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Amtsblatt für
clas Oberamt Fleuenbürg
Nr. 243
Donnerstag den 17. Oktober 1V35
93. Jahrgang
Boykott -ec italienischen Aussicht
Ein Entschlietzuugsentnmrf Edens angenommen
Genf, 16. Okt.
Im Wirtschaftsausschuß der Sanktionskonferenz legte Eden am Mittwochvormittag einen Entschließungsentwurf über den Boykott der italienischen Ausfuhr vor. Der Entwurf hat die Zustimmung der skandinavischen Staaten, sowie von Holland, Belgien, Rumänien und Sowjetrußland gefunden. Ein aktiver Widerstand trat auf keiner Seite in Erscheinung, doch machten einige Länder, darunter Spanien und die Schweiz, gewisse Vorbehalte. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt, da zunächst der Ausschuß für gegenseitige Unterstützung befragt, d. h. die Frage der Entschädigungen geklärt werden soll.
Der Antrag Edens über den Boykott italienischer Waren hat folgenden Wortlaut: Die Negierungen der Völkerbundsmitglieder verbieten die Einfuhr in ihr Gebiet für alle Waren, — außer gemünzten lind unge- münztem Gold und Silber — die aus Italien oder den italienischen Besitzungen stammen, dort erzeugt oder hergestellt sind, ohne Rücksicht auf den Absendungsort. Erzeugnisse oder Fabrikate Italiens oder der italienischen Besitzungen, die in einem anderen Land weiter verarbeitet worden sind, und Waren, die teils in Italien oder den italienischen Besitzungen und teils in einem anderen Land hergestellt sind, fallen ebenfalls unter das Verbot, es sei denn, daß mindestens 25 Prozent ihres Wertes beim Verlassen des letzten Versandortes auf Verar- cheitungsprozesse seit dem letzten Verlassen Italiens oder der italienischen Besitzungen zurückznführen sind.
Waren, die Gegenstand laufender Verträge sind, sind von dem Verbot nicht ausgenommen. Waren, die zur Zeit der Verhängung des Verbotes sich unterwegs befinden, werden von seiner Anwendung befreit. Bei der Durchführung dieser Bestimmungen können die Negierungen zur Erleichterung der Handhabung und unter Berücksichtigung der normalen Transportzeit einen Stichtag sestsetzen. Persönliches Gepäck von Reisenden, die ans Italien und den italienischen Besitzungen kommen, kann ebenfalls von dem Verbot befreit werden.
Entschließung der Sankkionskonferenz
Die Sanktionskonferenz hat Mittwochabend in öffentlicher Sitzung die ergänzte Verbotsliste für Waffensendungen nach Italien angenommen. Der ungarische Vertreter enthielt sich der Stimme. Bnndes- rat Motta - Schweiz erklärte zu dem Verbot der chemischen und Brandwaffen, diese Kriegsmittel seien bereits durch das Völkerrecht verboten und sollten deshalb auch nicht nach Abessinien ausgeführt werden dürfen. Die Konferenz nahm diese Erklärung lediglich zur Kenntnis.
Außerdem wurde eine vom Juristenaus- schnß der Konferenz ausgearbeitete Entschließung angenommen, in der gesagt wird, es sei wichtig, die Maßnahmen, die die Konferenz vorgeschlagen habe und noch Vorschlägen werde, rasch und wirksam durchzuführen. Es wird daran erinnert, daß die Völkerbundsstaaten durch Art. 16 des Paktes gebunden seien. Sie hätten deshalb die Pflicht, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um mit der gebotenen Beschleunigung den von ihnen übernommenen Verpflichtungen Nachkommen zu können.
Zu Beginn der Sitzung machie der Vertreter Venezuelas einen allgemeinen Vorbehalt hinsichtlich der Beteiligung seines Landes an Sanktionsmaßnahmen unter Berufung ans seine schlechte wirtschaftliche Lage.
Italien aut ernste Maßnahmen gefaßt
„Giornale d'Ztalia" über Italiens Verhalten bei Sanktion»»
Nom, 16. Oktober.
lieber den Verlauf der Genfer Sanktions- Verhandlungen gibt man sich in Italien lei- nerket Täuschungen mehr bin:'man nt ain
ernste und einschneidende Völkerbundsmaßnahmen gefaßt. Aus diesem Grunde werden ernste Erwägungen angestellt, wie der täglich als unvermeidlich angesehenen Sanktions- gefahr im Innern Widerstand geleistet wer- den könne.
Der Leitartikel des „Giornale d'Jtalia" vom Mittwoch steht im Zeichen eines Rufes zur Einigkeit ganz Italiens. Das Blatt ver- hehlt seinen Lesern nicht, daß englische Ten- denzen bestehen, in der ersten Woche nur gemäßigte wirtschaftliche und finanzielle Sank- tionen anzuwenden, in der zweiten Woche ernste Wirtschaftszwangsmaßnahmen zu ergreifen und nach drei Wochen zur Wirtschaftsblockade überzuge- h e n. Die letzte Stufe nennt das Blatt jedoch eine unmißverständliche militä - rische Sanktion mit Angriffscharakter.
Hierauf macht das Blatt besonders Laval aufmerksam, der immer erklärt habe, ein
Gegner von militärischen Sanktionen zu sein. Man müsse, so sagt das Blatt, das Verhalten Frankreichs und des Völkerbundes auf eine derartige englische Maßnahme hin, die zu den schwersten Verwicklungen führen könnte, ab- warten. Finanzsanktionen mißt das Blatt mehr den Wert einer italienfeindlichen Demonstration bei.
Das Blatt erklärt sehr bestimmt, daß Italien Von Ländern, die ihm die notwendige Rohstoffe nicht verkauften, auch entbehrliche Sachen nicht kaufen werde. Wenn es möglich sein müsse, für die lebensnotwendigen Dinge, die die Sanktionsländer verweigerten, Ersatz zu schaffen, so werde es noch leichter sein, auf nicht unbedingt erforderliche Einfuhrgegenstände zu verzichten.
Abschließend spricht „Giornale d'Jtalia' die Hoffnung aus, daß Italien über genügend Produktive und wirtschaftliche Kräfte verfüge, die es instand setzen, jeder feindlichen Aktivität Widerstand entgegenzustellen.
Hintergründe für den Vermtttlungs- veeivch Lavals
London, 16. Oktober.
Ungeachtet des in Rom veröffentlichten amtlichen Dementis wirb in der Londoner Morgenpresse über den Friedensplan berichtet, den der französische Ministerpräsident Laval am Montag in Paris dem italienischen Botschafter vorgelegt haben soll.
Der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" meldet aus Genf, Laval
abe ans eigenem Antrieb ge-
andelt. Er habe dem italienischen Botschafter erklärt, in Genf stehe die Annahme scharfer wirtschaftlicher Sühnemaßnahmen bevor. Diese würden einen schweren Druck auf Italien ansüben. Frankreich könne diese Wendung nicht verhindern, es sei im Gegenteil verpflichtet, den Völkerbund bei seinem Vorgehen restlos zu unterstützen. Laval scheine die bereits bekannten sechs Vorschläge gemacht zu haben.
Der diplomatische Korrespodcnt meldet ferner, der Inhalt der Pariser Besprechung sei anscheinend im Lause des Tages dem britischen Botschafter Sir George Clerk zur Weitergabe nach London mitgeteilt worden. Alan glaube, daß der britische Botschafter Laval erklärt hat, nach seiner Ansicht werde d i e britische Negierung keine Einigung s g r u n d l a g e billigen, die nicht in erster Linie die Zurück-' nähme der italienischen Truppen von a b e s s i n i s ch e m Gebiet v o r s e h e. Die meisten Staatsmänner in Genf, mit denen der Korrespondent gesprochen habe, seien der Ansicht, daß der Völkerbund nichts zur Förderung einer Vereinbarung tun könne, die eine Austeilung Abessiniens zur Grundlage habe. Die Italiener ihrerseits Hütten ans den Wilsonschen Grund- satz des Selbstbestinunnngsrechtes der Völker hingeiviesen und den Standpunkt vertreten, daß die äußeren Bezirke Abessiniens, die von Menelik annektiert worden seien, am liebsten das Joch von Addis Abeba ab schütteln möchten.
Der Korrespondent fährt fort: „Tie neuen Vorschläge, die Laval Italien gemacht hat, folgen zeitlich auf zwei bedeutsame Vorgänge: Während seines kurzen Aufenthaltes in Vichy hat Laval eine Botschaft aus Paris erhalten, die unzweifelhaft erkennen ließ, daß London bitter enttäuscht über die französische Haltung ist. Es verlautet, daß der französische Mini- stcrpräsident eine amtliche Information empfing, deren Inhalt sich ungefähr mit den Aeußerungen Sir Austen Chambcrlains im gestrigen Paris Soir deckte. Es wurde Laval klar gemacht, daß er seine Entscheidung nicht länger auf- schieben könne. Einige Tage zuvor hatte die französische Negierung eine äußerst beunruhigende Anfrage der italienischen Negierung erhallen. Im Gegensatz zu allen Zu- sick".'nii!g".'n. die Mussolini vor einigen Wo
chen gegeben hatte, teilte die italienische Negierung Paris mit, daß sie Zweifel hege, ob sie im st an de sein würde, den Brennerpaß im Falke eines Angriffes zu verteidigen. Nom wünschte eine Zusicherung, daß es sich in einem sol- chen Falle auf den Beistand der französischen Armee verlasse^ könne. Rom ersuchte um ausdrücklich eMitteilungüberdieStreit- kräfte.-ieFrankreichberoitsein würde, sofort an Ort und Stelle zu entsenden." Der Korrespondent erklärte dann, daß die französische Regierung durch diese Anfrage ernstlich erschüttert worden sei. Es herrsche der Eindruck, daß das französisch-italienische M i l i t ä r a b k o m - m en — das zugleich mit den Verträgen von Nom abgeschlossen worden sei und zur völligen Entmilitarisierung der französisch-italienischen Grenze durch Frankreich geführt habe — keinen Wert mehr habe. Besonders sei dies der Fall, da das Abkommen niemals durch sein logisches Gegenstück vervollständigt worden sei: Eine italienisch-jugoslawische militärische Verständigung. Auf die italienische Frage sei keine Antwort gegeben worden und wahrscheinlich werde dies auch in unmittelbarer Zukunft nicht geschehe n. Lavals neue Friedensbemühungen bildeten den Grund für eine gewisse Abneigung dagegen, daß man in Genf schnelle Fortschritte macht. Diese Abneigung habe sich in den letzten Tagen gezeigt. Aus verschiedenen Gründen hätten die französischen Vertreter angeregt, daß die Prüfung der wirtschaftlichen Vorschläge verlängert werden sollte. Dieses Zögern, mit der Schnelligkeit fortzu- fnhrcn. die andere Staaten wünschten, sei ans eine Weisung Lavals znrückzufüh- ren.
Zu den Pariser Meldungen über französische Friedensbemühungen sagt der diplomatische Mitarbeiter der „Morningpost", es sei vorausgesagt worden, daß Mussolini unter der Drohung von Sühnemaßnahmen nicht nachgeben würde, daß er aber bereit sein werde, in dem von ihm gewählten Augenblick zu verhandeln. Die Ereignisse bewegten sich letzt anscheinend in dieser Richtung. Die britische Negierung habe keine Kenntnis von den gemeldeten französischen Vorschlägen und somit könne keine amtliche Aeußerung dazu veranlaßt werden. Die allgemeine Haltung der Negierung sei, daß die Lösung das Siegel des Völkerbundes tragen müsse. Sie sei entschieden gegen einen Friedensschritt, der darauf abzicle, Italiens Erfolge in Abesst- nien zu legalisieren.
Ein diplomatischer Mitarbeiter -es „Daily I Herald" meldet, die Antwort deS britischen
Kabinetts auf die am Dienstag in London eingetroffene Anfrage Lavals werde besagen, daß die britische Kriegsflotte im Mittelmeer bleiben werde, bis Großbritannien überzeugt sei, daß seine Beziehungen zu Italien auf einer Grundlage dauernden Friedens beruhten.
Englische Antwort an Frankreich übergeben?
London, 16. Okt. Das englische Kabinett beschäftigte sich am Mittwoch im wesentlichen mit außenpolitischen Fragen. Auf der Tagesordnung stand zunächst die Verlesung eines umfassenden Berichts, den der Minister für Völkerbundsangelegenheiten, Eden, aus Genf über den augenblicklichen Stand der Sühne- maßnahmen nach London geschickt hatte. In diesem Zusammenhang erörterte das Kabinett die Schritte, die im Parlament notwendig würden, um diesen Maßnahmen Gesetzeskraft zu verleihen.
Wie ferner verlautet, befaßte sich das Kavi- nett mit den Anregungen, die der französische Ministerpräsident Laval zum abessiuisch-ita- lienischen Streitfall am Montag abend in einer Unterredung mit dem britischen Botschafter in Paris gemacht hat. .
Reuter zufolge liegt bereits eine Entscheidung des Kabinetts über die Antwort auf den Vorschlag Labals bor. die Stärke der britischen Flotte im Mittelmecr unter gewissen Voraussetzungen auf ein normales Matz herabzumindcrn. Der britische Botschafter in Paris wird die Antwort noch am heutigen Mittwoch abend der französischen Negierung mitteilcn. Man nimmt an, datz der Besuch des französische« Botschafters in London am Mittwoch nachmittag im englischen Autzenamt hiermit zusammenbängt.
Gewisse Schlüsse über den Inhalt der Antwort glaubt Reuter aus de> in Londoner amtlichen Kreisen vertretenen Ansicht ziehen zu können, wonach sich die Lage durch die Entsendung weiterer italienischer Truppen nach Lybien in den letzten Tagen nicht gebessert habe. Man habe Grund, anznnehmen, daß der Flottenvorschlag Lavals von anderen Anregungen begleitet gewesen sei, über deren Charakter jedoch nichts verkante.
In einem Bericht der Preß Association wird darauf hingewiesen, daß die Beziehungen zwischen England und Frankreich durch die Unterredung Lavals mit dem britischen Botschafter unberührt geblieben seien. In ihrer Haltung zur Trage der Fricdenssicherniig bestehe zwischen den beiden Negierungen engste Zusammenarbeit.
Der politische Mitarbeiter des „Star" glaubt, es lägen keine Anzeichen dafür vor, daß eine befriedigende Grundlage zur Beendigung des Krieges gefunden worden sei.
Ministerpräsident und Außenminister Laval hatte am Mittwoch Unterredungen mit dem italienischen Botschafter Cerruti und dem englischen Botschafter George Elerk.
in Libyen
London, 16. Oktober
Eine Reiitermeldung aus Nom besagt: Man glaubt, daß die „Metauro"-Division des italienischen Heeres, die kürzlich von Neapel scheinbar nach Ostafrika abbefördert wurde, in Wirklichkeit nach Libven aeiandt worden ist. Die Abbeförderung war möglichst unauffällig und in großer Eile erfolgt. Viele Soldaten hatten nicht einmal die Zeit, sich mit ihrer Tropenausrnstung zu versehen. Es steht fest, daß die Division nicht durch den Suezkanal gekommen ist. Die italienischen Strcitkräfte in Libyen sollen jetzt vier Divisionen umfassen. Gerüchtweise verlautet, daß der Generalgouverneur von Libyen, Marschall Balbo. einen anderen Posten erhalten werde und durch einen hohen Offizier des Heeres ersetzt werden solle.
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