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EoMrbeilage -er NE.-Vresse Württemberg

August - Emtemon-

Von Hans Reyhing

Der August, der Erntemonat oder Ernting, ist der Höhepunkt des Bauernjahres.

Der Bauer ist es. der die beiden großen Erdhälften alles Seins im tiefsten erfühlt: Solange die Erde stehet, soll nicht aufhören Samen und Ernte. Frost und Hitze. Sommer und Winter. Tag und Nacht!'

Samen und Ernte! Der Ernte voraus Heht mühselige Arbeit. Pflügen und Hacken. Saat und Pflege, und immer zittert das Herz in der Hoffnung und Erwartung. Viele 'Feinde und Gefahren umlauern das Wachsen und Gedeihen, und immer gehen die Blicke Des Bauern aus nach Wolken und Winden, nach Wetter und Sonne. Immer zittert des Bauern Herz, wenn sich schwarze Wolken ballen und wenn scharfe Blitze zucken. Es kann Hagel fallen und alles vernichten. Auch sonst lauert Gefahr. Mäuse. Ungeziefer, Getreidekrankheiten. Sie alle können dem Heranwachsenden Getreide schaden.

Um diese Gefahren zu bannen, lucht der bedrängte Mensch allerhand Hilfen. Schon Die Saat wurde mit einem Aufblick zu Gott und mit stillem Gebet begonnen, und in katholischen Gegenden werden Flurumgänge, Die sogenannten Flur-Prozessionen, aus­geführt. Früher hat man zum Schutz gegen Die bösen Wetter dem Läuten besonderer Glocken, der Wetterglocken, helfende Kraft zugeschrieben, und auch heute noch wird die­ses Wetterläuten da und dort noch geübt, wenn ein Gewitter im Anzug ist, oder wird eben ein besonderes Geläute veranstaltet, das alles Unglück durch Gewitter abwenden sollte, wohin der Schall der geweihten Glok- ken dringe.

Tie Ernte ist der Zahltag des Bauern, der sich auf den letzten Sommer- und auf die ersten Herbstmonate beschränkt. Schon vor­her ist eine Ernte vorausgegangen, die Heu­ernte. doch die Hauptsache ist die Getreide­ernte. Hier wird das Brot,Unser täglich Brot', in die Scheunen geführt. Daß man -genügend Frucht einführen kann, daß man es gut einbringt, davon hängt das Leben und

jdie Gesundheit der Bauernfamilien und des ganzen Volkes ab. So gehen in der Ernte­zeit natürlich die Blicke aufmerksamer als sonst an den Himmel hinauf. Blauer Him­mel und Aehrengold, das gibt eine köstliche Farbenmischung, die des Bauern Herz er­freut. und so hat er sich vom Erntemonat, vom August, sein eigenes Idealbild geschaf­fen. Heiß muß es im August sein, dann ist -er Jahrlaus in guter Ordnung, dann kann eS auch einen guten Winter geben:

Jst's in den Augustwochen heiß.

Bleibt der Winter lange weiß.

!Doch soll in den heißen Tagen des August als Gutwetterzeichen reichlich Tau fallen, waS zugleich eine Notwendigkeit für das Heranwachsende Oehmdgras ist:

Der Tau ist dem August so not.

Wie jedermann fein täglich Brot.

Ist aber der August naß, dann ist es ein Schaden für das Korn und der ganze Jahr­lauf ist gewissermaßen in Unordnung, auch der Herbst wird nichts:

Wenn sie zum Himmel fährt.

Gewiß sie guten Wein beschert.

Bartholomäus sodann schließt gewisser­maßen den Sommer ab, und der Herbst be­ginnt, und wie er sich gebärdet, so ist dann auch der Herbst:

Wie Bartholomäitag sich hält.

So ist der ganze Herbst bestellt. ,

1 Der Herbst ist aber auch die Zeit der Saat.

Erntezett

Je dicker der Regen im August,

Je dünner der Must.

Oder kann es auch heißen: Nasser August macht teure Kost.

Ein bedeutender Wetterrichtungs- oder Lostag ist Mariä Himmelfahrt. Von hier strahlen gewissermaßen die Wetter- und Fruchtbarkeitszeichen nach allen Seiten aus, besonders auf die Trauben:

Mariä Himmelfahrt klarer Sonnenschein Bringt gerne viel und guten Wein.

Oder:

Hat unsre Frau gut Wetter,

Ludwig Richter

Die Erde muß wieder Feuchtigkeit haben: Weines an Bartholomäi regnet.

So gibt's guten Herbst.

Bartholomäi hat das Wetter Parat Für den Herbst bis zur Saat.

Auf keinen Fall soll der Sommer versuchen, nach Bartholomäi noch das Regiment an sich zu reißen.

Bartholomäi verbietet die weißen Hosen. Mit Donner und Blitz und solchen Tempera­mentsausbrüchen ist es nun vorbei:

Gewitter nach Bartholomäus Bringen Schaden und keinen Genuß.

Erntestürke und Ernte-Wunde

Von Hans Rehhing

Ist das ein Licht und Glanz über der Welt! Die heiße Augustsonne steht hoch am klar­blauen Himmel. Die weißen Kalkstraßen leuchten hell aus der sarbensatten Landschaft. Der Wiesen wohlgeratenes zweites Gras, das nun in wenigen Wochen duftendes Oehmd wird, zeichnet den wohltuenden grünen Unterton der Oeschfarben. Grün, mit einer leichten Tönung ins Helle, leuchtet auch der Haberösch da herüber. Notgolden und weißlich aber prangt der Kornösch in schöner Reife. Elfenbeinfarben sind die Halme, darauf sich die schweren Aehren wie­gen. Die schmalen Blätter sind abgedörrt, und man blickt durch die Gassen zwischen den Halmen dem Kornfeld ins Herz, wo noch rot wie Blutstropfen Adonis-Röschen blühen und wo in allen Tonarten die Grillen gei- gen. Ueber die sich leise regenden Kornfelder aber geht ein Flimmern und Glänzen, ein wundersames Sommerlicht und Gutwetter- leuchten. Und der Helle Glanz und die heiße Sonne, der blaue Himmel und das Aehren­gold samt dem Grillengetön, sie sprechen alle in ihrer Sprache: Nun ist die große Zeit des Jahres, schöner kann's nimmer werden Reife. Ernte!

Es ist Sonntag. Bedachtsam geht der alte Heide«r durch den Oesch. Den Sonntags­rock trägt er am Arm, und festlich leuchten die weißen Hemdärmel. Er muß die Augen zusammenkneisen; sie können mit all dem Glanz und all dem Licht kaum fertig werden. Der Helle Tag, und die schönen Felder mit ihrem reichen Segen tun ihm wohl und machen ihm das Herz froh. Dort der Acker ist sein. Wie eine Mauer steht das Korn da.

eine Pracht, daran man sich nicht satt sehen kann. Prüfend läßt er einige Aehren durch die Hand gleiten und verbeißt einen Kern. Kaum meistern ihn die alten Zähne. Er ist fest, und das Korn ist schnittreif.')

Die Blicke gehen nun über den ganzen Acker hin. Vor drei Jahren hat hier das Wetter ge­schlagen. Vor neun Jahren ist ein nasser Sommer gewesen, daß man die Frucht kaum heim­gebracht hat. Am 12. September hat er damals die erste Korn­garbe unter Dach getan. So­lange er lebt, kann er das be­halten. Die Sorge hat die Men­schen damals schier in den Bo­den hineingedrückt. Und dieses Jahr ein solcher Segen, ein solches Glück! Seine Blicke gehen an den Himmel hinauf, der den Fluren Regen und Sonnenschein, den Menschen Glück und Unglück zumißt. Wie oft hat er den Acker angesät!

Wie oft schon abgeerntet! Wie oft ist er mit dem Pflug über ihn gefahren. Ein Stück sei­nes Lebens ist gewissermaßen in diesen Bo­den eingeschrieben. Aus dem Aehrenseld wogt ihm in der sonntäglichen Gehobenheit und im Licht und Glück des schönen Tages etwas Besonderes entgegen, und aus seinem Her­zen spricht etwas Besonderes zum Acker. Ganz erfüllt davon geht er den Feldweg ent­lang und schreitet über den Wiesenplan dem Dorfe zu.'s ist reif, ma' ka' morge schneide' sagt er seinem Weib und sitzt dann noch ein wenig vors Haus.

ImHirsch" geht das Leben in einem an­deren Schrittmaß. Da subelt's und wogt's. da singt's und klingt's. und die Gret kann's kaum vermachen, die rasch leer werdenden Gläser wieder zu füllen. Man trinkt die Aehrnetstärke. So heißt es im Schwäbischen. Das ist eine wichtige Sache. Kommen nun doch schwere Wochen und heiße Tage, bis all' die Getreidefelder abgemäht, die Garben ge­bunden und abgeladen sind. Und ist das Korn daheim, so kommt die Gerste dran, der Haber und das Oehmd. Da heißt's hinstehen.

Am andern Morgen aber, nachdem die Hausarbeit getan ist, rufen die Glocken zur Kirche zur Erntebetstunde. Feierlich schrei­ten die Männer und Frauen durch die Dorf­gasse. Zu einer besseren Arbeitshose, wie man sie in der Ernte und im Heuet anzieht, tragen die Männer feierlich den Kirchenrock odex wenigstens einen zurückgesetzten Sonn- tagsrock. Dort hat einer sogar eine weiße Arbeitsschürze vorgebunden. Da und dort brachte man früher die Sichel mit. Tie Bur­schen. die gestern abend so lärmend und mit großen Handbewegungen sich Aehrnetstärke zugetrunken haben, gehen zahm und gemes­senen Ganges unter den Alten, und die Mäd­chen tragen brav ihr Gesangbuch m der Hand. Es ist eine alte ehrenwerte Sitte, die ihr besonderes Gewicht hat, daß die Ernte mit der Erntebetstunde eröffnet wird. Aus jedem Haus muß wenigstens eines dabei sein.

Auf dem Taufstein ist eine Prächtige Garbe aufgestellt, wie man es da und dort erst am Erntedankfest findet, heute als Erstling der Felder, ein leuchtendes Zeugnis vom Ernte­segen, dafür die Gemeinde dem gütigen Schöpfer und Erhalter, dem Geber aller guten Gaben. Dank sagen und bei ihrem An­blick seine Hilfe für die Einbringung der Ernte erbitten will.

Sonnenschein bricht in reichen Fluten verheißungsvoll durch die hohen Kirchenfen­ster herein. Sonnenschein füllt den hohen festlichen Raum. Sonnenschein fällt auch auf die Garbe und läßt die goldenen Aehren leuchten. Ein erhebendes, hoffnungsfreudiges Dank- und Glücksgefühl geht durch' die Her­zen der Kirchenbesucher. Der Anblick der Garbe führt ihnen das'große weite Bild der segenschweren Felder vor die Seele, und es steigt aus den Tiefen und füllt die Kirche: Die Ernt' ist da, es winkt der Halm dem. Schnitter in das Feld. Laut tönet unsere Freudenpsalm dem großen Herrn der Welt."

>) In manchen Gegenden Deutschlands wurde mit Rück­sicht auf die Gemenglage der Felder der Beginn der Ernte durch den Gemeindevorsteher, der vorher das Feld prüft, fest­gesetzt, z. B. in der Altmark. In Rohrberg läutete ehemals der Schulze die Ernte ein, auch in der Gegend von Mirow in Mecklenburg. . ,

Souutagsaaua durch» F«ld

Ludwia Richte»?