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her begleitet. Der Sarg wurde mit der Bahn heute nachmittag 2'/* Uhr hierhergebracht und in den Trauerwagen gehoben, von wo aus sich der nicht enden wollende Trauerzug auf den Fried» Hof bewegte. Nach erbebendem Gesang von Lehrern hielt Stadtpsarrer Müller eine ergreifende Grab» rede, in welcher er der vielen Wohltaten der Entschlafenen gedachte und um welche edle Wohl­täterin nicht nur die hiesigen Armen, sondern auch die ganze hiesige Gemeinde, und noch viele Hunderte anderweitige Armen trauern. Auch von auswärts war die Beteiligung am Gang zu ihrer letzten Ruhestätte eine außergewöhnlich große.

Markgröningen 8. Jan. Mit dem Elektrizitätswerk Glemsmühle scheint man hier und in den Nachbarorten, die an das Weil an» geschloffen sind, dieselben üblen Erfahrungen machen zu müssen wie seinerseits in Ludwigsburg und Umgebung mit den Neckarwerken Altbach Deizisau. Erst wurde die Inbetriebnahme der Anlage um mehr als Jahresfrist verzögert und nachdem vor einigen Monaten ent lich die Lieferung des Stromes begann, giebt es fortwährend Störungen infolge Ausbleibens des Stromes, die aufs empfindlichste verspürt weiden namentlich im geschäftlichen Leben, so unter anderem in der hiesigen, vom Strom­bezug abhängigen Seidenweberei. Auch in Asperg mußte ein bedeutendes industrielles Unternehmen zeitweise seinen Betrieb völlig einstellen. Daß unter diesen Umständen die Stimmung gegen das Elektrizitätswerk, das einer Reserve-Dampfanlage entbehrt, wenig freundlich ist, liegt auf der Hand. Auch der neuerdings erfolgte Aufschlag der Milch auf 15 iZ hat hier lebhaft verstimmt. Falls die Versuche, die beteiligten Landwirte zur Herabsetzung auf deft alten Preis zu bewegen, scheitern sollten, wollen die Verbraucher nach dem in einer Versammlung gefaßten Beschluß es aus einenMilchkrieg" ankommen lassen.

Heuchlingen OA. Aalen 8. Jan. Als der einzige Sohn einer sehr achtbaren und braven Familie das Gewehr zum Taufanschießen richtete, ging dasselbe unversehens los und der ältesten Schwester die Ladung in die rechte Seite, welche lt.Jpf- und Jagstzeitung" nach wenigen Minuten in den Armen ihrer Mutter verschied.

Tuttlingen 7. Jan. Die Donau hat hat mit ihrer Versickerungsstelle zwischen hier und Möhringen im heurigen Winter eine Aenderung in der sonst üblichen Art des Fisckfangs eingeführt. Da, was äußerst selten eintritt, die Versickerung Heuer auch im Winter anhält, hatte die Donau in der Nähe der Stelle beinahe kein Wasser; dieses gefror bei der Kälte der letzten Tage voll» ständig, io daß die Möhringer Fischer mit den Holzäxten zum Fischen gehen mußten. Mehrere Zentner der auf diese Weise eingefrorenen Fische wurden so vom Eise befreit und erbeutet.

Baden 7. Jan. Tie gestern hier einge­

troffene Nachricht, daß sich Rechtsanwalt Hau auf dem Transport von London nach Hamburg erhängt habe, hat sich nicht bestätigt. Die Bad. Volksztg. glaubt, das Gerücht habe seinen Ursprung darin, daß bei einer hiesigen Familie, die mit Frau Molitor verwandt ist, aus Metz ein Telegramm eintraf, daß Hau sich auf dem Transport von London nach Hamburg erhängt habe, und daß deshalb die badischen Transportbeamten von der Reise dorthin abgehalten werden möchten. Es scheine mit diesem Telegramm eine absichtliche Täuschung der Polizei geplant gewesen zu sein zu dem Zwecke, Hau in Hamburg zur Flucht zu ver­helfen. Es frage sich sogar, ob nicht etwa gar ein Geniestreich geplant war in dem Sinn, daß falsche", badische Polizeibeamte den Hau in Ham­burg in Empfang nehmen sollten, während die echten" in Baden zurückgehalten wurden. Der Coup ist aber mißlungen, denn die badischen Trans­porteure fuhren trotz der Abhaltungsdepesche, deren Aufgeber bisher unbekannt ist, nach Hamburg ab. Polizeikommissär Ziegler ist gestern in Begleitung des Kriminalwachtmeisters Behringer und des Polizeisergeanten Sckuhmacher nach Hamburg ge­reist, um Hau in Empfang zu nehmen und nach Karlsruhe zu verbringen, wo er am Dienstag vormittag eintreffen wird.

Boppard 7. Jan. Bis heute Morgen waren sämtliche Leichen aus dem Schutt­haufen geborgen. Die Zahl der gefundenen Opfer ist, wie nunmehr genau feststeht, 13. Von den etwa 10 geretteten Personen ist niemand schwer verletzt. »

Bonn a. Rh. 7. Jan. In einer liberalen Wählerversammlung hielt General v. Trotha zu Gunsten der Kolonial-Politik eine Rede. Er Ließ darauf hin, daß alle Nationen für die Behauptung ihrer Kolonien Blut hatten vergießen muffen. Die Presse habe ihm Unrecht getan, ihm die bekannte Proklamation gegen die Hereros vorzuwerfen. Swakopmund werde nach seiner Ansicht niemals ein brauchbarer Hafen werden.

Berlin 8. Jan. Unerhörten Mißbrauch, mit Religion und Kirche treibt, wie das Berl. Tagebl. schreibt, das Zentrum bei der Wahl­agitation. In der Berliner St. Sebastianskirche wurden den Gläubigen, die zum Gottesdienst er­schienen waren, im Kirchraum Flugblätter in die Hand gedrückt, in denen die Zentrums­männer aufgefordert werden, Mathias Erzberger ihre Stimme zu geben und möglichst zahlreich in einer am Mittwoch den 9. Januar stattfindenden Zentrumswählerversammlung zu erscheinen.

Berlin 8. Jan. Der Kreuzzeitung wird gemeldet, daß sich das Befinden des früheren Landwirtschafts Ministers v.Podbielskinoch immer nicht zufriedenstellend gestalte. Er habe deshalb auf alle Anfragen wegen Uebernahme einer Reichs­tagskandidatur ablehnend geantwortet, wenngleich

er anfangs geneigt schien eine Kandidatur in der Ostprignitz zu übernehmen, die ihm von kon­servativer Seite angeboten worden war.

Berlin 8. Jan. Der Lok.Anz. meldet aus Rom.- Nachrichten aus Catania besagen, daß der Aetna unzweifelhafte Proben wiedererwachter vulkanischer Tätigkeit gebe. Im großen Krater vollziehen sich kolossale Zusammenbrüche. Oertliche Erdbeben werden in den Aetnastädten festgestellt. Den Kratern entströmen dichte Rauchwolken, was nie der Fall war. Die Bewohner der höchsten am Aetna gelegenen Ortschaft Nicolosi bemerkten von Gasexplosionen herrührende Feuersäulen.

In ihrem Wochenrückblick schreibt die Nordd. Allg. Ztg": Die Taktik der Sozial- demokratie im gegenwärtigen Wahlkamps erinnert stark an Mimikry. Die Partei bekundet wieder eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit an bürgerliche Anschauungen; von all den um­stürzenden Plänen, die die Sozialdemokratie in xstto hat, von dem ganzen kostbaren Marxismus und Kollektivismus, von der Vergesellschaftung des Eigentums an Betriebsmitteln und den übrigen programmatischen Zielen hört und steht man fast gar nichts, was ein Dreifaches beweist: Erstlich, daß die Sozialdemokratie ihre Gedanken, wenn es not tut, fürtrefflich zu verbergen und sogar mit demagogischer Fixigkeit ein ganzes Programm in die Tasche zu stecken versteht; zweitens, daß man es mehr als je auf die Mitläufer abgesehen hat, für die man die stärkeren Dosen des sozial­demokratischen Nikotins für zu schwer hält, und drittens, daß die eigentlich sozialdemokratische Lehre, so wie sie in dem annoch geltenden Erfurter Programm systematisch niedergelegt ist, bei der breiten Masse der Wähler keinerlei Zugkraft be­sitzt, daß man mit zukunftstaatlichen Lehren heut­zutage, wie man zu sagen pflegt, doch keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Dafür leben doch auch die sozialdemokratischen Arbeiter zu sehr in der Gegenwart, in einer auch für sie nicht ganz unerfreulichen Gegenwart, die sie nur noch viel bester und viel schöner sich wünschen ein Wunsch, zu dessen Erfüllung sie sich allerdings an keine ungeeignetere Adresse wenden könnten als an die der reaktionären, verlogenen, internationalen, die eigensten Interessen der Heimat und des Arbeiterstands aus demagogischem Machtbedürfnis skrupellos preisgebenden Sozialdemokratie. Be­zeichnend aber ist, daß die Sozialdemokratie sogar das Bedürfnis fühlt, sich in der Wahlarbeit dem Patriotismus, der trotz aller systematischen Verhetzung durch berufsmäßige Agitatoren noch immer, ja jetzt vielleicht mehr als früher in der Masse auch des arbeitenden Volks lebt, anzupaffen und die wahren Ziele und das wirkliche Verhalten der Sozialdemokratie z. B. in der Kolonialpolitik schönzufärben. So sucht man die ablehnende Hal­tung gegenüber der Forderung des südwestafrika­nischen Nachtragskredits zu verschleiern, indem

ist der Lärm entstanden. Der alte Cunningham war gerade zu Bett ge­gangen, urd Herr Alec saß im SLlvsrock da und rauchte noch eine Pfeife. Beide hörten den Kutscher Wilhelm noch Hilfe rufen; Herr Alec lies hirunter, um zu sehen, was es gäbe. Die Hintertür stand offen, und als er am Fuß der Treppe war, sah er draußen zwei Männer, die miteinander rangen.

Da fiel ein Schuß, der eine Mann sank zu Boden, der Mörder aber stürzte durck den Garten und sprang über die Hecke. Cunningham sah noch vom Fenster aus, wie der Kerl die Landstraße erreichte, dann verlor er ihn aus dem Gesicht. Herr Alec blieb bei dem Sterbenden, um zu versuchen, ob noch Hilfe möglich sei, und so hatte der Böiewicht Zeit zu entkommen. Wir wissen nur, daß es ein mittelgroßer Mann war, der einen dunkeln Anzug trug. Von seinem Aeußeren ist sonst nichts bekannt; doch wird eifrig nach ihm gefahndet, und wenn er nach auswärts geflohen ist, werden wir ihn bald haben."

Wie kam jener Wilhelm dorthin? Hat er vor seinem Tode nichts ausgesagt?"

Kein Wort. Er wohnte mit seiner Mutter im Pförtnerhäuschen und war dem Herrn treu ergeben; wir glauben, er habe noch einmal Nach­sehen wollen, ob aller im Hause auch sicher und wohl verwahrt sei. Seit dem Einbruch bei Acton war jedermann stets auf seiner Hut. Der Räuber muß gerade die Tür erbrochen haben das Schloß war gesprengt als Wilhelm herzukam."

Hat Wilhelm nichts zu seiner Mutter gesagt, ehe er fortging?"

Sie ist alt und taub, man kann wenig aus ihr herausbekommen. Ter Schreck hat sie halb blödsinnig gemacht; doch sagt man, sie sei nie recht klar im Kopfe gewesen. Etwas sehr wichtiges muß ich Ihnen noch zeigen. Hier sehen Sie!"

Er nahm einen Fetzen Papier aus seinem Taschenbuch und glättete ihn auf dem Knie.

Dies hier fand ich in des Toten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger. Es scheint von einem größeren Blatt abgerissen zu sein. Um dieselbe Stunde, die dort erwähnt ist, ereilte den armen Menschen sein Schicksal. Der Mörder wird ihm wohl den Zettel entrissen haben, oder er selbst hat die Ecke von einem Blatt abgerissen, das der Mörder in der Hand hielt. Es sieht fast aus, als habe man ihn zu einer Zusammen­kunft bestellt."

Falls es sich um ein Stelldichein, handelte," fuhr der Inspektor fort, so ist die Annahme nicht ausgeschlossen daß Wilhelm Kirwan, trotz seines ehrlichen Rufes, mit dem Dieb unter einer Decke gesteckt hat. Er kann ihn hier getroffen, ihm vielleicht geholfen haben, die Tür aufzubrechen, und dann sind sie mit einander in Streit geraten."

Tie Schrift ist außerordentlich interessant," sagte Holmes, der sich ganz in die Betrachtuug des Papiers vertieft hatte.Es wird der Sache nicht so leicht auf den Grund zu kommen sein, wie ich dachte." Er ver­grub nun den Kopf in beide Hände, und der Inspektor lächelte, als er

sah, welchen Eindruck sein Kriminalfall auf den berühmten Londoner

Spezialisten machte.

Ihre letzte Bemerkung," fuhr Holmes nach einer Welle fort,daß möglicherweise zwischen dem Diebe und dem Kutscher ein Einverständnis bestanden haben kann, und er durch diesen Zettel an den Ort bestellt wurde, ist sehr scharfsinnig und keineswegs zu verwerfen. Aber, jene Schristzüge lassen noch eine andere" er hielt sich abermals die Hand vor die Augen und versank abermals in tiefes Nachsinnen. Al» er wieder aufblickte, bemerkte ich zu meinem Erstaunen, daß feine Wangen gerötet waren und sein Auge so lebhaft funkelte, wie vor der Krankheit. Mit

verjüngter Tatkraft sprang er empor. (Fortsetzung folgt.)