alten Kämpfer, die gerade das große Erlebnis der Whrerrede im Bürgerbräukeller hinter sich hatten. Zu ihnen gesellten sich die Riesenkolonnen der lOOOO Fahnenträger und der Abordnungen, die die Standarten der Bewegung aus dem ganzen Reich nach München gebracht hatten. Kurz vor dem Siegestor nahmen je acht der La- fetten auf der westlichen und östlichen Seite der Leopolöstraße Aufstellung. Dann setzte sich langsam und feierlich die Trauerparade in Bewegung, um die 16 ersten Blutopfer des Kampfes für das Dritte Reich durch das Siegestor zu geleiten. Die B l u t f a h n e, gefolgt von sämtlichen Standarten, flatterte dem nächtlichen Zuge voran.
Nächtliche Weiheftunde an der Feldherrnhalle
Schweigend harren hinter den Mauern der SA und SS. die den Absperrdienst versieht. Zehnlausende und aber Zehntausende des Augenblicks, da der Zug der toten Kämpfer vorüberfchreiten wird. Was in den Gesichtern steht, ist nicht Neugier, die ein Schauspiel erwartet, es ist der Ausdrück des gleichen kämpferischen Willens, der die Helden des 9. November !923 beseelte. Es ist das Wissen um die Pflicht unauslöschlichen Dankes, den ein durch das Opfer der Gefallenen in letzter Minute vom Abgrund zu- rückgerissencS Volk dieser Selbstaufopferung um Deutschlands Willen schuldet.
Tiefernst und würdig, wie die Menschen in dieser Weihenacht der Bewegung, der nächt- lichen Totenehrung an der Stätte des Blut- vpferS entgegenharren, ist auch der Schmuck der Opfersiätte. Am Odeonsplatz spiegelt sich das gleißende Licht der Bogenlampen matt in dem düster roten Stoffgrund, der die Sockel der Gebäude ringsum meterhoch verkleidet. Es mischt sich mit dem Widerschein der Opferflammen, die aus den hochragenden. rot umkleideten Pylonen zum nächtlichen Himmel lodern. Tie Ställe des Opfers von 1923 trägt das Symbol der Bewegung, das silberne Hakenkreuz, das -sich leuchtend von dem schwarzen Grunde des Runentuches über den silbernen Runen abhebt. Im Hinter» grund der Feldherrnhalle erblickt man 16 Pylonen, von denen sich aus rotem Grunde in gold die Zeichen der Bewegung abheben.
Jugend marschiert aus
Hitler-Jugend und Mädel vom BdM. die in straffer Disziplin an der Weihestunde teilnehmen, kommen. Tie Tribünen, die den Platz rings umgeben, füllen sich mehr und mehr mit den Angehörigen der Gefallenen. mit den Gästen d«8 Führers, unter ihnen auch die diplomatischen Vertreter des Auslandes in der Reichshauptstadt, versammeln sich die Vertreter der Partei und der Gliederungen der Bewegung, soweit sie nicht in der Trauxrparade marschieren. Vor der Halle zieht der Ehrensturm der Leibstandarte Adolf Hitlers mit einem Spielmannszug und seinem Musikzug auf.
Um 23.30 Uhr erscheint der Stellver- treter des Führers mit dem Stabschef der SA. dem Reichsführer der SS. dem Korpssührer des NSKK. dem Reichsjugendführer und dem R ei ch s a r b e i t s fü h r er, um an den Stufen der Halle die Trauerparade zu erwarten. Und nun hebt eine Totenehrung an, wie sie kein Volk in der Geschichte jemals seinen Gefallenen bereitet hat. eine Totenehrung. die in dem Bekenntnis zu dem Opfer dieser Gefallenen die Bewegung selbst und in ihr das deutsche Volk, besten Träger und Führer die Bewegung ist, ehrt.
Die mitternächtliche Weihestunde
In der Halle flammen die Ovferfeuer
auf. die zu Häupten jedes der Gefallenen in der Stunde seines Einzuges lodern werden, die Bogenlampen verlöschen und über dem weiten Platz spielt nur von dem Plötzlich auf. kommenden Nachtwind zu lodernder Glut entfacht, der Wiederschein der Opferfeuer. Und fast in der gleichen Sekunde flammen die Fackeln auf, deren Träger die Straße der Trauerparade zu beiden Seiten säumen, durch die nun der Zug der Toten seinen Weg zur Stätte ihres Opfers nimmt.
Landsknechttrommeln künden mit dumpfem Wirbel das Herannahen des Zuges. Dann klingt Trauermusik auf, während die 10 000 in ehrfürchtigem Schweigen verharren.
Die Trauermufik schweigt. Wieder be- herrscht der dumpfe Klang der Trommeln die Stunde, kein Laut unterbricht mehr die weihevolle Stille. Trommeln und immer wie- der Trommeln, bis die Spitze des Zuges den rotsamtenen Teppich erreicht hat, über den die toten Helden ihren Einzug in die durch ihr Opfer geweihte Stätte halten werden. Die Standarten der Bewegung, ehrfurchtsvoll mit dem deutschen Gruß gegrüßt, nehmen zu beiden Seiten der Halle Aufstellung. Sie halten Wacht an den Särgen, bis der Siegeszug des 9. November die toten Kämpfer zur Stätte ihrer letzten Ruhe führen wird.
Geleitet von einer Ehreneskorde der Leibstandarte folgt die Fahne, die vor 12 Jahren das Blut der Gefallenen trank. Und dann — es ist, als ob das Schweigen dieser Feierstunde noch undurchdringlicher wurde — treten die toten Kämpfer — auf Lafetten zur Halle geleitet, ins Blickfeld der Zehntaufende.
Letzter Wirbel der Trommeln. Dann erklingt der Präsentiermarsch, während sechs Mitkämpfer jeden der Särge aufnehmen und in die Halle tragen. Der Zug der alten Kämpfer nimmt Aufstellung vor der Halle, dann erscheinen die zehntausend Fahnen der Bewegung, während das Horst-Wessel-Lied getragen über den Platz schwebt. Kurze Kommandos. Die Fahnen gehen hoch, ihre Träger nehmen Front zur Straßenmitte, und nun erlebt diese Weihestunde ihren Höhepunkt.
Der Führer kommt
Durch die Mauern seiner Gefolgsmänner,
EhrenunlerWhung für die ! Schwerbeschädigten der NSVAV
Berlin, v. Novemver.
Der Führer hat zum 9. November folgende Verfügung erlassen: „In dem opferwilligen Kampfe unserer Bewegung haben viele Nationalsozialisten schwerste körperliche Schädigungen davongetragen. Ihnen für diesen Einsatz im Dienste der nationalsozialistischen Idee zu danken, ist eine Ehrenaufgabe der NSDAP. Ich bestimme daher unter dem 9. November 1935:
1. Für dit Schwerbeschädigten der Partei, die bei ihrer freiwilligen Pflichterfüllung im Kampfe um das Dritte Reich einen dauernden schweren, die Erwerbsfiihigkeit für immer einschränkenden körperlichen Schaden davongetragen haben, wird aus Mitteln der Partei alljährlich ein Betrag von einer halben Million Reichsmark für Ehrenunterstü^un- gen zur Verfügung gestellt.
L. Die Verteilung dieses Betrages erfolgt je nach Schwere der Körperbeschädigung sowie nach Lag« der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller.
8. Die AnMhrungsbestimmungen erlaßt
durch den Wald der Fahnen und Feldzeichen der Bewegung schreitet der Führer über den Platz zur Stätte der Aufbahrung seiner treuesten Kämpfer. Vor jedem Sarg verweilt der Führer, seinen getreuen Gefolgsmann, mit dem deutschen Gruß zu grüßen. So hält er letzte Zwiesprache mit denen, die ihr Leben für die Idee und damit für Deutschland
gaben, letzte Zwiesprache mit seinem Fahnenträger von damals, der sterbend noch die Fahne der SA umklammerte, ehe sie seinen Händen entsank, letzte Zwiesprache mit denen, die in der gläubigen Inbrunst begeisterter Jugend oder in gläubigem Bekennermut des Mannesalters die ersten Blutzeugen der deutschen Freiheit wurden.
Das Lied vom Guten Kameraden erklingt, während der Führer den toten Helden in seinem Gruß den Dank der Bewegung, den Dank Deutschlans entbietet. Kein Laut unterbricht die weihevolle Stille. Kein Laut, als der Führer die Halle verläßt. Noch einmal ein Augenblick von unerhörter Eindruckskraft, als die Front der Halle in gleißendem Licht gewaltiger Scheinwerfer aufleuchtet und in diesem gleißenden Schein die Ehrenwache der Hitler-Jugend an den Särgen aufzieht. An der Stätte des Opfers, aus dem die Saat der deutschen Freiheit entsproß, ruhen die toten Helden noch einmal aus auf ihrem letzten Wege, der sie als ewige Wache für Deutschland in feierlichem Siegeszug am Jahrestag ihrer Hingabe einholen wird zur höchsten Ehrung, die das neue Reich seinen ersten Blutzeugen zu geben hat.
Noch einmal ziehen, nachdem der Führer und sein Stellvertreter mit der Führergruppe den Platz verkästen haben, die Mit- kämpfer von damals, die Fahnen der Be- wegung, die gesamte Führerschaft der Partei und ihrer Gliederungen und die Politischen Leiter in feierlichem Zuge an der Halle vorüber, noch einmal zu grüßen, was sterblich an den Helden war. Dann wird das deutsche Volk seine Toten grüßen, die starben. damit Deutschland lebe. Sie alle aber nehmen als letzten Blick von der Stätte einer Totenehrung, wie sie gewaltiger und erschütternder noch nicht erlebt wurde, die Worte mit, die sich im Schein der Opfer» stammen und der Fackeln widerspiegeln:
„Und ihr habt doch gesiegt"!
der Reichsschatzmeister der NSDAP, gez. Adolf Hitler."
Aus den von Reichsschatzmeister S ch w a r z dazu erlassenen Ausführungsbestimmun gen- geht hervor, daß die Ehrenunterstützung für ein Kalenderjahr, erstmals für das Kalen- I Verjähr 1936, festgesetzt und in monatlichen Teilbeträgen ausbezahlt wird. Gemäß dem Willen des Führers darf die Ehrenunterstützung von den staatlichen und sonstigen Behörden auf das Einkommen der Bedach, ten nicht angerechnet werden; sie ist unpfändbar. Kurze, begründete Anträge auf Gewährung einer Eyrenunterstützung sind beim Reichsschatzmeister der NSDAP. München 43, Postfach 80. einzureichen.
München. 7. Nov.
Die Neichsprestestelle der NSDAP teilt mit: Der persönliche Adjutant des Führers. Obergruppenführer Wilhelm Brückner, mußte sich vor einiger Zeit einer kleinen Operation unterziehen. Obergruppenführer Brückner befindet sich auf dem Wege zur völligen Genesung und wird in Bälde seinen Dienst beim Führer wieder ausnehmen können.
Santtionsbegirm in England am 18 . November
London. 8. Nov. In einer am Freitag veröffentlichten Verordnung des englischen Wirtschaftsministeriums ist der 18. 11. als Zeitpunkt für den Beginn der wirtschaftlichen Sühnemaßnahmen gegen Italien angesetzt worden. Von diesem Zeitpunkt ab ist die Ausfuhr bestimmter Waren von England nack- italienischen Gebieten und die Einfuhr von Waren aus italienischen Gebieten nach England verboten.
Ztattrns Abwehr ikkt am 18 . Nov. ein
Rom. 8. November.
DaS halbamtliche „Giornale d'Jtalia" erklärt. daß die den Sühnematznahmen zugrunde liegende kalte Berechnung darauf abgestellt sei, Italien auszuhungern und ihm die Eroberung jener Kolonialgebiete unmöglich zu machen, die ihm von seinen Kriegsverbündeten England und Frankreich bei den Friedensver- yandlungen verweigert worden feien. M i t der gleichen kalten lieber! egung bereite Italien die notwendigen Abwehrmatznahmen vor, die ausnahmstos mit dem 18. 11. zur Anwendung kommen.
Man habe in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten versucht, Italien zur Mätzigung und Staffelung seiner Gegenmaßnahmen zu veranlassen. Diese Versuche könnten out gemeint sein; sie gingen von dem klaren Wunsch aus, heftige Zusammenstöße zu vermeiden, die vom wirtschaftlichen leicht auf das politische Gebiet übergreifen könnten. Das ErgebmS solcher Methoden könnte aber für Italien nur gefährlich fein. Ohne die Sachlage so zu andern, würden sie nur die Manöver des Gegners erleichtern, die Kräfte Italiens verzetteln und Italien selbst unerbittlich in das Räderwerk der Sanktionen hineinziehen. Zu diesem gefährlichen Spiel gebe sich Italien nicht her. Eine der friedlichen Absichten der von den sogenannten befreundeten Regierungen in Genf ausgeheckten Sühnemaßnahmen erstrebe die Schließung vieler industrieller Betriebe, um die Arbeitermassen Italiens arbeitslos zu machen und auf die Straße zu setzen. Man wolle also, so führt das halbamtliche Blatt in größter Verbitterung aus- sich der Armut Italiens bedienen, um seine Be- oölkerung in den Hunger zu treiben. Von die- iem ungeheuerlichen Schandfleck werde sich die Geschichte der europäischen Kultur niemals wieder reinwaschen können und Italien werde niemals den von seinen früheren Waffenbundesgenossen kalt ausgedachten Mordanschlag vergessen. Die gegen die italienischen Arbeiter getroffenen Sühnemaßnahmen werden jedoch in der einmütigen Geschlossenheit der ganzen Nation ihre Antwort erhalten. DaS in Genf aufgerichtete Terrorregime könne Italien weder erschrecken noch in die Knie zwingen. Was aber auch in Europa und in der Welt daraus entstehen möge, die Verantwortung dafür werde bei denen liegen, die die Sühnemaßnahmen in so blinder Wut organisiert haben.
M veMwiMt aus -er Rstttik
eir. Wien, 8. November.
Der kürzlich aus der Negierung ausgeschie- dene Minister Emil Fey ist zum Präsidenten der Tonau-Tampsschissahrts-Gesellschast berufen worden. Ta auch die Wiener Lan- deSführung des Heiinatschutzes in den nächsten Tagen von Vizekanzler Starhemberg selbst übernommen werden wird, scheidet Feh ganz aus dem Politischen Leben aus.
Königin Christine
VON klstlllk r.invZA.v
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„Warum soll ich Graf Pimental fortschicken?" fragte sie herausfordernd. „Kümmere ich mich um das Leben meiner Untertanen und schreibe ich ihnen vor, wen sie lieben sollen? — Ich liebe Graf Pimental und ich schäme mich nicht, es zu gestehen. Wenn ich nicht Königin wäre, würde ich ihn heiraten. Weil ich aber Königin bin, weiß ich, daß ich ihn nicht heiraten kann. Beunruhigt Euch darüber nicht länger, edle Herren. Ich habe nicht die Absicht, irgend jemand zu heiraten. Ich werde Junggesellin bleiben. Warum wollt ihr mir — als einzige in ganz Schweden — nicht einen Augenblick Ruhe gönnen? Diene ich meinem Lande weniger, wenn ich glücklich bin? Welch törichter Titel nennt mich Befehlshaber, wenn ich nicht einmal in dieser einen Sache befehlen kann, die mir am Herzen liegt? Das ist das einzige auf der ganzen Welt, das mich tief berührt und nur mich allein. Es gibt eine Freiheit, die nur mir gehört und die mir der Staat nicht nehmen kann. Dem unvernünftigen Terror des Volkes und der boshaften Tyrannei höfischer Ränke werde ich mich niemals unterwerfen. Niemals! Beherzigt das! Jeder einzelne von Euch!" Und als sie sagte „jeder einzelne!" blickte sie Graf Magnus scharf an; aber.er wich wieder nicht aus und sah nicht zur Seite.
„Das ist alles, was ich zu sagen habe", fügte sie hinzu. Ich wünsche, daß Ihr euch das ein für allemal merkt. Alles, was in meinen Kräften steht, will ich für mein Volk tun. Und wenn ich mich selbst glücklich mache, mache ich es dadurch sicherlich nicht unglücklich. Ihr, der Rat, begreift diese Dinge jetzt. Ich will sie auch dem Volk erklären. ES wartet darauf, daß ich zu ihm spreche."
Oxenstierna schrie: „Was beabsichtigt Ihr, Majestät? Ihr könnt nicht hinausgehen! Ihr dürft nicht!"
„Nicht dürfen ist ein seltsames Wort in eines Königs Ohren. Glaubt Ihr denn, ich habe Angst vor meinem Volke? ?:ch werde sofort vor ihm sprechen."
„Ihr wißt nicht, wie eine Volksmenge sein kann. Sie ist jetzt wahnsinnig. Sie überlegt nicht ruhig, sie handelt. Sic könnte etwas Verzweifeltes tun."
„Bin ich nicht Königin?" sagte Christine stolz. „Rach alledem scheine ich ein Nichts zu sein. Mein Glück mutz ich Eurer Zustimmung unterwerfen und jetzt erhalte ich nicht einmal die Erlaubnis, mit meinen Untertanen zu sprechen! Die Dinge sind wirkliche auf einem sonderbaren Standpunkt angelangt!"
„Aber, Majestät, die Gefahr!" rief Oxenstierna in Todesangst. Sie gab sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. Mit einem verächtlichen Blick auf Gras Magnus wandte sie sich ab und schritt auf die Türe zu.
Dort hielt sie inne» denn sie hörte, daß man ihr folgte. Sie blickte- sich um, ohne einen Augenblick lang etwas zu sagen. Dann sprach sie hart: „Daß keiner es wage, mir nachzukommen!"
„Majestät dürfen nicht allein gehen!" schrie Oxenstierna mit einem letzten Versuch.
„Mutz ich noch einmal wiederholen", sagte Christine, „daß ich mich nicht vor meinem Volke fürchte?"
Daraufhin wagten sie nicht, ihr zu folgen. Sie schritt kühn den langen Gang zur Palasttreppe hinab. Das heisere Geschrei, das Gebrüll der wütenden Menge, das jetzt ihre Ohren erreichte, erschreckte sie nicht. Auf der großen Freitreppe, die in den weiten Hof hinabführte, machte sie Halt.
„Laßt die Wache abtreten!" befahl sie.
Der General, der auf dem Hofe Wache hielt, starrte sie mit offenem Munde an. Er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Sie wiederholte den Befehl noch einmal.
„Laßt die Wache abtreten", sagte er mechanisch zu seinem Hauptmann, der den Befehl weiter gab.
Die Wache stellte sich mit präsentiertem Gewehr auf und marschierte nach der Wachstube. Nur sechs Soldaten, außer dem General selbst, blieben zum Schutze der Königin zurück.
Bei ihrem zweiten Befehl protestierte der General, so selten das auch ist, daß ein Soldat einem Vorgesetzten widerspricht; denn die Königin war Oberbefehlshaber der schwedischen Armee.
„Oeffnet die Tore", sagte sie obenhin, als ob sie irgendeinen ganz alltäglichen Befehl gäbe.
„Aber, Majestät . . stotterte der bestürzte General.
„Oeffnet die Tore!" wiederholte Christine mit etwas lauterer Stimme.
Er konnte sich nicht länger weigern. Das wäre Meuterei gewesen. Mit einer verzweifelten, hilflosen Geste befahl er den Soldaten, die Tore zu öffnen und sie gehorchten. Mit bebenden Händen zogen sie an den großen Ketten.
Allein un«d furchtlos stand Christine oben an der Treppe, als sich die Tore allmählich öffneten und die rasende Menge hereindrängte und in einem brüllenden mörderischen Haufen in den Palast stürzte.
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Von dem Entschluß getrieben, „diesen Spanier" irgendwie zu vernichten und sei es durch Totschlag, stürmte die Menge mit brennenden Fackeln den Palast. Für den Angerr- blick waren sie wie toll, unfähig zu irgendeinem klaren Gedanken, aber fähig zu jeder noch so schrecklichen Tat.
Im Nu war der ganze Hof erfüllt von den rasenden Männern. Die wenigen Soldaten und ihr General wurden achtlos an die Wand gedrückt. Ohne Befehl der Königin wagten sie nicht, ihre Schwerter zu gebrauchen. Und außerdem wären sie niemals imstande gewesen, diesen entfesselten Menschenstrom aufzuhaltcn.
Wortlos und ruhig, ohne Furcht stand Christine und erwartete die Menge, die jetzt die breite Treppe zu ihr herauf raste, ohne sie, geblendet vom Licht ihrer Fackeln und ihrer Tollheit, selbst zu sehen. Als sie näher kam, nahm Christine ihre Pelzmütze ab, fuhr sich mit ihren schlanken Fingern durch das Haar und verstellte ihr den Weg — eine schmächtige, dunkle, einsame Gestalt gegen Hunderte.
Plötzlich erblickten sie die Vordersten, die sofort anhielten, so daß die nachdrängenden beinahe über sie stolperten. Nun wurde sie auch von den übrigen bemerkt und augenblicklich ebbte der Menschenstrom ein wenig zurück, verwirrt, ängstlich. Die Furchtlosigkeit der Königin flößte ihnen selbst Furcht ein.
Das Geschrei erstarb langsam zu einem Gemurmel, einige der Männer nahmen sogar die Mütze ab und starrten sie unentschlossen an.
(Fortsetzung folgt.)
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