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Erntezeit m Altbanern
Von Lorenz Strobl
Blitzblank wölbt sich der blaue Abendhimmel über das friedsame Bauerndvrfel. Das Barometer ist gestiegen. Die ferne Alpenkette liegt von einem lichten Dunstschleier rimwoben im Süden hinter den beschwingten Hügelwellen. Der Flötz lHausgang) ist bröserltrocken. In den höchsten Höhen, nah am Himmelsblau schwimmen scherzend schlanke Schwalben als kaum wahrnehmbare Pünktlein. Kerzengerad steigt der Nauch
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Der Mähder geht anss Feld
iAus dem Kalender „Kunst und Leben")
aus dem Kamin. Ueber den westlichen ! Wäldern glutet das Abendrot, wirft einen satten Goldschein auf die wogenden, fruchtreifen Aehrenfelder. „Abendrot . . . guat Wetterbrot . . .!'
Mit dem ersten Hahnschrei um drei Uhr morgens, holt der Bauer die Arntleut aus der Kammer. Den Kopf unter die Brunnröhre gehalten, eiskaltes Quellwaffer darüber geschöpft — da werden die Augen frisch und blank. Die Knechte stecken den Blechkumpf (Behälter für den Wetzstein) in den Leibriemen. der die Hose hält. Stopfen einen Bauschen taunassen Klee dazu, auf daß der Wetzstein ständig feucht zum Nachschärfen der Sense im Kumpf bleibt. Die Sensen werden geschultert. Schweigend ziehn die Leut aufs Feld. Bis der Mesner um vier Uhr morgens zum Gebet läutet, liegen schon breite Kornschwaden auf dem Ackerfeld.
... . Unser täglichs Brot gib uns heunt . .'
Der Erstknecht betet vor, die andern im Chore nach, und mit „Schsch . . schschsch . ." frißt die Sense wieder weiter, brerte Gasten rn das wogende Halmenmeer. Nur ab und zu hält ein Mäher still, wenn er den Schweiß von der Stirne wischt oder mit dem Wetzstein die Sense schärft.
Lerchen steigen trillernd aus. Eine Reb- huhnkette schnarrt zum Kartoffelacker hinüber. Ein Hasenpärchen geht knapp vor dem Sensenstahl in Flucht. Da läutet das Freßglöckl vom Hof herüber. Kaffee mit Mehlschmarrn oder Suppe mit Brot ist die Morgenmahlzeit der Arnter, dann geht die Arbert weiter, bis die Bäurin um neun Uhr den ..Untern' auf das Feld bringt. Die Eh- halten lagern am Rain. Die dicke Kugel mit ..Schöps', dem dünneingesottenen und daher billigerem Erntbier geht reihum, nimmt den Anfang beim Oberknecht und geht von der jüngsten Dirn wieder in dessen Hände zurück. Rettiche werden geschnitten und gesalzen, dicke Scheiben mit dem Messer vom Brotlaib gefabelt. Scherzworte fliegen hin und her. Ist der Bierkrug leer, geht man mit einem „Gottsnam' die Arbeit wieder an.
Emsig schaffen die Dirnen den Knechten nach. Werfen Bänder, häufeln die Schwaden. binden Garben und stellen je sieben zu einem ..Manndl' zusammen. Kommt noch eine Garbe als Regenschutz und Kappe oben auf die Manndl. wie es in früheren Zeiten immer geschehen, so haben wir den ..Kapuziner'. Der Name ist heut noch üblich, mag von der Form der Manndl Herkommen, vielleicht auch noch von dem Zehent, der an Klostergüter abgeliefert werden mußte.
Mit dem Elfuhrglockenläuten gehen die Mähder zum ..mittagln' nach Hause. Die Dirnen werden dabei von den übermütigen Knechten noch ausgiebig mit Master begossen. auf daß die Sommerhitze ihre Backen nicht allzusehr bräune.
Wie Soldaten in Reih und Glied stehen die Kapuziner auf dem Feld. Um drei Uhr gibt es zur Brotzeit Bier. Schöps. Rettich und Brot, um sechs Uhr zum Nachtmahl Kraut und Nudeln. Damit war zum An fang das Tagwerk geschafft. *
Ist trockenes Erntwetter, beginnt bereits vm dritten Tag nach dem Mähen das Ein
fahren und nun müssen alle «ein amu i^r>, in die Sträng. Der fünfjährige Sepperl sitzt als ..Vürschifahrer' (Vorwärtsfahrer) auf dem Handbräunl. beruhigt die Pferde wegen der bösen Bremsfliegen und lenkt sie beim Fahren von einem Manndl zum andern. Der erste Knecht gabelt die Garben, die Dirn „faßt' und richtet bas Fuder in sechs ..Schaden' (Lagen) übereinander.
Die erste Fuhre bringt der Bauer selber heim, fährt dabei über eine Schüssel mit Eiern, Fleisch und Mehl, die von der Bäurin im Hofraum aufgestellt worden ist. Kommt das Geschirr zwischen die Räder und bleibt unbeschädigt, gibt es eine gute Ernte. Der Inhalt der Schüssel muß alsdann an eine arme Person verschenkt werden, die nach der Erntprob zum ersten den Hof betritt.
Ehvor der Erntwagen in die Scheune poltert, ruft der Knecht aus der Tenne in einem Atemzug dreimal nacheinander dem Bauern zu: „Bauer, wos bringst?" Worauf der Bauer ebenso schnell dreimal zur Antwort gibt: „Den Kindern Brot, den Mäusen Tod!"
Die erste Fuhr wird rückwärts über ein Kreuz oder einen andern geweihten Gegenstand in den Stadel geschoben. Hiedurch ist dem Bilwißschnei- der oder Bockreiter der Eintritt in die Scheune verwehrt, aus der er Korn und Weizen stehlen möchte. Auch die erste Fuhr Dünger für das Sommerfeld muß verkehrt aus dem Hofraum gefahren werden, um den Teufelsschneider von den Feldern zu bannen.
Nach dem Abladen der ersten Fuhre darf das Bodenbrett des Wagens nicht umgewendet wer- Heinrich Otto den, weil sonst soviele Mäuse in die Scheune einziehen als Körner auf den Boden fallen. Um den Blitz vom Stadel abzuwehren, hat der Bauer ein geweihtes Antlaßkranzerl vom Fronleichnamstag und Palmkätzchen vom Palmtag in die erste Garbe gebunden. Von den Fischen, die am Karfreitag verzehrt werden, werden ebenfalls einige'Gräte im Getreidestock versteckt, um die Mäuse zu vertreiben.
Wer am Karfreitag sich des Wassertrinkens enthalten, hat auch während der ganzen Ernte keinen Durst zu leiden. Am gleichen Tage soll auch keine Fliege oder Mücke getötet werden, da dieselben sonst in den Erntwochen zur bösen Plage werden.
„Dich hob i scho lang gsuacht', scherzt der Knecht und wirft die letzte Garbe der Fuhre in den Stock.
Tag für Tag geht nimmermüd die Arbeit fort. Beim ersten Hahnschrei vom Strohsack. mit dem letzten Abendsonnenstrahl zur Ruh. Braungebrannt find Gesicht und Hände der Schnitter und Dirnen. Me Scheuneu füllen sich bis zum obersten Sparren.
Die letzte Fuhr schwankt mit einem „Gotts- dank' in ore Tenne. Zur gleichen Zeit schlägt der Bauer einem bauchigen Fäßlein in der Stube das Spundloch ein. Von der Kuchl herein duften schmalzig und süß die Nudln und Küchln.
Der Funcker holt die Ziehharmonika aus dem Kasten. Die Dirnen werfen sich nach Feierabend in Staat.
Der Mesner läutet den Abendsegen.
Das Seelenglöckl hat noch nicht ganz ausgebimmelt, da hupft schon eine kecke, ausgelassene Landlerwers gar bis zum stillen Bauernfreithof hinüber.
„Mdada ... mdada ... mdada ..
Der Starl steckt sein silbergraues Köpf! aus dem Koben am Holderbaum, macht ein Paar Zwitscherer, schaut in den vollen Mond glei
Federnest.
Die ..Arnt' ist aus!
und kuschlt sich gleich wieder ins warme
Ser Zwerg und die GecileiMre
Erzählung von Heinrich Seidel
Ein wohlhabender Bauer stand in seiner Scheune und schaute behaglich den mächtigen Segen an. den ihm ein günstiger Sommer gebracht hatte. Bis an den Giebel hinan waren alle Fächer gefüllt mit goldenen Garben. und das nicht allein: auf dem Felde standen noch einige stattliche Schober, die keine Unterkunft mehr hatten finden können; so reich war die Ernte gewesen. Dabei war das Stroh so lang und die Aehren so voll wie lange nicht, ja der Hafer hatte sogar das dritte Korn, während sonst an den einzelnen Stielchen seiner Aehre nur zwei wie kleine Kanarienvögel sitzen und das dritte dazwischen gemeiniglich verkümmert.
Als er nun so stand und an das Dreschen im Winter dachte und an die Wagen, mit feisten Kornsäcken beladen, die er in die Stadt und an den Müller liefern würde, und im Geiste schon die vielen blanken Taler in seinem Kasten klingen hörte, da raschelte es
Fllnz rmse in einem Hausen Stroh, der auf der Tenne lag. Der Bauer glaubte, es sei eine Maus, und packte seinen Stock schon fester, um ihr den Garaus zu machen: allein er verwunderte sich fast, da statt eines solchen Tierchens ein Etwas, so leuchtend wie Klatschmohn, aus dem Stroh hervorkam. Nun arbeitete es sich ganz zum Vorschein und stand da, nicht größer als eine Maus, die auf zwei Beinen geht. Es war ein Zwerg in grauer Kleidung mit einem roten Käppchen aus dem Haupte. Dieses lüftete der kleine Wicht gar höflich und sprach mit einem winzigen Stimmlein: „Herr Bauer, ich habe ein großes Anliegen an Euch.' — „Nun, was willst du denn, kleiner Mann?" fragte dieser. Das Zwerglein sprach: „Reichtum und Fülle ist bei Euch eingekehrt. Wolltet Ihr nun die große Güte haben, mir alltäglich um diese Zeit von Eurem Ueberfluß eine Gerstenähre zu schenken, so soll dies nicht zu Eurem Schaden sein.'
Der Bauer, der wohl wußte, daß man gut daran tut, sich das kleine Bolk freundlich zu erhalten, sprach: „Gewiß, das soll geschehen, kommt nur alle Zeit um die Mittagsstunde, so soll Euch werden, was Ihr begehrt."
Damit ging er an das Fach, zog eine schöne Gerstenähre hervor und reichte sie dem Männlein hin. Dieses wendete sich aber mit trübseliger Gebärde gegen das Häuflein Stroh, aus dem es hervorgekommen war. und sprach: „Ihr habt diesen großen Berg vor unsere Höhle getürmt. So er dort liegen bleibt, vermag ich nicht mit Eurer freundlichen Gabe unsere Wohnung zu gewinnen.' — „Nun. wenn's weiter nichts ist!" sagte der Bauer und schob mit dem Fuße das Stroh beiseite. Es zeigte sich nun an der Wand eine Oeffnung wie ein großes Mauseloch. Das Wichtlein lüftete wieder sein Mütz- chen und sprach in wohlgesetzten Worten seinen Dank aus. Sodann wuchtete es unter großem Schnaufen die Gerstenähre auf seine Schulter und schleppte seine Last unter ziemlichem Gestöhne von dannen. Den sperrigen Halm in das Loch hinabzubringen ward ihm auch nicht leicht; man sah an dem Zappeln der Aehre. wie das Männlein inwendig zerrte, und wohl eine halbe Minute dauerte es. bis der letzte Zipfel in der Oeffnung verschwunden war.
Der Bauer ging von nun an alle Mittage in die Scheune und gab dem Männlein feine Gerstenähre, und von dieser Zeit ab gedieh sein Vieh auf eine wunderbare Art. obwohl es weniger Pflege und Futter verlangte als sonst. Es war eine Lust, diese runden, glänzenden Schweine zu betrachten, die so fett waren, daß sie kaum aus den Augen sehen konnten und sich nur mit Mühe an ihren Futtertrog schleppten. So blanke Kühe, wie auf diesem Hofe, fanden sich bald weit und breit nicht. Sie gaben ohne Ende fette, sahnige Milch aus ihren strotzenden Eutern, und um die Butter, die die Bäurin in die Stadl schickte, rissen sich die Leute, denn sie war frisch wie Morgentau und süß wie Nußkern. Obwohl die Pferde des Bauern alltäglich nur einige Hände voll Hafer und ein wenig Heu verzehrten, waren sie doch glänzend und schön, und fromm und feurig zugleich leisteten sie vor dem Wagen oder dem Pfluge doppelt so viel als früher. Auch mit den Hühnern war es ein seltsames Ding. Sie legten und legten fast das ganze Jahr hindurch, jegliches alltäglich ein großes, rundes Staatsei, zuweilen gar mit zwei Dottern, und niemals geschah es, wenn eine Glucke gesetzt wurde, daß sich auch nur eines von den untergelegten Eiern faul erwies, oder daß später von den Küchlein der Habicht oder der Weih eines erwischte. Dies alles gefiel dem Bauern und der Bäuerin gar Wohl, und da sie recht gut wußten, wem sie diesen Segen zu verdanken hatten, so priesen sie das kleine Männlein alle Tage, und niemals ward die herkömmliche Gabe versäumt.
Eines Tages im Winter aber, als es bei Hellem Sonnenschein so recht Stein und Bein fror und die Eiszapfen wie gläserne Keulen von den Dächern hingen, saß der Bauer recht behaglich in seinem Sorgenstuhl am warmen Ofen und wartete auf sein Mittagessen. Es gab sein Lieblingsgericht, Schweinsrippenbraten, mit Pflaumen und Aepfeln gefüllt, und süße Düfte dieses köstlichen Gerichtes wehten jedesmal, wenn die Tür geöffnet wurde, verheißungsvoll aus der Küche hervor. Da er nun in der Erwartung des Guten so behaglich in der Wärme saß, empfand er eine Abneigung. hinauszuKhen in den eisigen Wintertag und die kalte Scheune, nur um der einen Keinen Gerstenähre willen. Er rief deshalb seinen Knecht und sagte ihm. was er tun solle.
Dieser, ein vorwitziger Gesell, hatte jchon lange Begehren getragen, das sonderbare Männlein, darüber man im Dorfe die wun
derlichsten Dinge erzählte, zu sehen, und ging eilfertig in die Scheune, wo er das Wichtleiik schon wartend autraf. Als er ihm den Halm nun darreichte, konnte er sich nicht enthalten, das kleine Geschöpf wie zufällig ein wenig mit den spitzen Granen der Aehre ins Gesichr zu kitzeln, also daß es sehr prustete und wunderliche Gesichter zog. Darüber wollte sich der Knecht vor Lachen innerlich ausfchütten. Als er nun aber sah. wie der kleine Mann mit schwerem Gestöhn den Halm auf die Schulter wuchtete und unter Schnaufen davonschleppte. da erschien ihm solches dermaßen lächerlich, daß er sich nicht enthalten konnte zu rufen: „Nun seh' einer das Krabauter- ding lTaschenkrebs). wie es sich hat. als wenn der Halm ein Bindebaum wäre!" Sodann schlug er mit den Händen mehrfach auf die Knie feiner Lederhosen und lachte unbändig. Zwischendurch aber rief er. wie die Zimmerleute tun. wenn sie schwere Balken bewegen: „Holz komm! Holz komm!' und höhnte das Männlein auf alle Weise. Dieses aber wart» im Gesichte so blutrot wie seine Mütze und warf zornig funkelnde Blicke um sich. Es schleppte, so rasch es vermochte, den Halm in das Loch hinein, und an dem hastigen Hin- und Hersliegen des vorstehenden Endes konnte man wohl bemerken, mit welcher Wut es inwendig zog und zerrte, bis der letzte Zipfel verschwunden war.
Am andern Tage, als der Bauer selbst kam. um dem Wichtlein die Gerstenähre zu geben, wartete er vergebens; es erschien niemand. Er rief es mit schmeichlerischen Worten und gab ihm die schönsten Namen, allein alles war umsonst. Auch am folgenden Tage kam es nicht, und so oft auch der Bauer um die Mittagszeit noch sein Heil versuchte, das Männchen war und blieb verschwunden.
Wie oft hat es der Bauer noch bereut, daß er damals nicht selbst gegangen ist und seinem Knechte vertraut hat! Denn von nun ab ging alles quer. Das Vieh stand an den Raufen und fraß und fraß Berge von Futter in sich hinein, und wenn alles verschlungen war, sah es sich mit glühenden, hun- rigen Augen nach mehr um. Dabei ward es jedoch immer rauher und magerer; die Kühe gaben wenig dünne und blaue Milch, und den Pferden standen die Hüftknochen also vor. daß der Knecht seinen Hut dort hätte anhängen können, wenn er gewollt hätte. Die Schweine wurden hochbeinig und dünn, und wenn sie einmal aus dem Stall gelassen wurden, da rannten sie wie die Windhunde aus dem Hose umher, was für ein Schwein eine ganz törichte Kunstfertigkeit ist. Auch mit den Hühnern war's vorbei. Sie kriegten den Pips und legten Windeier, und wenn sie mal ein ordentliches zu Gange brachten, so fraßen sie es auf.
Als der Bauer nun sah, wie alles hintev sich ging, verlor er die Lust an seinem Anwesen, und als er ein gutes Angebot erhielt, verkaufte er es. Er ist dann weit fortgezogen nach Rußland zu. wo die Polacken wohnen, .(Aus: Heinrich Seidel, „Wintermcirchen")!
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Garbenbinder
(Aus dem Kalender
.Kunst und Leben"):
Ludwig Dettmamr
Hoffnung
Und wenn im Dunkeln liegt dein Weg —< Das Glück kommt über Stein und Steg! Laß ihm ein Psörtlein offen:
Wer leben will, muß hoffen!
Alfred Huggenberger.
Herausgegeben tm Auftrag der NS.-Preffe Württemberg von Hans Reyhtng (Mm a. D.).