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Amts- und Änzeigeblatl für den Sezirk Calw.
82. Jahrgang.
Erscheinungstage: Dienstag. Donnerstag, Samstag, Sonntag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt und Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Donnerstag, de« 14. Februar 1907
AbonnementSpr. in d. Stadt pr. Biertelj. Mk. l.iütnel.Lrägerl. Vierteljährl. PostbezugSpretS ohne Vestellg. f. d. Orts- u. Nachbar» Ortsverkehr 1 Mt., f. d. sonst. Verkehr Mt. 1.1V, Bestellgeld 20 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
An die Schultheitzenämter.
Die K. Zentralstelle für die Landwirtschaft wünscht sich über den derzeitigen Stand der in Württemberg bestehenden Vereinigungen zur Verfolgung besonderer landwirtschaftlicher Zwecke zu unterricheen.
Die Schultheißenämter werden daher beauftragt binnen 8 Tagen ein genaues Verzeichnis der nachbezeichneten Vereine bezw. Genossenschaften, welche in ihrer Gemeinde ihren Sitz haben, unter Angabe der Mitgliederzahl als portopfl. D.-T. dem Oberamt vorzulegen, ev. ist Fehlanzeige zu erstatten.
In Betracht kommen:
1. Ortsviehversicherungsvereine:
a) Vereine mit der Mustersatzung der Zentralstelle (Geldwirtschaft), davon mit Schlachtviehversicherung,
b) Vereine mit Umlagebetrieb (Naturalwirtschaft),
2. Viehverstellanstalten (Viehleihkassen),
3. Landwirtschaftliche Ortsvereine,
4. Landwirtschaftliche Konsumvereine,
5. Molkereien:
s) Privatmolkereien,
b) Genossenschaftsmolkereien.
Bei den Molkereigenossenschaften ist anzugeben, ob sie eingetragene Genossenschaften mit unbeschränkter oder beschränkter Haftpflicht sind.
, Calw, 12. Februar 1907.
K. Oberamt.
Voelter.
Tagesnenigkeite«.
Nagold 11. Febr. Am gestrigen Sonntag gab Musik-Oberlehrer Schäffer mit dem Männer- und gemischten Chor des Seminars unter Mitwirkung der Sopranistin Frl. Brackenhammer aus Stuttgart in der gedrängt vollen Turnhalle ein wohlgelungenes Konzert. Fleißig geschulte Männerchöre boten den frischen, tröstlichen „Wald- chor" aus der Rose Pilgerfahrt und das rassige „Zigeunerleben", beide von Schumann, sowie den urkräftigen „Normannenzug" von Möhring. Das Streichorchester ließ Haydn's fröhliche Musik in dessen D-Dur-Sinfonie, die Seminarlehrer Schel- ling und Ros ein „Klavierquintett" von Schumann hören, und Frl. Brackenhammer wußte durch einige Soli, wie „Heideröslein" und . der „Neugierige" von Schubert u. a. zu stürmischem Bei- fall Hinzureißen. Ebenso kam in der „Loreley" von Mendelssohn mit den geheimnisvollen gemischten Geisterchören ihr herrlicher, schmelzender Sopran zu glücklichster Geltung. Das ganze war wieder ein schöner Erfolg unseres Meisters Schäffer.
Leonberg 11. Febr. Als der Brandstiftung beim letzten Brande in Merklingen verdächtig. dem 4 Doppelscheuern zum Opfer fielen, wurde der 25jährige Taglöhner Schnaufer von dort verhaftet. Ob er auch die früheren Brände auf dem Gewissen hat, wird die eingeleitete Unter- suchung ergeben.
Stuttgart 11. Febr. Wie der „Schw. Merk." hört, hat sich Obermedizinalrat Dr. von Burkhardt heute wegen eines chronischen Darm- leidens einer Operation unterzogen. Der Verlauf ist bisher ein befriedigender.
Stuttgart 12. Febr. Gestern Nachmittag ist in einem Hause in der Elisabethenstraße ein 6 Jahre alter Knabe, der vermutlich auf dem Treppengeländer abgerutscht ist, über das Letztere vom dritten Stockwerk ins Parterre gefallen, wo er tot aufgefunden wurde.
Stuttgart 12. Febr. Prinz Karneval ist wieder am Ende seiner luftigen Herrschaft angelangt. Noch einmal aber schwang er heute sein Szepter und das närrische Volk sammelte sich um ihn, allen voran die Stuttgarter Karneval-Gesellschaft „Möbelwagen", die ihrem erlauchten Prinzen Emil I. auch Heuer einen Huldigungszug durch die Straßen der Residenz bereitete, für den unzählig viel Volks Spalier bildete. Besonders Anklang bei dem Publikum fanden natürlich seine Wagen, die irgend eine Anspielung enthielten oder eine Satyre ausdrückten. Die Wagen, die lokale Vorgänge und Ereignisse darstellten, wurden vom Publikum besonders bejubelt, so der Wagen unserer Zukunfts-Straßenbahn Botnang-Feuerbach- Münster-Gaisburg, mit Raucher-, Damen- und Hundekoupes, der Zukunftsmarktbrunnen, gestiftet von den Eingemeindeten. -Nicht minder gelungen war der Wagen, die „Hoftheaterplatzfrage" mit der Inschrift „Ruhe so noch lange Jahre", die Bahnhofsperre auf dem neuen Hauptbahnhof mit dem Motto: „Die neue Staatsordnung oder nur immer gemütlich." Gelungene Erscheinungen waren außerdem der Speisewagen 4. Klasse Heslach-Konstantinopel und die Fremdenhebungskommiffion, so- wie die Fleischnot. Der Wagen, welcher letztere Gruppe darstellte, war mit Ratten, Mäusen, Hunden und Katzen ausgestattet; eine hinten angebrachte Speisekarte offerierte u. a. Heuschreckensuppe und Maikäfersalat. Ins Gebiet des weiteren Vaterlandes hinüber spielten die Köpenickaffaire, die deutsche Kolonialkuh. die Lehrjahre unserer Kolonialpolitik und die Gruppe Michel und Zentrum. Den Schluß bildete ein großer Hut zur Aufnahme von Spenden für die Armen, welcher aber leer blieb.
Neuhausen a. F. Dieser Tage feierten die Eheleute Florenz und Verene Bayer unter zahlreicher Beteiligung der Gemeinde ihre goldene Hochzeit. Den Zug zur Kirche eröffneten die 15 Enkel und die 4 noch lebenden Kinder des Jubelpaares. Nach einer Ansprache des Ortsgeistlichen war Hochamt und Tedeum. Beim Festmahl im „Ochsen" wurden von Pfarrer Leser und Schultheiß Balluff Trinksprüche ausgebracht. Dem Jubelpaar wurden von S. M. dem König ein goldener Pokal und von dem Bischof zwei geweihte Medaillen zum Geschenk gemacht.
Reutlingen 12. Febr. Auch in der hiesigen Gegend wurde in den letzten Wochen dem Rodelsport in ausgiebiger Weise gehuldigt. Dabei sind jedoch auch verschiedene Unglücksfälle, teils kleinerer, z. Teil aber auch größerer Art vorgekommen. Einige der Bettoffenen sind auf längere Zeit arbeitsunfähig. Gestern machten Schüler einer hiesigen höheren Lehranstalt mit ihren Rodelschlitten einen Ausflug nach der von Kirchentellinsftrrt zum Einsiedel führenden Steige, um daselbst dem Rodelsport zu huldigen. Hiebei wurde einer derselben, der Sohn eines hiesigen Beamten, gegen einen Baum geschleudert und mußte schwer verletzt nach Hause gebracht werden.
Kirchheim u. T. 11. Febr. Im Gasthaus zum Hecht hatte sich gestern eine große Anzahl von Freunden der Ziegenzucht eingefunden, um über Maßnahmen zur Förderung dieses Zweigs der Viehhaltung zu beraten. Auch Oberamtmann Gauger, der im Oberamt Maulbronn in dieser Richtung sehr günstige Ergebnisse zu erzielen wußte, hatte sich eingefunden. Den gegebenen Anregungen entsprechend bildete sich ein Ziegen- zuchtverein, dem sofort etwa 100 Mitglieder beitraten, mit der Absicht, die rehfarbige Schwarzwaldziege bei uns einzubürgern. Das neue Unternehmen wird von Freunden der Volkswohlfahrt, die den Milchmangel in den Familien um der Kinder willen längst bedauern, mit Freuden begrüßt werden.
Geislingen 12. Febr. Glück im Unglück hatte ein 8jähriger Knabe, der gestern mittag unterhalb der Station Geislingen aus einem Abortfenster des um 12 Uhr 7 Minuten hier durchfahrenden Zuger stürzte. Die Mutter des Knaben befand sich mit insgesamt 4 Kindern im Zuge und wollte nach Ludwigsburg reisen. Der Junge hatte sich auf den Abort begeben, so daß er erst einige Zeit nach dem Unfall vermißt wurde. Die Mutter erhielt dann in Süßen, wo sie aurstieg, die Nachricht, daß der Knabe aufge- funden worden sei, allerdings mit einer tiefen Wunde am Kopfe, sonst aber unversehrt. Er war von einem Bediensteten der Bahn ins hiesige Bezirkrkrankenhaus verbracht worden, wo ihm alle nötige Pflege zuteil wurde. Die Mutter des Knaben traf mit dem Zuge 12 Uhr 54 Min. schon wieder hier ein. Sie setzte mit dem Verletzten und den anderen Kindern um 3 Uhr 50 Min. ihre Reise fort.
Brackenheim 11. Febr. In der Nr. 23 des „Zaberboten" finden wir folgende Notiz im Inseratenteil: Cleebronn. Alle diejenigen, welche für Naumann gestimmt haben, haben von Montag, den 12. ds. Mts. an, für das Liter Mich 16 Pfennig zu bezahlen. Wenn es ihnen zu viel ist, sollen sie sie von Naumann beziehen. Diejenigen, die für Wolff gestimmt haben, bekommen sie noch um den alten Preis. Viele Bürger.
Heilbronn 11. Febr. Damit auch der Humor zu seinem Rechte kommt, sei hier die Art und Weise wiedergegeben, wie im Stadttheater das Ergebnis der Wahl bekannt gegeben wurde. Man gab „Dorf und Stadt". Direktor Steng spielte den Lindenwirt, der im zweiten Akt im verdunkelten Zimmer sitzt. Als der Vorhang in die Höhe ging, improvisierte der Lindenwirt: „Komm, Lorle, bring' mir au a Licht, daß i mei Zeitung lese kann; i will doch mal sehe, wer gewählt ischt. Ha, jetzt guck amal daher, der Naumann ischt jo g'wählt!" — Ein Beifallssturm, wie er noch selten im Theater gehört wurde, durchtoste nach diesen Worten das Haus.
Pforzheim 12. Febr. (Diebesbande.) Eine Diebesgesellschaft hat in den letzten Nächten die Orte Dietlingen, Ellmendingen und Dietenhausen heimgesucht. In der Nacht zum 8. Februar drangen die Diebe in die Wirtschaft zum „Adler" in Dietenhausen, in der Nacht zum 10. kamen sie auf ihrem Raubzuge nach Ellmendingen und Dietlingen und brachen dort in die