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Mittwoch, 17. Oktober 1934

Der Enztäler

82. Jahrgang Nr. 243

Bunte; au; aller Welt

Arbeitslose Elefanten. Das; Elefanten ar­beitslos werden können und das gerade noch in Indien wirkt einigermaßen para- N es der Fall, und Mar bei 180 Arbeitselesantcn, die bisher auf den Gü­tern desRadseha von Patialah beschäftigt waren. Dem Zuge der Motorisierung fol- gend der auch Indien ergriffen hat, hat der Otadicha diese 180 Elefanten ihres Postens enthoben und durch Traktoren und andere Maschinen ersetzt. Da eine andere Verwen­dungsmöglichkeit für die Tiere nicht bestand -ließ er sie im Dschungel aussetzen.

326ü Kilometer Gummistraßen. Seit meh­reren Jahren werden in den Vereinigten Staaten Versuche unternommen, Gummi als Straßenbelag zu benutzen. Immer wieder werden Versuchsstraßen gebaut, die, je nach der Art des verwendeten Gummis, die wider­sprechendsten Ergebnisse liefern. Manche Straßen sind bei Regen für Motorfahrzeuge einfach unpassierbar, während auf anderen der Wagen besonders sicher liegt. Welcher Wert diesen Versuchen in den NSA. bcige- messen wird, geht daruas hervor, daß es nicht weniger als 3200 Kilometer Gummisiraßen im Lande gibt.

Ucber große Teile von Syrien ging vor kurzer Z«t nach monatelanger Trockenheit smrker Regen nieder. Stellenweise hatte der Regen eine blutrote Farbe, so daß die Ein- geborenen glaubten, es regne Blut. Infolge­dessen fluchteten sie in ihre Hauser und war­teten den Weltuntergang ab. Nach einer Stunde war das Schauspiel des Blutregens aber beendet, und die Tropfen waren wieder Blutregen" ist Wohl damit zu erklären, daß die Wassertropfen sich an roten Sandteilchen kondensiert hatten, die als Smubwolks in großen Höhen geschwebt

Der Kassierer eines Bankinstituts aus Avignon hatte sich heimSich die Schlüssel zu dem neuen Geldschrank zu beschaffen gewußt und versuchte während der Nacht, den Schrank Lu offnen. Dies gelang ihm auch; er hatte aber offenbar nicht gewußt, daß der Schrank eine Minute nach seiner Oeffnung automalisch mit großer Gewalt zuklappen mußte. Am Morgen fanden die Bankangestellten ihren Kassierer im- Geldschrank eingeklemmt, er gab kem Lebenszeichen mehr vor sich; die Tür hatte dem Manne den Brustkorb eingedrückt.

In einem medizinischen Examen in Wien prüfte einst der berühmte Josef Hhrtl mit Karl Ritter von Langer einen Kandidaten zusammen. Beide waren ziemliche Gegensätze: Hhrtl großzügig und wesentlich. Langer pein­lich exakt.

Langer hatte einen Oberschenkelknochen unter den Rock gesteckt, so daß nur der oberste Teil davon zu sehen war, und forderte den Examinanden auf, danach anzugeben, ob der Knochen zur rechten oder zur linken Körper­hälfte gehöre, ob er von einem Mann oder einer Frau sei und ähnliches mehr.

Nachdem der Kandidat geantwortet, kam die Reihe zu prüfen an Hhrtl. Dieser hielt ihm denselben Knochen mit zwei Fingern ent­gegen und sagte:Können Sie mir jetzt, wo Sie den Knochen ganz sehen, vielleicht auch sagen, an welcher Krankheit der Mensch ge­storben ist, wie er hieß und wo er wohnte?"

Langer soll sich nicht schlecht geärgert haben.

Uoman von bulllvig von lVod!

Aufforderung zum Tanz

Eine Vorschau auf die Tänze des kommenden Winters

Wieder einmal hat sich ein Kreislauf voll­endet, wieder färbte sich Baum und Strauch zu de» letzten lodernden Farben; dem Glühen wird das Vcratmcn folgen, den flammenden Schreien des Abschieds die müde Melancholie des Sinkens und Sterbens... aus Herbst wird Winter werden und damit ein Abschied auch seiN- für die Menschen und ihrem Gemein- schaftswilleu zur Entspannung und Freude. Werden unsere Tage noch kürzer und kühler, sinken die Abende früher ein über Stadt und Land, so werden wir uns nicht mehr finden zu den fröhlichen Festen der Gärten und Lam­pions, werden die Frauen und Mädchen nicht mehr sonnenhaft wandern in lichten und leich­ten Gewändern, die Glieder freigegcben den Winden und die Augen allen Farben des Him­mels, spielen sich die sogenannten gesellschaft­lichen Ereignisse nicht mehr ab auf dem grü­nen Rasen zum donnernden Hufgeläut der Vollblüter oder zu dem nervenspanrenden Kampf unserer Tennismeister, wie die Reichs­hauptstadt noch letzthin ihn erlebte zwischen Cramm und Nüßlein mit einem Rekordbesuch von begeisterten Zuschauern sondern wir suchen unsere GemeinschaftsfreuLe und Ge­meinschaftsentspannung wieder in Len Sälen zu lockenden Rhythmen und in der Grazie und Auflockerung des unsterblichen Zauberers Tanz... dieWintersaison" steht vor der Tür, schon werken fleißige Hände an den neuen Toiletten für kommende Feste und schlicht werden sie sein, die Gewänder so gut wie die Feste, denn wir sind ein neues Volk mit neuen Idealen und neuen Zielen geworden, sodaß es nur eine Selbstverständlichkeit ist, wenn so­wohl unsere zu einer frohen Gemeinschaft uns einenden Freuden wie auch dieser Freuden höchste, der Tanz, eine grundlegende Wand­lung ihrer Form gefunden haben.

Volkstanz oder Gesellschaftstanz?

Welch ein Suchen begann in aller Welt bereits im Spätsommer nachdem" Tanz, den man alsletzten Schrei" und snobistische Sen­

sation im Winter würde loslassen können auf die Ballsäle und die Menschheit I Und was für Tollheiten haben wir da erlebt, unnatür­lich, ungraziös, grob und aufreizend bis zur kaum noch verkleideten Schamlosigkeit! Das Erwachen der Nation verlangte auch hier ge­bieterisch eine radikale Wandlung, und so er­hob sich noch für den letztverwichenen Winter die große Streitfrage, ob unsre Gesellschafts­tänze überhaupt noch eine Existenzberechti­gung hätten, ob sie nicht vielmehr ein für alle Mal zurückzutreten hätten hinter die Volks­tänze.

Aber hier haben Uebersteigeruugen eines im tiefsten Kern berechtigten Verlangens statt­gefunden, die unmöglich sich halten konnten. Gesellschaftstanz oder Volkstanz diese Frage darf für den kommenden Winter als geklärt angesehen werden zugunsten des Gesellschafts­tanzes, der seine Lebensberechtigung bewiesen hat und im Grunde genommen ja nicht nur eine tänzerische Ausdrucksform derGesell­schaft", sondern des ganzen Volkes ist. Der Versuch, durch Zurückgreifen auf überlebte Formen eine neue deutsche Tanzkultur zu schaffen, ist gescheitert. Den meisten alten Tän­zen wird es nicht mehr gelingen, sich noch ein­mal das Parkett zurückzuerobern so zum Beispiel weder der Polka noch der Mazurka, diesen Wonnen und reizvollen Millerinnerun- gen unserer Eltern und Großeltern, welche Tänze ja dabei sogar, wie schon die Namen besagen, nicht einmal deutschen Ursprungs sind.

Allerdings: Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel! Die größte und wichtigste ist Wohl unser alter deutscher Walzer, der schlecht­hin unsterblich ist und schon seit längerem eine gloriose Auferstehung feiert. Ihm schließt sich an der Rheinländer, dieser gemütliche und ge­mütvolle, rhythmisch und tänzerisch ebenso einfache wie reizvolle Tanz, der sich, nachdem er gänzlich verdrängt zu sein schien, bereits im vergangenen Winter seine einstige Beliebtheit

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Kronprinz Gustav von Schweden besucht das griechische Kloster Athos

stürmisch wieder erobert hat und sie auch in der kommenden Ballsaison in unverwüstlicher Stärke behaupten wird.

NichtSensation", sondern graziöse Schlichtheit!

Was sonst, außer dem schnellen deutschen Walzer und dem Rheinländer, werden wir nun alsbald tanzen? Bestimmt nicht die neueste internationale Verrücktheit, denCa­rioca", diesen Nachfolger des gottlob schneÜ verschiedenen Rumba, der seinem Vorgänger sehr ähneln soll mit der Ausnahme, daß eS bei ihm für die Tanzpartner nicht mehr heißt! Lehn' deine Wang' an meine Wang'!", son­dern:Preß deine Stirn an meine Stirn und rühr mich sonst nicht an!", wobei man zappelnde Hacken- u. Spitzenschritte tut. Neue Sensationen" wird es überhaupt nicht geben. Die deutschen Tanzlehrer verkünden allgemein, daß die Lieblinge aller Tanzfreunde auch für­derhin noch der langsame Walzer, der Tango, der Foxtrott und der Marschtanz sein werden. Der langsame Walzer dürfte übrigens schon längst seine geschmacklosen Bezeichnungen Boston" oderEnglish waltz", die nicht ein­mal stimmen, da er ja nur eine Abart des alten deutschen Walzers ist, endlich und end­gültig abgelegt haben.

Ser wichtig wird als Tanz der Tango blei­ben. Man hat ihn vereinfacht, dem deutschen rhythmischen Empfinden noch weit mehr als bisher angenähert; er dürfte heute weit leich­ter zu erlernen sein als früher, da er noch mit seinen zahlreichen Figuren den Schrecken jedes Tanzschülers bildete.

Einfachheit und Schlichtheit: das ist über­haupt das Motto, unter dem all diese Tänze stehen, die dadurch dem deutschen Bewegungs» empfinden gemäß abgewandelt werden, ob­schon der eine und andere ursprünglich Tanz eines fremden Volkes war. Auf die Ausfüh­rung kommt es an noch heute kann man auch den edelsten Tanz durch Hopsen und Wackeln und Schieben in jene grausigen Niggerverzerrungen verwandeln, die wir früher Jahre lang über uns ergehen lassen mußten.

Eine gewisse Anrüchigkeit haftet immer noch dem Foxtrott an zu Unrecht, wenn man ihn in seiner jetzigen Form betrachtet, da ihm Grazie und Feuer nicht abzusprechen ist und das Werturteil über ihn. schon allein durch die unverbrüchliche Vorliebe des breiten Publikums für ihn endgültig im positiven Sinne gesprochen ist.

Und der Marschtanz? Er wird nicht ver­alten, da er jedem Tänzer einfach im Blut liegt. Zumindest geschmacklos allerdings wirkt es, wollte man ihn, wie man dies noch im vergangen Winter gelegentlich beobachten konnte, zu der heroischen Rhythmik unserer friderizianischen oder sonstigen Militär- Märsche tanzen. Uns Deutschen mangelt es wahrlich an straffen Melodien nicht, die ihn befeuern können! Vielleicht werden wir übrigens auch weiter noch den spanischen Bru­der unseres Marschtanzes erleben, den Paso doble, obschon er uns Deutschen rassisch eigent­lich garnicht so sehr liegen dürfte; jedenfalls ist er noch im letzten Winter gern und viel getanzt worden und ist auch nicht ohne Reiz, vor allem dank seiner prickelnden Weisen.

Nun sind wir im Bild können schon leis vor uns Hinsummen, die ersten schüchternen Schritte schon Proben in harmloser Vorfreude bald, bald schon wird es locken und werben: Aufforderung zum Tanz..."

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coiyriM V-rla^ üsrl vc-cli» Lsrliii S2

Bisher hat er bei den Beni Chaamba in den Tag hinein gelebt, ohne sich zu über- legen, was morgen ist fast ohne an ver­gangene Dinge zu denken

Nun drängt sie sich wieder auf, die boh­rende Frage: was soll werden-

Nach halbstündigem, scharfem Galopp läßt er sein Pferd in Schritt fallen.

Die Hufe treten fast geräuschlos den mehl- weichen Sand.

Es ist Vormittag, die Sonne mit > mörderischer Kraft.

' Aber Holsreter spürt sie kaum.

Er trägt, seit Tagen, Gandoura und wfi- ' ßen Haik Hadj Mehmed hat ibm bewcs

- geschenkt der eigene Anzug ist hojsauvgs- i los kaputt.

Man ist ein Stück Araber geworden nicht nur äußerlich.

- Man hat dieses primitive, ungebundene Leben lieben gelernt und die Menschen dazu diese Beni Ehaamba.

Man würde wie nun einmal die Dinge liegen ganz gut sein Leben hier beschlie­ßen können.

Nein!

i Wie ist das rei.eri, rauchen, essen, trin­ken. schlafen, dem Stamm mit seinem biß­chen Wissen von hunderterlei Dingen nützlich i sein überhaupt Chaambani werden, z keine Schande das. Und sei:" L r's,

gefühl, Tapferkeit, alle Achtung ihre Her­kunft verleugnet sich nicht.

Und es ist kein Anwachsen, man wird nicht zum Klausner und Eremiten, der jahrzehnte­lang immer auf dem gleichen Fleck hockt, und vor sich hinarbeitet die ChaambaZ reiten!

Mal nach Tripolitanien hinein, mal wie­der nach Algerien zurück und überall hin ohne Paßi ohne Legitimationspapiere mit zig Stempeln, ohne stundenlanges Warten in muffigen Amtsstuben, ohne Steuer, Po­litische Sorgen und Miesmacherei.

Das ist schon 'was, Donnerwetter ja.

Dazu kommt was wäre denn, wenn man nicht bliebe?

Vergiß nicht. Du bist ein gejagtes Wild, mein Gutester sie suchen Dich überall, aus allen Polizeistationen haben sie jetzt ein Ab­bild Deiner sympathischen Gesichtszüge und wenn sie Dich fassen, siehst Du unter Mordanklage

Aber, und das ist das Seltsame an der Sache: es ist gar nicht nötig, daran zu den­ken!

Es liegt zurück, als wäre cs nie gewesen.

Kaum, daß man ab und zu an das blasse Gesichtchen der armen Agnesina denken muß und doch hat man sich und cs ist noch gar nicht lange her ganz ernsthaft ein­gebildet. zu lieben nicht nur verliebt zu sein, sondern zu lieben.

Wie wesenlos, schwach und fern ist das jetzt.

Sonderbare Tiere, Deine Menschen, lieber Gott.

Sehr sonderbare Tiere.

Und was ist nun los, unter uns gesagt, Hein, mein Junge?

Warum ist man vorhin losgetobt wie'n 'r-"s a"? dem Lager,?

Sie ist schon ein liebes kleines Ding, das Haselnüßchen.

Und wenn man Ehaambani wird, muß man sich doch auch 'ne Familie gründen oder vielleicht nicht?

Die Erziehung ist eine andere die Kul­tur hmhnrhmhm.

Erstens hat Djana eine sehr gute Er­ziehung vor der manche junge Dame aus Gens oder Lausanne noch Einiges und Ver­schiedenes lernen könnte als da sind zum Beispiel: Achtung, Ehrsurcht und Gehorsam dem Vater gegenüber und für später: Ge­horsam und Treue gegenüber dem Gatten.

Zweitens Kultur.

Sie hat nie die neunte Symphonie gehört, und den Tristan auch nicht, und sie weiß nicht, wer Goethe war, und daß Alexander, der Große gelebt hat. und vor allem, dag' man sich nicht mit den Fingern schneuzt, me 'n jemand anders dabei ist.

Aber das könnte man ihr ja wohl beibrin- gen. »ud daß sie noch nie ans einem sive ö'clock-Tee war, daß sie nicht Gols und Bridge spielt, nicht über Literatur Konver­sation macht, daß einem die Haare zu Berge stehen das sind im Grunde genommen ganz einfach Vorzüge.

Außerdem entlockt sie einem gebratenen Täubchen den Wohlgeschmack des, na sagen wir, mindestens driften Paradieses, und wenn wir nicht ganz so materiell sein wol­len __ sie jst eine kleine warme wohltuende Gegenwart, nichtnervös", nicht hvfterftch, und dafür auf eine unausjällige Weise an­hänglich.

Und, um ganz offen zu sein man kann es sich nur noch schwer vorstcllen, morgens einmal nicht mehr ihre unarabischen Hellen und großen Angen zu sehen, nicht mehr von ihren nicht übermäßig sauberen, aber zier­

lichen braunen Fingerchen das Frühstück k» Empfang zu nehmen.

Seltsam ist das.

Nun hat man doch wirklich ein Stück Welt' gesehen und Menschen und Verhältnis mancher Herren Länder kennen gelernt weiß, wie's zu Hause ist, grau in grau, Par. teienwirlschaft, Ausweglosigkeit weiß' wie's rund ums Mittelmeer 'rum ist kennt die Italiener, die Engländer und die Franz« Männer, haben alle ihr Gutes, ihre besondere Sorte von Lebsnsbchaglichkeit.

Aber hier hier ist man 'was. ' / -

Keine Nummer unter Nnmm. ,n - ein Mensch.

Und ein Blntsfreund, wi. ' /red erst neulich sagte.

Und dann Djana

VII.

Auf ihrem schmalen Lager im schwarzen Zelt liegt eine fünfzehnjährige Bent Chaamba.

Mit großen glänzenden, imarabisch Hellen. Augen starrt sie an die Zeltdecke, die mage- ren braunen Arme hat sie hinter dem Kops verschränkt.

Es sind zu viele Gedanken auf einmal, die Djana bestürmen sie wird nicht mehr mit ihnen fertig.

Ist es wirklich wahr und möglich, daß der Almani heute den Vater fragen wird, ob er sie ihm zum Weibe geben will ist cs wirk­lich wahr, daß er in den Stamm cmtreten will, ein -haambani wir)-

Er hat große Dinge für den Stamm geta»'- in den wen tarn M-.nLen. die er nun hie» ist.

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