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Ein anziehendes niederdeutsches Winterspiel
Wenn der Boden gefroren ist und eine Eisdecke die Gräben überspannt, dann ist bei den Friesen die Zeit zum Klotschießen oder Eisbosseln gekommen. An jedem Nachmittag sammeln sich, wie eine Zuschrift aus Ostsriesland es schildert, vor den Dörfern oder
die Knaben der beiden Kirchspiele fochten damals einen Wettkampf aus. Gewöhnlich finden die „Schetbosseln" von 500, 100 oder 60 Gramm Verwendung; sie werden mit einer Kreisschwingung des Armes, oft aber auch, indem sich der Schwinger gleichzeitig
Eisbosseln, ein niederdeutsches winterliches Spiel in Ostfriesland und anderwärts. Von Ludwig Kittel.
Städten kleine Trupps, Schuljungen und Jünglinge, Männer und Greise, selbst die jungen Ostfriesinnen beteiligen sich bisweilen an dem Spiel. Nach dem Lebensalter werden Gruppen gebildet; jede Gruppe teilt sich in zwei Parteien; beide erhalten einen gleich schweren „Klot". d. h. eine hölzerne, polierte, mit Blei ausgegosjene Kugel, deren Gewicht zwischen Ve und 2 Pfund schwankt, gewöhnlich aber 1 Pfund beträgt. Nun beginnt das Klotschießen (Kugelwerfen) nach einem verabredeten Ziel, etwa nach einer eine Stunde entfernt liegenden Gastwirtschaft. Man spielt auf der Fahrstraße, oder, zumal bei kleineren Kugeln, querfeldein über Felder und Wiesen. Die Parteien werfen wechselnd, und zwar mit einmaligem Umschwung des Armes. Wuchtig, in nicht zu hohem Bogen fliegt die Kugel dahin und rollt am Boden noch ein Stück weiter. Der Punkt, an dem sie liegen bleibt, wird bei beiden Parteien nach jedem Wurf von den „Bahnwisern" (Bahnzeigern) durch einen eingesteckten, etwa 3 Meter langen Stock bezeichnet. Die Partei, die mit den wenigsten Würfen das Ziel erreicht, hat gesiegt, die unterlegende bezahlt die Zeche, „dat Klotscheterbeer".
Mit Vorliebe fordern sich ganze Dörfer, Gemeinden, Äemter zum Klotschießen heraus. In Ostfriesland Pflegte früher ein besonders geübter Spieler nach Verständigung mit seinen Dorfgenossen einen Klot in einem Krug des herausgeforderten Dorfes aufzuhängen. Wurde er abgenommen, so galt damit die Herausforderung als angenommen. Dem Herausforderer wurde ein geschickter Werfer entgegengestellt. Beide Parteien machten Veldeinsütze, auch Wetten wurden abgeschlossen.
In den schleswig-holsteinischen Marken, wo bas Volksspiel „Eisbosseln" heißt, weil man in schnurgerader Richtung vorgeht und da- ! her oft auch über die gefrorenen Grenzgräben l hinüberspielt, forderte in alter Zeit ein Dorf oder Kirchspiel das andere durch einen rich- j tigen Bosselfehdebrief heraus. Heute über- ! senden die Boßler eines Bezirks eine Kugel. ! die Herausgesorderten schicken dann Ver- ^ trauensmänner. um das Nähere zu verab- ! reden. Am Tage des Kampfes flaggt das ! Dorf, mit Musik kommen die Gegner anmar- ! schiert, und nun beginnt der langstündige. > immer spannender werdende Kampf. Auf beiden Seiten kämpft die gleiche Anzahl Boßler, deren Reihenfolge genau bestimmt ist: beispielsweise fand 190l ein Wettbosseln zwischen den Kirchspielen Tetenbüll und Uelves- büü mit 40 Mann auf jeder Seite statt; auch
mehrmals um sich selber dreht, geworfen. Daneben gibt es die 2 bis 3 Pfund schweren Handbosseln, die man mit einem Ansatz in Kopf- oder Nückenhöhe wirft. Bei Streitigkeiten entscheidet das Urteil älterer Sachverständiger der „Krettler". Ob man nur bis zu dem vorn liegenden Ziel oder wieder bis zu dem Ausgangspunkt zurückspielen will, wird vorher ausgemacht.
In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts stand das Spiel in Gefahr, völliger Vergessenheit anheimzufallen, da verhalfen ihm umsichtige Vereinsbestrebungen zu neuem Leben. 1894 wurde der Verband schleswig-holsteinischer Eisboßler gegründet, der am 11. und 12. Februar 1906 in Husum das auch von Ostsriesen beschickte 6. Verbandsbosselfest feierte. Vom 15. bis 17. Januar 1905 fand zu Esens in Ostfriesland das 2. gemeinsriesische Klotschießerverbands- sest statt.
Die Sieger in den Wettkämpfen werden geehrt und gefeiert. Dem Pächter Mustert, der in Esens den Sieg errang, erließ sogar sein Pachtherr. Graf Wedel (Neustadt-Gödens), als Zeichen seiner besonderen Anerkennung auf ein volles Jahr den Pachtbetrag von 3000 M. In Schleswig-Holstein müssen die Besiegten manchen Spott hören: „Ji könnt ja isbosseln as en dode Hähn" (wie eine tote Henne)!
(Aus: Feste und Spiele des deutschen Landvolks von E. Kück und H. Sohnreq. Deutsche Landbuchhandlung G. m. b. H.. Berlin.)
SHim! Schnee!
Von Bogumil Goltz
Nun fiel der erste dicke Schnee! Wieder ein Jubel, wieder ein Festtag! Man zimmerte an einem Schlittchen mühseliger und betriebsamer als Robinson Crusoe an seinem Klotzkahn, den der Aermste doch zuletzt lie- genlafsen mußte. Man schnitt und hackte sich binnen kurzem so sehr in die Finger, als es mit den ziemlich stumpfen Schneidewerkzeugen nur immer möglich war. Nun wurden an den Hausknecht, den Kutscher und andre kunstfertige Leute die stürmendsten Liebkosungen spottwohlseil verschwendet: das verhalf endlich richtig zu einem Schlitten! Ging die Sache sehr gut. so wurden auch unter den Kufen ein Paar dünne Eisenstäbe beschafft, und sollten sie in aller Unschuld des verzweifelten Begehrs sogar von einem altmodischen Kammerfenster weggebrochen und gestohlen worden sein.
Jetzt war die halbe Welt unser: wir konnten ja auf unserm Schlitten in die schneeweiße und himmelblaue Möglichkeit hineinkutschieren! Hineinkutschieren wohl gar über den gefrorenen See in den jenseitigen geheimnisvollen Wald. Huh! Wie der Schnee unter den Füßen knarrte, das war mal schön, und wie das dunkel durchsichtige Eis so grausig lustig unter einem krachte und platzte, das war noch schöner als schön! Heiliger Gott! Wir begegneten einst einem Fuchs. Herr Reineke mit dem weltberühmten Fuchsschwanz träumte wahrscheinlich von einer fetten Gans und ließ sich auch ohnedies ziemlich ruhig betrachten, denn er mochte eben keine gefährlichen Jäger in uns verspüren; nun ward er aber mit furchtbarem Hussa in die Flucht getrieben und bombardiert. Das waren Heldentaten! Das war ein Jagen! Wo hat man hinterher von solcher Nimrodslust gehört? Ein Tier der Wildnis, mit eigenen Augen am Waldessaum, an geheimnisvoller Stätte geschaut und aufgejagt, wer ermißt das, selbst wenn er ein englischer Fuchshetzer oder ein sin- ghalesischer Elefantenjäger ist.
De* Winter (NiS dem Kalender Kunst in,dLeben"i.
U n ol d.
Man zerschlug sich die Nase beim Herabfahren von steilen Bergen, wenn das fchlechtgesteuerte Nutschgefährt, das in Ermangelung von etwas Schicklicherem oft nur in einer Handvoll Erbsenstroh bestand, gegen einen Stein anprellte, daß man kopfüber zu liegen kam. Man erfror sich Nase und Ohren und sonstige Glieder, man brach ins dünne und ins dicke Eis und kriegte zeitweilig Prügel: es war aber alles wunderschön: denn es gehörte alles zum Leben und Dasein und mehrte beides, füllte die Seele und stärkte das Gedächtnis; wie konnte es da ein Unglück sein? Man war ja lebendig, man war in einer Welt voller Abenteuer und voller Wunder und zu seiner höchsten Verwunderung miterschafsen und mit ans der Welt! Man jauchzte, daß man darauf losleben durfte; was brauchte mau mehr?
ZUM König gekrönt MM
Von ihm selbst erzählt
Am Vorabend vor dem Dreikönigstag erschienen die „Heiligen Drei Könige mit ihrem Stern". Und wer waren die drei Weisen? Drei Singknaben vom Kirchenchor, angetan mit Kronen und einem schneeweißen Hemdlein über ihrem „Sonntagshäs". Ter Stern aber war gebildet aus in Oel getränktem, weißem Papier, hatte vier mächtige .Zinken", in seinem Herzen einen .Lichtstumpen" aus der Kirche, ward von einem Nachtwächter getragen an einer großen Stange und mit einer Schnur in planetenmäßige Bewegung gesetzt. Das war die Gesellschaft, auf die jedes Kind in freudiger Erwartung sern Herz lenkte.
Am äußersten Hause der Altstadt ward nun angefangen: der Stern, leuchtend in stiller Nacht, drehte sich um seine eigene Achse, der Nachtwächter, zu unserer Zeit der „Jägermurer", dampfte dazu aus seiner Tabakspfeife, und die „Heiligen Drei Könige" fingen an zu singen. Und was sie fangen, klang so wunderbar aus Kindermund zu Kinderherzen, daß wir nicht genug horchen konnten. Und die alten Leute schauten aus den Fenstern, und in ihrer Seele tönten wieder aus der Jugendzeit — die alten Dreikönigslieder, und mancher Greis ward wieder jung im Herzen und fing drinnen mit zu singen an.
Es sind lauter Kinderlieder, das ist Volkslieder, diese Dreikönigslieder von Hasle und, weil zudem bislang ungedruckt, wert, daß ich ein oder das andere ganz oder teilweise mitteile.
Das lieblichste dieser Lieder setze ich ganz her:
O Jesulein!
. Die Liebe hat fürwahr Dich bunden ganz und gart O Kindelein!
Sie ui der Tat Dich g'fesselt hat.
Gelegt in die Krippe dich Unter das arme Viech,
O Jesulein! ?
O Jesulein!
Aus Lieb verlaßen hast Den himmlischen Palast,
O Krndelein!
Und in den Stall Vom Himmelssaal Bist g'stiegen uns zulieb.
Weil dich die Liebe trieb,
O Jesulein!
O Jesulein-!
Dein zartfeurig's Herz Ist voll der Liebe Schmerz O Kindelein!
Drum fließen hier Lieb's-zähren dir Don deinen Aeugelein O liebstes Herzelein.
O Jesulein!
O Jesulein!
Wir zwar bedauern all'. >
Daß liegen mutzt nn Stall. "
O Kindelei u!
Doch ungemein Wir fröhlich sein.
Dah uns abg'nommen hast Des Adams Sündenlast.
O Jesulein!
O Jesulein!
Wir rufen all' dich an.
Ach. uns doch höre an. s
O Kindelein!
Mir bitten dich i
Herzinniglich,
Gib allen unS dein' Gnad'
Und hüt' vor Feindes Schab',
O Jesulein!
O Jesulein!
Wir hier «chionderlich