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die Kammer zur Erwägung empfehlen, die Altersgrenze für das unbeschränkte Tragen und Benützen von Schießwaffen vom 16. auf das 18. Lebensjahr hinauszurücken und die Einziehung der unerlaubter- und mißbräuchlicherweise verwendeten Waffen allgemein (nicht erst beim Rückfall und auch bei Feuergewehr und Schießwerkzeug) vorzuschreiben. Nner im Zusammenhang damit stehenden Eingabe der geprüften Büchsenmacher um Beschränkung des Waffenhandels zu ihren Gunsten konnte die Kammer ihre Unterstützung nicht leihen.
Calw. Wie wir hören, ist hier ein Rabatt-Spar-Verein gegründet worden. Zweck und Ziel des Vereins ist, daß sich Geschäftsleute aller Branchen zusammenschließen, um dem kaufenden Publikum billige Waren gegen 5°/o Rabatt bei Bar ein kauf in Form von Rabattmarken abzugeben. Dieselben werden in einem hiezu geeigneten Rabatt-Sparbuch eingeklebt. Bei Erreichung des Rabatts von 10 werden dieselben bei der Geschäftsstelle in bar ausbezahlt. Dadurch, daß dem Verein Geschäftsleute der verschiedensten Branchen angehören, ist das Publikum in der Lage, seine sämtlichen Bedürfnisse in den Vereinsgeschäften zu decken, bekommt dadurch auf alle Gegenstände den gleichartigen Marken-Rabatt und spart sich dadurch in verhältnismäßig kurzer Zeit nennenswerte Geldbeträge.
Sulz bei Wildberg 25. März. Am Samstag abend V-9 Uhr brannten hier 6 Wohn. Häuser nieder. Der Schaden beträgt ca. 25000^. Brandstiftung wird vermutet.
Herrenberg 26. März. In Oeschelbronn ist gestern nach dem Mittagessen das Wohnhaus und die Scheuer des Schreiners Weypert nebst der meisten Fahrnis abgebrannt
Stuttgart 26. März. Der Ausstand der Möbeltransportarbeiter ist nach kurzer Dauer durch Zugeständnisse der Arbeitgeber beigelegt worden. Der mit dem Verband der Möbelspediteure abgeschlossene Tarifvertrag hat bis 1. Januar 1909 Gültigkeit. Fest angestellte Packer erhalten einen Wochenlohn von 25 nicht fest angestellte Packer einen Taglohn von 6 im Beruf erfahrene Träger einen Taglohn von 5 ^ 50 iZ. Die Arbeitszeit beträgt 10'/ü Stunden.
Stuttgart 26. März. (Strafkammer.) Der auf einem deutschen Paffagierdampfer angestellt gewesene Oberkellner, Wilhelm Klumpp von Ludwigsburg, entwendete, während das Schiff im Hafen von Antwerpen lag, an Bord eine der Schiffahrtsgesellschaft gehörige Kassette mit 650 ^ Inhalt und ging damit flüchtig. Nachdem er das Geld verbraucht hatte, stellte er sich hier der Polizei. Das Urteil gegen ihn lautete auf 4 Monate Gefängnis, wovon 2 Monate für Untersuchungshaft abgehen.
Aalen 26. März. Gestern früh brach in einem Hause der Spitalstraße ein Zimmerbrand aus, welcher unter den gegebenen Umständen leicht hätte gefährlich werden können. Infolge von Ueberhttzung gerieten Kinderkleidungsstücke am Ofen in Brand und verbrannten vollständig, es waren 5 kleine Kinder im Zimmer, die Mutter war in der Küche.
Ulm 26. März. Ein Soldat des 12. Inf.- Regts., der schon 5 Jahre in der französischen Fremdenlegion gedient hat, und als unsicherer Heerespflichtiger eingezogen wurde und um vorzeitige Entlassung schon mehrmals vergebens nach- gesucht hatte, stürzte sich am Sonntag abend aus dem ersten Stock der Kaserne in den Hof. Er brach beide Arme und trug auch starke Verletzungen im Gesicht davon.
Ulm 25. März. Der zweitägige Pferde, markt hatte rund 500 Pferde, meist geringere Qualität als Zufuhr aufzuweisen. Bessere Ware war gesucht. Die Händler mit solcher setzten deshalb schon am ersten Tage ab. Die Preise hielten sich zwischen 80 ^ und 1450 Bei 460 Verkäufen wurde ein Gesamtumsatz von 300 000 ^ erzielt, so daß sich ein Durchschnitts- preis von 660 ^ ergibt.
Pforzheim 25. März. Der hiesige Rabatt.Sparverein suchte vor einiger Zeit durch Zirkulare die Mitglieder des Konsum, verein« zum Austritt zu bewegen. In der Zuschrift wurde u. a. auch behauptet, daß die Waren im Konsumverein teurer und minderwertiger seien, was zur Folge hatte, daß der Konsumverein den Rabattsparverein einklagte. Dieser Tage wurde nun das Urteil, nachdem verschiedene Sachverständige vernommen wurden, verkündet. wonach dem Rabattsparverein bei einer Strafe von 1000 ^ untertersägt wird, obige Behauptung zu wiederholen. Von den Kosten hat der Rabattverein ^/« und der Konsumverein V« zu zahlen.
Pforzheim 25. März. Das in Mitte hiesiger Stadt gelegene Anwesen des in Konkurs gekommenen Lebensmittelbedürfnis, und Produktivvereins (eine soz.-dem. Gründung) wurde bei dem letzten Termin um 191375 ^ von Bankdirektor Kayser, der ein Hauptgläubiger ist, erworben. Trotzdem muß noch jedes Mitglied 15 ^ zur Konkursmasse zahlen.
Straßburg 26. März. Der Baseler Schnellzug überfuhr in der Nähe von Räders- heim bei offener Barriere das Fuhrwerk des Wirtes Meyer aus Enstsheim. Meyer und sein Sohn wurden getötet, zwei Bahnbedienstete schwer verletzt.
Berlin 26. März. Der Verein Berliner Kausleute und Industrieller und der Zentral
ausschuß Berliner kaufmännischer, gewerblicher und industrieller Vereine nahm übereinstimmend zu dem Plane einer Berliner Weltausstellung eine Resolution an, in welcher der Gedanke einer solchen Ausstellung auf das lebhafteste begrüßt und der Entschluß ausgesprochen wird, diesen Plan mit allen Mitteln zu fördern. Zunächst soll durch eine Enquete die Stimmung der Regierung sowie der übrigen gesetzgebenden und wirtschaftlichen Körperschaften festgestellt werden.
— Im Alter von 70 Jahren starb gestern in Wiesbaden der berühmte Chirurg Ernst von Bergmann. Er hatte sich noch einer zweiten Darmoperation unterzogen, die aber ergebnislos war, weil das Darmleiden sehr bösartig auftrat. Bergmann litt schon fünf Jahre an demselben und stellte selbst in den letzten Jahren die Diagnose auf Krebs. — Bergmann war am 16. Dezember 1836 in Riga geboren und studierte von 1854 bis 1860 in Dorpat, wo er 1860 promovierte. In Dorpat übernahm er eine Assistentenstelle und habilitierte sich 1864 als Privatdozent für Chirurgie. 1866 ging er mit Prof. Wagner-Königsberg als dessen Assistent mit auf die böhmischen Schlachtfelder. Im Jahre 1870 war er in Amsterdam tätig. Beim Ausbruch des deutsch-französischen Krieges eilte er nach Berlin, war in Mannheim und Karlsruhe in den Spitälern und auf dem Schlachtfelde tätig. Später machte er mit den Russen den russisch-türkischen Krieg mit. Im Jahre 1878 kam er nach Würzburg, seit 1882 war er in Berlin. Neben seiner Wirksamkeit als Operateur und Lehrer an der Universität ent- wickelte Bergmann eine bedeutende literarische Tätigkeit.
Thun 25. März. Heute Vormittag wurde vor dem hiesigen Schwurgericht der Prozeß gegen die russische Studentin Tatjana Leontiew eröffnet, die angeklagt ist, am 1. September im Speisesaal des Hotels „Jungfrau" den Rentier Charles Müller in Paris ermordet zu haben. Das Gericht lehnt den Antrag des Verteidigers vr. Brunestlein ab, das Publikum bedingungslos zu den Verhandlungen zuzulassen. Der Eintritt wird wegen des engen Raumes nur einer beschränkten Anzahl von Personen gegen Vorzeigung von Ausweiskarten gestattet. Die Mutter der Angeklagten wohnt den Verhandlungen in Trauer gekleidet bei. Infolge der Aussagen der Angeklagten über die erlittene Beschimpfung und Mißhandlung durch den Untersuchungsrichter verfügte der Präsident des Gerichts, daß der Untersuchungsrichter und die an der Sache beteiligten Personen morgen vernommen werden sollen.
Thun 26. März. Der heutigen zweiten Verhandlung in dem Mordprozeß gegen Tatania Leontiew wohnte auch der Vater der Angeklagten, Staatsrat A. Leontiew, im Zuschauerraum bei.
bitter genug werden, mach nurso weiter und ich kann Dir sagen, wohin Dich Deine durchtriebenen Streiche noch bringen werden."
„Der Dorfrichter ist ein Herz und eine Seele mit den dummen fremden Malern, sie find alle querköpfig und lassen sich von ihm über den Löffel barbieren," begann Mutter Quaper, eine andere gewichtige Persönlichkeit die Verhandlungen; „zum Beispiel hier, der arme, liebe, kleine Monsieur Staunton," dabei hielt sie ein Hemd zu allgemeiner Besichtigung in die Höhe, als sei es das ausedvählte Schlachtopfer selbst, „er ist reich wie ein Fürst, gab erst gestern meinem Kadoc zehn Sous. Ja, was ich sagen wollte, dem haben meine Nachbarsleute neulich ein paar alte Segel für sein Studio aufgeschwatzt — der Himmel mag wissen, wozu er sie haben will, er kann doch unmöglich mit seinem Atelier auf der Bucht herumsegeln —"
„Zu Vorhängen und dergleichen," belehrte Jeanne Ronan.
„Meinetwegen — sie ließen sich zweimal so hoch bezahlen, als für die schönsten neuen. Nein, wie ich gelacht habe! wenn's nicht alte Freunde von mir gewesen wären, hätte ich ihm wohl einen Wink geben mögen. Er ist ekr so hübscher, braver Junge, es oller xstit Staunton." Und klatsch I tauchte Mr. Staunton» Hemd ins Wasser hinab.
„Ach, was wisset denn ihr von den Herren Malern," ließ sich jetzt die kleine Jeanne in wegwerfendem Tone vernehmen. Sie war ein gesuchtes Modell und wußte, wovon sie sprach. „Er hat sich gewiß nicht betrügen lassen, denn je älter und wüster die Segel aussehen, um so besser gefallen sie ihm. Er zahlt mehr dafür als für neue. Da, seht mein Halstuch, ach es war eine wahre Pracht, wie es neu war, weißt du noch Guenn? Die Punkte waren hellblau, die Streifen schön rot, von gelben und grünen durchkreuzt, aber glaubt ihr wohl, Mr. Staunton habe es auch nur an- gesehen? ich muß allemal mein ganz altes antun, wenn ich ihm fitze. Die kleine Helene hat ein ausgewaschenes gelbwollenes Kinderdeckchen, in das waren alle Maler verliebt und nannten es den Glorienschein; sie sehen eben alles mit ganz anderen Augen an als wir übrigen."
„Weil sie Narren sind," war Muttter Quapers Schlußbemerkung.
„Ich kann nur so viel sagen," ließ sich eine plumpe, bäurisch aus- sehende Dirne vernehmen, „daß es für kein Mädchen gut ist, wenn ihr die Maler den Kopf verdrehen. Seht nur Nona Hsvin an, seitdem sie Modell steht, kommt kein vernünftiges Wort aus ihrem Munde. Denkt an Dvonne, wie's der erging, das war doch auch nur die Schuld eines Malers. Und Nona, die jetzt so vornehm tut, wer weiß, was aus der werden wird!"
Jeanne warf unwillig den Kopf zurück, aber Guenn sprang heftig auf und begann mit zornsprühender Miene: „Warum hast du das nicht alles gesagt als Nona noch hier war? Well du es nicht gewagt hättest. Was weißt denn du von Malern und Modellen? höchstens soviel, daß keiner jemals dein wüstes Froschgesicht malen will, und deshalb sagst du allen hübschen Mädchen Böses nach. Nona ist ein so gutes Ding, wie man nur eins in Plouvenec finden kann, und Jeanne ist die beste von uns allen. Sprich nicht mehr von Modellen, du verstehst doch nicht» davon!"
„Die heilige Jungfrau verhüte, daß ich je eins werde," beharrte Marie mit frommem Augenaufschlag, „meine Großmutter sagt, daß die Modelle in Paris keine Kleider tragen — so da hast du's, Guenn Rodellec!"
Ausrufe des maßlosesten Schreckens und Erstaunens folgten dieser Behauptung; auch Guenn teilte das allgemeine Entsetzen, hütete sich aber wohlweislich merken zu lassen, daß Marie Brenn in irgend etwas besser unterrichtet sei, als sie selbst.
„Das weißt ja jedes Kind!" sagte sie hochmütig, ihre Gegnerin mit den Blicken messend, „Du und Deine Großmutter, ihr werdet am Ende gar noch eine A beschule für uns errichten? Du aber bist ein viel schlechteres Geschöpf, denn du sagst den Leuten hinter ihrem Rücken alles mögliche Böse nach und schämst dich nicht einmal, einem toten Mädchen noch im Grabe nachzulästern. Es war schon schlimm genug für die unglückliche Dvonne, sich zu ertränken; nun sitzt obendrein ihre arme Seele jede Nacht auf der Woge, die an die Kippen schlägt!"
(Fortsetzung folgt.)