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„Die deutsche Kriegsflotte manöveriert", sagt Hermann erklirrend. Und dann jubelnd: „Lisa ... ich habe dich nicht nur allein gewonnen ... ich habe dich uns zurückgewonnen!"
*
Der unbeständige Sommer hat ein paar gleichmäßig schöne Tage.
Sie sind auf Bornholm, sehen Möven wie weiße Blitze von gezackten Klippen über die blaue See streichen und haben vergessen, daß außer ihnen noch eine Welt ist.
Nur einmal, wie das Horst-Wessel-Lied von fern herkommt und sich mit dem Rauschen des Meeres mischt, sagt Hermann:
„Schau, Lisa, das ist der Unterschied hier und in Österreich. Eine Nation legt die Hand aneine Fahne, und man darf sich nicht an seinem Volk versündigen. Niemals wird ein Volk zu einer Nation, vor der sich die Welt beugt, wenn es nicht seine Rasse rein bewahrt. Hier hat sich eine Millionenbewegung mit ihrer Kraft und ihrem Willen eingesetzt, und man spürt es. Man muß nur ein paar Tage in Deutschland sein, und man saugt Kraft ein für den persönlichen Kampf und für den Kampf, den Österreich jetzt gegen seine Regierung kämpft, in der... I ud e n diktieren, die aus der großen Vergangenheit Österreichs Lassos drehen mit Schlagworten von vaterländischer Front und dergleichen ... und haben doch gar nichts davon in Blut und Herz." —
Am Abend liegt Lisa in ihrem Bett und denkt über alles nach.
Es war ein Brief von Egon gekommen:
„Ich habe meine Bank beauftragt, Dir 1000 Mark anzuweisen. Kaufe Dir, was Dich freut!"
Sie nimmt den Brief vom Nachttisch, steht noch einmal aus und verschließt ihn «l eine Lade. Seine Nähe macht ihr Unbehagen.
,Er hat mir nie eine Ursache gegeben, ihm bös zu sein, und dafür, daß er ist, wie er ist ... kann er nicht.'
Und sie denkt weiter: Daß doch die Pflicht einem Einzelmenschen gegenüber, dem man angehört, der Pflicht gegen «ine Gesamtheit entgegenstehen kann! Wo ist die größere?' —
Am Morgen erhebt sie sich müde und schwor.
,Ich will ihm sagen, daß man doch einen Grund haben muß, wenn man von einem Menschen Weggehen will. Denn das Hab' ich doch vorher gewußt, daß er ein Geschäftsmann ist und von jüdischer Abstammung. Er kann doch nichts dafür, daß seine Mutter eine Jüdin war ...'
Dann steht der kleine Old an der Terrasse.
Hermann nimmt zwei Stufen auf einmal. „Wir fahren heute nach der Insel Rügen. Ist es dir recht?"
„Ja", sagt Lisa, steigt ein und fährt in die Sonne hinein mit ihm, bis zum Landungsplatz, und weiß nur eins: »Ich könnte es nicht mehr ertragen, das Leben, wie es war.'
Sie sagt stockend: „In vierzehn Tagen kommt... Egon."
Es ist eine seiner typisch raschen Bewegungen, mit der «r den Kopf zu ihr wendet. Sie stehen auf Deck des Dampfers. „Und ... du?"
Sie sieht an ihm vorbei. „Laß mir Zeit!" —
Sie reden an diesem Tage nicht mehr davon.
Es ist Regenwetter eingetreten. Der Strand ist leer, und die Hotels sind überfüllt.
In der Halle sitzt Lisa und frühstückt.
Da steht er plötzlich vor ihr. „Ich fahre morgen."
„Nein!" sagt sie und schaut ihn entsetzt an.
„Doch, doch, ich muß wieder nach Haus. Mein Urlaub läuft ab."
Lisa hat einen Augenblick lang die Vision einer Wüste. War es, daß ihr Blick durch die offenen Glastüren Len teeren, gelben Strand draußen trafen und das flache Meer, oder kam es irgendwie von innen heraus?
Leer... und noch einmal leer ... und Langeweile ... «ndlos ... grenzenlos ... Jahr um Jahr... das ganze Leben.
Hermann schreckt sie auf: „Willst du Stettin sehen? Es ist eine alte Stadt."
Sie nickt. —
Eine halbe Stunde später fahren sie.
Lisa hat noch nicht viele deutsche Städte gesehen und hat Sinn für Architektur.
Das alte Rathaus, die hohen Giebelhäuser am Markt, die gezackten Speicher, und der Wind, der vom Meer kommt und dem sich die Menschen lachend entgegenwerfen, jauchzend «nd froh, der Gleichschritt marschierender Truppen, Fahnen, und der Gruß, der von den Lippen springt wie ein Jubel: „Heil Hitler!"
Sie nimmt es in sich auf.
Da zieht Hermann die Bremsen an, wo es steil bergab geht in enger Straße, lächelt und sagt: „Siehst du, Lisa, das ist deutsch ... und das ist ewig. Ein solches Volk vergeht nicht!"
Sie atmet tief. „Das sind glückliche Menschen!"
„So glücklich können wir auch sein. Man muß Len Mut haben, für eine Sache, die man erkennt, mit allem zu brechen und ihr zuzuschwören." —
In dieser Nacht geht Lisa in ihrem Zimmer auf und ab, öffnet Schubladen und den Schrank und legt alles heraus, ordnet und sagt am Morgen zum Zimmermädchen: „Legen Sie das alles in den Koffer, und ich will die Rechnung haben."
Dann geht sie zum Frühstück.
.. . steht ihn langsam die Treppe der Terrasse herauf- stergen. Langsam, nicht so wie sonst. Sein blonder Kopf tst gesenkt. ' .
Dann fleht er vor ihr.
„Lisa... ich fahre."
„Ja", sagt sie und lächelt ein klein wenig.
„Kellner!"
„Bitte, gnädige Frau."
„Lassen Sie mein GSpäck heruntertragen."
Das reißt ihn auf.
„Lisa...?"
Sie sieht ihn an.
„Ich fahre mit dir."
Da küßt er mit heiß brennenden Lippen ihre Hand. —
Fahren und fahren. Durch blau blühend« Heide, über die Vögel mit weitgespannten Flügeln streichen. Durch schwarze Wälder. Berlin, wo das Herz des Reiches in starken Schlägen pocht. Und weiter. Seen und Täler. Ewig wechselnde Bilder!
Sie staunt über ihn.
Er wird nicht müde. Kann elastisch vom Steuer springen nach sechsstündiger Fahrt, als wäre es gar nichts gewesen.
Sie wissen jetzt, daß sie sich nicht mehr trennen werden, weil sie sich nicht mehr trennen können, und Hermann spricht sachlich und klar von ihrer gemeinsamen Zukunft.
Da sagt sie leise und bange: „Und wenn Egon nicht in die Scheidung willigt?"
„Doch, doch, Lisa, mache dir darüber keine Sorgen. Jede Eh« kann geschieden werden." —
Wien.
Der Stephansturm ist eine Silhouette vor dem Abendhimmel.
„Lisa ... hier ist eine Taxe."
„Ja", sagt sie und möchte am liebsten weinen. ' " -
Hermann gibt dem Chauffeur einen Wink.
Die Taxe stoppt neben dem Old
Hermann reicht die Koffer hinüber.
„Leb' wohl, Lisa ... morgen nachmittag im Kurpark."
„Ja", gibt sie leise zurück und hält feine Hand noch eine Sekunde fest. L > .
Dann biegt der klein« Old ab.
Der Chauffeur dreht sich um.
„Wohin, gnädige Frau?" ^ ^ '
„Opernring 18."
Lisa hat Angst vor dem, was jetzt kommen muß.
Der Wagen gleitet über den Ring.
Jetzt wird sie gleich zu Hause sein.
Ob Egon da sein wird?
Da hält der Wagen.
Sie steigt aus und gibt dem Chauffeur das Fahrgeki. Ein wenig nervöse Bewegungen haben ihre Hände.
„Der Diener wird gleich kommen und das Gepäck holen."
„Ich warte schon", sagt der Chauffeur.
Sie drückt auf die Glocke.
Paul öffnet. Sein geschultes Dienergesicht verbirgt sein Erschrecken nicht.
„Gnädige Frau, es ist mir gar nichts gesagt worden ..."
„Schon gut, Paul. Nehmen Sie meine Koffer aus dem Wagen."
Sie steigt die Treppen hinauf. Es kommt ihr alles vor, als wäre es ein fremdes Haus.
Im Salon ist der venetianische Lüster eingehüllt, die Teppiche sind aufgerollt, die Sessel überzogen, die Jalousien geschlossen.
So geht sie durch die Räume und denkt: >Es ist, wie wenn jemand gestorben wäre.'
In ihrem kleinen Salon legt sie ab. Der ist wie immer.
Netti kommt. „Ach, gnädige Frau, so eine Überraschung! Wir haben gar nichts gewußt. Darf ich auspacken?"
„Nur den kleinen Koffer, Netti."
„Verreisen gnädige Frau nochmals?"
„Ich weiß nicht."
Jetzt muß sie doch nach ... ihm fragen.
„Ist mein Mann zu Hause?"
„Nein, gnädige Frau, der Herr Direktor ist noch nicht zu Hause. Bestimmen gnädige Frau etwas anderes zum Nachtmahl? Wir haben ..."
„Das ist mir ganz gleich. Ich will mich ausruhen. Wenn mein Mann kommt, sagen Sie ihm, daß ich hier bin."
Eine Stunde vergeht.
Sie geht auf und ab und fetzt sich wieder, geht zum Fenster.
Merkwürdig tot und ausgestorben ist der Ring, gegen ... den Strand. Es ist halt Sommer ... oder es ist irgend etwas anderes ...'. denkt sie.
Da geht di« Tür auf.
„Ja, Lisa, du bist hier? Grüß' dich Gott!"
Egon geht rasch auf sie zu und umarmt sie. „Ja ... wieso denn? Wie kommt denn das? Dir ist doch nichts Unangenehmes begegnet?"
„Wie meinst du?"
„Gott ... in diesen Zeiten! Die deutsche Regierung ..- wir hätten Nizza oder Abbazia ins Auge fassen sollen! Sicher hat man dir Scherereien gemacht, weil du ein« Österreicherin..."
„Aber nein, nicht im geringsten."
„Dann begreife ich nicht ... bist du am Ende ... .gar leidend?" - ^
"Ich hal>e dir doch noch 1000 Mark geschickt. Ist dir das Geld ausgegangen?"
„Nein. Die 1000 Mark Hab' ich wieder mitgebracht. Hier sind sie."
„Dann verstehe ich nicht. Wenn das nur ... eine Laune ist ... ich wollte Montag fahren, habe schon meine Dispositionen getroffen. Ich muß sagen, diese Durchkreuzung meiner Pläne habe ich nicht sehr gern."
„Bitte, Egon, ich kann nichts dafür. Setze dich nieder, ich will etwas Wichtiges mit dir reden."
Er setzt sich und zieht dabei die Uhr. „Ich habe eine Stunde Zeit. Um V 28 Uhr Hab' ich eine Sitzung. Wir wollen noch vorher essen."
Sie nickt nur, und ihre Hände suchen nach irgend etwas, das sie fassen können.
Da macht er schweigend sein Etui auf. Es beruhigt sie. daß sie rauchen kann.
„Egon, du warst immer lieb zu mir und ich bin dir auch zu Dank verpflichtet."
Sein Gesicht zuckt. ,Was will sie denn?'
Er sagt hastig: „Aber Lisa, wie kommst du darauf? Du bist das Glück meines Lebens. Von Dank ist da nicht zu reden."
Sie schlägt die Augen zu ihm auf. „Ich kenne dich als einen Menschen, der ein objektives Urteil hat. Schau, Egon ... für eine Ehe ist das zu wenig, daß ein Mann seiner Frau alles kauft, was sie haben will."
„Wie meinst du das? Ich versteh' nicht. Was soll ich denn sonst..."
„Gott, Egon ... ich will keine Phrasen machen von dem, was ich erhofft habe und was du mir nie wirst geben können. Ich sage dir einfach ... ich will mich scheide» lasten."
Da springt er auf. „Du bist wohl verrückt geworden da oben in Swinemünde? Was fällt dir denn ein? Was isb denn in dich gefahren? Wir haben uns im besten Einvernehmen getrennt. Deine Briefe waren lieb und zufrieden wie immer. Das ist ja Heller Unsinn! Wenn du willst, telephoniere ich die Sitzung ab. Willst du irgendwo hinfahren? Es ist zwar jetzt nicht viel los in Wien..."
„Egon! Es ist mein Ernst, und es hat gar keinen Zweck, daß du darüber wegsehen willst, als hätte ein Kind irgendeine Dummheit gesagt." i!
Da wird er rot im Gesicht. Alles Blut drängt ihm zu den Schläfen. Er fährt hastig mit dem Zeigefinger in den Hemdkragen und lockert ihn. „So ... ist es dein Ernst?"
Er lacht mißtönig. „Nun hast du vielleicht die Güte und setzt mir deine Gründe auseinander. Habe ich dich vernachlässigt? Kannst du mir eine Untreue Nachweisen? War ich rücksichtslos gegen dich?"
Sie zerdrückt mit zitternder Hand die Zigarette in einer kupfernen Schale. „Ich habe gesagt, du warst immer lieb gegen mich, und ich ... ich habe keinen Grund ... als ..."
„Als?" wiederholt er.
„Als daß eine Kluft ist zwischen uns, und die liegt in Verhältnissen, die wir nicht ändern können."
Da lacht er noch einmal so, daß sie zusammenfährt. „Ah ... jetzt weiß ich schon. Ich bin ein Esel, daß ich es nicht gleich gemerkt habe. Das hat schon die letzten Wochen hier angefangen, an den Abenden, an denen der blonde Doktor ... Hab' ich recht? Aber ... mach' dir keine Hoffnung, Lisa! Daraus wird nichts. Lisa! Sei vernünftig! Auf eine einverständliche Scheidung werde ich mich nie einlassen, und willst du einen Prozeß, so wirst du ihn verlieren, weil du keine Gründe hast. Verstehst du? Lisa! Ich habe nie geglaubt, daß du mir so was antust ... zumal jetzt, in dem Augenblick, wo ich alle meine Nerven und alle meine Kräfte anspannen muß, um finanziell auf der Höhe zu bleiben. Gewiß, die Regierung Dollfuß steht fest, und die vaterländische Front hat die Macht in den Händen. Aber ... herrschte nicht in Deutschland Or. Brüning und in Preußen Severing — und heute? Ist es nicht doch besser, nicht alles auf eine Karte zu setzen? Ich traf Vorsorge, denn große Vermögensbestände sind in Sicherheit in Italien, in Holland und in Amerika. Weißt du, was das bei der Schärfe der heutige« Devisengesetzgebung heißt? Weißt du, wie oft ich gezittert habe — und doch tat ich es nicht für mich allein, sondern in Sorge um dich, um deine Zukunft. Du hast dich ja nie gekümmert um meine geschäftlichen Sachen."
„Du wolltest es ja nicht." ^
„Schön ... ja ... aber eine Frage hätte mir dein Interesse bekundet, Lisa. Unsere geschäftlichen Beziehungen zu Deutschland sind lahmgelegt, dank der Umtriebe dieser hochverräterischen Nationalsozialistischen Partei, die Österreich in den Abgrund getrieben hätte, wenn nicht Dollfuß Österreichs Freiheit und Unabhängigkeit..."
«Egon ... laß das aus dem Spiel."
„Das willst du nicht hören, wie? Ich muß arbeiten, arbeiten und arbeiten, sonst bin ich ruiniert, es ist ja nicht so leicht bei der heutigen Komplizierung des internationalen Geldverkehrs..."
„Das darfst du mir nicht erzählen. Ich weiß doch, daß du große Depots auf verschiedenen Auslandsbanken hast. Aber ... ich will ja gar nichts. Du brauchst mir nichts zu geben." - ' - -
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