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Ser Kries ist da!
Wien. 26. Juli 1914.
Die Frist, die Serbien zur Beantwortung des österreichischen Ultimatums gestellt war, ist abgelaufen. Serbien antwortete auf die Forderungen Oesterreich-Ungarns unzureichend und mobilisierte seine gesamte Armee.
Ter österreichische Gesandte, Freiherr von Giesl, hat Belgrad mit dem gesamten Gesandtschaftspersonal verlassen und ist nach Wien abg-- r e i st.
Kaiser Wilhelm >l. kehrt DM
Berlin, 26. Juli 1914.
Ter Kaiser hat bei Erhalt der Nach- rügt von der Mobilisierung Serbiens und der Ablehnung des österreichischen Ultimatums seine Nordlandreise sofort abgebrochen. Dis Jacht . „Hohem,ollern" verläßt Balestrand und wird in 45 Stunden in Swincmünde ein- trefieu.
Etaatsrenten werden nicht notiert!
Paris, 26. Juli 1914.'
Die Furcht vor einem allgemeinen europäischen Krieg bestimmt weiterhin den Ton der Pariser Presse.
Die Börsenpanik hält an. Neuerdings ist der Handel in Renten an.,der Börse eingestellt.
Statten vün-nistre«
Nom, 26. Juli 1914.
- In der römischen Presse gibt es nur eine Stimme: Oesterreich ist vollkommen im Recht. In einer offiziellen Verlautbarung spricht sich die italienisch« Regierung dahin aus, daß sie in jedem Falle zum Dreibund. Pakt stehen werde.
Sie Hintergründe
Zwanzig Jahre sind verflossen, seit das deutsche Volk aus tiefstem Frieden zu den Waffen gerufen wurde. Es ist schwer, die Wirkung zu schildern, die der Befehl zur Mobilmachung auf die damalige geruhsame Zeit ausgeübt hat. Jeder war eingesponnen in den Kreis seiner eigenen kleinen Sorgen und Wünsche, jeder lebte dem Tage und seinen Hoffnungen. Was waren nu Plötzlich all die gewichtigen Pläne: wo man die Sommerferien verbringen wolle, wie man sein Geschäft erweitern könne, was aus dem Heranwachsenden Jungen würde, ob man sich Wohl ein kleines Sommerhäuschen bauen könne? — — Wie mit eiserner Faust griff das Schicksal in dieses Spielzeug der Gedanken. Blitzschnell standen die großen Zusammenhänge des Daseins „Heimat" — „Deutschtum" vor Augen, umbrandet von Haß und Vernichtungswillen, bedroht durch feindliche Uebermacht.
*
Wie aus einem Traum schreckte das Volk empor. Aber das beängstigende Wort „Krieg" lähmte nur einen Augenblick den Atem, dann brach der Lebenswille, der Glaube an die eigene Kraft und den Sieg mit freudiger Opferbereitschast durch. Manchen erschien diese Lösung wie eine Befreiung von schwerem Alpdruck. Seit der Konferenz von Algesiras 1911, in der sich Deutschland einer geschloffenen Front von Gegnern gegenüber sah, wußten wir, daß wir allein in der Welt standen. Frankreich sann auf Rache für Elsaß-Lothringen, England verfolgte mit grimmigem Unbehagen das Wachstum des deutschen Welthandels und der von heroischem Seemannsgeist erfüllten deutschen Flotte. Rußland war von schweren inneren Krisen erschüttert und darauf bedacht, das Volk durch Kriegserfolge von dem Umsichgreifen der kommunistischen Ideen abzulenken. In dem unruhigen Wetterwinkel Europas, auf dem Balkan, zuckten die Blitze. Die Habsburger Doppelmonarchie war bis zum Bersten von inneren Spannungen erfüllt. Jeder fühlte, daß die Feinde Deutschlands zum Handeln drängten, daß man Las 1871 geeinte,. aufstrebende deutsche Volk vernichten wollte, um sich auf diese bequeme Weise seines erstarkenden Lebensrechtes zu erwehren, und dieser Zustand der Ungewißheit und Gefahr lag drückend auf den Gemütern. So ist es zu verstehen, daß das deutsche Volk, zur Entscheidung gerufen, entschlossen und kampfgestimmt zu den Waffen griff. Die stickige Atmosphäre in Europa war seiner ehrlichen Art zuwider. Es wußte, daß es aufs Neue mit den Waffen erwerben mußte, was es von den Vätern ererbt hatte, und es wollte der Welt zeigen, daß man sich nicht ungestraft an seiner Ehre und seinem Besitz vergreifen durste.
Als nach den dramatischen Bemühungen Kaiser Wilhelms, dem russischen Zaren die große Verantwortung vor Augen zu führen, die Vergeblichkeit aller Hoffnungen zutage trat und der Krieg erklärt wurde, wuchs die Begeisterung zu einem wahren Taumel. Es zeigte sich in einer geradezu überwältigenden Form, wie stark im deutschen Menschen der Idealismus wurzelt, wie rasch sich der marxistische Glaube an den Materialismus der Massen und die Weltverbrüderung in Dunst auflöste. Wahrhaftig, es lebt der Mensch nicht vom Brot allein, stärker in ihm ist die Leidenschaft zum Kämpferischen, zum Heldischen, zur Einordnung in den Gedanken der Gemeinschaft. Die Straßen aller Städte und Dörfer füllten sich mit erregten Menschen, überall zeigte sich die Zuversicht auf ein siegreiches Ringen mit den Feinden des geliebten Vaterlandes. Die Fabriken und Werkstätten verödeten. Singend und eng verbunden zogen die Männer, denen die Ehre der Vaterlandsverteidigung zufiel, durch die Straßen, nicht minder tapfer die Frauen, im Tiefsten Wohl bang, besorgt um das Schicksal, aber nach außen stolz, freudig, ermunternd. Auch wer nicht militärisch ausgebildet war oder das Kriegsdienstalter überschritten hatte, meldete sich zu den Waffen. Keinen duldete es zu Hause, auch wenn das Haar schon erbleicht war oder dem Körper die Kraft der Strapazen mangelte, irgendwie wollte jeder der bedrohten Heimaterde beistehen. In der deutschen Jugend, die noch in den Schulbänken gefangen war, lebte der heiße Wunsch, rasch erwachsen zu sein, um mit hinausziehen zu dürfen — er sollte für viele in tragischer Weise in Erfüllung gehen. In Berlin war das kaiserliche Schloß von Menschenmassen umbrandet. Es war ein Eindruck tiefster Erschütterung, als der Kaiser auf den Balkon trat und in seiner Ansprache den berühmt gewordenen Satz prägte: „Ich kenne keine Parteien mehr — ich kenne nur noch Deutsche!" Die Raschheit, mit der sich die Ereignisse überstürzten, mit der in wenigen Tagen die Fronten im Westen und Osten in Bewegung kamen, die Unheim- lichkeit des Schicksals, das feindliche Millionenheere gegen die deutschen Grenz ansetzte, schuf eine Stimmung, die bei aller Zuversichtlichkeit wie ein Irrlicht hin und her flackerte. Sie äußerte sich teilweise in einer lächerlich übertriebenen Spionensnrcht. Harmlose Vorgänge führten zu Verhaftungen seitens des Publikums, die mitunter einen tragikomischen Anstrich hatten. Die Gerüchte hatten einen fetten Nährboden. Man flüsterte sich zu, daß große Goldtransporte von Frankreich nach Rußland auf den Landstraßen unterwegs seien und manches unschuldige Auto hat sich eine erregte Untersuchung gefallen lassen müssen. Jeder wetteiferte mit dem andern, ein guter Patriot zu sein, und wenn er nicht einrücken konnte, zeigte er seinen heiligen Eifer in der Abwehr eingebildeter Gefahren auf eigenem Boden.
Aus den Kasernen rückten mit klingendem Spiel in endlosem Zug, musterhaft ausgerüstet bis zum letzten Knopf, die aktiven und die Reserveregimenter. Mit einem Schlag war das vielfältige Volk eine einzige graue Masse geworden. Unter den Helmen verschwand das Gesicht des Einzelnen, entstand das eherne Antlitz des deutschen Kriegers, der tapfer und entschlossen sein Leben dem Volk darbot.
In den Kasernenhöfen versammelten sich aber auch die Landwehr- und Landsturmleute, meist ältere Familienväter, mit großen Schnauzbärten und stattlichen Bäuchlein, aber ebenso freudig bewegt von dem Gedanken, ihrem Leben einen höheren Sinn zu geben. Mit Neid fast blickten sie den neueingekleideten aktiven und Reserveregimentern nach; denn sie mußten sich mit den abgelegten Garnituren zufrieden geben. Da kamen aus den Kammern alte Litevken und Tschakos aus dem Krieg 1870/71 mit dem eingepreßten eisernen Kreuz zum Vorschein, da wurden alte Hosen und Stiefel und brüchige Koppel vom Speicher auf den Hof geworfen, mit denen sich der brave Landwehrmann zurecht finden mußte. Da gab es keine Feldküche ,kein Feldgerät. Wenn man nach anstrengendem Marsch abends ins Quartier kam, mußte erst eine Kuh geschlachtet werden, und oft war der müde Körper in Schlaf gesunken, ehe sie weichgekocht war. Nach dem Kriegsplan hatte man angenommen, daß Landwehr und Landsturm im Osten nur als Grenzschutz Verwendung finden sollten und nicht als fechtende Truppe in Frage kämen. Das Hauptheer sollte zunächst in raschen Schlägen Frankreich niederwerfen und dann erst im Osten eingesetzt werden. Man vertraute dabei der Schwerfälligkeit des russischen Aufmarsches. Nun aber waren die Zarenregimenter schon Wochen vor Kriegsbeginn in Marsch gesetzt, bereits vor den deutschen Grenzen. Da mußten die braven Landwehr- und Landsturmleute mit ihrer dürftigen Ausrüstung den gleichen Frontdienst tun wie die frisch aus der Ausbildung kommenden Aktiven. Wer die Augusttage 1914 bei der Truppe miterlebt hat, wird mit besonderer Ergriffenheit in der Erinnerung bewahren, mit welchem heiligen Wetteifer die alten und die jungen Regimenter, die Väter und die Söhne, um die Siege jenes glorreichen Monats gerungen haben. Dr. R. Dämmert. .
Diplomatisches Vorspiel
In den Dokumenten, die von der russischen Regierung nach Sturz des Zarenreiches veröffentlicht wurden, befand sich auch ein Brief Poincarhs, des damaligen Präsidenten der französischen Republik, an den zaristischen Außenminister Sasanow. Dieser Brief schloß mit Len Worten: „Wir gehen soweit, wie Rußland es wünschen wird. Der nächste Konflikt wird nicht vorübergehen wie der letzte, sondern es wird den Krieg geben..."
Das war im Jahre 1913, als der zweite Balkankrieg zu Ende ging. Und das veröffentlichte russische Geheimprotokoll vom 6. November 1912 hatte klipp und klar gelautet: „Es wird sich als vorteilhaft erweisen, den Aufmarsch zu vollziehen, ohne die Feindseligkeiten zu beginnen, damit dem Gegner nicht die Hoffnung genommen wird, der Krieg könne noch vermieden werden. Unsere Maßnahmen müssen hierbei durch diplomatische Scheinverhandlungen maskiert werden, um die Befürchtungen des Gegners möglichst einzuschläfern."
So sah es im Hintergründe der europäischen Kulissen aus, als der Sommer des Jahres 1914 seinen Gluthauch über die reifenden Felder wehen ließ. Der Krieg gegen Deutschland war beschlossen, Poincarh war gewillt, ihn bei erster Gelegenheit vom Zaune zu brechen, die russische Großfürstenpartei war mit von der Partie, das schwache Zar wußte anfangs nicht, was gespielt wurde und machte schließlich gute Miene zum bösen Spiel. England aber, an und für sich bestrebt, sich aus einem europäischen Konflikt herauszuhalten, wurde außenpolitisch geleitet von Sir Edward Grey, dessen Herz für Frankreich schlug und der heimliche Bindungen eingegangen war, von denen nur die Generalstäbe, nicht aber die Parlamente etwas wußten. Und schließlich hatte Eduard V!l., der Vater der Einkreisung gegenüber Deutschland, vorgearbeitet...
Deutschland ging friedlich seiner Arbeit nach. Die Essen rauchten, der Wohlstand stieg, eine allgemeine Sattheit und Zufriedenheit lag über dem Volke. Heer und Flotte waren in Lester Verfassung, der Kaiser wollte, allen unbedachten Reden zum Trotz, den Frieden... noch ein paar Jahre, und das Reich war so stark, zumal zur See und in seinen überseeischen Besitzungen, daß keine Macht der Erde mehr es wagen durfte, einen freventlichen Angriff zu beginnen.
Nur eine schwache Stelle wies das deutsche Verteidigungssystem auf: Oesterreich, den mehr slavischen als deutschen Staat, von dem am 22. Mai 1914 der Wiener deutsche Botschafter, v. Tschirschky, an den Staatssekretär des Auswärtigen berichtete: „Einigermaßen normale Verhältnisse herrschen nur noch in den kerndeutschen Provinzen. Der Gedanke eines einheitlichen Reiches, einer Zusammengehörigkeit schwindet immer mehr. Wie oft lege ich mir die Frage vor, ob es wirklich noch lohnt, uns so fest an dieses in allen Fugen krachende Staatsgebilde anzuschließen und die mühsame Arbeit weiter zu leisten, es mit fort zu schleppen."
Da krachten
die Schüsse von Serajewo.
Sie töteten das österreichische Thronfolgerpaar und trafen den Frieden mitten ins Herz. Die serbische Geheimgesellschaft unter Führung eines aktiven Generalstabsmafors hatte in Uebereinstimmung, wenn nicht im Auftrag der russischen Großsürstenpartei gehandelt. Die romanische Freimaurerei des „Groß-Orients" hatte ihre Fäden im Komplott. Der „nächste Konflikt", von dem Poincarh gesprochen hatte, war geschaffen. „Diesmal wird es Krieg geben!" hatte Poincarh hinzugefügt.
Lassen wir den damaligen österreichischen Außenminister, Grafen Ezernin, zu Worte kommen: „Oesterreich-Ungarns Uhr war abgelaufen. Es war klar geworden, daß das Signal zum Zerfall der Monarchie gegeben war. Die Glocken Serajewos, die eine halbe Stunde nach dem Mord zu läuten begannen, waren das Grckbgeläute der Monarchie..."
Noch aber setzte sich Oesterreich zur Wehr. Und dieses Sichzurwehrsetzen, das schließlich den Krieg ausgclöst, um Himmelswillen aber nicht verursacht hat, war Oesterreichs gutes Recht. Am 6. Juli 1914 erteilte Wilhelm II. eine Zustimmung zu schärfstem Vorgehen gegenüber den Schuldigen jenseits der serbischen Grenze. Der deutsche Kaiser konnte nicht glauben, daß sich Rußland und Frankreich zu Schützern einer Politischen Mörderbande machen würden. Hier lag der Trugschluß der deutschen Zustimmung, die vergaß, daß es in der Weltgeschichte nicht um Moral und Sittlichkeit geht, sondern um Macht und Gewalt. In Paris und St. Petersburg rieb man ich die Hände. Deutschland und Oesterreich, tatsächlich in der Abwehr gegenüber einer tödlichen Verschwörung, konnte durch eine raffinierte Propaganda als Angreifer hingestellt werden,
Oesterreich hatte noch nicht den ersten Schritt getan, da war Poincarh nochmals in Petersburg erschienen und hatte die Bündnistreue erneut besiegelt. Der französische Bot- chafter in Rußland, Paleologue, schrieb am 25. Juli 1914 bereits in sein Tagebuch „Ich begebe mich zum Warschauer Bahnhof, um
Jswolsky, unseren Pariser Vertreter, der mit Poincarh gekommen war, zu verabschieden. Auf den Bahnsteigen großes Leben. Die Züge sind vollgestopft mit Offizieren und Soldaten. Das sieht schon nach Mobilmachung aus. Wir tauschen rasch unsere Eindrücke und kommen gleichzeitig zum Schluß: Diesmal gibt es Krieg!"
Zu dieser Zeit ^bereits, da
aus Sibirien unaufhörlich die Züge
rollten, und auch Frankreich schon seine Reservisten einzog, weilte Wilhelm II. noch auf der jahresüblichen Nordlandreise, zogen die deutschen Regimenter ohne einen Mann Verstärkung auf die Truppenübungsplätze, schien der Friede wieder einmal gesichert. Am 23. Juli hatte die Wiener Regierung in Belgrad ein sehr scharfes Ultimatum überreichen lassen, am 24. war in Berlin und Wien bekannt geworden, Serbien würde trotz der demütigenden Bedingungen annehmen, aus England lauteten die Berichte befriedigend, kurzum wer konnte glauben, daß um der paar Meuchelmörder willen der Erdball in Brand gesetzt werde? Heute wissen wir, daß in der Nacht zum 25. Juli der Zar von Rußland dem König von Serbien telegraphierte, er möge hart bleiben, Rußland mobilisiere bereits und werde mit seiner unerschöpflichen Heeresmacht Serbien unterstützen_
Das war der Krieg. Am 26. Juli machte die deutsche Regierung die russische auf die Gefahr der Mobilmachungsvorbereitungen aufmerksam. Der Kaiser unternahm einen Persönlichen Vermittlungsversuch, indem er den Zaren und den König von England beschwor, den Frieden zu bewahren. Da erklärte die österreichische Regierung, in einer gewissen Leichtfertigkeit und Deutschland vor den Kopf stoßend, Serbien am 28. Juli, einen Monat nach Serajewo, den Krieg. Jetzt hing der Weltfrieden nur noch an einem Faden.
Vor der Heiegseeklüeutlg
Wilhelm II. bat und flehte geradezu den Zaren an, doch die Gesamtmobilmachung anzuhalten, die den Krieg bedeute. Der Zar ägte auch zu, aber hinter seinem Rücken älschte Großfürst Nikolajewitsch und der Kriegsminister die Mobilmachungsorders. Die ungezählten Millionen Rußlands marschierten auch gegen Deutschland auf. Deutschlands Lage gestaltete sich hoffnungslos, wenn es jetzt nicht handelte. Deutschland aber handelte. Es brachte am 30. Juli die österreichische Regierung dazu, in Petersburg, London und Paris die Erklärung abzugeben, Serbiens Unabhängigkeit und Grenzen nicht antasten zu wollen, es bat Rußland, innerhalb 12 Srunden die Mobilmachung einzustellen, da jeder Kriegsgrund fortgefallen sei, es ordnete, um gegen jede Ueberraschung gesichert zu sein, den Zu- tand „drohende Kriegsgefahr" an. Der Zar, der noch eben Friedenstelegramme abgeschickt hatte, antwortete nicht. Er war ein Gefangener seiner Generäle und Verwandten, und diese wollten den Krieg.
Trotzdem war es ein Fehler, daß Deutschland nun von sich aus den Krieg erklärte. Wieder konnte Frankreich Deutschland als den Angreifer hinstellen. Das gleiche Frankreich, das schon in der Nacht vom 30. zum 31. Juli beschlossen hatte, koste es, was es wolle, den Krieg gegen Deutschland zu beginnen. Am 31. Juli ersuchte die deutsche Regierung Frankreich um eine Erklärung innerhalb 48 Stunden, ob es in einem deutsch-russischen Kriege neutral bleiben werde. Frankreich gab eine hinhaltende und orakelnde Antwort, ordnete aber gleichzeitig die Mobilmachung an. Da erklärte Deutschland, wiederum mehr formalvölkerrechtlichen Gründen als diplomatischer Klugheit folgend, am 3. August Frankreich den Krieg.
Am 3. August nachts rückten
deutsche-Truppen in Belgien
ein, nachdem französische Truppen längst die belgische Nordgrenze überschritten hatten. Bethmann-Hollweg, der ebenso Persönlich unantastbare wie sachlich unfähige Lenker der deutschen Politik, sprach das törichte Wort vom „Fetzen Papier". Am 4. August erklärte England, nach einem bisher noch nicht aufgeklärten Meisterspiel der diplomatischen Verschleierung seiner wahren Absichten Deutschland den Krieg. Kein Geringerer als der heutige englische Ministerpräsident Macdonald hat 1915 über die dunkle und verhängnisvolle Politik Greys das Wesentliche gesagt:
„Viele von uns haben in den letzten acht Jahren Sir Edward Grey als eine drohende Gefahr für den europäischen Frieden betrachtet. Als er dem Unterhause fortwährend versicherte, daß England durch die Entente mit Frankreich keinerlei Verpflichtungen auf sich genommen habe, sagte er, was dem Buchstahen nach zwar richtig, in der Tat aber unrichtig war. Der europäische Krieg ist eine Folge des Bestehens der Entente und des Dreibundes, noch mehr aber der Hetzereien Sir Edward Greys."
Deutschland zog in den Krieg reinen Herzens und reinen Schwertes. Jeder Deutsche wußte, daß uns der Krieg aufgezwungen worden war. Wir kämpften um unseren Bestand, jeder ahnte, was Frankreich und Rußland wollten. Im Telegramm Jswolskys an Sasanow vom 13. September 1914 ist das Kriegsziel der Entente klar ausgesprochen: „Der Hauptzweck des Krieges ist, darin sind sich die alliierten drei Mächte einig, die Vernichtung des deutschen Reiches!"
Friedrich Wilhelm Hein»