Donnerstag, de» N. 3uli 1936
Der Enztäler
93. Jahrgang Nr. 189
Eltern, euer Sunge will mit!
Jeder echte Pimpf geht aufs Sommer- lager, aber nicht mit einzelnen wenigen Auserlesenen, nicht mit einer bestimmten Clique wie früher in den verschiedenen Bünden, sondern mit seiner Jungenschast. Die Fahrt, das Lager ist heute nicht mehr das Vorrecht der Bünde, sondern ist zum Allgemeingut der deutschen Jugend geworden. Da erst erlebt der Junge den Nationalsozialismus, dort erst zeigt sich die wahre Kameradschaft. Hier bietet sich die beste Erziehungsmöglichkeit: der Schwächliche wird gestärkt werden, der Verwöhnte
wird selbständig, der Tickkopf muß folgen, der Willensschwäche lernt das harte ..Muß" und Pflichterfüllung kennen, weil sie ganz aufeinander angewiesen sind, wenn auch nur einige Tage. Ta ißt der Sohn des Wohlhabenden aus demselben Pott wie der eines Arbeitslosen und sie schlafen nebeneinander im gleichen Zelt oder im Stroh oder in der Juhe und beide müssen die gleiche Arbeit verrichten. Jeder Junge wird hier zu dem Bewußtsein kommen, daß er vor allem der Sohn eines Volkes ist und daß er eine Aufgabe hat.
Noch lange wird der Junge seinen Eltern von jenem Erlebnis erzählen: noch lange träumt er von den Worten, die sein Führer am brennenden Holzstoß über unsere Ahnen gesagt hat. und hat den Wunsch, möglichst bald wieder mit seinen Kameraden zusammen zu sein.
Ihr aber, liebe Eltern, dürft eure Jungen dieser Schule nicht vvrenthalten und uns dadurch unsere große Ausgabe erschweren. Wir wollen doch Hand in Hand arbeiten daß aus jedem später einnial ein rechter Kerl wird. Deshalb- Ellern, laßt euren Jungen m i tl
Ter Neichsleiter der T A F. hat nach Rücksprache mit dem Pg. Gauleiter Fvr- ster den Pg. Haid seines Postens als stellv. Leiter des Amtes für Berusserziehung enthoben. Zum Nachfolger in diesem Amt, das gleichzeitig im „Amt für Arbeitssührung und Berusserziehung in der DAF." umbenannt wird, wurde der Pg. Tr. Arnhold ernannt.
Die Geltun gsdauer des Abkommens über den deutsch-sranzö- fischen Warenverkehr und des Ab- kommens über die Zahlungen aus dem Warenverkehr ist zur Erleichterung der schwebenden Verhandlungen auf den 31. Juli 1935 hinausgeschoben worden.
EritteauSsichleil bedeutend gebessert
In 5 Tagen von Friedrichshofen nach Buenos Aires
Die Junitvttlerung hat das Wachstum stark gefördert
Das im ganzen warme und sonnige Wet- ter des Monats Juni ist dem Wachstum der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen sehr zustatten gekommen. Die infolge des überwiegend kühlen Wetters im Monat April und infolge der langdauernden Kälte im Monat Mai in der Entwicklung zurückgebliebenen Pflanzen haben unter seiner Ein- Wirkung sehr kräftig aufgeholt. Für alle im Vormonat beurteilten Pflanzen lautet das Gutachten zu Anfang Juli günstiger, nur dreimal (bei Sommerweizen, Erbsen aller Art und Wicken) lautet es gleich und nur beim Obst ist es ungünstiger. Auch gegen- über dem Stand zu Anfang Juli des vorigen Jahres ist das Urteil in der Hauptsache günstiger, gleich ist es nur bei den Futter- rüben und bei den Birnen, ungünstiger nur beim Wein und bei den Zuckerrüben.
Das Getreide steht sehr befriedigend; die Ernteaussichten sowohl beim Winter- wie beim Sommergetreide haben sich im ganzen bedeutend gebessert wenn auch teilweise über Lagerung auf den schwereren Böden. Verunkrautung. Ausfall bei spät gesätem Sommergetreide oder über im ganzen nicht sehr wesentliche Schäden durch tierische oder Pflanzliche Schädlinge und Krankheiten geklagt wird. Auch dieHackfrüchte stehen jetzt besser; die Hackarbeiten scheinen nicht überall gleich fortgeschritten zu sein. In feuchten Aeckern wird die Entwicklung der Kartoffeln bemängelt. Bei den Rü- benseldern ist der dem Landwirt so erwünschte „geschlossene Bestand" noch nicht überall erreicht, außerdem richtet Ungeziefer hier immer noch Schaden an. Die Heu- ernte ist noch nicht allgemein beendet, da sie durch das Negenwetter Mitte Juni be- cinträchtigt worden ist. Wenn auch in man- chen Gegenden infolge der Trockenheit im vorigen Sommer die guten Gräser aus- geblieben sind und wenn auch durch den Regen Mitte Juni das auf den Wiesen lie- gende Heu verregnet, anderes überständig wurde, so ist doch im ganzen der Ertrag nach Menge und Güte befriedigend. Auch setzt der zweite Schnitt gut an. Rotklee zwar steht nach wie vor lückenhaft und dünn. Raps und Flachs stellen fast ausnahmslos gut. Hopsen hat sich zumeist üppig entwickelt. Peronospora findet man jedoch fast überall, vereinzelt sind auch Blattläuse vorhanden.
Die Ob staussichten werden nicht einheitlich beurteilt. Sie sind nach Lage und Sorte sehr verschieden. Teilweise wird der Ansatz als recht gut bezeichnet, andernorts dagegen als nicht so reichlich, wie nach der Blüte zu erwarten gewesen wäre. Besonders den Apfelbäumen setzen die Schädlinge zu. Die Herbstaussichten im Weinbau können mittel bis gut genannt werden. Der Verlauf der Blüte hat befriedigt.
Schaden durch tierische oder pflanzlich« Schädlinge ist außer den bereits bei der Rüben und bei den Aepfeln genannten keir wesentlicher gemeldet worden.
Voraussichtlicher Ernleerlrag
Auf Grund der zu Anfang Juli Vorgenom menen Sckätzuna des vermutlichen Ernte
ertrags an Getreide und an Raps stellen sich die heurigen voraussichtlichen Erträge, verglichen mit den Erträgen vom Vorjahre, wie folgt (bei Dinkel verstehen sich die Ertragsangaben sowohl auf Dinkel, reine Frucht, als auch aus Dinkel in Beimischung mit Roggen oder Weizen):
1. Landesdurchschnitt von 1 da in Doppelzentnern:
1984
Anfang Juli
kir
«Ir
Winterroagcn
15,6
17H
Sommerroggen
11,5
15,3
Winterwelzen
19.6
26,3
Sommerweizen
17,6
I9D
Dinkel (Kernen)
13,6
17,9
Wintergerste
15,6
17,6
Sommergerste
17,4
18.S
Hafer
14.9
16.6
Raps
13,1
14.0
2. Die Gesamterträge in Tonnen:
(Winter- und Sommergetreide zusammengenommen.)
Noygcu
Weizen
Dinkel
Gerste
Hafer
Raps
1934
Anfang Juli
88 223
56 686
193 426
283 114
86 486
89 772
175 161
177 861
130 681
139 242
820
1952
Die nach dem Stand zu Anfang Juli 1935 geschätzten Ernteerträge von Getreide und Raps sind demnach je Hektar und insgesamt durchweg höher als die Erträge des vorigen J.a hres.
Baut mehr Rays!
Der Landesbauernführer Arnold erläßt in Anbetracht der in nächster Zeit erfol- genden Bestellung der Rapsfelder nachstehenden Aufruf an die Bauern und Landwirte:
Zur Versorgung des deutschen Volkes mit Fett ist ein vermehrter Anbau von Oelfrüch- ten notwendig. Der Raps ist eine unserer wichtigsten Oelfrüchte, dessen Anbau durch die bekannten Maßnahmen der Reichsregie, rung wieder lohnend geworden ist. Die Anbaufläche hat in den letzten Jahren erfreulicherweise schon bedeutend zugenommen, doch ist sie noch keineswegs ausreichend. In jedem landwirtschaftlichen Betrieb, in dem die Voraussetzungen gegeben sind, ist es Aufgabe, auch den Rapsbau in den Beste!- lungsplan mit aufzunehmen. Raps läßt sich bekanntlich in die Fruchtfolge günstig einreihen. Er ist eine vorzügliche Vorfrucht für Getreide, besonders für Wintergetreide. Die Bodenfruchtbarkeit wird verbessert, die Arbeitsverteilung begünstigt, der Betrieb erhält frühzeitig Einnahmen aus neuer Ernte. Auf Jahre hinaus ist der Absatz zu lohnendem Preise gesichert. Für den Anbau hat die Landesbauernschaft, Hauptabteilung II, eine Anleitung herausgegeben, die bei den Ortsbauernführern erhältlich ist.
Die Jahresklasse 1913, die im April 1934 eingezogen und drei Monate über die vorgesehene Frist hinaus unter den Fah- nen behalten worden war, ist am Samstag in Frankreich zur Entlassung gekommen.
Wie die Deutsche Zeppelin- Reederei mitteilt, werden am 15. Juli 1935 die Abfahrten des Luftschiffes „Graf Zeppelin" im Südamerikadienst je- weils am Montagabend stattfinden. Die in 14tägigem Abstand erfolgenden Abfahrten von Friedrichshafen nach Rio de Janeiro sind auf folgende Tage sestgelegt: Friedrichs. Hafen ab Montag abend 15. und 29. Juli, 12. und 26. August, 9. und 23. September, 7. Oktober. Lurch diese Fahrplanänderung können die Reisenden, die nunmehr am Montagabend Friedrichshafen mit dem Luft- schiff der Deutschen Zeppelin-Reederei ver- lassen, bis Rio de Janeiro durchfahren, wo sie jeweils am Samstagmorgen emtresfen. Flugzeuge der Shndicato Condor Ltda. vom Muster „Ju 52" bringen die Reisenden bereits am Sonntagnachmittag nach Monte Video und Buenos Aires. Die Startzeiten in umgekehrter Richtung sind gleichfalls ver- legt worden. Der Start der Zubringerflugzeuge findet von Buenos Aires am Donnerstag erstmalig 18. Juli statt. Die Abfahrt des Luftschiffes von Rio de Janeiro ist jeweils auf Samstag morgen sestgelegt und die Ankunft in Friedrichshasen ersolgt dann am Donnerstagnachmittag, von wo aus Sonderflugzeuge der Deutschen Lufthansa den Anschluß über Stuttgart an das europäische Luftverkehrsnetz Herstellen.
Durch die Zusammenarbeit zwischen Luftschiff der Zeppelin-Reederei und Flugzeugen der Deutschen Lufthansa bzw. Shndicato Condor ist die Reisezeit zwischen Europa und Amerika wiederum verkürzt worden und zwar derart, daß die Pastagiere des Lust- schiffes fast mit der gleichen Geschwindigkeit reisen, wie ein durch den deutschen Luftpostdienst von und nach Südamerika beförderter Brief.
SlutlgMer Großmarkt für GetrsSöe und Futtermittel
Das Angebot von Mahlweizen, Gerste und Hafer ist gering. Das Mehlgeschäst liegt ruhig; Nachprodukte haben stetigen Absatz. Es notierten je 100 Kilogr.: württ. Weizen, 71—73 Kg. W 12 Erzeugerfcstpreis 20.90, W 15 21.20, Roggen, 71—73 Kg., N 15 17.40, Braugerste mittel Großhandelspreis nom.
19.50— 20.—, Braugerste beste 20.50—21.—, Ausstichware über Notiz; Futtergerste, 59—60 Kg., G 7 16.40, G 8 16.70, Hafer, 48—49 Kg. H 11 16.40, H 14 16.90. für Weißhafer 70 Pfg. mehr, Wiesenheu neu 5.75—6.25, Klee- Heu neu 6.25—6.75, drahtgepr. Stroh, alt
4.50— 4.80; Mehlnotierung im Gebiet des Getreidewirtschaftsverbands Württemberg: Preise für 100 Kg., zuzügl. —.50 RM. Frack,- tenausgleich frei Empfangsstation. Weizen- mehl mit einer Beimischung von 25—30 Pro- zent Kernen Aufschlag 1 RM. per 100 Kg. Reines Kernenmeh! 3 RM. Aufschlag. Wei- zenmehl Basis-Type 790 Jnland-Juli-Preis W 12 27.70, W 15 28.05, Roggenmehl. Basis- Type 997 24.20; Mühkennacherzeugniffe: Weizen-Nachmehl 17.50. Weizen-Futtermehl 13.25. Weizenkleie W 12 10.45, W 15 10.60. Weizenvollkleie W 12 10.95, W 15 11.10. Roggenkleie 10.44 RM. Für alle Geschäfte sind die Bedingungen des Reicksmelllschluß- schein? maßgebend.
Die alte Schuld
Zer Roman einer Mutterliebe
von Lelene Norbert
vrbederrecvirsesuy ourw Verlagsanstalt M a n z, Stegensbnrg. 50. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.)
„Ich heiße Marlene Krön. ' ">T
„Krön?"
Die Erinnerung zeichnete Hansjörg eine Gestalt in bunter Offiziersuniform, ein dunkelgebräuntes, scharfgeschnittenes Gesicht-das war doch sein alter, leider so früh ver
storbener Freund!
„Mama, — welche Fügung!"
Mit weitaufgerissenen Augen starrte Frau Irene auf Marlene. Eine furchtbare Angst drückte ihr Herz mit eiserner Faust zusammen.
„Wir, — wir kannten einen Major Krön in L. Ist dieser mit dir verwandt?"
„Major Heinz Krön ist mein Papa gewesen, Mütterchen."
Vor den Augen der unglücklichen Frau wurde es schwarz. Heiser stieß sie hervor:
„Die Ehe war doch kinderlos!"
„Ich kam nach dem Tode Papas zur Welt. Doch was ist dir? — Hansjörg, um Gotteswillen!"
Frau Stahl sank nach hinten. Eine schwere Ohnmacht umfing sie.
Auch Professor Altmann schrie in höchster Angst den Namen des Freundes.
„Ruhe, — um Gotteswillen Ruhe!"
Hansjörg hielt das Ohr an das Herz seiner Mutter gepreßt. Seine Rechte umspannte ihren versagenden Puls.
Lange, bange Sekunden!
„Zurückfchnallen!" befahl er endlich. Behutsam legte er mit Michl die zurücklegbare Lehne des Stuhles um.
„Tragen wir sie hinein?"
„Nein, laß, — die frische Lust!"--
Er konnte nicht weitersprechen. Die Sorge preßte ihm die Kehle zusammen. Mit ein paar Schritten war er im Schlafzimmer der Kranken. Dort bereitete er eine Kampser- einspritzung vor.
Marlene weinte lautlos vor sich hin. Für eine Sekunde preßte sie ihr tränenüberströmtes Eesichtchen an die Wange des Geliebten. Er fuhr ihr beruhigend über die Haare.
Lange währte es, ehe die Lahme die Augen ausschlug. Hansjörg beugte sich über sie.
„Mama!"
Der abwesende Blick bekam Leben. Frau Irene kam dar Erinnern. Sie blieb noch eine Weile bewegungslos liegen. — Sie war müde, so müde — und wäre gerne, ach so gerne für immer eingeschlafen. Was wußten sie alle?
Ihr Auge sah ein Glück versinken, sterben, — das Glück ihres Kindes. —
Gewaltsam versuchte sie sich aufzurichten. —
„Liegen bleiben!" kommandierte Professor Altmann.
„Verzeiht!"
Mit einer kleinen Gebärde hob sie die schwer gewordene Hand. .
Der so schön begonnene Abend fand ein trauriges Ende. Frau Irene wurde in das Bett gebracht. Jeder gab ihr ein liebes Wort — aber das Licht in ihren Augen blieb erloschen. —
Hansjörg war die plötzliche, tiefe Melancholie seiner Mutter unerklärlich. Ihn täuschte daLalte liebe Lächeln um ihren schmerzvoll verzogenen Mund, der wie um Verzeihung bittende Ton in ihrer Stimme aber nicht. Auf ihn machte die Mutter den Eindruck, als wäre etwas in ihrer Seele entzweigebrochen.
Auch Michl beobachtete das gleiche. Sie sprachen sich darüber aus und fanden doch keine Erklärung dafür. —
« « «
Die Sonnenstrahlen sprangen funkelnd von einem Gegen- stand des luxuriös eingerichteten Zimmers zum andern und verfingen sich spielend in den vielen, aschblonden Löckchen Marlenes.
Sie las aus dem Buche vor. das Frau Irene vor einwen Tagen begonnen hatte.
Ihre weiche, melodische Stimme füllte den Raum.
Frau von Gregori häkelte an einer Spitze und die Herren rauchten neben dem geöffneten Fenster eine Zigarette.
Frau Irene sann und sann. Eie wußte, daß sie sprechen mußte, und fand doch nicht das erlösende, das furchtbare Wort dafür. Ihr Zustand war qualvoll. Sie litt unbeschreiblich und verstand kein Wort von dem. was Marlene las.
Hansjörg beobachtete die stille Qual, die zu bannen "ei machtlos war. — Herr ihrer Seele war ein Unsichtbares, das sie ihrem Ende zusühren mußte, wenn sie nicht selbst di« Kraft fand, es zu besiegen. — Wieder stand er vor der Ece:-s seiner menschlichen Macht. —
Das Stubenmädchen klopste.
„Eine Dame wünscht die Damen Gregori zu sprechen "
Marlene legte das Buch zur Seite.
„Uns?"
Ungläubig sah sie aus die Tante.
Der Besuch war dem Mädchen auf dem Fuß gefolgt. Er stand unter der geöffneten Tür.
„Mama, liebe Mama!" schrie Marlene unsagbar überrascht auf. In ihrer Freude warf sie sich an das Herz der Frau, die lautlos hinter sich die Türe zuzog.
Dort blieb sie schweigend stehen. Das schwarze Kleid, das sie trug, machte sie noch schmaler und blasser.
Die Herren blickten befremdet auf sie.
Frau von Gregori lief, so schnell sie ihre Füße trugen, der Nichte entgegen.
„Wie lieb von dir, Leonie, daß du selbst kommst."
„Alles hat seinen Grund, Tante."
(Fortsetzung folgt.) ,