Die württ. Gemeinde« im Vordertreffen des ArbettSkampfes
Stuttgarts 12. Sept. Der Vorsitzende des württ. Ge- nreindetags, Oberbürgermeister Dr. Strölin, übermittelt uns eine Erklärung über die Beteiligung der württ. Gemeinden an dem Angriff auf die Arbeitslosigkeit. Darin wird ausgeführt, daß Württemberg in der Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Sonderstellung einnimmt, die unserem Land weit über die deutschen Grenzen hinaus Beachtung verschafft hat. Die Arbeitslosigkeit liegt in Württemberg von jeher stark unter dem Reichsdurchschnitt. Es entfielen auf 1000 Einwohner an unterstützten Arbeitslosen
im Reich
in Württemberg
1931 Ende Februar
72,0
37,7
Ende August
57,7
23,1
1932 Ende Februar
68,4
46,3
Ende August
64,1
26,9
1933 Ende Februar
79,0
37,9
Ende Juli
54,5
22,7.
Die bessere Arbeitsmarktlage in Württemberg ist gewiß zu einem Teil auf die gesunde und widerstandsfähige Wirtschaftsstruktur unseres Landes zurückzusühren. Hinzu kam, daß gerade in Württemberg weite Kreise der Wirtschaft in vorbildlichem sozialem Verständnis die Entlastung von Arbeitnehmern auf das äußerste beschränkt haben und in weitestem Umfang zur Verteilung der Arbeit auf möglichst viele Arbeitnehmer in der Form der Kurzarbeit übergegangen sind.
Diese beiden günstigen Faktoren wurden in Württemberg stets durch großzügige und intensive öffentliche Arbeitsbeschaffung wirksam unterstützt. An dieser haben sich namentlich die Gemeinden hervorragend beteiligt. Das Land Württemberg und seine Gemeinden haben nunmehr auch den von dem Führer Adolf Hitler eingeleiteten Arbeitskampf mit größter Tatkraft ausgenommen. Die Zahl der unterstützten Arbeitslosen ist gegenüber dem Stand vom 28. Februar 1933 bis zum 31. Juli 1933 zurückgegangen im Reich um 30,1 Prozent, in Preußen um 27,1 Prozent, in Bayern um 33,3 Prozent, in Sachsen um 2-1,7 Prozent, in Baden um 21,9 Prozent, in Württemberg um 40,2 Prozent. Danach marschiert Württemberg in der Verminderung der Arbeitslosenzahl mit starkem Abstand an der Spitze der fünf größten deutschen Länder.
Württemberg kann allerdings bis jetzt noch nicht überwältigende Zahlen von solchen Gemeinden aufweisen, die bereits völlig frei von Arbeitslosen sind. Von den industriereichen Gemeinden des früheren Neckar- und Schwarzwaldkreises sind bis jetzt 15 bzw. 20 Prozent gänzlich frei von Arbeitslosen: von den mehr landwirtschaftlichen Gemeinden des früheren Donau- und Jagstkreises weisen dagegen bereits 37 hzw. 42 Prozent keine Arbeitslosen mehr auf. Die für Württemberg typische starke Mischung von Industrie und 'Landwirtschaft bewirkt, daß sich in sehr vielen württ. Gemeinden noch eine Anzahl, von arbeitslosen Industriearbeitern vorfindet, sodaß die Zahl der von Arbeitslosen gänzlich freien Gemeinden naturgemäß teilweise hinter den Verhältniszahlen anderer Länder znrücksteht. Für die Lage des Arbeitsmarktes in Württemberg ist weiterhin charakteristisch das Verhältnis der Hauptuuterstützun'gsempsänger einerseits und der allein von den Gemeinden zu betreuenden Wohlsahrtserwsrbsloscn andererseits. Während im Reich die Hälfte der unterstützten Arbeitslosen Wohlfahrtserwerbslose sind, beträgt ihr Anteil in Württemberg bis jetzt nur ein starkes Drittel. Der geringere Anteil der ausgesteuerten Arbeitslosen an der Gesamtzahl der unterstützten Erwerbslosen in Württemberg ist mit in erster Linie darauf zurückzuführen, daß die württ. Gemeinden allein und im Zusammenwirken mit den Arbeitsämtern einen weit über dem Rcichsdurchschnitt stehenden Teil der Erwerbslosen mit Notstandsarbeiten beschäftigt und so wieder in den Arbeitsprozeß eingeschaltet haben.
Die Leistungen Württembergs auf dem Gebiet der Arbeitsbeschaffung übertrafen schon im Jahre 1932 den Reichsdurchschnitt um ein Vielfaches. Im Jahre 1933 ist der Anteil der mit Notstandsarbeiken beschäftigten Arbeitslosen gerade auch in Württemberg außerordentlich gesteigert worden. Auf 1000 unterstützte Arbeitslose entfielen an Notstandsarbeitern 1933 Ende Januar im Reich 5, in Württemberg 25„3, Ende April im Reich 27,5, in Württemberg 99,4, Ende Juli im Reich 31, in Württemberg 149,5. Die Beschäftigung eines so erheblichen Teils der Arbeitslosen mit Notstandsarbeiten hat für die württembergischen Gemeinden eine außerordentlich starke Belastung mit sich gebracht. Es wäre für die Gemeinden rein finanziell gesehen, vorteilhafter und bequemer gewesen, wenn sie sich auf die geldliche Unterstützung der Arbeitslosen beschränkt hätten. Die Beschäftigung der Arbeitslosen mit Notstandsarbeiten verursacht den Gemeinden einen weit größeren Aufwand für den einzelnen Arbeitslosen als die bloße Gewährung einer Geldunterstützung. Nach den Erfahrungen der Gemeinden betragen die Kosten einer Notstandsarbeit einschließlich der Kosten für Material und Geräte, auf
den einzelnen Notstandsarbeiter umgerechnet, im Durchschnitt monatlich etwa 200 Mark.
Im Jahr 1932 haben die württ. Gemeinden fiir die Beschäftigung von Arbeitslosen mit Notstandsarbeiten etwa zehn Millionen Mark aufgewendet. In Auswirkung des von der nationalsozialistischen Regierung eingeleiteten Arbeitskampfes haben sich die Aufwendungen Württembergs für die Beschäftigung von Arbeitslosen mit Notstandsarbeiten im Jahr 1933 ganz wesentlich gesteigert; bereits im ersten Halbjahr 1933 sind hiefür etwa 10 Millionen RM. aufgewendet worden. Trotz dieses hohen Aufwands haben die württ. Gemeinden seit Jahren den Standpunkt vertreten, daß die — auf die Dauer gesehen — wirtschaftlichste und vom sozialen und sittlichen Standpunkt aus wertvollste Arbeitslosenfürsorge in der Arbeitsbeschaffung besteht. Die in den letzten Jahren durchgeführten weitgehenden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen belasten die württ. Gemeinden auch weiterhin sehr stark. Da sie vielfach nicht aus laufenden Mitteln bestritten werden konnten, sondern durch Darlehen finanziert werden mußten, so sind den württ. Gemeinden aus dieser umfassenden Arbeitsbeschaffung Zins- und Tilgungsverpflichtungen erwachsen, die in der Gegenwart und auch für die Zukunft eine schwere und anhaltende Vorbelastung des Haushalte darstellen.
Die Tatsache, daß die württembergischen Gemeinden sich mit Erfolg bemüht haben, durch weitgehende Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die Zahl ihrer Wohlfahrtserwcrbslosen auf den tiefsten Stand im Reich herabzudrückeu, hat aber zur Folge gehabt, daß sie dadurch bei der Verteilung der Reichswohl- fahrtshilfe außerordentlich stark verkürzt worden sind. Für die Verteilung der nach den gegenwärtigen Ausschüttungen jährlich etwa 840 Millionen Mark betragenden Reichswohlfahrtshilfe bildet nämlich die Zahl der Wohlfahrtserwcrbslosen den Verteilungsmaßstab. Die württembergischen Gemeinden erhalten daher entsprechend ihrem geringeren Anteil an Wohlfahrtserwerbslosen unverhältnismäßig geringe Ausschüttungen aus der Reichswohlfahrtshilfe. Auf diese Weise bat sich die vorbildliche Arbeitslosenfürsorge der württembergischen Gemeinden bisher in einer Zurücksetzung bei der Verteilung der Reichsgelder ausgewirkt. Trotz allem haben die württ. Gemeinden sich auch an dem durch das Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 1933 eröffneten Generalangriff auf die Arbeitslosigkeit tatkräftig beteiligt. Sie werde» im Rahmen des Juni-Programms etwa weitere zehn Millionen Mark für die Finanzierung neuer Arbeitsgelegenheiten aufwenden. Damit konnten jedoch die Finanzierungsanträge der Gemeinden bei weitem nicht befriedigt werden. Unter Verzicht auf schlagartige Augenblickserfolge werden die württembergischen Gemeinden den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit mit schwäbischer Gründlichkeit und Beharrlichkeit fort- setzen in dem zuversichtlichen Glauben, in naher Zukunft doch den Zeitpunkt zu erleben, an dem alle arbeitsfähigen und arbeitswilligen Volksgenossen ihren Lebensunterhalt durch freie Arbeit sichern können.
Geschiiftsvereinfachung bei de« Behörden
Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Reichsstatthalter Murr hat folgende Anordnung an die Ministerien ergehen lasten: „Bei den Staatsbehörden, insbesondere aber bei den Ministerien selbst, ist es üblich, daß Entwürfe durch die Hände verschiedener Berichterstatter gehen. Das Recht, sachliche Aende- rungen und, wenn erforderlich, auch sprachliche Verbesserungen vorzunehmen, wird dem verantwortlichen Beamten nicht bestritten. Es muß aber als kostspielige Zeitvergeudung bezeichnet werden, wenn Abänderungen nur deshalb erfolgen, um zu beweisen, daß der Vorgesetzte pflichtgemäß das betreffende Schreiben durchgesehen hat. Solche überalterten Zöpfe können heute nicht mehr verantwortet werden. Der nationalsozialistische Staat hat das größte Interesse an der freudigen Mitarbeit seiner Beamten, deren Schaffenseifer durch derartige kleinlichen Schikanen nicht beeinträchtigt werden darf. Ich erwarte von den Ministerien, daß durch geeignete Anweisungen und Belehrungen der Beamten dieser Mißstand ein für alle Mal abgestellt wird. Außerdem ersuche ich, die Beamten darauf hinzuweisen, daß sie heute mehr als je als Vertrauensmann der Regierung anzusehen sind, daß dementsprechend die nationale Regierung von ihren Beamten erwarten müsse, daß sie der Bevölkerung, die ihre Anliegen in höflicher Form vorbringt, auch in der entsprechenden Form gegenübertreten. Die Beamten müssen sich der Bevölkerung gegenüber jeder Ueber- heblichkeit und trotz Bestimmtheit jedes verletzenden Tones enthalten."
kus Stärkt unr> Usno
(Wetterbericht.) lieber Island liegt Hochdruck, ebenso über Italien, während sich Tiefdruckgebiete im Nordosten und Südwcsten zeigen. Für Freitag und Samstag ist zwar zeitweilig aufheiterndes, aber zur Unbeständigkeit neigendes Wetter zu erwarten.
Conweiler, 12. Sept. In unserer Gemeinde wurde dieser Tage eine Arbeit vollendet, die Beachtung verdient. Die schon früher geplante, jedoch immer wieder wegen Fehlens jeglicher Mittel zurückgestellte Walzung u. Teerung der Adolf- Hitler-St ratze wurde nun im Laufe der vergangenen Wochen durchgeführt. Die Anwohner der Straße können nun wieder frei aufatmen, ist es nun doch wieder möglich, ein Fenster zu öffnen, während dies bisher, als die Kraftwagen durch den Ort rasten und dichte Staubwolken hinter sich ließen, nicht möglich war. Durch den immer mehr zunehmenden Kraftwagenverkehr wurde die Staubplage für die Anwohner zur Qual, so daß sich die Gemeindeverwaltung veranlaßt sah, Abhilfe zu schaffen. Die Walzungs- nnd Teerungsarbeiten wurden von der Firma Säge L Wörner, Stuttgart, mit Hilfe von Wohlfahrtserwerbslosen ansgeführt. Die 1300 Meter lange Strecke mit zirka 7000 Quadratmetern dürfte schätzungsweise auf 12 000 Mark zu stehen kommen. — Die seit einigen Wochen herrschende Trockenheit macht den Landwirten gegenwärtig große Sorgen. Nicht allein, daß nach der Oehmdernte das Nachfutter gänzlich ausblcibt, so sind es auch noch die nach der Ernte eingesäten Weißen Rüben, die unter der Trockenheit nur kümmerlich gedeihen. Ihr Ausfall bedeutet für die Landwirtschaft einen großen Schaden, da dieselben besonders für das Rindvieh ein wichtiges Futtermittel darstellen. — Den Maßstäb für die diesjährige Obsternte ergibt es so ungefähr aus dem Verkauf des G em ein d e o b st e s. Dabei wurden in diesem Jahr 200 Mark erlöst, während in den mittleren nnd guten Obstjahren das drei- und vierfache erlöst wurde.
Herrenalb, 13. Sept. (Vom Sportverein Herrenalb.) Im Hotel „Sonne" hielt am 9. September der Sportverein seine ordentliche Generalversammlung ab. Vorstand Bairl begrüßte die zahlreich Erschienenen, besonders galt der Gruß den anwesenden passiven Mitgliedern. Zu Beginn gedachte er der im verflossenen Jahr durch Tod ausgeschiedenen drei Mitglieder, die Anwesenden erhoben sich zu Ehren derselben von ihren Sitzen. Aus dem nun folgenden Tätigkeitsbericht war zu entnehmen, daß auch das vergangene ein ereignisvolles Jahr in sportlicher Beziehung war. Vor allem ist die zum zweitenmal errungene Abteilungsmeisterschaft der 1. Mannschaft zu erwähnen. Aber auch die 2. Mannschaft hat durch schöne Privatspielergebnisse zum guten Erfolg beigetragen. Neu ausgenommen wurde der Spielbetrieb einer Jugendmannschaft, die unter tatkräftigem Training des Aktiven Fritz Walter stand. Als Wohl die eifrigste Abteilung ist die Faustballmannschaft zu nennen. Obwohl hier nur ältere Semester chtig sind, dürfte diese Abteilung in Bezug auf Eifer und Pünktlichkeit der Jugend als Vorbild dienen, lieber den Winter hat sich die Damenabteilnng mit 30 bis 40 Teilnehmerinnen sehr rege im Hallentnrnen beteiligt. Für den Verein bildet dieser Sportbetrieb auch in finanzieller Hinsicht eine gute Stütze. An öffentlichen Veranstaltungen hat sich der Verein am Tag der Arbeit (1. Mai), Sonnwendfeier und Trachtenfest beteiligt. In einem durchgeführten Werbespiel für die Opfer der Arbeit konnten 34 RM. dem Finanzamt abgelie- ferck werden. — An geselligen Veranstaltungen ist die Siegesfeier und ein Kappenabend zu - erwähnen. Vorstand Bairl schloß seine Ausführungen mit der Bitte, auch fernerhin dem Verein im Sinne der Jugendertüchtigung die Treue zu bewahren. In dem nun folgenden Spielbericht durch Schriftführer Zibold kam der umfangreiche Spielbetrieb zahlenmäßig zum Ausdruck. Der Kassenbericht weist einen heutigen Kastenbestand von RM. 289.01 aus, was nach wie vor gesunden Finanzverhältnissen entspricht. Nach vorher erfolgter Prüfung wurde dem Kassier Wilh. Ruff Entlastung erteilt. In der weiter folgenden Wahl eines Vereinsführers wurde als Wahlleiter Apotheker Gietl — als ältestes aktives Mitglied — vorgeschlagen. Apotheker Gietl machte vor der Wahl sehr interessante Ausführungen über die Umwälzungen auch des Sports im neuen Staat. Nicht mehr Selbstzweck und Spitzenleistungen, sondern Breitenarbeit zur Erziehung und Ertüchtigung der gesamten Jugend im Sinne des Sportführers sind die Hanpterfordernisse im neuen Reich. Auf dessen Vorschlag wurde der altbewährte Sportler Bairl einstimmig, mit
WM6 S r ^leisvtibi-üIiWukfel
Das hohe Spiel.
Roman von August Frank.
Urbcberrechtslchutz durch Derlagsanstalt Mauz, Regensburg. 31. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„So gut wie sicher. Von Roubaix dient sicher niemand in ihm, die Nordfranzosen kommen im allgemeinen selten in ein Pariser Regiment."
Wieder lief Eugen aufgeregt hin und her. Endlich fuhr er fort: „Du kommst zu einem Territorialregiment, das neu zusammengestellt wird?"
„Ja."
„Kommen die Territorialregimentcr woyl bald ins Feld?"
„Ich glaube, bei anderen Waffengattungen schon. Wie es bei den Pionieren ist, weiß ich nicht. An die Front werden sie wohl kaum sofort kommen."
Eugen nahm seinen Spaziergang wieder auf. Schließlich setzte er sich und blätterte wieder in dem Paß. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft, jedoch völlig klar. Es ging, es mußte gehen! Wenn er an Charles Stelle am zehnten in das Regiment eintrat, merkte kein Mensch etwas. So viel Kommandos wie ein französischer Sommeroffizier kannte er auch) in den ersten Wochen seines Hierseins hatte er sie unten an der Seine oft genug gehört. Es konnte kaum etwas passieren, Meuniers gab es ja genug. Warum sollte es nicht zwei Charles Meunier aus Roubaix geben können! Selbst wenn zufällig jemand aus Roubaix in der Kompagnie war, in die er kam, wars nicht so schlimm. Wenn es nicht zufällig ein Offizier war, der Charles genau kannte. Aber das war ja so gut wie ausgeschlossen. Je mehr er darüber nachdachte, desto leichter und einfacher kam ihm die Sache vor. Um so größer wurde aber auch die Erregung bei dem Gedanken an die Möglichkeiten, die sich ihm als französischen Offizier für seine Spionagetätigkeit boten. Wenn er französischer Pionierossizier war. mußte er ja, so lange die
Truppe in Paris blieb, viel mehr über die Truppenbewegungen, den Aufmarsch und alle möglichen wichtigen Dinge erfahren können! Er war dann völlig unauffällig, konnte fragen, so viel er wollte. Wenn es gelänge in einen Stab hereinzukommen! Es war nicht auszudenken, was er da an Informationen erhalten konnte, die für den deutschen Eeneral- stab wichtig waren.
Auf einmal stand sein Entschluß fest. Entschlossen zog er.seine Brieftasche und nahm seinen Paß heraus. Dafür steckte er Charles Militärpaß ein. Charles, der voller Spannung seine Bewegungen verfolgt hatte, zitterte vor Erregung am ganzen Körper. In gieriger Hast griff er über den Tisch und nahm Eugens Patz. Aber ganz war er seiner Sache noch nicht sicher.
„Willst Du?" fragte er heiser . Eugen antwortete mit fester Stimme: „Ja."
In heißem Überschwang, aber wortlos sprang Charles auf und umarmte den Freund. Die Lösung der Spannung preßte ihm Tränen in die Augen.
Dieser duldete es still, dann sagte er nur mit einem Lächeln, hinter dem sich die Ironie versteckte: „Wer weiß, vielleicht bin ich ein so wütender Militarist, wie Du Antimilitarist und Du hast mir einen größeren Gefallen erwiesen als ich Dir, indem Du mir zum Militär verhalfst."
Dabei schaute er Charles so sonderbar an, daß dieser verlegen wurde. Denn auch etwas wie Verachtung glaubte er aus den Augen des Freundes lesen zu können. Mit einem Schulterzucken schüttelte er das kleine Unbehagen, das er trotz aller Freude hatte, ab. Schließlich wars ihm ja egal. Die Hauptsache war, er kam in die Schweiz! Mochten andere sich tot oder zum Krüppel schießen lasten. Auch Eugen!
Am nächsten Tag saß im D-Zug nach Genf ein junger Mann, den niemand für Charles Meunier gehalten hätte. An der Schweizer Grenze übte Militär die Kontrolle aus. Der kontrollierende Offizier verglich das Paßbild, das den Studenten der Maschinenbautechnik Eugen Meunier aus Toulouse vorstellte, lange mit dem vor ihm Stehenden. Schließlich fand er doch, daß alles stimmte. Wenn er aller
dings in das Innere des kontrollierten Reisenden hätte sehen können, würde er gefunden haben, daß jeder Nerv zum Zerreißen gespannt war. Mit einer knappen Verbeugung gab er den Paß zurück.
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Im Abteil erster Klasse warf sich Charles erschöpft, aber strahlenden Gesichts ins Polster, als die Grenze passiert war und der erste Schweizer Posten sichtbar wurde. Daß er das Schmachvollste getan, was ein Mann tun kann, nämlich das Vaterland in der Stunde der Not im Stiche gelassen hatte, bedrückte ihn in diesem Augenblicke nicht.
VH.
Am frühen Vormittag des 10. August 1914 ging ein Unterleutnant in Pionieruniform durch das Kasernentor des zweiten französischen Pionierregiments. In der Hand trug er einen kleinen Lederkoffer. Der Posten am Eingang salutierte. Der Wachunteroffizier ließ ihn nach Vorzeigen der Gestellungsordre glatt passieren. Durch das gewölbeartige Tor kam Eugen — denn er war es — auf den großen Kasernenhof, auf dem reges Leben herrschte. Aus allen Ecken und Enden schallten die Kommandos, der ganze Kasernenhof wimmelte von kleinen Gruppen von Soldaten, die von Unteroffizieren unter Aussicht von da und dort stehenden Offizieren einexerziert wurden. Es waren meist Kriegsfreiwillige, die erst einige Tage den Rock der Republik trugen. Man sah es ihnen auch noch deutlich an. Trotz der einheitlichen Uniformierung trugen sie noch vielfach deutlich den Stempel ihres bürgerlichen Berufes, die Verschmelzung zu einer einheitlichen Maste war noch nicht erfolgt. Man konnte noch den dürren Schneider neben dem dicken Metzgergesellen und den derben Vauernburschen neben dem gepflegten Pariser Studenten erkennen. Etwas im Hintergründe wurde eben eine größere Abteilung — es schien sich um ein Bataillon zu handeln — zum Abtransport ins Feld fertig gemacht.
(Fortsetzung folgt.)