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Amtsblatt für cias Oberamt Meuenbürg
R.. L»L
Mittwoch den 17. Oktober 1S34
V2. Jahrgang
Folge» -es KömgSmordcr.
Scharfe Auseinandersetzungen -wischen der franzöfische« «ud «ngaeischen Presse
Budapest, 16. Oktober.
Der Außenpolitiker des „Echo de Paris", Pertinax, behauptete im Zusammenhang mit der Unterredung zwischen dem französischen Außenminister Laval und dem tschechoslowakischen Außenminister Benesch, daß sich beide einig seien, den Marseiller Anschlag nicht als eine individuelle Tat zu betrachten. Er geht dann zu offenen und direkten Beschuldigungen Ungarns über. Die moralische Verantwortung Ungarns, so sagt er, gehe schon jetzt deutlich aus der Untersuchung hervor. Wenn die ungarische Regierung be-
Uawischen Grenze unterhalten worden sei. Man könne den Marseiller Anschlag deshalb auch nur unter Berücksichtigung dieser Tatsache betrachten. Es sei sehr wahrscheinlich, daß die Regierungen der Kleinen Entente die Einberufung einer außerordentlichen Völkerbundssitzung für den Monat November fordern würden, um ihr die Angelegenheit zu unterbreiten. Wenn man sich über die wirklichen Machtbefugnisse des Völkerbundes auch keinen Illusionen hinzugeben brauche, so werde diese Maßnahme trotzdem nicht unnütz sein; denn sie werde den Völkern, die den Frieden wollten, die Schwie- rigkeiten vor Augen führen, denen sie bei der Durchführung ihrer Aufgaben begegneten.
Die ungarische Staatspolizei stellt demgegenüber auf Grund eingehender Untersuchungen fest, daß keine der im Zusammenhang mit dem Marseiller Anschlag erwähnten Personen re- mals in Budapest gewohnt, einen ungarischen Paß erhalten oder die ungarische Grenze überschritten habe. Die Richtigkeit der Havasmel- dung, wonach zwei der Marseiller Verschwörer unmittelbar aus Budapest nach Marseille ge- reist seien, könne erst nach Bekanntgabe der Namen überprüft werden.
Die erwähnte Haltung der frakisMchen- vor allem der tschechoslowakischen Presse, gibt der ungarischen Öffentlichkeit Veranlassung, nn dopvelter Schärfe gegen die Beschuldigungen Ungarns und die Vertreibung von Schreckensnachrichten Stellung zu nehmen. Die nberem- stimmende Feststellung der Blatter geht dahin, daß das groß angelegte Manöver gegen Un- garn angesichts der mazedonischen Abstammung des Täters zusammengebrochen sei.
An die Prager Adresse wird aber die Frage gerichtet, warum die Nachricht von der Ausstellung des Passes sür den Mörder durch die Buvapester tschechoslowakische Gesandtschaft unterdrückt werde und warum die Gesandtschaft in nächtlicher Stunde der Anna Ma- jersky ihren zweiten Paß ohne Hinzuziehung der ungarischen Polizeiorgane abgenomme habe.
Eine Untersuchung dieser ganzen Angelegenheu könne nur von der ungarischen Seite geführt werden, und die Anrufung des Völkerbundes habe von ungarischer Seite auszugehen, damit U cgarn Genugtuung erhalte. Die Behauptung, ungarische Offiziere hätten die Kroaten in der Dnrclnübruna von Attentaten ausgebildet, wird von den Blättern mit Empörung als Lüge bezeichnet. Der offiziöse „Pester Lloyd" stellt in großer Aufmachung fest, daß weder der Mörder noch seine Mittäter Ungarn seien, daß der Ministerpräsident Gömbös die 10jährige kroatische Emigrantenrolonie Janka Puszta aufgelöst habe und daß keine einzige ungarische Behörde auch nur das mindeste mit den Vorbereitungen des Königsmordes zu tun habe. Das Blatt glaubt zu wissen, daß die ungarische Regierung bereits auf diplomatischem Wege ihre Stellungnahme zu der Paßfrage den übrigen Mächten übermittelt habe. Die Blätter richten in diesem Zusammenhang außerordentlich heftige persönliche Angriffe g eg e n B enes ch, der von „Magyarszag" als „der große Giftmischer" und der größte Feind des europäischen Friedens bezeichnet wird. Die der Regierung nahestehende „Függetlenseg" spricht von einem „skrupellosen Imperialismus der Prager Regierung" und warnt vor einer weiteren Zuspitzung der gegen Ungarn gerichteten Verdächtigungen. „Buoapesti Hir- lap" verlangt, daß die Verleumder der nationalen Ehre Ungarns vor dem Völkerbund Rede und Antwort stehen sollen.
Belgrads Zraim um den toten König
Belgrad, 16. Oktober.
Seit den frühen Morgenstunden zieht die Bevölkerung von Belgrad in unabsehbaren Reihen an der Bahre des Königs Alexander vorbei. Der Menschenstrom ist ununterbrochen in langsamer Bewegung. Vier Offizier? halten an der Bahre, die von zahlreichen Kerzen umrahmt ist, die Ehrenwache. Im Hintergrund des Gemaches flammt ein umflortes Kreuz mit weißem Licht. Darunter liegen die Krone und die Orden des Königs. Der Boden ist mit weißen Chrysantheme'^ bedeckt. Die deutschen Abgeordneten Kraft und Moser sowie der Senator Graste legten an der Bahre vier Kränze für die Organisationen der deutschen Volksgruppen in Süd- slawien nieder.
Das Tagesgespräch am Dienstag bildet dst leidenschaftliche Trauer, mit der der König in der Nacht zum Dienstag empfangen worden war. Kein König sei so heftig beweint worden wie Alexander I.
Die Nettungsabteilung hatte in der Nach! zum Di-nZtag reichlich Arbeit, denn zahlreiche Menschen, besonders Frauen, fielen im Gedränge in Ohnmacht.
Minifterprüfideut Görina fährt «a» Belgrad
Berlin, 16. Okt. Der Führer u«L Reichskanzler hat in seiner Eigenschaft als oberster Befehlshaber der Wehrmacht den preußischen Ministerpräsidenten General Görina als Son- derhevollmächtigten zu der Trauerfeier anläßlich der Beisetzung des Königs Alexander von Jugoslavien nach Belgrad entsandt.
In der Begleitung des Ministerpräsidenten Göring befinden sich als weitere Vertreter der Wehrmacht der Generalleutnant Blaskowitz und der Kapitän zur See Freiherr von Harsdorf. Ministerpräsident Göring wird mit seiner Begleitung am Mittwoch früh mit dem Flugzeug nach Belgrad starten.
Der Führer und Oberbefehlshaber der deutschen Wehrmacht bringt mit der Ueber- tragung der ehrenvollen Mission an einen seiner nächsten Mitarbeiter die besondere Verehrung und Hochachtung zum Ausdruck, die der deutsche Soldat für den verewigten König empfindet.
General Göring wird am Grabe des Königs einen Kranz niederlegen mit der Inschrift: „Ihrem einstigen heroischen Gegner in schmerzlicher Ergriffenheit die deutsche Wehrmacht."
Wettere Aufklärung
Geständnisse dss MitSetrMgle» Ma.st y
- Paris, 16. Oktober.
Der im Walde von Fontainebleau verhaftete Malny, der Helfershelfer des Marseiller Mörders, ist weiterhin einem scharfen Kreuzverhör unterworfen worden. Wie behauptet wird, habe er eingestanden, daß drei Verschwörer mit falschen ungarischen Pässen aus Budapest nach Zürich gekommen seien und do.rt die Beauftragten Dr. Pa Veit t s ch , S u ck und Kramer getroffen hat- ten. In Lausanne hätten sie sich neu eingekleidet und sich später in zwei Gruppen nach Frankreich begeben, um dort den Anschlag auszuführen. Aus dem Verhör geht noch nicht einwandfrei hervor, ob Malnh sich im Augenblick der Tat in Marseille ausgehalten hat. Fest steht aber, daß er sich im Besitz von zwei Revolvern und zwei Bomben befand.
Die Waadtländische Polizei machte am Montag eine Entdeckung, die für die französische Sicherheitspolizei von Nutzen sein dürfte. In Lausanne war es ausgefallen, daß sich die Attentäter von Marseille, die ohne Gepäck eingetroffen waren, mit neuen Anzügen ausgestattet hatten und beim Verlassen ihres Hotels einen großen Koffer mitführten, den sie in Lausanne gekauft hatten.
Im Handgepäckraum wurde der Koffer entdeckt und geöffnet, wobei die allen Kleider gefunden wurden.
Nach einer weiteren Meldung ans Zürich hat die dortige Kantonpolizei festgestellt, daß die vier Verschwörer, die nachher in Lausanne auftauchten, am 26. September in Zürich eintrafen. Sie stiegen unter falschem Namen in einem Hotel ab. wo sie zwei Mäntel zurückließen. Am gleichen Tage reisten sie nach Lausanne weiter.
Zahlreiche Kroaten
in der Tschechoslowakei verhaftet
Im Mährisch-Ostrauer Gebiet wurden innerhalb von 24 Stunden über 300 Personen, zumeist Bosniaken und Kroaten, die als Landarbeiter beschäftigt waren, polizeilich verhört. Dabei wurde festgestellt, daß sich viele von ihnen bereits seit dem Umsturz ohne Aufenthaltsbewilligung in der Tschechoslowakei aushielten. Die tschechoslowakische Sicherheitsbehörde hat weiter beschlossen, an den Grenzstationen die Personalien einreisender Südslawen und Bulgaren aus Frankreich genau zu Prüfen. Es soll jetzt in Prag eine bedeutend verschärfte Aufsicht über die Emigranten aller Länder eingeführt werden.
Der 11jährige König Peter Il von Jugoslawien und seine Mutter tm Etsenbahnzug auf der Reife nach Belgrad. — Links der jugoslawische Landwirtschaftsmiutster und dr» Kammerpräsident
WM
Französische Außenpolitik unverändert
Paris, 16. Oktober.
Der tschechoslowakische Außenminister Benesch hatte Dienstag vormittag eine neue längere Besprechung mit Außenminister Laval. Der Meinungsaustausch zwischen Laval und Benesch nahm fast zwei Stunden in Anspruch. Er habe, wie „Havas" erklärt, die Uebereinstimmung der französischen und der tschechoslowakischen Negierung hinsichtlich der Behandlung der Außenpolitik ergeben. Benesch, der überdies mit Finanzminister Martin eine Unterredung hatte, wird im Laufe des Abends nach Belgrad abreisen, wo er den Präsidenten bei den Beisetzungsseierlichkeiten sür König Alexan- der vertritt. Der Unterredung zwischen Laval und Benesch wohnte der französische Gesandte in Prag, Noel, bei, der auf ausdrück, lichen Wunsch Lavals nach Paris gekommen war. Noel war seinerzeit von Laval aus dem Innenministerium ins Außenministerium übernommen worden. Seine Ernen- nung zum Gesandten in Prag ersolgte kurz vor dem Rücktritt des Kabinetts Laval. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Laval seinen srüheren langjährigen Mitarbeiter jetzt häufiger heranzieht, wenn es gilt, außenpolitische Fragen zu beraten.
Die Außenpolitikerin des „Oeuvre" beschäftigt sich mit außenpolitischen Ausgaben des neuen französischen Außenministers Laval, wobei sie behauptet, ihre Ausführungen an bester Quelle geschöpft zu haben. Zum Ausgangspunkt der gesamten französischen Außenpolitik habe Laval die Tätigkeit Bar- thous genommen, dessen Work er getreu fortzusetzen beabsichtige.
An erster Stelle nennt die Berrchtcrstatte- riu die „unbestreitbare Kampfkraft des deutschen Heeres und seiner Fliegerei", über die Laval mit Benesch sehr ausführlich gesprochen habe und die es Deutschland heute ermögliche. „in verschiedene» ausländischen Vertretungen eine geheime, aber nichts desto- weniger aktive Tätigkeit zu entwickeln", l!)
An zweiter Stelle kämen die Auswirkungen des Marseiller Anschlages. Sobald die Akten über dessen Zusammenhänge vollständig sein würden, werde man sie. wahrscheinlich im November dieses Jahres, dem Völkerbund unterbreiten. Die Nomreise, die der ermordete Außenminister Barthou demnächst an- ireten wollte, sei an sich nicht fallen gelassen worden. Diese Reise, der wenig später ein Besuch Beneschs in Nom hätte folgen sollen, w-rde vielleicht das Ende einer Politik nach zwei Seiten darstellen, die Italien bisher getrieben habe. Wenn sich Nom weigere, aufrichtig mit Südslawien zusammenznarbeiten. so müsse inan sich fragen, ob Südslawien sich auch in Zukunst den Möglichkeiten eines engeren Zusammenschlusses mit Deutschland verschließen werde. Eine solche Möglichkeit würde aber Italien in eine sehr schwierige Lage bringen.
Schließlich tauche die Frage eines Ab- kommend mit Rußland auf, d"s sehr rasch abgeschlossen werden könne. Es werde unmittelbar von einem anderem Abkommen gefolgt, das darauf hinausgehe, die augenblicklichen engen Beziehungen mit Polen etwas zu lockern, Außenminister Laval sei schon jetzt von bedeutenden politischen Per- sönlichkeiten ans diese Notwendiakeit aufmerksam gemacht worden, weil sie es als gefährlich betrachten, Verpflichtungen gegenüber einem Lande zu haben, „das ein so
weitgehendes und außerdem rätselhaftes Abkommen mit Deutschland habe". (!)
Allerdings, so schließt die Außenpolitik, ein ihre Betrachtungen, dürfe man nicht v.r- gessen, daß Laval heute noch einer Ver- ständigung mit Deutschland günstig gegenüberstehe, vorausgesetzt, daß diese Ber- ständigung auf Grundlagen möglich sei, die die augenblicklichen Ereignisse leider nickst vorzubereiten schienen.
Vielleicht entschließt man sich in Prag end. lich auch gegen jene Emigranten vorzugehen, die in der Tschechoslowakei ganze Nester revo- lutionärer Wühlarbeit gegen das Deutsche Reich eingerichtet haben und ganz offene Drohungen gegen deutsche Staatsmänner ausstoßen.