da eigentlich Gefährliches dabei? Nicht das Geringste — wenn Guenn nur nicht so schön und die Fremdlinge nicht so begehrlich wären. „Hättest Du nur Lust ge- habt, nach Quimper zu gehen, so würde ich es schon irgend wie möglich gemacht haben, ich weiß zwar nicht recht wie, denn man verlangt dort einen hohen Preis; aber, wie gesagt, wenn du wolltest, Guenn," erschaute chr sinnend in da» trotzige Gesicht.
,Mousisur 1s rsetsur," sie hatte ihren alten übermütigen Ausdruck wiedergewonnen, „warum sollte ich denn ein Fräulein werden? Möchten Sie das wirklich? Ich möchte es nicht, und was sollte wohl Nannic ohne mich anfangen?"
„Ich würde natürlich für ihn sorgen."
„Und wie würde man hier wohl fertig werden ohne mich? fuhr sie eifrig fort. „Wer sollte Monsieur Morots Aufträge so pünktlich ausführen, für ihn den besten Handel mit den heimkehrenden Booten abschließen? Wer könnte nach einem Fang die ganze Nacht hindurch so wacker arbeiten und dabei die andern munter erhalten durch allerhand I Späße. Wer, sagen Sie mir, wer?" (Forts, folgt.)