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Der Andrang zur Verhandlung war heute noch stärker als gestern. Die Geschworenen werden drei Hauptfragen zur Beantwortung vorgelegt erhalten, und zwar auf Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung. Zu allen diesen Hauptfragen hat der Verteidiger Unterfragen gestellt, die auf ver- minderte Zurechnungsfähigkeit und mildernde Um- stände lauten. Heute war der auf Antrag der Staatsanwaltschaft telegraphisch geladene Untersuchungsrichter Lauener erschienen, über dessen Behandlung sich Tatania Leontiew gestern beschwert hatte. Lauener hatte mehrere Landjäger und Gefängniswärter mitgebracht, um sich gegen die Vorwürfe der Angeklagten zu verteidigen.
— Die „Neue Zürcher Ztg." schreibt: „Die Franzosen haben nun einen Anlaß bekommen, um in Marokko einzuschreiten. Ende des letzten Jahres mußte das französische Geschwader von Tanger abziehen, weil das Land ruhig blieb. Nun aber ist in Marrakesch der französische Arzt Dr. Mauchamp ermordet worden. Daraufhin beginnt
Frankreich seine Vorbereitungen.Vor
einigen Jahren wurde Dr. Genthe, der Korrespondent der „Kölner Ztg.", der in Fez einen Spazierritt machte, ermordet. Der Fall war der gleiche wie beim Falle Mauchamps. Deutschland bauschte den Fall indessen nicht zu einer himmelschreienden Tat auf, sandte keine Kriegsschiffe nach Marokko, verlangte aber von der scherifischen Regierung nachdrücklich Genugtuung und erhielt sie auch und die Familie des ermordeten Dr. Genthe eine bedeutende Entschädigung. Der Wachsen wird hiezu für den jetzigen Fall sicherlich auch bereit sein. Dazu bedurfte es des Aufgebots von Streitkräften nicht. Allein es scheint, als ob Frankreich sich damit nicht begnügen, sondern sich die willkommene Gelegenheit nicht entgehen lassen wolle, um seine Obmacht in Marokko zur Geltung zu bringen und womöglich den deutschen Einfluß ganz zu verdrängen. Die englische Presse unterläßt nicht, zu entschiedenem Vorgehen anzuspornen."
Wien 26. März. Aus Madrid wird gemeldet, daß König Alfons schwer leidend sei. Man spricht offen davon, daß der König lungenleidend sei und man beschäftigt sich bereits mit der Eventualität einer Regentschaft. Beim Empfange des Königs von Sachsen sei das schlechte Aussehen des Königs allgemein ausgefallen. Der König soll in der letzten Zeit mehrere Krisen durchgemacht haben und Blut speien.
Bukarest 26. März. Die Nachrichten aus der Walachei lauten noch schrecklicher als die von der Moldau. Namentlich im Bezirk Teleorman wüten die Bauern nicht mehr mit Plünderungen sondern mit Brand und Mord. Die Erhebung richtet sich hauptsächlich gegen die Bojaren. Viele von ihnen werden ermordet. Auch die Stadt Alexandria wurde von den Bauern in
Brand gesteckt. In der Stadt selbst wüten die Rebellen in schrecklicher Weise. Ueberall zünden sie Gutshöfe an und werfen die Pächter in die Flammen. Die Anführer der Banden sind zum größten Teil Reservisten. In Tausenden von Exemplaren werden Flugblätter verbreitet, die zur Fortsetzung der Exceße auffordern. Als Verfasser dieser Flugblätter wurde der Staatsanwalt von Jassy ermittelt. Gestern versuchten die Bauern Galatz zu stürmen, den Hafen und die Regierungsgebäude zu besetzen. Das Militär gab Feuer und tötete 25 Bauern.
Warschau 26. März. 8 Personen überfielen die Kasse der jüdischen Gemeindeverwaltung und schleuderten später, eine Bombe, durch die der Kassierer und eine andere Person getötet und mehrere Personen verwundet wurden, darunter auch der Bombenwerfer, dessen Verhaftung dann bald bewerkstelligt werden konnte.
Die Mrüstungssrage.
Die Leiden und Schrecken des Krieges sind so groß, daß sie immer von neuem den Gedanken austauchen lassen, ob es nicht möglich sei, sie mit einem Male durch die Beseitigung der Kriege und der Verkündung des ewigen Friedens aus der Welt zu schaffen. Nachdem sich jedoch die Friedensfreunde von der Unmöglichkeit überzeugt haben, diesen Traum zu verwirklichen, streben sie wenigstens nach einer teilweisen Abrüstung, um dadurch Mittel für andere Aufgaben zu sparen und außerdem die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zu verringern. Es ist nicht mehr als recht und billig, daß man die Bemühungen dieser friedens- begeisterten Männer vorurteilslos anerkennt, auch wenn man das Ziel, das sie sich gesteckt haben, für unerreichbar hält.
Bemerkenswert ist, daß sich die meisten der Friedensfreunde in Amerika und England befinden, in abgeschlossen liegenden Ländern, die seit Menschengedenken keinen Feind im Lande gesehen haben und einer derartigen Gefahr auch nur in geringem Maße ausgesetzt sind — viel weniger jedenfalls, als die dicht beeinander wohnenden, vielfach nur durch auf dem Papier gezogene Grenzen von einander getrennten Völker Europas. Unter diesen gibt es nicht eines, in dessen Erinnerung nicht die Schrecken eines Krieges im eigenen Lande lebten- Vor allen ist es Deutschland, das vor 100 Jahren völlig vom Feinde besetzt war, und dessen Fluren im 17. Jahrhundert 30 Jahre hindurch für ganz Europa der Tummel- platz des Krieges gewesen ist. Aber auch Frank, reich hat es wiederholt kennen gelernt, was es heißt, den Feind im Lande zu haben. Kein Wunder, daß diese alten Völker Europas er vorziehen, sich auf einen kräftigen Waffenschutz, als auf papierne Verträge zu verlassen. Sie wissen eben besser als die Engländer und die Amerikaner,
was für sie auf dem Spiele steht, wenn der Feind die Grenze überschreitet.
Außerdem stößt die Verwirklichung des Gedankens einer teilweisen Abrüstung auch aus anderen Gründen auf fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Es ist völlig unmöglich, ein Maß zu finven, nach welchem die Abrüstung zu bemessen wäre. Bündnisse verstärken die Macht des einen Landes und setzen die der chm gegenüberstehenden Länder herab. Ebenso spielt die Verteilung der Streitkräfte eine große Rolle. So kann beispielsweise der Umstand, daß England einen Teil seiner Mittelmeerflotte in die Heimat zurückbeorderi und mit ihr die mit der Front nach der Nordsee aufgestellte Heimatflotte verstärkt hat, doch unmöglich für uns ein Grund sein, unsere Flotte zu verringern, nur weil England bei dieser Gelegen- heit seine veralteten Schiffe ausgeschieden hat.
Bekanntlich hat England einen direkten Abrüstungsvorfchlag ausgearbeitet, der voraussichtlich die nächste Haager Konferenz beschäftigen wird. Unter diesen Umständen ist es bemerkens- wert, daß gerade in dem mit England eng befreundeten Frankreich sich die schärfsten Stimmen gegen einen derartigen Vorschlag erheben. So hat sich der Pariser „Temps" entschieden gegen einen derartigen Gedanken ausgesprochen. In einem vielbeachteten Artikel führt das Blatt aus, daß der englische Vorschlag, nicht nur zwecklos, weil unausführbar, sondern geradezu schädlich sei. Der Ruf Campbell Bannermans, des englischen Ministerpräsidenten, zur Eintracht würde nur die internationale Zwietracht verstärken. Nach der Erörterung würden die internationalen Beziehungen schlechter sein als vorher. Die Absichten der englischen Regierung gehörten zu denen, die den Weg zur internationalen Hölle, zum Krieg pflastern.
Diese Ausführungen sind um so bemerkenswerter, als der Artikel gleichzeitig darauf hinweist, daß Frankreich nicht gesonnen sei, sich durch einen Abrüstungsvorschlag die Hände zu binden. Es läßt sich ermessen, welche schwerwiegenden Gründe gegen den Gedanken einer Abrüstung sprechen, wenn in einem Blatte, dem man stets Beziehungen zur französischen Regierung nachge- sagt hat, derart mit dem Lieblingsplan zahlreicher englischen Staatsmänner verfahren wird.
«-Nam-teil.
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Amtliche und Privatanzeigen.
Die erledigte Straßenwärterstelke
an der Staatsstraße Nr. 107, Stuttgart—Leonberg—Calw, von km 31,694 bis km 35,283, in den Markungen Simmozheim und Althengstett Oberamts Calw, mit dem Wohnsitz des Wärters in Simmozheim ist wieder zu besetzen.
Mt der Stelle sind folgende Bezüge verbunden: Anfangsgehalt von 600 steigend je nach 3 Dienstjahren um 30 bis zum Höchstbettag von 750 Wohnungsgeld von 100 Geschirrgeld von 20 und Hutgeld von 3
Bewerber haben ihre selbstverfaßten und selbstgeschriebenen Meldungen mit einer kurzen Beschreibung des Lebenslaufs und der bisherigen Beschäftigung unter Beischluß
1) eines obrigkeitlichen Zeugnisses über Familien-, Vermögens- und Erwerbsverhältnisse und den Leumund,
2) eines Vorstrafenzeugnisses, ausgestellt von dem Ortsvorsteher des Geburtsorts und, falls der Geburtsort nicht zugleich der Wohnort ist, auch von dem Ortsvorsteher des letzteren,
3) des Zeugnisses eines öffentlich angestellten ArztS (Oberamtsarzts, Oberamtswundarzts, DistriktsarztS, Ortsarzts u. s. w.) aus neuester Zeit über die körperliche Tauglichkeit für den Dienst,
4) der Militärpapiere einschließlich des Führungszeugnisses,
5) der Arbetts- und sonstigen Zeugnisse
binnen 14 Tage«
bei der Unterzeichneten Behörde einzureichen, auch sich auf Verlangen bei dem Juspektionsvorstand persönlich vorzustellen.
Calw, den 25. März 1907.
«. Stratzenbauinspettion.
Burger.
GesLhSttshausvLfkaui.
Herr Gottlob Haydt, Bäckermeister hier, bringt am Dienstag, de» 2. April 1907, vormittags 11 Uhr, auf dem hiesigen Rathaus sein Doppelwohnhaus Nr. 458 und 459 in der Bischoffsttaße im letzten Termin zum Verkauf.
In dem Anwesen wird seit langer Zeit eine gutgehende Bäckerei vnd Wirtschaft betrieben, dasselbe eignet sich aber infolge seiner günstigen Geschäftslage auch zu jedem anderen Geschäftsbetrieb.
Kaufsliebhaber werden eingeladen.
Den 19. MäiH 1907.
Ratsschreiber Dreher.
Aichhalden—Oberweiler.
In der Nachlaßsache des verstorbenen Friedrich Traub,
Bauers in Oberweiler, kommt dessen Anwesen, bestehend in:
Gebäude Nr. 12b 6 s 80 qm Wohnhaus, Streu- und Wagen- fchopf, Backofen und Schweinestall.
„ „ 12c Streuschopf mit Keller.
„ „ 1/104 Teilanteil an der Aichelberger Sägmühle.
7 ks 96 s 81 qm Acker und Dungwiese.
1 „ 42 , 38 „ Wässerungswiese im Köllbachtal.
10 „ 11 „ 75 „ Nadelwald mit Waide.
am Donnerstag, de» 4. April d. I., nachmittags 1 Uhr,
auf dem Rathaus in Aichhalden zum öffentlichen Verkauf, wozu Liebhaber eingeladen sind, mit dem Anfügen, daß jeder Bieter einen tüchtigen Bürgen und Selbstschuldner zu stellen und unbekannte Bieter und Bürgen sich durch obrigkeitliche Zeugnisse neuesten Datums über ihre Zahlungsfähigkeit auszu- weisen haben.
Latsschreiber Sroßmann.