Montag den 9. Dezember 1933

Der EnztAer

93. Jahrgang Nr. 287

Neichsstatthalter Muer zur Erzeugungsschlacht

ImWochenblatt der Landesbauernschaft Württemberg" hat Neichsstatthalter Pg. Murr nachstehenden Aufruf erlassen:

Bauern und Bäuerinnen! Im Herbst erntet der Bauer die letzten Ergebnisse seiner mühevollen Arbeit auf dem Boden seiner Ahnen und vertraut zugleich neue Saat sei­ner Scholle an. Stolz und voll Dankbarkeit blicken wir aus die erfolgreiche bäuerliche Arbeit des nun zu Ende gehenden Jahres und voll Hoffnung sehen wir dem entgegen. Was bäuerlicher Fleiß im kommenden Jahre dem Boden «bringt. Wir treten damit in einen weiteren Abschnitt des Kampfes um die Selbstversorgung des deutschen Volkes ein.

In diesem Kampfe steht aber der deutsche Bauer nicht allein. Ein ganzes Volk be­gleitet seine Arbeit mit dem heißen Wunsche, daß sie gelingen möge. Vorbei sind die Zei­ten, zu denen bäuerliche Arbeit gering ge­achtet und als unwesentlich für das Wohl des eigenen Volkes betrachtet werden konnte. Im nationalsozialistischen Staat begreift jeder, wie eng sein Wohlergehen von dem Gedeihen besten abhängig ist, was die deutsche Scholle zu spenden vermag. Der deutsche Bauer wiederum ist sich der großen Verantwortung, die dadurch auf seinen Schultern liegt, voll bewußt. Er hat den Willen, zu tun, was in seiner Macht liegt, um dem deutschen Volke seine Unabhängig­keit auch in der Ernährung zu erkämpfen.

Bauern und Bäuerinnen! Mit Tatkraft und Gottvertrauen werdet ihr wiederum an die Aufgabe Herangehen, die euch der Füh­rer gestellt hat. Aus dem heiligen deutschen Boden, der euch anvertraut ist, werdet ihr das letzte herausholen. Kein Fleckchen Erde soll unbebaut bleiben. So beginnen wir mit Zuversicht das zweite Jahr der Erzeugungs­schlacht und haben den Glauben, daß im nächsten Herbst wiederum die bäuerliche Arbeit gesegnet sein wird von reichem Er­folg. Ter deutsche Bauer soll aber dann mit Stolz von sich bekennen dürfen, daß er es gewesen ist, der unserem Volk sein tägliches Brot sichergestellt hat.

Nicht Höchstpreise, sondern seeechte vreise!

Im Rahmen der 21. ordentlichen General­versammlung der Hohenlohischen Bezugs, und Absatzgenossenschaft Künzelsau sprach Landes- bauernführer Arnold über die Marktrege, lung und Erzeugungsschlacht. Was der Reichs- nährstand wolle, sind nicht Höchstpreise, son- dern gerechte Preise. Der Bauer wird in der Erzeugungsschlacht zur Mehrerzeugung aus- gefordert, er weiß aber auch, daß für diese Mehrerzeugung der gesicherte Absatz da ist. Das garantiert ihm die Marktregelung des Reichs- liährstandes. Der Führer hat die Wehrsreiheit geschaffen, der deutsche Bauer muß nun für die Nährfreiheit sorgen. Die Erzeugungsschlacht dient nicht nur der Freiheit des deutschen Bol- kes, sondern sie ist auch eine Schlacht gegen den Bolschewismus. Unsere Aufforderung an die Bauern, die Erzeugungsschlacht zu schlagen, ist kein Befehl, sie kann es ja auch nicht sein, Ion- dern sie ist ein Appell an sein Gewissen und seine Pflichttreue gegenüber dem Volk. Aut die Marktregelung eingehend, erwähnte der Lan-

desbauernführer den guten Erfolg der Milch. Marktregelung in Württemberg. An Hand von schlagenden Beispielen bewies er die Nichtig, keit und den Erfolg dieses WegeS. Die Milch- erzeugungssteigerung durch die Marktregelung sei ganz gewaltig. Auf dem Schlachtviehmarkt werde in wenigen Monaten durch die Matz- nahmen der Landesbauernschaft eine Beruh!- gung eingetreten sein. Aus den gemachten Feh- lern werde der Bauer lernen und leine Rinder und Schweine in der von der Landesbauern, schaft aufgezeigten Weise verwerten. Die Spe-

Stuttgart, 7. Dezember. (Maul- und Klauenseuche.) Wegen Ausbruchs der Maul, und Klauenseuche in Eis- lingen, Kreis Göppingen, ist folgendes wei- tere Schutzgebiet gebildet worden: Vom Kreis Geislingen dre Gemeinden Donz. dorf. Gingen a. d. F., Kuchen, Reichenbach i. T., Süßen und Unterböhringen; vom Kreis Gmünd die Gemeinden Nechberg, Reichenbach u. R., Straßdorf, Waldstetten, Winzingen und Wißgoldingen: der Kreis Göppingen ohne die Gemeinden Albers- Hausen, Auendorf, Bünzwangen, Ebersbach, Gruibingen, Hattenhofen, Reichenbach a. d. F. und Schlierbach; vom Kreis Welzheim die Gemeinde Wäschenbeuren.

Heilbronn, 8. Dez. (Aus plumpen Sch Windel hereingesallen.) Kommt da nachmittags ein 20 Jahre altes Fräulein in einen Uhrenladen, sucht sich eine Damen uhr aus mit Metallband, paßt beides gleich an und äußert daun:Das macht sich sehr schön, ich hole bloß geschwind meine Mutter herein" - und verschwindet auf Nimmer­wiedersehen.

Mehrstetten, OA. Münsingen, 6. Dezember, (l 2 Wildschweine gesichtet.) Ein hiesiger Bauer und sein Sohn waren aus demMehrstetter Berg" mit Tungen be. schästigt. Plötzlich vernahm der Vater im Ge- büsch ein Rauschen. Zu seinem Erstaunen konnte er seststellen. daß es sich um Wild- schweine handelte. Nach und nach kamen 12 Wildschweine hervor, die sich in Richtung Mühltal sortmachten.

Rettersburg, OA. Waiblingen, 8. Dez. (87 Nachkommen eines wackeren Mannes.) Der im Jahre 1835 geborene Landwirt und Postbote Christian Bay von Nettersburg bekam mit seiner Frau Chri. stiane Friederike 17 Kinder. 15 konnte er grvßzlehen, II Söhne und 4 Töchter, und 10 Söhne haben im alten Heer als stramme Soldaten gedient. Der Vater war einst über die Grenzen seiner Berglesheimat hinaus bekannt als der ..Soldatenvater". Inzwischen sind, wie der der NS.-Preste angeschlosseneBotevomWelzheimer Wald" berichtet, zwei der Söhne und ein Enkel im Weltkrieg gefallen, und der Vater ist >m Alter von 79 Jahren gestorben. Fünt Söhne leben noch und vier Töchter, außer- dem 96 Enkel und 42 Urenkel so daß also in 8? Narhlomiiie» lein Blut heule noch leb> Am 1. Dezember kamen sie zusammen und stierten den 100. Geburtsnig ihres Ahnen in Nettersburg.

kulation, die sich bei der ersten Knappheit hin­ter den Kulissen einschaltete, werde beim deut- scheu Bauern kein Gehör mehr finden. Der Bauer könne stolz daraus sein, daß nicht die Spekulation die Preise mache, sondern die Bauern. Aber überall, ob es sich um Getreide oder die Milch handelt, überall muß sich der Bauer seiner Pflicht gegenüber dem Volks- ganzen bewußt sein. Es komme aus die Mit- arbeit jedes einzelnen an und am Ende dieses Werkes stehe das stolze, freie und starke deutsche

Stuttgart, 7. Dezember. (Ein Säug- ling fliegt nach Deutschland.) Im städtischen Kinderheim wurde dieser Tage ein sechs Wochen altes Kind aus Barcelona ein- geliefert. Der kleine Patient ist das Kind deut- scher Eltern und war wegen Brechdurchfalls in Behandlung eines spanischen Arztes, der seine Ausbildung in Deutschland genossen hatte. Da trotz dessen Bemühungen eine Besterung nicht eintreten wollte, empfahl der Arzt, den Säug» ling in ein deutsches Kinderheim zu bringen, mit dem vormittags in Barcelona startenden Verkehrsflugzeug wurde das Kind nach Stutt- gart gebracht. Der kleine Fluggast befindet sich bereits auf dem Wege der Besserung.

Sigmaringen, 8. Dez. (Warnung vor. A l koh o l m > ß b r a u ch.) Durch die Ge­heime Staatspolizei ist da? Lokal des Gast- Wirts Lorenz B. in I m n a u auf 10 Tage geschlossen worden, weil der In. Haber einer als Trinker bekannten Person trotz deren Trunkenheit noch Alkohol verab­folgt und dadurch mitbewirkt hat, daß sich diese Person zu staatsfeindlichen Aeußerun- gen Hinreißen ließ. Dieser Fall dient all den Gastwirten zur Warnung, die den Alkohol- mißbrauch aus Eigennutz fördern.

Ettenkirch, OA. Tettnang. 8. Dezember. (Ihm gehört der Jagdschein ent- zogen!) Aus ihrer kürzlich abgehaltenen Treibjagd mutzte die Jagdgesellschaft Etten­kirch eine betrübliche Beobachtung machen. EinJäger" aus dem nahen Hirschlatt. Franz Allgaier, war schon in früher Morgenstunde aus den Anstand gegangen. Er hatte auchGlück", denn er konnte aus frem­dem Revier eine Muttergeiß erlegen. Diese versteckte er zunächst in dem nahen Wäldchen Watt, jedenfalls um sie später zu holen. Treiber der Jagdgesellschaft fanden das erlegte Reh, ein Jagdgast beobachtete den dem Waldrand entlang verschwindenden Jäger" mit Büchse und Hund. Sofort wurde die Landjägerschaft benachrichtigt und der Fall zur Anzeige gebracht. Das gesundene Reh wurde dem WntterhilfSwerk abgelicfert.

RMMtthalter Murr vor vor RMsrednerschule

Bad Cannstatt, 8. Dez. Am Samstag vor­mittag wurde ein achttägiger Kurs der Neichsrednerschule im Wichernhaus in Cann. statt abgeschlossen. Er wurde am Montag ringeleitet mit einem grundlegenden Vortrag von dem stellv. Gauleiter Schmidt; mit Vorträgen von Neichsstatthalter und Gau­leiter Murr und Kreisleiter und Gaupro­

pagandaleiter M auer wurde er am Sams­tag abend beschlossen. Kreisleiter M a u e r erläuterte Wesen und Ziel der politischen Propaganda. Jeder, der das Braunhemd trägt, müsse ein Propagandist der Tai sein. Reichs st atthalter Murr sprach über die Notwendigkeit des Kampfes als dem Vater aller Dinge. Er betonte, wie der NS. - Kurie r" berichtet, daß ein Staats- mann und ein Volk das unmöglich Sehet- nende fordern müsst, um das Mögliche zu erreichen. Im Leben eines Volkes dürfe es niemals einen Stillstand geben. In erober­ten Positionen auf Ruhepolstern auszuruhen, bedeute Rückschritt. Es bleibe das ewige Ver- dienst des Nationalsozialismus, daß er das deutsche Volk aus der saturierten Ruhe träger Bürgerlichkeit her­ausgerissen und'es aus einen klaren politischen Nenner ausgerichtet habe. So betrachtet, sei der Kampf der Vater aller Tinge. Die Ausführungen der beiden Red­ner wurden mit begeistertem Beifall aus­genommen.

Leistung vor Schönheit!

Eröffnung der zweiten Rasscgeslügclschan

Stuttgart, 8. Dezember. Die von der Lan­desgruppe Württemberg im Reichsfachverband deutscher Kleintierzüchter geschaffene zweite Rassegeflügelschau wurde am Samstagvor­mittag eröffnet. Bei dem schlichten Eröffnungs- akt, zu dem u. a. auch als Vertreter der Stadt Stuttgart Stadtrechtsrat Dr. Waldmüller erschienen war, ergriff zunächst der Vorsitzende der Kreissachgruppe Suttgart und Ausstel­lungsleiter, Anton Rieger, das Wort, um allen, die zum Gelingen beigetragen haben, sei­nen herzlichen Dank auszujprechen. Weiterhin überbrachte der Vorsitzende der Landesgruppe, Herr Mayer, Rudersberg, die Glückwünsche der Reichsfachgruppe und der übrigen Landes­fachgruppen, um dann zu betonen, daß die deutsche Geflügelzucht in der Er­ze u g u n g s s ch l a ch t einen wesent- lchen Faktor darstelle. Die Erzeugungs­schlacht fordere vor allem eine Steigerung der Eierleistung Daher ergehe an die Geflügel­züchter, die seither nur 'aus Schönheit gezüchtet haben, der Ruf, künftighin zunächst auf dieses Zuchtziel zu verzichten zugunsten der Lei­stungszucht. Denn, so betonte er, wir sind heute zu arm, um Futtermittel nur für Lieb- haderzwecke zur Verfügung zu haben. An­gesichts der Sicherstellung der deutschen VolkS- ernährung müsse das Zuchtziel der Leistung dem Geflügelzüchter höher stehen, als irgend­eine noch so schöne Liebhaberei. Herr Maye» verlas dann noch ein Begrüßungstelegramm des Reichsfachgruppenführers Riedel zu der Stuttgarter Ausstellung.

Als dritter Redner hielt der Vorsitzende der Landesfachgruppe Ausstellungsgeflugelzüchter, Herr Keppler, eine kurze Ansprache, in der er zunächst dem Ausstellungsleiter für seine vorbildliche Arbeit dankte. Im übrigen wie- auch er auf die Hauptaufgabe der Geflügel­zucht hin, auf ihrem Gebiet dazu beizutragen, die Nährfreiheit zu erkämpfen. Leistungszucht sti, so betonte er, nicht das Produkt irgendeiner Rasse, sondern das Produkt einer systematischen Stammesauswahl. Mit der Parole: Schönheit und Leistung erklärte er die Ausstellung für eröffnet. Die Grüße und Glückwünsche der Württ. Landwirtschaftskammer überbrachte dann noch Tierzuchtinspektor Mayer.

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Lopyrlght by Prometheus-Verlag Dr. Ljchacker, Gröbenzell bei München

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Noch einmal fühlte Jo Hell's zitternde Lippen auf den ihren. Alles drehte sich, wie durch einen Schleier sah sie das altbekannte, liebe Gesicht. Das dicke, etwas verschobene Blondhaar, die kühn vorspringende Nase, den festen und zärtlichen Mund, die kühlen, liebkosenden Hände, fragende Augen mit letztem, heißem Blick.

Hell, steig ein . . . bitte . .

Seine Koffer wurden hineingebracht. Mit großen, hasti­gen Schritten ging er hinterher. Jo beobachtete seine Sil­houette. Drei, vier, fünf Abteile. Ta öffnete sich noch ein­mal das Fenster, Jo sah Hell's Hellen Mantel aufleuchten.

Io, Liebes, leb wohl . . alles Gute für dich und mich, ja, wünsch es uns . . ." Tränen verdunkelten Jo's Blick.

Heil!" Alles wurde wieder wach in dieser letzten schmerz­lichen Minute. Das Kennenlerneu durch Tina, die den jungen Mediziner einmal mit zu Jo brachte. Ein paar ge­meinsame Ausflüge, langsam keimende Neigung, die zu starker Flamme emporschlug, Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden, alles mit Hell, alles. Jede Freistunde, jedes kleine Erlebnis, Entbehrungen und Sorgen, Ueberlegungen und Zukunftspläne . . . Sie hob sich auf die Zehenspitzen und sah zu Hell auf.

Schreib bald. Hell", sagte sie mit belegter Stimme. Bleib gesund . .

Noch hielten sich ihre Hände umklammert, noch spürte Jo die vertraute Rechte Hell's in der ihren. Aber langsam, un- erbitterlich begannen sich die Räder zu drehen.Kopf hoch, Jo!" rief Hellmut Grotenkamp seiner Braut zu.Jo, liebe kleine Jo . . Schneller und schneller drehten sich die Räder, Da flog der Speisewagen des langen D-Zuges vor­bei, ein paar Gesichter schauten aus den Fenstern, immer kleiner wurde Hell und seine grüßende, winkende Hand.

Klein und seltsam verloren stand Dr. Johanna Kersting in der großen Bahnhofshalle, sie zog ihr Tuch heraus und

winkte, winkte: Schwach und undeutlich sah sie noch einmal Hell's Kops aufleuchten. Dann schluckten die Ferne und der Morgcnnebel den brausenden Zug . . .

Leer und müde kam sich Jo vor, als sie langsam die Bahnhofstreppe herunterstieg. Was beginnen an diesem furchtbaren, traurigen Morgen? Noch lag die alte Universi­tätsstadt still und verschlafen. Nur auf den Straßen patrouil­lierte Schutzpolizei auf und ab, ein paar weinselige Ge­stalten zogen lärmend an ihr vorbei.

Nach Hause? In das große, leere Haus? In das Zim­mer, das so oft Hell zu einer gemütlichen Plauderstunde oder zu heiterem, bescheidenem Abendessen ausgenommen hatte? Nein, nicht noch die Qual verschärfen.

Jo setzte die Helle Baskenmütze wieder zurecht. Gleich­gültig, wohin. Vielleicht in den Dom, in dem die erste Messe soeben begonnen hatte?

Irgendwo sich geborgen fühlen jetzt, das war alles! Mecha­nisch setzte sie Schritt vor Schritt. Jetzt fuhr Hell. Er saß wohl in einer Ecke des Abteils, das liebe Gesicht war finster und beweg: zugleich, die Augen dunkel vor Erregung. Dann seufzte er wohl resigniert und zog die Zeitungen aus der Tasche, um zu lesen. War es recht, was sie getan hatte, war es recht? Aber Liebe durfte doch kein Egoismus sein, Liebe mußte verzichten und opfern können. Alte Formel, aber immer wieder wahr!

Da war schon der Dom, tief im Grünen verborgen. Eine schmale Seitentür lud gastlich zum Eintreten ein. Ein paar Beter knieten mit stillen Gesichtern, Kerzen brannten vor heiligen Bildern, betäubend dufteten die Blumen des Mai­altars.

Lange saß Jo in stillem Sinnen, immer wieder umkreisten ihre Gedanken Hell. Als sie die Kirche verließ, war draußen schon der Wochenmarkt aufgerichtet. Sie schleuderte langsam hindurch, kaufte etwas Obst und wanderte ziellos durch die erwachende Stadt. Wenn man jetzt eine Aufgabe hätte, ein schwieriges Kolleg, eine Vorlesung! dachte sie. Nur fort von diesem furchtbaren Grübeln!

Ein Kriegsverletzter mit zerstörter Gestchtshälfte ließ sie erschrecken. Ihre Gedanken gingen plötzlich zu Hannes Grotenkamp, Hannes, der reiche und ebenso feindselige Bruder Hell'», der ihm die letzten Stunden in der Heimat

verbittert hatte. Ohne sich recht darüber klar zu sein, was sie tat, stand sie auf einmal am Bahnhof und löste eine Karte.

Drei Stationen", sagte der Schaffner, mitleidig ihr ernstes und sehr blasses Gesicht betrachtend.

Ja, ich weiß", sagte Jo leise.Drei Stationen . .

Das kleine Dorf war leer. Viele seiner Bewohner waren Wohl zum Wochenmarkt und gleichzeitig zu Einkäufen in die Stadt gefahren. Im Pfarrhaus war noch alles still. War das wirklich erst gestern gewesen, daß sie hier noch mit Hell gegange- war? Hell! Wieder brannte der schmerzliche Ab­schied, dieses Ausernandergerissensein für so lange Zeit, wie eine offene Wunde.

In tiefem Sinnen war sie bis in die Nähe des Groten- kamphofes gekommen. Leiser Hufschlag tönte neben ihr. Hannes Grotenkamp kehrte vom Morgenritt heim. Sie ließ ihn zuerst vorbeitraben, ohne ihn zu erkennen. Dann hob sie die Stimme. Kalt und klar tönte ihr Nus durch die morgendliche Stille:

Herr Grotenkamp!"

Hannes Grotenkamp wandte sich erstaunt um. Unfaßbare Verwunderung kam in seine hageren Züge.

Ja, ich bin's", beantwortete Jo seine stumme Frage.Ich vergaß etwas im Grotenkamphof und kam, es zu holen."

Hannes Grotenkamp sprang vorsichtig vom Pferde, es sah schwerfällig und ungeschickt aus, wie er sich mühte, mit seinem toten Arm sich festzuhalten. Er stöhnte leise dabei, kleine Schweißperlen traten auf seine Stirn.

Etwas wie Mitleid wollte in Jo emporkommen. Dann sah sie in das finstere Gesicht des Mannes und wurde wieder

art.

Er ging jetzt neben ihr her.

Hellmut ist wohl fort?"

Ja. Hell ist fort. .

Kein Wort fiel mehr, da standen sie auch schon am Ein- rng des Grotenkamphofes. Hannes Grotenkamp ging vor o ins Haus und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Denn Sie so lange Platz nehmen wollen?"

Danke", sagte Jo kalt.Ich will nur meine Tasche holen

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(Fortsetzung folgt.)