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Der Heldenkampf der deutschen Kolonien _ ^

Von Jakob I. Riemer-Anders. Urheberrecht: Dammert-Pressedienste, Berlin W. 35

Mit Lettow-Vorbeü in DeutsÄ-Ostasrtta

(Fortsetzung und Schürtz)

Das Katze- und Maus-Spier

Zum Schluß des ostafrikauischen Feldzugs konnte General v. Lettow-Vorbeck von eng­lischen Offizieren hören, daß er die Ehre ge­habt, insgesamt gegen 146 Generäle zu kämpfen... Und das kam vor allem daher, Laß das portugiesische Gebiet in kleinere Militärbezirke eingekeilt war, deren jeder einem General unterstand. Aufgabe des be­treffenden Generals war es nun stets, sich heftig mit der deutschen Truppe zu beschäf­tigen das heißt: mit seinen Nachbarbezir­ken zusammen die berühmte Einkreisung zu vollziehen, wenn es der Schutztruppe gefiel, durch sein Machtbereich zu ziehen.

Von diesen Einkreisungen hallte dann zu­nächst Afrika und alsbald auch Europa wider. Tag und Stunde wurde immer vor­hergesagt, wann die englisch-portugiesischen Truppen die Falle schließen würden und die deutsche Maus gefangen sei. Diese Prophe­zeiungen haben in England zu den größten Wetten Anlaß gegeben. Außerdem kam ein Scherzartikel in Briefform auf den Straßen Londons zum Verkauf, der damals zu tollem Gelächter Anlaß gab. Auf dem Brief stand:

Wo ist Lettom?!"

Oeffnete man ihn, so waren alle Seiten leer; nur auf der letzten stand:

Er ist gerade wieder enwifcht!"

So war es denn auch in Wahrheit: immer wieder entwischten die Deutschen der gefähr­lichsten Falle. Sie zogen südwärts, kämpften, siegten, wichen aus und machten die not­wendige Beute, von der allein sie lebten...

Am 3. Juli zum Beispiel griff die deutsche Vorhutabteilung drei portugiesische Kompag­nien an, schlug sie, erbeutete zwei Geschütze und über hunderttausend Patronen, dazu eine Zuckerfabrik mit reichen Beständen und gehäufter Verpflegung. In der Nähe lagen englische Kompagnien; sie wurden umstellt, gestürmt und aufgerieben der Rest, der bei dem Sturm zu entkommen suchte, wurde in den Fluß gejagt und ertrank bis auf Wenige, die von der Niederlage der erschreckten Stadt Ouelimane Kunde brachten. Den Engländern nahm man hier sechs Maschinengewehre, drei­hunderttausend Patronen, Hunderte von^ Ge­wehren, eine große Menge Kriegsausrüstung und ein umfangreiches Magazin voller Kon­serven und Wein ab.

Das war ein Freudentag für die Schutz­truppe, wie er schon lange nicht mehr statt­gefunden. Jedermann, Europäer wie Askari, kleidete sich von Kopf bis Fuß neu ein, ver­vollständigte sein Gepäck,.seine Wäsche, seine Lebensmittel, nahm noch manchen Trunk mit. Heber fünftausend Liter reinen Alkohols mußten in den Fluß geschüttet werden, da­neben viel Lebensmittel, denn es war un­möglich, alles mitzuschleppen, und dem Feind wollte man nichts zurücklassen.

Bis dicht vor Ouelimane, oberhalb der Sambesimündung, drang man durch Portu- giesisch-Ostafrika vor. Der Gegner nahm an, daß Lettow-Vorbeck noch weiter südwärts ziehen werde. Aber diesen Gefallen tat er ihm nicht er wandte sich Plötzlich wieder nordwärts und noch einmal begann eine phantastische Anabasis: durch portugiesisches Gebiet zurück auf deutsch-ostafrikanischen Boden und endlich westwärts, um in Nord- Rhodesien auf englischem Boden zu enden...

VI-

Lettow-Vorbeüs Anavaks. Kapitulation und Heimkehr

Wieder nordwärts

Zurück nach Norden! Immer noch im Herzen des portugiesischen Gebiets, ständig hart am Feind!

Zunächst ging es nach Namirrure. Dort hatte die deutsche Vorhutabteilung ein Ge­fecht an einem steinigen Berg, auf dem über zwei englische Kompagnien in Stellung lagen. Während des Marsches nach hier hatte sich eine starke englische Kolonne immer parallel mit der Schutztruppe in der gleichen Richtung bewegt und kam bei Namirrure zu gleicher Zeit mit den Deutschen an. Zunächst ent­spann sich mit dieser ein Kampf sie wurde geschlagen, Waffen wurden erbeutet, Ge­fangene gemacht. Die Offiziere lud man dann ein, am deutschen Mittagstisch teilzunehmen. Während der Mahlzeit hieß man sie eine Zeit sich gedulden es werde nur eben der nahe Berg gestürmt... Und er wurde gestürmt! Und die englischen Offiziere sahen entgeistert zu. Hauptmann v. Ruckteschell, der bei diesem Sturm schwer verwundet wurde, erzählt in seinem trefflichen Feldzugsbericht von einem gefangenen englischen Oberst, der dieseAf­färe" miterlebte:

Er äußerte später, daß ihm zu dieser Zeit schwere Bedenken gekommen seien an einer glücklichen Beendigung des Feldzugs zugun­sten der Engländer; denn da unser Komman­deur Lettow-Vorbeck seine Leute zu solchem Gleichmut erzogen hätte, würde es den Eng­ländern kaum gelingen, diesen kampfgewohn­

ten Truppen je das Handwerk zu legen. Er war voll Staunen über all die Dinge, die er in den folgenden Monaten miterlebte und hat uns des öfteren seine Bewunderung ge­standen für die Art, wie General v. Lettow mit seinem Gegner fertig wurde, wie er laut­los ohne Weg und Steg die großen Märsche durch Afrika machte, wie er es verstand, Zu­sammenstöße zu vermeiden oder Gefechte zu führen und nach denselben, als ob nichts vorgcfalleu wäre, weitermarschierte. Dieser Engländer behauptete, daß kein anderes Volk der Erde imstande gewesen wäre und imstande sein würde, so unausgesetzte Strapazen zu er­tragen, ans den unzureichenden Mitteln des Landes sich seine Wehrkraft neu zu formieren und einen mit allen modernen Kampfmitteln versehenen Gegner jahrelang so zu fesseln und ihm solchen Widerstand zu leisten. Er gab zu, daß das nicht nur sportliche Leistungen des Einzelnen sein könnten, sondern daß das die glühende Vaterlandsliehe und die große Be­geisterung für eine heilige Sache sein müsse, die jeden der in der Schutztruppe fechtenden Europäer in den Stand setzte, allen Anforde­rungen der Gefechte im afrikanischen Klima gerecht zu werden, und die auch die Eingebo­renen beseelte, die wie wir alle die gleichen Mühen auf sich nahmen...

Noch einmal: Heimat Deutsch-Ost

Kämpfend ging es weiter nordwärts. Am 30. August vollzog sich noch einmal der Ueber- gang über den Rowuma; damit war man wieder im deutschen Schutzgebiet. Und das Häuflein der Helden war zusammengeschmol­zen auf knapp zweihundert Europäer und tausend Askari...

Lettow-Vorbeck marschierte und kämpfte sich durch, weiter in nördlicher Richtung. Man kam in die Gegend von Ssongea und an Ssongea vorbei in die Berge von Langen- burg. Die Engländer nahmen an, daß die Schntztruppe in dieser Richtung weiter gegen die Mittellandbahn ins Innere der Kolonie fortmarschieren würde. Schon hatten sie eine große Falle bereitgestellt aber Lettow- Vorbeck tat wieder das gänzlich Unerwartete: in der Höhe zwischen Njassa und Tanganjika­see machte er jählings links um und mar­schierte in westsüdwestlicher Richtung über die Grenze

nach Rhodesien hinein!

mitten in die Höhle des englischen Löwen.

Das hatte der Gegner nicht vermutet. Er

war nicht imstande, so schnell seinen Vor­marsch und seine Etappen und Bagagekolon­nen umzubauen, um in dieser neuen, unvor­hergesehenen Richtung folgen zu können. Lediglich ein Bataillon heftete sich an die Fersen dieser tollkühnen Deutschen. Die Schutztruppe schlug alshald an der Grenze bei Fife die dortige englische Besatzung vernich­tend und mm war das eine Bataillon alles, was weit und breit vom Gegner vor­handen war. So ging es tief hinein ins Feindesland.

Bei Kasama kam es endlich zwischen diesem Bataillon und der deutschen Nachhutabtei­lung am 12. November 1918 zu einem Gefecht. Der Gegner wurde gezwungen, nunmehr von seiner Verfolgung abzulassen, zumal ihm die Verpflegung und die Munition ausgegangen war. Die Deutschen marschierten unan­gefochten weiter, über Kasama hinaus in süd­westlicher Richtung gegen den Bangweolosee.

Hier war die deutsche Vorhut gerade im Begriff, ein großes feindliches Magazin zu nehmen da kam am 13. November 1918,

die Nachricht dom Waffenstillstand...

Die Meldung wurde der Nachhut durch einen Parlamentär überbracht. Lettow-Vor­beck zweifelte an ihrer Wahrheit dann aber übermittelte der englische Oberbefehlshaber die in Europa festgelegten Bedingungen, die auf die Deutsch-Ostafrikaner Bezug hatten, des Inhalts, daß nach dem ß 14 die Schutz­truppe sich bedingungslos zu ergeben habe...

Da war kein Zweifel mehr, daß der heroische Kampf, den man siegend vier Jahre lang gegen eine unbeschreibliche Uebermacht geführt, z-u Ende war.

Man mußte die Nachricht vor allem auch den getreuen Askaris kundtun. Und die Schwarzen wollten sie einfach nicht glauben

sie wiesen immer wieder darauf hin, daß die Deutschen niemals besiegt werden könn­ten, das hätten sie ja selbst erlebt. Es kostete grenzenlose Mühe, sie davon zu überzeugen, daß die deutsche Sache vorerst verloren sei. Und dann war der Jammer groß. Sie kamen zu ihren deutschen Herren gelaufen und stam­melten immer wieder den einen Satz:

Wadatschi maneno wakali lakini roho mzuri!"

Das hieß:Die Deutschen haben strenge Worte, aber ein gutes Herz!"

Und sie verschworen sich, daß, wenn die Engländer die Kolonie behalten sollten, sie, die alten deutschen Askari, niemals in eng­lische Dienste treten würden! Deutsche Sol­daten wären sie gewesen und ihren deut­schen Herren würden sie treu bleiben über diese schwere Zeit hinaus!

So sprachen die schwarzen Kameraden zu den Deutschen, denen ein Schandvertrag jede

Begabung" zur Kolonisation abgesprochen und die verlogensten Greuel bezüglich der Eingeborenenbehandlung nachzusagen gewagt hat. Das war der Treueschwur in schwersten Tagen mitten im Feindesland, in Englisch- Rhodesien...

Die Uebergabe

Täglich fanden nach dem Eintreffen der Nachricht vom Waffenstillstand Verhandlun­gen zwischen den englischen Truppen und dem General v. Lettow-Vorbeck statt. General Deventer, der englische Oberbefehlshaber, ver­handelte mit dem deutschen Kommandeur wegen der Uebergabebedingungen und ersuchte ihn umzukehren, nordwärts zur Grenze, nach Abercorn zu marschieren, von wo aus er die Truppen über den Tanganjikasee und mit der Mittellandbahn nach Daressalam zurückzu- briugen versprach. Er verhieß die günstigsten Bedingungen, drückte die höchste Anerkennung für die Schutztruppe aus, beließ sämtlichen Offizieren und Unteroffizieren die Waffen.

Und es geschah: General v. Lettow-Vorbeck gestand zu, daß er den Rückmarsch antreten und sich mit den Seinen zu Abercorn in englische Hand geben werde. Danach zog man zehn Tage lang in langsamen Märschen auf der laugen Straße über Kasama nach Aber­corn stramm und frisch, trotz des endenden Verhängnisses, marschierte die Schutztruppe, mit allen Waffen und laut singend, an den englischen Bataillonen, welche die Straße flankierten, vorbei. Am 25. November 1918 traf sie in Abercorn ein, wo der englische General Edwards mit seinem Stab auf Lettow-Vorbeck und die Seinen wartete.

Die deutsche Trippe marschierte kompagnie- weise in Linie auf, die Offiziere wurden den Engländern vorgestellt, und die Askari legten Gewehre und Seitengewehre vor sich nieder. Manch einer dieser Braven schüttelte dabei den Kopf' er sah nicht ein, warum er feine Waffen, die er in Ehren getragen, nieder­legen mußte. Aber es waren ausnahmslos englische und Portugiesische Gewehre die Engländer sahen es mit verlegenem Staunen, daß die Deutschen ihnen nur ihre eigenen Waffen Wiedergaben...

Und sie beobachteten auch die Treue und Disziplin, die auch jetzt noch von den Askari gezeigt wurde...

Und ihr habt doch gesiegt!"

Das ist ein englisches Urteil. Hauptmann v. Ruckteschell wiederholt in feinem Bericht, was ein höherer englischer Offizier ihm zu Abercorn sagte, als der Deutsche seine Askari vorbeiführte:

Mein Herr! Gestatten Sie, daß ich mir diese Leute ansehe. Wir alle haben hier den Krieg mitgemacht und haben oft den Wunsch gehabt, nachdem wir so viele verschiedene Stämme der englischen Kolonialvölker kennen gelernt und viele Kompagnien gesehen haben, auch eine der deutschen Kompagnien zu sehen, deren Leistungen Wohl niemand bester als wir

beurteilen kann. Nun Wundern wir uns nicht nur über den guten Zustand und die straffe Haltung Ihrer Leute nein, wir verstehen vor allen Dingen nicht, wie es möglich ist, daß Sie diese bei so guter Laune und so vor­züglicher Gesinnung erhalten haben. Wir, die wir stets mit Ihnen gefachten haben, sind anderer Meinung als unsere Herren daheim; wir gönnen Ihnen Ihre Kolonie, und ent­gegen der überall verbreiteten Meinung, die Deutschen verstünden es nicht, mit den Ein­geborenen umzugehen, müssen wir Ihnen sagen, daß die Haltung Ihrer Leute das Gegenteil beweist. Wir haßen mit Ihren Leuten gesprochen, die heute noch stolz darauf sind, deutsche Askari zu sein, und gratuliere Ihnen zu diesem Erfolg. Mein Herr: In diesem Land sind wir unterlegen und Sie haben gesiegt!"

Die Heimkehr

Von Abercorn ging es, den Bedingungen gemäß, nach Daressalam. Hier dezimierte eine Grippeepidemie den letzten Rest der deut­schen Schutztruppe, die endlich am 17. Januar 1919 sich nach Europa einschiffte. Auf dem Weg über Kapstadt traf sie gegen Ende Februar in Rotterdam ein. Hier wurde sie von zahlreichen bei der Landung erschienenen Deutschen begeistert begrüßt; auch die Hol­länder bezeigten den ruhmgekrönten Helden ihre Hochachtung und Bewunderung.

In Deutschland abr trafen die Ostafrikaner auf eine fremde Heimat. Roter Verrat und rote Schande waren über das Vaterland hereingebrochen. Immerhin hielten selbst die Novemberlinge es für geboten, der siegreichen Schutztruppe wenigstens eine kleine wohlver­diente Ehrung zu bereiten: mit dem General v. Lettow-Vorbeck an der Spitze zog sie, mit ihren Waffen und mit klingendem Spiel, durchs Brandenburger Tor in Berlin ein umjubelt und ergriffen bedankt von allen da­heim, die guten und deutschen Herzens geblieben waren. Allen voran dankte Deutsch­lands größter Heerführer, dankte der General­feldmarschall v. Hindenburg den Heim­kehrern :

Möge Ihr Beispiel, wie dem Feinde, so auch dem deutschen Volk zeigen, was deutsche Festigkeit selbst in widrigster Lage vermag, und ihm die -Kraft geben, auch in der Zeit tiefsten Niederganges und schwerster Gefahr den Glauben an sich und seine Zukunft hoch­zuhalten !"

Diese heldischen Worte gelten bis in alle deutsche Ewigkeit für alle Heroen der großen afrikanischen Tragödie, für die Kämpfer von Deutsch-Südwest und Kamerun so gut wie für die Deutsch-Ostafrikaner. Und daß endlich unser Volk wieder zu zeigen begann unter einem genialen Führer,was deutsche Festig­keit selbst in widrigster Lage vermag", das ist

wir lasen es ergriffen in seinem Testament!

das Alters- und Abschiedsglück des sterben­den Generalfeldmarschalls und Vaters des Vaterlands gewesen...

E n de.

der Mond im zweiten Alt

Wenn man durch die Straßen Kopen­hagens geht, so erscheint es einem ausgeschlos- eu, daß hier jemals etwas Schlimmes und Schreckliches passieren kann. Diese Stadt ist die harmloseste, die sanfteste, die friedlichste Stadt, die auf der ganzen Erde zu finden ist. Man weiß zum Beispiel auch, daß in der dänischen Kolonie Island bis vor kurzem keine Polizei bestanden hat, einfach, weil sie niemals benötigt wurde. Auch die Arbeits­losigkeit hat dieses Land als letztes. heimge- 'ucht. Nein, den Dänen kann man einfach eine, schlechte Handlung nicht zutrauen, noch weniger aber eine unerklärliche, von der Norm abweichende Tat. Und trotzdem scheinen ich in Kopenhagen finstere Dinge zutragen zu können...

Kopenhagen besitzt zum Beispiel ein Opern­haus. Auf dem Spielplan dieser Bühne steht wie das so bei Opernhäusern der Fall ist di OperDer Freischütz". Jedermann weiß, daß in diesem Stück im zweiten Akt allerlei unheimliche Dinge Vorgehen. Da ist die Wolfsschlucht. Leise, ganz leise schiebt der Bühnenmeister auf geräuschlosen Rädern eine täuschend nachgemachte Wildsau über den Hintergrund der Bühne. Aus der Versen­kung ertönen geheimnisvolle Stimmen. In Pech und Schwefel gehüllt, erscheint Samiel, der Herr der Hölle. Einige Pulverfrösche knallen zu seiner Begrüßung. Und über diese gesamte trostlose Angelegenheit geht nach hundert Takten Musik strahlend ein wunder­barer Bühnenvollmond auf.

Allen anwesenden Damen läuft ein tiefer Schauer über den Rücken und das Abend­kleid. Kein Mensch rührt sich. Es ist ein er­habener Augenblick schönster Theaterromantik, aus Pappe, Blech und Tüll.

Nun ist das Sonderbare geschehen, daß bei einerFreischütz"-Aufführung eben in dieser Minute ein junger Mann auf der Galerie von dem Scheinwerferlicht des Mondes der­artig angezogen wurde, daß er lautlos seinen Platz verließ, sich auf die Balustrade der Ga­lerie schwang und still für sich einen kleinen mondsüchtigen Spaziergang unternahm. Teils vor Grauen, teils vor Ergriffenheit, vor lauter Kunstverständnis wagten die Theater­besucher es nicht, den jungen Mann in seinen Anwandlungen zu stören. Das Unglück oder vielmehr die Partitur Carl Maria von We­bers will es aßer, daß unmittelbar darauf die Hörner mit heftigem Fanfarenstoß einsetzen. Darauf war der junge Mann nun in keiner Weise gefaßt. Er verlor das Gleichgewicht, schwankte einige Male hin und her und fiel

zum Entsetzen des Publikums einem älteren Herrn im Parkett auf die Glatze...

Ja, gruselige Geschichten begeben sich in Kopenhagen, aber Sie haben vielleicht alles geglaubt, was ich Ihnen jetzt erzählt habe? Diese seltsame Geschichte entstammt einer Nummer einer Kopenhagener Zeitung aus dem Jahre 1845.

Falsch verbtW-sn

Boi einem Schadenersatzprozeß, der kürz­lich vor einem Pariser Gericht verhandelt wurde, kam die ganze Sache heraus. Sie ist ebenso spaßhaft wie kostspielig gewesen:

Im Jahre 1932 begann sie. Damals war einem Pariser Fischhändler eine Telephon­nummer zugeteilt worden, die bislang einem großen Industrieunternehmen derLichtstadt" gehört hatte. Die Folge dieser Neunumme­rierung war, daß der Fischhändler beständig von Kunden des früheren Eigentümers der Nummer angerufen wurde bis ihm und seinem Angestellten eines Tages die Geduld ausging. Sie gaben ihrem Aerger dadurch Ausdruck, daß sie den Leuten, die irrtümlicher­weise angerufen hatten, irreführende Ant­worten gaben. Im allgemeinen beantworteten sie jede Anfrage mit einem inbrünstigen »Ja!" Fragte man beispielsweise, oh die Firma geneigt sei, in einen Rechnungsabzug zu willigen oder einen Wechsel zu prolon­gieren, so erfolgte stets die Antwort:Aber warum denn nicht? Das ist doch ganz selbst­verständlich! Mit dem größten Vergnügen!"

Und wenn ein Kunde anfragte, ob ihm die - Firma sofort bestimmte Artikel liefern könne, so hörte er am Telephon ein verbind­liches:Jawohl, sofort, wird umgehend be­sorgt!"

Bis endlich die Sache schief ging. Eines Tages hatte der scherzhafte Fischhändler auf eine eilige Frage durch einen Mann, der aus 250 Kilometer Entfernung angerufen hatte, durch fein übliches liebenswürdigesJa­wohl!" bestimmt, eine Reise nach Paris anzu­treten, die nur erfolgte, weil er auf seine Frage eine bejahende Antwort erhalten hatte bis er sich Lei seinem Eintreffen in der Hauptstadt genasführt sah.

Da strengte der frühere Inhaber der Tele­phonnummer eine Klage gegen den humori­stischen Fischhändler an und machte Schaden­ersatzansprüche in der Höhe von zwanzig­tausend Franken geltend. Diese Klage ist soeben entschieden worden den Fischhändler hat sein Dauerscherz, den er zwei Jahre hin­durch mit inbrünstiger Befriedigung betrieb, die eingeklagte Summe gekostet.