fuß über das stoppelstarrende Feld dem Ziel entgegen. Schweißtriefend und keuchend geht der Erste durchs Ziel. Eine Krone aus Flitter wird ihm aufs Haupt gesetzt und als Preis ein festlich geschmückter Hammel zugesührt. Nur Schäfer. Schäfersöhne und Schäser- knechte dürfen sich am Lauf beteiligen.

Nun kommen die Schäfermädchen dran. Wie fußeln sie in raschestem Lauf über das Stoppelfeld dahin! Wie stieben die Röcke! Wie leuchten die farbigen Leibchen und die weißen Aermel! Wie glühen die Wangen! Die Erste schießt durchs Ziel. Sie ist die Schäierkönibin und erhält gleich dem Schäier- könig auch ihre goldene Flitterkrone, und es wird ihr ein Mutterschaf zugeführt, und io sind die beiden das Siegespaar des Tages. Neue Wettläufe schließen sich an und viele der Schäfer erhalten noch irgendeinen an­deren Preis. Allerhand Tanzbelustigungen folgen, der alte Bechertanz, der Hahnentanz usw. Die Schäfer, die den ganzen Sommer vom Bauern, der unter drohenden Wolken vielfach hastig und eilig seiner Arbeit nach­gehen muß, über die Achsel angesehen wer­den. sind die Herren und Könige des Tages, und die Bauern, die aus allen Dörfern ringsum herbeigeströmt sind, bilden heute die Zuschauer.

Mit dem Schäserlau? ist natürlich auch ein Markt verbunden. Neben dem überall ver­tretenen kleinen Jahrmarktstand werden Klei­dungsstücke. bäuerliche Arbeitsgeräte zum Verkauf angeboten, Fässer, Zuber Leitern für die herbstlichen Geschäfte. Mostpressen, Rechen. Gabeln. Sensen. Ein bunte? Leben und Treiben wälzr sich durch die Gassen da­hin.

Auszug aus den Alpen

Von Dr. Karl Reiser

Macht sich mit dem Monat September durch die rauheren Nächte und den Rück­gang der Vegetationen die Ankunft des Herbstes immer mehr auf den Bergen fühl­bar. so erfolgt, meist von Hirten und Sen­nen längst ersehnt, der Auszug aus der Alpe. Für die Galtalpen de^ Oberstamener, Jm- menstädter. Oberstdorser und Hindelang- Hintersteiner Gebietes, wo die meisten und größten Galtalpen des Allgäus liegen, ist hiefür der herkömmliche Termin der Vortag des ersten Staufener bzw. Sonthosener Vieh­marktes, also der l2. oder 13. September; der Auszug aus den Sennalpen. die wesent­lich tiefer liegen, erfolgt fe nach der Lage der Alpe, dem Stand der Weide und der Be­schaffenheit der Witterung später, vielfach auf Matthäi. 21. September.

Ein alter Brauch ist es. daß in den Ge­nossenschafts- und Gemeindealpen, aber auch vielfach in den Privatalpen zum Abzugge­kränzt" wird, wenn in der Alpe während des Sommers kein Nnglücksfall vorgekom­men, d. h.. wenn kein Stück gefallen. Die Sennen und Hirten tragen auf dem Hute Blumensträuße und die beste oder schönste Kuh oder das schönste Rind erhält um Stirne und Hörner einen schönen Kranz aus Nelken und sonstigen Gartenblumen und Zweigen und Laubwerk von Rosmarin, Eiben. Stechpalmen, den meist die Töchter der Alpbesitzer fertigen. Wie beim Alpzug kommen auch wieder die großen Zugglocken und Zugschellen zur Verwendung.

Sobald das von den Galtalpen unter der Obhut der Hirten in geschlossener Herde heimziehende Jungvieh mehreren Besitzern zugehört, was fast immer der Fall ist. so erfolgt zu Tal bei der ersten Wegscheide oder Ortschaft, von wo das Vieh einzeln verschiedene Richtungen einzuschlagen hat, die Auflösung der geschlossenen Herde oder der sog. Viehscheid, d. i. die Ausscheidung und Uebergabe der Einzeltiere an ihre Besitzer, die sich hiezu eingefunden, womit das Amt des Hirten oder Oberhirten und seine Ver­antwortlichkeit den Abschluß findet.

Der bedeutsamste und interessanteste der Allgäuer Biehscheide ist unstreitig jedesmal der Oberstdorfer, der etwa eine Viertelstunde vom Markte entfernt, südlich von Loretto. auf freier,, grüner Ebene, unweit des Nord­fußes des Himmelschrosens und inmitten eines herrlichen Gebirgskranzes. stattfindet, und der sich von jeher eines besonderen Rufes und Ansehens erfreute.

Außer dem zahlreichen Landvolke aus verschiedenen Ortschaften der Umgegend, das sein heimkehrendes Vieh erwartet und in Empfang nehmen will, erscheinen gewöhn- Irch auch verschiedene Viehhändler und Vieh­liebhaber, und bei einigermaßen günstiger Witterung werden meist auch sonst eine Menge Zuschauer und Neugierige angelockt. Eine große Bride zur Verabreichung von Bier, von Brot, Würstchen. Käs ist aufge­schlagen, auch einige Tische und Bänke, die bald von dem ankommenden zahlreichen Volke besetzt sind, das die Ankunft der Her­den erwartet. Bekannte aus verschiedenen Ortschaften treffen sich, Händler halten Um­frage und suchen Kaufgeschäfte einzuleiten; andere treiben inzwischen zum Zeitvertreib Neckereien und Scherz, und es entwickelt sich bald ein fröhliches Treiben und eine Art Volksfest. Inzwischen halten verschiedene fleißig Umschau und spähen nach den ersten Anzeichen der Annäherung einer Herde. End­lich lassen sich vom Himmelschrofen her ein­zelne Klöpfschellen vernehmen, bald auch das Geklingel und Eeschäpper der vielen

kleinen Herdeglocken und Scheven; m kurzem kommt eine Herde in Sicht, von der bie Kun­digen schon von weitem zu bestimmen wis­sen. ob es der Tausersberger oder ob es Birnwang, Rc-ppenalp. Haldenwang oder die Biberalpe usw. ist. Bald defiliert die heran­gekommene Herde an den in Spalier aufge-

prächtiges Marktvieh, das von Tannberg, vom Montafon usw. über das Gebirge her kam. um am Sonthoser Markt ausgetrieben zu werden, und das gewöhnlich in der Birgsau genächtigt hatte. Fremde Viehhänd­ler und Käufer erschienen da oft in Menge aus dem Plan, zur ersten Heerschau, zu Vor­

Almabzug

stellten Anwesenden vorbei; das Aussehen der Tiere wird besprochen, und besonders die Vieheigentümer und das direkt beteiligte Landvolk können es kaum erwarten, suchen­den Blickes des auf die Alp gegebenen und nun zurückkehrenden Rindes oder Kalbes usw. ansichtig zu werden und über deren Fortschritt im Wachstum und das Aussehen und Befinden ein Urteil zu gewinnen. All­seits werden Zurufe und Glückwünsche laut, wenn die Hirten mit Sträußen auf dem Hut und an den Geißeln oder Stecken erscheinen und das schönste undgangste" Rind reich­lich bekränzt ist, zum Zeichen, daß der Som­mer in der Alpe glücklich und ohne Unstern verlaufen ist, was freilich oft genug nicht der Fall ist. In dem umzäunten Scheiderauin, in den die Herde einlenkt, erfolgt die Aus­scheidung, was leicht vonstatten geht, da der Hirt ja jedes Stück genau kennt, ebenso des­sen Eigentümer und Bestimmungsort. In kurzer Zeit ist die Ausscheidung erledigt, bis wieder eine neue Herde heranrückt, was oft erst nach längerer Zwischenzeit der- Fall ist.

Wenn auch einzelne Besitzer mit ihrem in Empfang genommenen Vieh sogleich den Heimweg antreten, so sammelt sich doch auf dem Wiesenplan allmählich eine größere Menge von Vieh an. da sich Zugehörige der einzelnen Ortschaften meist einander auswar­ten und dann gemeinschaftlich abziehen. Frü­her ward die Viehschar gewöhnlich auch noch sehr wesentlich vergrößert durch zahlreiches

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käufen und Einleitung von Geschäften, so daß der Oberstdorser Scheid jedesmal einen ziem­lich verläßlichen Gradmesser abgab für den auf dem berühmten Sonthosener Markt zu erwartenden Geschäfts­gang und Viehumsatz.

Im Walsertal ist vor dem Auszug aus den Alpen vielfach das Letzele" gebräuchlich. Da fin­den sich am Abend vorher verschie­dene Angehörige und ledige Leute aus der Nachbarschaft oder den den Alpen nächstgelegenen Häusern in der Sennhütte ein, und nun wird eine Art Abschied von der Alm ge­feiert, bei dem es stets lustig und vergnügt zugeht. Brot, Butter und Käse kommen nicht vom Tisch; man sorgt für Getränke, Wein, Bier oder Schnaps, und es wird gegessen und getrunken; es werden Spiele ge­macht, und meist kommt es auch zum Tanzen bis spät in die Nacht.

Die Maiken besorgen auch die Her­stellung von Kränzen und Sträußen, wenn man in der Alm während des Sommers keinen Unglücksfall zu verzeichnen hatte. Früher wurde oft die ganze Nacht hindurchge- letzelet".' (Riezlern.)

(Aus: Sagen, Gebräuche- und Sprichwör­ter des Allgäus, Zweiter Band. Verlag Jos. Kösel, Kempten.)

faltiges Brauchtum haben sich in der Baum-- pflege herausgebildet. In den heiligen 12 Näch­ten schüttelt oder schlägt man da und dort die- Bäume, umwickelt sie mit Stroh, umtanzl sie sogar oder umfaßt sie mit den Armen, an denen noch Teig vom Kneten des Weihnachtsgebäckes- hängt; damit sie gesund bleiben und wohl tra­gen sollen. Das Setzen und Veredeln soll maw im zunehmenden Mond vornehmen. An Fast­nacht soll man die Bäume putzen und Edel­reiser holen, in anderen Orten wieder am Kar­freitag. An Allerheiligen und an Allerseelen^ also im November, soll man die Bäume um­graben und düngen. Die ersten Früchte eines- jnngen Baumes soll man möglichst nicht ab­pflücken, oder soll sie nur der Hausherr abneh­men oder das jüngste Kini des Hauses. Scharr längst sind Kirschen und Pflaumen reis gewor­den. Auch Frühbirnen und Frühäpfel. Au Bartholomä (24. August) ist kein Apfel und- keine Birne mehr grün, sagt eine alte Bauern­regel. An Gallustag gehört der Apfel in Sack, weiß eine andere. Zwischen diesen beiden Ter­minen ist also die Obsternte, eine herrliche und- sröhliche Zeit, eine schöne und köstliche Arbeit. Wie schön ist es schon, auf den lieben heimeligen grünen Rasenpfaden oder auf feinkörnigen Kieswegen zwischen den unzähligen Gärten hindurchzugehen und den Menschen beim Obst­pflücken zuzusehen. In wortloser Profitlichkeit und in jubelnder Herbstfreude werden da die Gartenfrüchte eingetan, wird vorab das Obst von den Bäumen geschüttelt und gepflückt. Ha! da prasselt's wie mit kurzen Peitschenschlägen im Tempo eines Maschinengewehrfeuers auf den Boden, und emsige Hände lesen auf. Lieb­los und völlig entfremdet dem geheimnisvollen Leben der Baumnatur und blind für seine volle Schönheit werden zwar da und dort auch Bäume, deren diesjähriger Ertrag meistbietend ersteigert wurde, ihres Segens beraubt, und Baumschänder sind barunter, welche die zarten jungen Zweige in Menge mitleidlos von den Bäumen herunterschlagen. Doch haben die mei­sten Menschen noch Ehrfurcht und Liebe für das Heiligtum des Lebendigen auch m Baum und Strauch, wenn diese Tugenden auch im Zwie­licht liebenswürdigen und wohlverständlichen

AepfelsLritteln

A Volkmar

Mr Wrt unter Äp

> M'r sitzet unter Aepfelböm, t M'r sitzet unter Nusfa so beginnt ein schwäbisches Volkslied, und das Bild, das dabei vor unseren Augen aufsteht, paßt nirgends so gut hin wie nach Schwaben.

Ueberall in deutschen Gauen, von den frucht­baren, obstwaldüberfluteten Ufern des Boden­sees bis herauf an die Marschen, finden wir Anbau und Pflege des Obstbaumes. Die aller- stärkste Verbreitung aber hat der Obstbau im mittleren und nördlichen Württemberg, im Neckarland, gefunden. Hier kommt auf das Hek­tar Land die größte Zahl von Obstbäumen in ganz Deutschland. Es wäre eine köstliche Sache,

all die mannigfaltigen Obstsorten an Aepfeln und Birnen aufzuzählen, ihre Art und Güte zu zeichnen. Sie sind verschieden, je nach den Gegenden. Aber überall in deutschen Landen ist die gleiche Freude am Baum und Obst zu Hause und es gibt eine gewisse Verschwisterung von Baum und Mensch, so daß man überall die schöne Sitte trifft, bei der Geburt eines Kindes einen Baum zu Pflanzen, auch die gemütstiefe Sitte, daß man den Bäumen da und dort den Tod des Bauern anzeigt. Ja, plötzliches Krän­keln und Absterben eines Obstbaumes zeigt nach dem Volksglauben sogar den Tod des Haus­herrn an. Glaube und Aberglaube und mannig­

Eigennutzes stehen. Und die meisten Früchte, wenigstens viele Aepfel und Birnen, werden sorgsam gepflückt. Da steigen die Obstpflücker vergnügt in den grünen, durchlichteten Räumen der Bäume herum und brechen mit behutsamen Fingern Frucht um Frucht und reichen sie in gefüllten Körblein froh herunter. Oft fliegen Neckwort und Scherzwort hin und her, wenn oben ein junger Bursche pflückt und unten war­tend ein Jungmägdelein die Schürze spreitet. Dann steigt der Bursche gipfelwärts und holt den allerschönsten Apfel, der von allen frischen Winden gesundgeblasen und von allen linden Lüften umschmeichelt wurde, der nun einen ganzen Sommer lang im Vollgenusse aller Sonnenwärme, die den unendlichen Raum zwi­schen Himmel und Erde füllte, langsam heran­reifen durfte, und wirft ihn in die wartende Schürze, nimmt dafür köstlichen Tribut aus den leuchtenden Augen und köstliche Versprechun­gen von dem blühenden Mund, der kein Wort spricht und doch viele schöne Dinge verheißt. Aber die Schürze hat noch nicht genug. Sie bleibt weit ausgebreitet, und die leuchtenden Augen sind bereit, in unzähligen Funken noch weiteren Tribut zu geben für die köstlichen Früchte vom Baume des Lebens, die kein har­tes Gebot verweigert. Alles her! Alles, was du zu geben hast, du reiche, bunte, gesegnete Welt alles!

Jawohl, alles, was er hal. gibt der Herbst, ein König, der im Sterben sich selbst ver­schenkt. Und unzählige Menschen dürfen da­stehen mit weitgespreiteten Schürzen und geöffneten Händen, dürfen empfangen und empfangen, einheunsen und bergen, und Keller und Bodenräume füllen sich.

Ihr Menschen, die ihr so einheimfen dür­fet, denket auch der andern und schenket und schenket. Gibt es köstlichere Geschenke als rot­backige. kernige Aepfel und saftige Birnen. Schenket, daß auch andere im schönen Kreis des Liedes atmen dürfen:

M'r sitzet unter Aepfelböm.

M'r sitzet unter Nusia.

Obsternte

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Herausgegeben >m Auftrag der AS.-Presse Würt­temberg von Hans Reyhtng (Ulm a. D.)«