Samstag den 28. Juli
Jahrgang 1934 Nr. 173
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Stuttgart. 26. Juli. Wenn dieser Tage im sogenannten Bergfeld bei Giengen a. Br. ein Kugelblitz niedergegangen ist, so ist es nicht uninteressant, auf die seltene Entstehung der Kugelblitze etwas näher einzugehen.
Die durch elektrische Entladung der Luft entstehenden Blitzerscheinungen teilt man je nach Form und Niederschlag in verschiedene Arten ein. Die häufigste Art ist der Linienblitz. Fluß- netzartig verästelt erscheint er am Tag meist «wischen Erde und Wolken, während man bei Nacht häufig ein Ueberspringen von Wolke zu Wolke beobachten kann. Dem Haupt- schlag gehen Borentladungen voraus, die erst die Luft leitfähig machen. Häufig folgen dann in kleinem Abstand noch mehrere Nachschläge. — Bei geringem Vorrat an Ladungen entsteht der Perlschnn blitz. Indem in der Blitzbahn vorne Perlen entstehen und hinten alte verschwinden, wandert der Perlschnurblitz langsam von Wolke zu Wolke. Wenn dabei nur eine Perle entsteht, so bildet sich der Kugelblitz.
Er entsteht fast immer in der Nähe der Erde. Seine Ausgangspunkte find meist Metallgegenstände, z. B. Hochspannungsleitungen, Telegraphenmasten usw. Die Kugel hat die Größe eines Kinderballons und bewegt sich verhältnismäßig langsam in einer Richtung, oft nur ein paar Meter über der Erde. Eine tödliche Wirkung hat der Kugelblitz nicht. Es ist schon vorgekommen, daß er durch ein Kamin in die Stube kam und irgendein Gefäß zusammenschlug oder daß Fensterscheiben zertrümmert wurden. Größerer Sachschaden ist jedoch noch nie angerichtet worden. — Bei Giengen soll sich das Ereignis so abgespielt haben: Ungefähr gegen i48 Uhr früh kam plötzlich eine grün-bläulich leuchtende Feuerkugel geflogen, die sich unmittelbar über einem Weizenacker im Bergfeld mit lautem Krach auflöste. Unterwegs ist die Kugel in ganz geringer Höhe mit zischendem Geräusch über dem Kopf eines Mähers hinweggesaust. —
Wie weit nun die Kugelblitze fliegen, läßt sich daraus ersehen, daß in der näheren Umgebung von Giengen nirgends ein Gewitter wahrgenommen wurde. ^
Keim Aen-erung der EparstttWSsK. Alifkwkttmg in ZWrtteMssrg
Stuttgart, 26. Juli. Vom Württ. Sparkassen- und Giroverband wird mttgeteilt:
Durch die Tagespresse ging die Nachricht daß nur ein bescheidener Prozentsatz autrags- berechtigter Sparer von der Möglichkeit, ein, nachträgliche Aufwertung von entwertet abgehobenen Sparguthaben zu erzielen, Gebrauch gemacht habe und daß aus diesen Grunde die ursprünglich vorgesehene Friß zur Anmeldung kurz vor Ablauf bis zum 30. September 1934 verlängert worden sei.
Die Nachricht ist in dieser Form unrich - tig und bezieht sich nur auf Sparguthaben bei preußischen Sparkassen. In Württemberg ist die Aufwertung der Sparguthaben so gut wie abgewickelt. Die württember-
zischen Sparkassen haben von 1l2 Millionen AM. bereits rund 108 Millionen RM. an Aufwertungs-Sparguthaben ausbezahlt oder auf neues Sparbuch übertragen, darunter nchrere Millionen Reichsmark sreiwilligi Entschädigungen in Fällen, wo nach den ge- setzlichen Bestimmungen ein Rechtsanspruch aus Auswertung nicht gegeben war und nur Villigkeitserwägungen, insbesondere Bedürftigkeit des Sparers eine freiwillige Leistung aahelegten. Es darf bei diesem Anlaß festge- tellt werden, daß die württembergischeo Sparkassen, Gemeinden und Kreisverbände ur Verbesserung der Aufwertung aus freien ötücken große Opfer gebracht haben.
Mit Strick und Glas SMN sein bißchen Leben
Wort OA. Ellwangen, 26. Juli. Hier versuchte ein junger Mann von auswärts Selbstmord zu begehen. Nachdem er eii- euer angezündet, um seine Kleider und dev orb mit Bürsten, mit denen er hausierte, zu verbrennen, machte er den Versuch, sich mit Hilfe eines Stricks das Leben zu nehmen, wurde jedoch von Vorübergehenden bemerkt und der Ortspolizei übergeben. Im Arrestlokal zertrümmerteerdie Fensterscheiben und verletzte sich bei dem Bemühen, sich die Pulsadern zu durch- schneiden, erheblich. Er wurde am Abend noch in das Krankenhaus in Crailsheim eingeliefert. Er scheint in einem Anfall von Geistesgestörtheit gehandelt zu haben.
Senden Sie Ihren Angehörigen im Anstand Madig das cimalStatt. den «EvztSter"
Schont JeutWands größte Schlange!
Die Ringelnatter ist harmlos Stuttgart, 26. Juli. Am schattigen Bachufer durchs grüne Gras schlängelt sich Deutschlands größte und schönste Schlange, die nichtgiftige, harmlose Ringelnatter. - Ihr schlanker, geschmeidiger Leib hat bei ausgewachsenen Tieren eine ganz ansehnliche Länge. Im Wasser ist die Ringelnatter ein äußerst gewandter Schwimmer. Da die harmlose Schlange von Unkundigen gern mit der giftigen Kreuzotter verwechselt und dann getötet wird, seien hier die Unterscheidungsmerkmale aufgeführt: Der Kopf der Ringelnatter trägt beim Männchen zwe gelbe oder orangefarbene, halbmondförmige, beim Weibchen zwei blaßgelbe, weißliche Flecken, die der Kreuzotter fehlen. Der Rücken ist auf grauem, bald mehr braunem, grünlichem oder grünblauem Grund mit vier bis sechs längs des Rückens verlaufenden Reihen schwarzer Flecke gezeichnet, während die Kreuzotter als sicheres Erkennungszeichen auf dem Rücken ein dunkles Zickzackband trägt. Der Schwanz der Ringelnatter ist lang und spitz auslaufend, der Schwanz der Kreuzotter dagegen kurz und dick.
Keine Sammelbüchsen an den Postschaltern mehr
kü. Berlin, 25. Juli.
Wie wir erfahren, hat der Neichspost- minister die Zurückziehung der bei den Post-- ichaltern aufgestellten Sammelbüchsen im Hinblick auf das gesetzliche Sammelverbot iür die Sommermonate nach ihrer Entleerung durch die Amtsleiter der NSV. ange- srdnet.
l2 Zage Urlaub für Mrllnsr
im Bau- und Malergewerbe
kk. Berlin, 25. Juli.
Treuhänder Dr. Daes »ynerals Treuhän- der für das Baugewerbe hat folgende Urlaubs- regeluug für Lehrlinge und Jugendliche, gültig für das ganze Reich, getroffen:
Im Bau- und Malergewerbe erhalten Lehrlinge und Jugendliche, die bis 31. Oktober 1934 das 18. Lebensjahr vollendet haben, nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit 12 Werktage Urlaub, der möglichst bis 31. Oktober 1934 angetreten werden soll. Lehrlinge, die nur im Sommerhalbjahr arbeiten und im Winterhalbjahr eine Fachschule besuchen, erhalten 6 Werktage Urlaub. Als Entgelt ist für die Dauer des Urlaubs das Achtfache des vor Urlaubsantritt erhaltenen Stundenlohns zu bezahlen.
Die Regelung gilt nur für die Urlaubsperiode 1934.
Warnt eure Kinder!
Mädchen nach dem Genus; von Tollkirschen gestorben
Mauenheim (Amt Engen), 25. Juli. Dieser Tage brachten ein paar kleine Kinder aut dem Walde Tollkirschen mit. Sn freuten sich an den schönen schwarzen Beeren und ohne daß es ein Erwachsener bemerkte, aßen sie davon. Das zweijährige Mädchen des Schmiedemeisters Wieland starb noch in derselben Nacht unter den heftigsten Schmerzen. Ein weiteres fünfjähriges Mädchen erkrankte ebenfalls schwer, dürfte aber nochmals mit dem Leben davonkommen.
Verkehrspolizei prüft Radfahrer
Leipzig hat als erste deutsche Stadt Verkehrsunterricht für unachtsame Radfahrer eingeführt. Da bisher weder Erziehungswochen noch Strafen Helsen wollten, wurde jetzt bei schweren Verstößen gegen die Der- kehrsordnung zur W e g n a h m e des F a h r- rades geschritten. Die Räder verbleiben bis zum nächsten Prüfungstermin — Donnerstag jeder Woche — im Gewahrsam der Verkehrspolizei. Im Rapportsaal müssen die Besitzer der Räder dann einen halbstündigen kostenlosen Unterricht über sich ergehen lassen und Nachweisen, daß ihnen die wichtigsten Verkehrsregeln bekannt sind. Gelingt ihnen das nicht, behält die Polizei so lange das Rad, bis sie in einer der folgenden Prüfungen „bestanden" haben. Am ersten Prüsungstag konnte diese Anordnung allerdings noch nicht mit voller Schärfe durchgeführt werden, da dann — 70 Prozent der Verkehrssünder ohne Rad hätten nach Hause geschickt werden müssen, weil sie, nicht einmal die einfachsten Verkehrsregeln kannten. -- ' ^ '
1VW Tote in Amerika
Die Gesamtzahl der Todesopfer der Hitzewelle in den Vereinigten Staaten beträgt jetzt 1112. In Missouri allein starben S12 Personen, in Illinois 245 und in Ohio
lll-Personen.
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Weinberge bei Bacharach nach dem Wolkenbruch
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Roman von Klara Äaidhausen.
ürheberrechtsschutz durch Verlagsanstalt Manz, Regensburg. 31. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Du hast ja schon ordentlich Feuer gefangen, Muttel!" neckte der Sohn. Seine Erregung war in raschem Abflauen begriffen, wie es bei offenen, - impulsiven Menschen meist der Fall ist, wenn sie sich einmal ausgesprochen haben. „2m übrigen," setzte er warm und ernst hinzu, „hast Du recht. Fräulein Berger ist nicht nur ein liebes, seines, sondern auch Mn sehr schönes Mädchen und — was nicht zuletzt in die Wagschale fällt, offenbar eine sehr tüchtige Hil'^raft. Es fällt mir eigentlich erst jetzt so recht auf, wie überraschend schnell sie sich mit allem zurechtgefunden hat!"
„Wirklich?" sagte die alte Dame erfreut. „Dann hätte Tsse nicht zuviel versprochen. Gott gebe, daß Du recht be-
z Ditha eine halbe Stunde spater nach kurzem Klopfen Zimmer wieder betrat, fand sie Mutter und Sohn in . ^.befangenem Geplauder an dem gemütlichen ovalen Eßtisch fitzend.
„Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige!" scherzte Franz Hormann mit einem Blick auf die alte Wanduhr, die eben zum Schlag ausholte. „Wenn Sie immer so pünktlich find, werden Sie bei Mütterchen bald einen dicken Stein im Brett haben. Die möchte nämlich am ftebsten das ganze Tagewerk so streng nach der Uhr geregelt wissen!"
„Glauben Sie ihm nicht, Kindchen!" wehrte die Mutter gleichfalls lachend. „Er ist ein unverbesserlicher Spötter, das werden Sie bald heraushaben."
„2m Gegenteil!" neckte der Sohn. „Fräulein Lore wird bald heraushaben, daß ich immer recht habe. — Übrigens sehen Sie, daß auch unsere Köchin so gut funktioniert," setzte er hinzu, als in diesem Augenblick das Mädchen mit der dampfenden Suppenschüssel eintrat.
In der selbstverständlichen Freundlichkeit, mit der man alten, langjährigen Dienstboten entgegentritt, machte Frau Hormann die neue Hausgenossin mit dem Mädchen bekannt: „Das ist meine alte, treue Martha, Fräulein Lore!"
Herzlich reichte Ditha dem bescheiden errötenden Mädchen die Hand. „Martha — was für ein hübscher Name das ist, gerade :n Ihrem Beruf!" sagte sie gewinnend. „Man denkt dabei unwillkürlich an die nimmermüde, immersorgende Martha in der Bibel."
„Der unser Herrgott dafür dann eins ausgewischt hat, gelt!" ergänzte das Mädchen schlagfertig.
Alle lachten. „Da haben Sie's nun, Fräulein Lore!" neckte der Doktor. „Wenn Sie die Bibel zitieren wollen, nehmen Sie sich ja hübsch vor unserer Martha in acht. Die nimmt's an Bibelfestigkeit mit jedem Theologen auf!"
Verlegen verschwand die treue Seele mit einem höflichen: „Gute Mahlzeit!" so schnell als möglich aus der Türe.
Auf dem alten grünen Plüschsofa sitzend, in dem ihre zierliche Gestalt fast verschwand, sprach Frau Hormann ein kurzes Tischgebet. Als sie aber dann nach dem Suppenlöffel greifen wollte um die Suppe auszuteilen, streckte Ditha bittend die Hand aus: „Darf ich das für Sie besorgen. Frau
Hormann?" .
Freundlich nickte diese Gewahr, der Sohn aber konnte nicht umhin, schon wieder zu necken. „Das Amt der Hausfrau, Fräulein Lore?"
Er wußte selbst nicht, warum es ihm so großes Vergnügen machte, das hübsche, zarte Mädel immer von neuem in Verlegenheit zu bringen. Vielleicht nur deshalb, weil sie so reizend aussah. wenn ihr die dunkle Röte so wie eben jetzt das feine Eesichtchen bis unter die krausen Stirnlöckchen hinauf Lbergoß. übrigens schon der erste große Unterschied zwischen ihr und Ditha — konstatierte er befriedigt. Ditha konnte nicht um jeder Kleinigkeit willen rot werden, ihrer ruhigen Selbstsicherheit war die rührende, ein wenig hilflose Verlegenheit Lore Bergers völlig fremd.
Dithas Hand, die den silbernen Suppenschöpfer hielt,
' zitterte so, daß der Löffel mit leisem Klirren gegen den Teller des Hausherrn sch^ eben füllte. Konnte. ^
Franz Gedanken lesen? War ihr nicht eben der Gedanke durch den Sinn gegangen, dem Franz Worte gab? Die sehnsüchtige Frage, ob sie diese Tätigkeit jemals hier im Hause mit dem althergebrachten Recht der Herrin ansüben würde? Oh, dürfte sie es doch als neues, glückverheißendes Omen buchen, daß das Scherzwort des Geliebten ihr Antwort gab auf ihr geheimstes Wünschen — gerade diese Antwort!
Sie war viel zu sehr in ihre lockenden Gedankengänge verstrickt, als daß es ihr möglich gewesen wäre, den Scherz des Doktors rasch und wirksam zu parieren. So begnügte sie sich mit einem halben Lächeln und einem dankbaren Blick auf Frau Hormann, die ihr mit immer wachem, nie versagenden Taktgefühl rasch zu Hilfe kam, indem sie herzlich betonte: „Das Amt unseres lieben Haustöchterchens, nicht wahr, Fräulein Lore!" Der Sohn aber bekam einen strafenden Seitenblick: „Was bist Du nur heute für ein schlimmer, übermütiger Spötter! — Aber nun wollen wir essen."
„Stimmt!" sagte der Doktor friedlich. „Nach dem berühmten Rezept: man füttere die Bestie etc. etc. Sie werden sehen, Fräulein Lore, wie schnell ich jetzt ganz zahm und brav sein werde."
Es wurde ein recht fröhliches Mittagessen zu Dreien. Des Doktors sprudelnder Übermut beherrschte die kleine Tafelrunde und die beiden Frauen ließen sich nur zu gern von dieser bezwingenden Fröhlichkeit mitforttragen. Waren fie doch beide im tiefsten Herzen beglückt darüber, ihn so froh zu sehen.
Ln Dithas Herzen läuteten taufend Freudenglocken. Die siegreiche, sonnige Art Franz Hormanns war es gewesen, die sie von Anfang an in seinen Bann gezogen hatte. Um der herzinnigen Fröhlichkeit willen, die aus dem Felsengrund einer tiefgläubigen Weltanschauung entsprungen wie ein kristallklarer Bergguell alle erfrischte und stärkte, die mit dem jungen Arzt rn Berührung kamen, hatte sie ihn zuerK geliecht.
^ (Fortsetzung folgt.)