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lichen Zeugnisse ausgefertigt, welches durch Vermittlung deS K. Oberamts bezogen werden kann.
2. Dem Gesuch ist ferner beizulegen ein eingehender ärztlicher Krankenbericht. Dieser muß von einem approbierten Arzte, oder einem höheren Wundarzte ausgestellt und unterzeichnet sein und darf dem Kranken oder dessen Angehörigen nicht offen übergeben werden, sondern ist den Gemeindebehörden stets verschlossen zuzustellen.
Der Krankenbericht hat namentlich 3 ) über Entstehung und Verlauf der vorliegenden Erkrankung, sowie über die seitherige Behandlung und den gegenwärtigen Zustand die zur richtigen Beurteilung des Falles nötigen Einzelheiten alle genau zu enthalten.
(Verweisung auf in früheren Jahren eingeschickte Zeugnisse ist nicht zulässig.) b) darüber Auskunft zu geben, ob nach Ansicht des Arztes eine Badekur in Wildbad indiziert und ob durch eine solche die Herstellung des Kranken oder eine wesentliche Linderung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. c. sich bestimmt darüber auszusprcchen, ob und inwieweit vermöge seines körperlichen Zustandes der Bittsteller imstande ist, sich selbst Hilfe zu leisten, namentlich ober gehen kann oder ob er gefahren und getragen werden muß.
Die Bittsteller haben die nach vorausgegangener höherer Entschließung erfolgende Einberufung durch die K. Badverwaltung zu Hause abzuwarten. Wer sich früher in Wildbad einfinden würde, könnte nur gegen Bezahlung der Taxe die Bäder gebrauchen und hätte in Ermangelung der erforderlichen Mittel zum Aufenthalte in Wildbad die Zurücklieferung in die Heimat zu gewärtigen.
Es wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die fernere Gestattung des Aufenthalts der einzelnen Kranken in dem Katharinenstift ganz davon abhängt, ob die in den Zeugnissen angegebenen Verhältnisse nach dem Eintritt der Kranken mit dem Tatbestände übereinstimmend gefunden werden. Genaue Ausstellung namentlich der ärztlichen Krankenberichte ist daher im eigenen Interesse der Kranken dringend notwendig.
Von den Gemeindebehörden wird mit aller Bestimmtheit erwartet, daß sie Leuten, welche nicht zu den Unbemittelten gehören, oder solchen, von welchen eine Belästigung der Kurgäste zu befürchten wäre, keine Zeugnisse ausstellen.
Gesuche, welche nach dem 16. März ein- kommen, werden nur in besonders dringenden Fällen berücksichtigt.
Gesuche, welche den vorstehenden Anordnungen nicht entsprechen, insbesondere solche, welche ungenügende ärztliche Zeugnisse enthalten, müssen als portopflichtige Dienstsache zur Ergänzung zurückgegeben werden.
Endlich wird noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß nachträglich beim K. Badkommissär und beim K. Badarzt mündlich vorgetragene Gesuche um Freibäder nurdann Berücksichtigung finden können, wenn die erforderlichen Zeugnisse beigebracht sind.
Wildb ad, 5. Januar 1907.
K. Badverwaltung.
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betr. die Landesschasscha« in Heilbronn a. N.
Am Mittwoch, den 27. März d. I., wird in Heilbronn auf dem Viehmarktplatz die jährliche Staatsprämierung für ausgezeichnetes Schafvieh vorgenommen.
Für diese Prämierung gelten folgende Bestimmungen:
1. Um Preise können sich württembergische Schafzüchter bewerben, welche die vorgeführten Tiere entweder selbst gezüchtet oder zu Zuchtzwecken erworben haben.
2. Wenn 2 Schafzüchter gemeinschaftlich die Schäferei betreiben, z. B. Vater und Sohn, so kann nicht jeder derselben auf der Landesschafschau sich mit Schafvieh um Preise bewerben.
3. Für Preise sind 960 ^ auSgesetzt, welche in Abstufungen von 120, 100, 80 und 60 von dem Preisgericht vergeben werden.
4. Zum Preisbewerb sind nur Sammlungen zugelassen, bestehend aus
1—2 Böcken,
10 Mutterschafen mit ihren Lämmern,
10 Kilberjährlingen.
5. Die Preisbewerber haben obrigkeitlich beglaubigte Zeugnisse beizubringen, daß sie Besitzer einer Zuchtschaferei sind, und daß die vorgeführten Tiere von ihnen zur Zucht verwendet werden.
6. Die Preisbewerber müssen ihre Tiere am 27. März ds. Js., vormittags 8 Uhr, in Heilbronn auf dem Musterungsplatz aufgestellt haben.
Stuttgart 14. Januar 1907.
v. Ow.
TagesneUigleite«.
* Calw 18. Jan. Die Wählerversammlung der Demokratie für den Kandidaten Schwei ck- hardt, die gestern abend bei I Dreiß stattfand und sehr zahlreich besucht war, erhielt eine besondere Zugkraft durch die Anwesenheit des früheren Kammerpräsidenten Payer. DaS Interesse der Versammlung wandte sich deshalb nächst dem Reichstagskandidaten dem Abgeordneten Payer zu, da man von diesem ein großzügiges Programm und eine Aussprache über die Wahlbündnisse der Parteien erwarten durste. Aeußerst anregungsvoll gestaltete sich die Debatte durch das Eingreifen von Stadtschultheiß Conz, der nach der Rede von Schweick- hardt und Payer die bisherige Haltung der Demokratie und des seitherigen Abgeordneten kritisierte. Auf Vorschlag von Gemeinderat E. Dreiß übernahm Landtagsabgeordneter Staudenmeyer den Vorsitz der Versammlung. Schweickhardt referierte sodann in einstündiger Rede über seine und seiner Partei Tätigkeit im Reichstag, worin er des Näheren sich über die in Deutschland allgemein zeigende Mißstimmung, über das persönliche Eingreifen der obersten Reichsbehörde in die Politik, über die falsche Steuer- und Verkehrspolitik der Regierung, über die ungünstige Wirkung der neuen Handelsverträge, über den Etat für Heer und Marine, über die Kolonialpolitik, über die anmaßende Stellung deS Zentrums und über die
Einigung der liberalen Parteien verbreitete. Der Kandidat ist ein Freund der Kolonieen, aber frei von aller Schwärmerei, unter keinen Umständen seien die Kolonieen aufzugeben, dies wäre nicht vereinbar mit der Ehre des Vaterlandes und auch nicht mit dem Interesse an weiterem Absatzgebiet. Die Demokratie vertrete nicht einzelne Klassen sondern die Gesamtheit und sie habe die Erkenntnis, daß auf dem Boden der Verfassung das Wohl des Vaterlandes beruhe. Nach der mit stürmischem Beifall begleiteten Rede entwickelte Abgeordneter Payer noch des Näheren einige politische Gesichtspunkte. Er beleuchtete die äußeren und inneren Verhältnisse, die zu der Reichstagsauflösung geführt hätten, er verdammte in scharfen Worten die Nebenregierung des Zentrums und gab der Ansicht Ausdruck, daß das Joch des Zentrums nicht nur der Regierung sondern auch dem Kaiser unerträglich geworden sei, wogegen das Zentrum sich mit allen Mitteln gewehrt und die erforderlichen Gelder für Südwestafrika abgelehnt habe, um auch der höchsten Reichsstelle seinen Zorn fühlen zu lassen. Das Zentrum sei aber im Unrecht, denn die Kolonieen seien zu erhalten im Gedanken des nationalen Gefühls. Ebenso setze sich die Sozialdemokratie ins Unrecht, wenn sie aus Grundsatz gegen jeden Etat stimme. Ob gesunde Verhältnisse nach den Wahlen kommen, werde von der Regierung ab- hängen; diese solle auch vor einer 2. Reichstagsauflösung nicht zurückschrecken, wenn nicht eine liberale Mehrheit bei den Wahlen erreicht werde. Von der Regierung müsse man aber Taten fordern, nur ein konstitutionelles Regiment fei geeignet, das Vertrauen wieder herzustellen und auch an höchster Stelle müsse das persönliche Empfinden zurückweichen. Aufhören müsse das Nebenregiment des Zentrums und der konservativen Junker in Preußen, abzuschaffen sei das veraltete Wahlrecht in Preußen, die Parteien haben der Regierung Konzessionen zu machen und ebenso die Parteien unter sich. Der Redner empfiehlt den Zusammenschluß des Kampfes des liberalen Geistes und hofft eine glänzende Wiederwahl des seitherigen Abgeordneten. Auch dieser Rede folgte tosender Beifall der Versammlung. Stadtschulthetß Conz, der in der hierauf eröffneten -Debatte sich zum Worte meldet, beabsichtigt als Nichtparteimann sich nicht in den Kampf der Parteien einzumischen, will aber, da der Kandidat der Volkspartei angehört, die Tätigkeit dieser Partei objektiv betrachten und einige Fragen an den Kandidaten stellen. Die Fragen betreffen die Verbesserung der Lage des Unteroffizierstandes, den Bau einer Eisenbahn von Lüderitz-Kubub-Keet- mannshoop, das Verhältnis der Demokratie zur Sozialdemokratie, die Steuerpolitik und das jetzige und fernere Verhalten der Volkspartei in nationalen Fragen, bei Heer- und Marinewesen. Der Redner bezweifelt in seinen Darlegungen die Zuverlässigkeit der Partei in nationalen Fragen, er fragt, ob das nationale Mäntelchen nur für die Zeit vor der Wahl bestimmt sei, denn in einer Festschrift zur Versammlung in Weinsberg sei ein Gedicht ausgenommen, das die deutschen Veteranen gröblichst beleidige und er sagt ferner, er habe den Eindruck, da selbst die Sozialdemokratie der Demokratie Halbheit und Flauheit vorwerfe, daß man eS keinem Wähler verübeln könne, wenn er bei volks-
löhner in kurzen Sätzen, von lebhaften Gestikulationen begleitet, erzählten, daß Schüddekopps Marie beim Auflesen dem Peter Lattenschocken vor die Hacke gekommen war und dabei eine tiefe Wunde in die Hand erhalten hatte, kehrten seine Augen flüchtig immer wieder zu der gelassenen Helferin zurück, die nur durch ein zart aufsteigendes Rot verriet, daß sie seine forschenden Blicke fühlte.
Hurtig war er vom Pferds gesprungen, und die Zügel einem der Jungen zum Halten übergebend, trat er jetzt dicht zu der Fremden heran.
„Ist die Wunde schlimm?" fragte er nach einem kurzen Gruße.
„Durchaus nicht!" entgegnete sie mit voll klingender Altstimme, so daß ihn bei diesen Tönen der Gedanke durchfuhr: die Stimme ist noch viel schöner als ihr Gesicht, obgleich ihm der feine Schnitt der Brauen und das ebenmäßige Kinn schon angenehm aufgefallen waren. Und wie sie nun, eine letzte Befestigung des Bandes beendend, hinzufügte: „Eine tiefe Fleischwunde, aber keine Sehnen- oder Knochenverletzung!" hob sie noch einmal wie vorhin die Augen zu ihm empor, tiefe, graublaue Sterne, aus denen eine abgeklärte, gütige Menschenseele zu grüßen schien; und er konstatierte heimlich, wie gut die Augen zu dem reinen Klang ihrer Stimme paßten.
„Da sei froh, Marie!" wandte er sich an die Halbwüchsige, über deren derbes Gesicht ein erstes zartes Lächeln huschte. „Und bedank' Dich auch schön bei der Dame! — Mittag komm zum Hofe. Der Doktor ist heute da, der kann für alle Fälle noch mal nachschauen! Oder glauben Sie wirklich, daß es nichts auf sich hat?"
„Es ist in acht Tagen heil!" entgegnete sie lächelnd und erhob sich. „Aber wenn es sie beruhigt, meine Kunst von einem männlichen Kollegen nochmals nachprüfen zu lassen, bitte!"
„Sie sind Aerztin?"
Sie nickte.
„Trüben im Sanatorium Fichtenstein!"
„Ab, bei Doktor Holzbrecher? Da sind wir ja ziemlich Nachbarn. Ich bin Erdmann von Klein-Selkow. Da hinten können Sie unseren Schornstein rauchen sehen, Fräulein Doktor!"
„Frau Doktor, wenn ich bitten darf!" korrigierte sie ihn beinahe schalkhaft.
„Ah —" entfuhr es ihm verblüfft. „Frau Doktor?"
Sie bestätigte es durch eine Kopfbewegung, ohne das leise Lächeln um ihre schmalen, fein geschnittenen Lippen verhuschen zu lassen.
„Aber entschuldigen Sie mich jetzt, meine Zeit ist längst um. Dieser ausgedehnte Frühspaziergang mit seinem kleinen Unglücksfall trägt mir sonst einen strafenden Blick über die dicken Brillengläser Doktor Holzbrechers ein. Und das ist kein guter Tagbeginn!"
„Ihr stilles Samariterwerk würde Sie sicher darüber trösten; aber ich glaube nicht einmal, daß der alte Aeskulap so bärbeißig Ihnen gegen- über sein kann!"
„Mir gegenüber?" fragte sie mit einem deutlichen Unterton von Verdruß. „Ich bin Assistenzarzt im Sanatorium wie die anderen und würde galante Bevorzugungen nach jeder Richtung hin sehr befremdlich finden!" Der Ernst des ersten Augenblicks lagerte wieder über ihren Zügen und verließ sie auch nicht, als sie sich nun zum Abschied leicht verneigte. Tief zog er das leichte Jägerhütchen und schaute ihr versonnen nach, wie sie dem Waldrande zuschritt und endlich zwischen den Fichtenstämmen verschwand.
Leise schüttelte er den Kopf und murmelte dazu: „Frau Doktor! Hm — hält' ich wahrhaftig nicht gedacht!" —
„An die Arbeit, Kinder!" rief er, sich aufmunternd. „Zum Abend gibt's eine Belohnung, wenn Jhr's schafft. Sollt dann Geburtstag feiern helfen!" (Fortsetzung folgt.)