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Neuenbürg, 29. Mai. Es ist in der Oefsentlichkeit keine unbekannte Angelegenheit mehr, daß von dritter Seite ans Bestrebungen im Gange sind, die hiesigen Gesangvereine zu einem einzigen: leistungsfähigen Verein zusammen zu schließen- Wenn von der Tagespresse die offiziellen und inoffiziellen Verhandlungen zwischen den maßgebenden Persönlichkeiten bislang noch nicht registiert wurden, so geschah dies, um nicht ir: werdende Dinge eiuzngreifen. Nachdem nun aber die Zusammenschlußfrage in ihr entscheidendes Stadium getreten ist, dürfte es Wohl am Platze sein, ein offenes Wort hierüber zu sprechen. Vorweg sei genommen, daß die gesamte Einwohnerschaft, die noch unter den: frischen Eindruck der nationalen Einigung des deutschen Volkes steht, es freudig begrüßen würde, wenn auch der Zersplitterung im Vereinsleben in naher Zukunft ein Ende bereitet würde. Dies gilt namentlich von den Gesangvereinen, den Kündern deutscher Einigkeit und deutscher Zusammengehörigkeit. Schmerzlich genug war es oft, mitansehen zu müssen, wenn bei vaterländischen Veranstaltungen zwei und drei auf nationalem Boden stehende Vereine getrennt auftraten, um im deutschen Liede, dem unvergleichlichen Bindemittel, deutsche Denkungsart zu verkünden. Wie immer bei unseligen Zersplitterungserscheinungen, blieb leider nicht selten die überwältigende Wirkung auf die Zuhörer aus. Was öffentlich anerkannt wurde, war letzten Endes und schließlich nur das ideelle Wollen aller Beteiligten, sofern nicht auch bei solchen Gelegenheiten lokale Eifersüchteleien in unliebsame Erscheinung traten. Dem soll nun, so wollen wir aufrichtig hoffen und wünschen, ein Ende bereitet werden. Wo persönliche Eigenbröteleien sich in den Vordergrund drängen, wird man Mittel und Wege finden, dem großen Ganzen Geltung zu verschaffen. Es wäer nicht auszudenken, welch gewaltigen Auftrieb das Gesangsleben in der -Oberamtsstadt erfahren würde, wenn cs gelänge, die in Frage kommenden Vereine zu einem einzigen Tönkörper zusammenzufassen. In diesem Sinne begleiten unsere Wünsche das begonnene Werk!
Der „Liederkran z" hielt am Freitag abend im Nebenzimmer z. „Schiff", dem fetzigen Lokal des Vereins, eine außerordentliche Generalversammlung ab. Die wichtigen Beratungen galten der durch die Zusammenschlußbewegung der hiesigen Gesangvereine geschaffenen Lage. Zweiter Vorstand Robert Schwerer gab zunächst Aufschluß über den Stand der von offizieller Seite aus geführten Verhandlungen. Sodann ergab eine Abstimmung die einmütige Bereitwilligkeit, die weitergehenden Bemühungen im ehrlichen Sinne des Zusammenschlusses der hiesigen Gesangvereine zu führen. Voraussetzung hiefür bleibt, daß das gleiche ehrliche Wollen auch bei den Brudervereinen vorhanden ist. Ehrenvorstand Gollmer, der die Leitung des Vereins intermistisch wieder hauptamtlich übernommen hat, wurde beauftragt, in diesem Sinne zu verhandeln. Der Ausschuß des Vereins wird unterstützend beigegeben. Nach Erledigung einiger anderer Angelegenheiten konnte die harmonisch verlaufene Versammlung geschlossen werden.
(Wetterbericht.) Da die westlichen Luftströmungen fortbestehen, ist für Dienstag und Mittwoch, wenn auch mehrfach ausheiterndes, so doch immer noch etwas unbeständiges Wetter zu erwarten.
Birkenfelü, 29. Mai. (Wanderung zur Hauptversammlung des Württ. Schwarzwaldvereins nach Wildbad.) Bei herrlichstem Sonnenschein machte sich die hiesige Ortsgruppe des WS. frühzeitig auf den Weg, um der diesjährigen Hauptversammlung, die im schönen Wildbad tagte, Leiznwohnen. Unter Führung von Herrn Hauptlehrer Protz durchquerten wir das herrlich gelegene Calmbach, wohin wir mit dem Frühzug gelangten. Frohgestimmt zog die stattliche Wanderschar dem kleinen Enztal entlang und erreichte gar bald den kleinen Enzhof, eine liebliche Stätte der Erquickung. Nach kurzer Rast wurde der Meistern erklommen, der die kleine von der großen Enz scheidet und uns nach kurzem Abstieg das vielbesungene Wildbad als Ausblick bot. Noch lange erfreuten wir uns an diesem herrlichen Bilde, bis wir das Endziel, den Kursaal, erreichten. Die Hauptversammlung hatte bereits begonnen, als unsere Ortsgruppe eintraf, doch hatten wir noch genügend Zeit, um den markanten Worten unseres ersten Vorsitzenden des Hanptvereins. Herrn Dr. Pfeiffer, zu folgen, der in gewohnter flüssiger Weise das Programm abwickelte. Am Nachmittag erstiegen wir noch den Sommerberg, um auf der ersten Skiwiese unserem üblichen Sport nachzugehen; allzubald war die Zeit verstrichen, sodaß wir uns auf den Heimweg machen
mußten, um zur festgesetzten Zeit den Zug zu erreichen, der uns neu gestärkt nach Hause brachte. Waldheil!
Birkcnseld, 29. Mai. Die hiesige Feuerwehrkapelle veranstaltete unter der Leitung von Hermann Heinz am gestrigen Sonntag mit dem Orche st er Verein im Gasthaus z. „Löwen" ein Doppelkonzert. Die Vortragsfolge enthielt zwei Abteilungen mit je sechs Einzelnummern. Dadurch wurde das Konzert recht abwechslungsreich gestaltet. Mit dem Prinz- Eitel-Friedrich-Marsch wurde es cingeleitet. Man bekam sehr schöne Walzer, Märsche, Ouvertüren, Potpourris und Charakterstücke zu hören. Ans der reichhaltigen Spielfolge seien besonders erwähnt: Leichte Kavallerie, Donausagen, Aschenbrödels Brautzug, Das Glöckchen des Eremiten, Mein Traum, Solo-Kavatine, Zapfenstreich, Deutschlands Ruhm. Sämtliche Spieler haben ihre Rollen mit Verständnis und Hingabe wiedergegeben, so daß die Stücke gut zum Vortrag kamen. Der starke Beifall, der den Spielern nach jedem Stück zuteil wurde, war der beste Beweis für die Befriedigung der Zuhörerschaft.
Gräfcnhausen-Obernhausen, 27. Mai. (Aus dem Ge- meindcrat.) Zu Beginn der Sitzung wird die Neuwahl der Mitglieder in die Steuersatzbehörde Vvrgeuommen. ^ Gewählt wurden: Friedrich Glanner, Gemeinderat, Obernhausen, Ernst Wenz, Gemeinderat, Gräfenhansen und Gottlob Neuster, Gemeinderat, Obernhausen. — An Stelle der aus der Ortskommission zur Ueberwachung der Weinberge ausgeschiedenen Mitglieder werden neu gewählt: Ernst Wenz. Bauer und Gemeinderat in Gräfenhansen und Friedrich Neuster, Bauer in Obernhausen. — Zur Mitunterzeichnung von Erklärungen auf Wechseln und auf Schuld- und Vürgscheinen der Gemeinde wird das Gemeinderatsmitglied Schäfer und als dessen Stellvertreter das Mitglied Nittel bestimmt. — Die Gemeindesatzung über die Taggelder der Gemeinderatsmitglieder wird geändert. Das Tagqeld wird auf 4 RM- festgesetzt. — Die Gewährung eines Darlehens aus dem Gerekeplan für Zwecke der Arbeitsbeschaffung wurde abgelehnt. Vom Wirtschaftsministerium wurde der Gemeinde empfohlen, die vorgesehenen Projekte als NotstandsarSeit ausführen zu lassen. Der Gemeinderat erklärt sich mit der Ausführung der geplanten Arbeiten als Notstandsarbeit einverstanden und trifft die zu den Schuldaufnahmen erforderlichen Entschließungen. — Ein Gesuch um Ermäßigung der Gebühr für ein überlassenes Familiengrab wird zurückgestellt. — Ein Gesuch um Schadensersatz wegen Beschädigung eines Grundstücks durch Kraftwagen wird wiederholt abgelehnt. da von der hiesigen Gemeinde alles geschehen sei, um Beschädigungen des betr. Grundstücks zu Verbindern, — Die Kosten der Wiederinstandsetzung des vom hiesigen freiwilligen Arbeitsdienst als Ankleideraum benützten Zimmers bei W. Wolfinger in Gräfenhausen werden auf die Gemeindekasse übernommen. — Mit Rücksicht auf die große Geldknappheit der landwirtschaftlichen Bevölkerung wird beantragt, daß den Landwirten etwas Laubstreu ans dem Gemeindewald überlassen wird. Es soll ein diesbezügliches Gesuch an das Forstamt eingereicht werden. — In nichtöffentlicher Sitzung wurden die vorliegenden Dekreturen und Rechnungssachen erledigt. — Weiter erteilte der Vorsitzende auf Anfrage Auskunft über die Anstellnngsbedingungen der Gemeindeangestellten.
Wildbad, 28, Mai. Vor wenigen Tagen konnte die letztes Fahr erst geschaffene Kevlerwarte auf dem Sommerberg den 5000. Besucher begrüßen. Derselbe erhielt eine Freikarte und ein kleines Geschenk. ft.
Aufhebung der Sonderkommiffariate
Das württ. Innenministerium, gezeichnet Dr. Schmidt, hat an sämtliche Sonderkommissare folgenden Erlaß gerichtet: Im Benehmen mit dem früheren Staatspräsidenten nud Innenminister. dem derzeitigen Herrn Reichsstatthalter, sind die Sonderkommissariate und Unterkommissariate mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden. Für ihre bisherige ersprießliche Arbeit danke' ich ihnen verbindlichst. Württ. Innenministerium: (gez.) Dr. Schmid.
Amtliche Karte des Oberamts Neuenbürg
' Das Statistische Landesamt hat soeben eine zweifarbige Karte des Oberamtsbezirks Neuenbürg in handlicher Größe auf Grund der bekannten Karte des Deutschen Reichs 1:100 000 (der alten „Generalstabskarte") herausgegeben. Sie ist für Bezirksbehörden und Gemeinden sowie für den Schüler neben der Heimatwandkarte 1:20 000 (mit der gleichen topographischen Grundlage) unentbehrlich. Die Karte ist zum Preis von
40 Rps. durch alle Buchhandlungen und Schreibmaterialien- geschäfte, sowie durch die Kartenverkaufstelle des Statistikckpn Landesamts Stuttgart, Büchsenstraße 56, zu beziehen.
Neubearbeitung der Fibel
Da die im Februar Ls. Js. eingeführten neuen Fibeln den Anforderungen, die vom Standpunkt der nationalen Regierung aus gestellt werden müssen, nicht entsprechen, hat das Kultministerium eine Neubearbeitung der Fibel in die Wege geleitet. Die bereits eingeführten Fibeln müssen aus wirtschaftlichen Gründen vorläufig weiter benützt werden. Dagegen ist angeordnet worden, daß im Schreibunterricht des ersten Schuljahres die deutsche Schreibschrift gelehrt wird.
Freudenstadt. (Unfall bei Bauarbeiten.) In der Hartranftstraße ist man mit den Ausgrabungen eines Neubaues beschäftigt. Am vergangenen Mittwoch war ein Gräbarbeiter in einer Tiefe von zirka 2,5 Meter beschäftigt, als die Wände des Grabens dem Druck nachgaben und zusammenstürzten. Nur dem raschen Zurückweicheu des Arbeiters ist es zu verdanken, daß er dem Hauptstoß entweichen konnte. Die Verletzungen sind jedoch ernster Natur.
Enzberg, OA. Maulbronn. (Tödlich überfahren.) Am Mittwoch mittag spielten hier Kinder auf dem Gehweg, als ein Kraftradfahrer vorbeifuhr. Das 2^jährige'Kind des Goldschmieds Huber sprang plötzlich vom Gehweg herunter und gerade in das Kraftrad. Es wurde umgeworfen, wobei es einen Schädelbruch erlitt und ein Bein brach. Der Kraftfahrer holte sofort ärztliche Hilfe. Am Freitag morgen ist das Kind gestorben.
Besigheim. (Vom Starkstrom erfaßt.) Ein außerordentlich aufregender Unfall ereignete sich am Mittwoch nachmittag hier an der elektrischen Leitung in der „Lendel", wo der Arbeiter eines hiesigen Elektromeisters beschäftigt war, plötzlich aber Starkstrom erhielt. Nach großen Bemühungen konnte der Bedauernswerte, allerdings noch lebend, aber in sehr ernstem, besorgniserregendem Zustand geborgen werden.
Untertürkheim. (Tödlicher Unglücksfall.) Am Freitag mittag ist der seit 1917 hei der Daimler-Benz AG. beschäftigte 56 Jahre alte Hilfsarbeiter Gustav Munk von hier auf tragische Weise ums Leben gekommen. Er hat beim Hofreinigen im Werk das Herannahmen eines Lastkraftwagens anscheinend nicht bemerkt und lief in diesen hinein, wodurch er zu Boden geworfen und angefahren wurde. Der Verunglückte wurde sofort in das Krankenhaus übergeführt, wo er nach zwei Stunden an den erlittenen schweren Verletzungen starb. Die Schuldfrage ist noch nicht geklärt.
Stuttgart. (Die Oberpostdirektion stellt Zivilanwärter ein.) Im Bereich der Oberpostdirektion Stuttgart wird sogleich für den gehobenen mittleren Postfachdienst eine kleine Anzahl Zivilanwärter als Postsupernumerar eingestellt. Die Bewer- her müssen die Reifeprüfung an einer neunstufigen öffentlichen höheren Lehranstalt (Abitur) seit Frühjahr 1932 mit gutem Ergebnis bestanden und dürfen das 23. Lebensjahr nicht überschritten haben. Sie müssen arischer Abstammung sein, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und sollen von Geburt Deutsche sein, ferner müssen sie einen guten Leumund haben und dürfen gerichtlich nicht bestraft sein. Die nationale Zuverlässigkeit muß außer Zweifel stehen.
Stuttgart. (Schirmherrin der Frauenschaft.) Die Gattin des Reichsstatthalters Murr hat sich, wie der „NS.-Kurier" berichtet, bereit erklärt, das Protektorat über die Frauenschast Württembergs zu übernehmen.
Stuttgart. (Tränengasbomben im Kaufhaus Schocken.) Im Kaufhaus Schocken wurden am Samstag vormittag in der Ledens- mittelabteilung zwei Tränengasbomken geworfen, von denen eine zur Explosion kam. Die Wirkung war so stark, daß Käufer und Angestellte auf die Dauer von Stunden die Abteilung verlassen mußten. Ais Täter kommen zwei Männer in Frage, die bis jetzt noch nicht ermittelt werden konnten.
Eßlingen. (Wimpeldiebstahl am Grabe des Rennfahrers Merz.) Ein auswärtiges Personenauto, das mit drei oder vier Personen besetzt war, Parkte vor dem Friedhof. Die Insassen begaben sich zum Grabe des Rennfahrers Adolf Merz und schnitten den ADAC.-Wimpel vom Kranze, den der Präsident des ADAC, niedergelegt hatte, ab. Ein Arbeiter bemerkte den Vorfall. Die Kriminalpolizei wurde benachrichtigt. Das fremde Auto konnte gestellt werden. Der zur Polizeidirektion verbrachte Wagenführer leugnete die Tat.
Iss kreuz des Wau Auruh
Von Rudolf ULsch
Nachdruck verboten. Oopxrigfdt dx ^.Ikreä Looktolä, Drauusedvels-
(23. Fortsetzung.)
Am Tisch der Stube saß Johanna und nähte Knöpfe an die Sonntagshose Josefs, der als Vrautknecht fungieren iollte. Langsamer als sonst ging die Nadel durch den schweren Stoff. Manchmal glitt der Nadelkopf mit Hellem Ton am Fingerhut vorbei, oft stach sich Johanna in die kleinen Finger. Doch der Knecht, der liebe alle, sollte seine Knöpfe an der Hose haben.
„Es wird Zeit, daß Ihr Euch anzieht", sagte Johanna leise, ohne von der Arbeit aufzusehen.
Kilian rührte sich nicht. Er hatte den rechten Fuß auf einen Stuhl gesetzt und stützte den Ellenbogen auf das Knie. Sinnend sah er durchs Fenster. Drinnen im Hause polterte der Knecht die Treppen herab. Er konnte heute auck nicht ie-tia morden m-i mar schon d"s -ebnt-'w^l. daß er die Treppe herabkam. Er fand keine Schuhe und Strümpfe, und wenn er sie endlich hatte, ließ er sie irgendwo liegen und suchte einige Minuten später wieder nach ihnen. Der alte Hagestolz war sehr aufgeregt, denn seiner Ansicht nach trat mit dem heutigen Tag ein Wendepunkt ein in der Geschichte des Hofes. Ihm war es schon recht, daß der Kilian heiratete, denn eine Frau mußte ins Haus, aber auch er hatte Furcht vor der Bärbel, denn er wußte, daß sie mit dem Gesinde nicht besonders zärtlich umzugehen pflegte — wußte, daß sie sehr herrisch und herzlos war. Was ihn aber besonders niederdrückte, war die Angst um das Mädchen, das ihm in den Wochen sehr ans Herz gewachsen war. Jetzt kam er in die Stube, geduckt und scheu. „Ist meine Hose fertig, Hanna?" fragte er mit kaum hörbarer Stimme. Sie riß den Faden ab und schob ihm das Kleidungsstück über den Tisch zu. Er nahm es und schlich wieder hinaus.
Plötzlich drehte Kilian am Fenster den Kopf um und iah Johanna an. In tiefem Tone fragte er:
„Was will du tun, wenn jetzt eine Frau ins Haus kommt?"
Sie drückte die Nadel in ein Kissen und antwortete:
„Ich werde gehen . . ."
Er tat erstaunt. Sonderbar war es ja eigentlich, daß sie jetzt auf einmal gehen wollte. Zuerst brachte er sie doch
noch nicht einmal mit Schlägen fort. Sollte sie schon von den derben Fäusten der Bärbel gehört haben?
„Du gehst?"
„Ja."
„Wohin willst du gehen?"
„Das — das weiß ich noch nicht." Ihre Stimme vibrierte.
Schwermütig und traurig wurde ihr Gesicht, der Kopf senkte sich tief, die Locken rutschten ihr ins Eesichi
Kilian nahm den Fuß von dem Stuhl herab, blieb einen Moment gebückt und nachdenklich stehen und ging dann langsam in die Stube. lieber einem Sessel ruhte der neue Brautanzug. Es war ein Anzug, wie ihn sich nur die reichsten Bauern leisteten: ein blaues Jackett mit großen Eoldknöpfen, eine rote, schimmernde Weste und eine Hose aus dunklem Samt. Dock Kilian machte sich nichts aus diesen Kleidern. Sie paßten und standen ihm gut, das wußte er, und sonst liebte er gutsitzende und schöne Kleidung. Aber diese war ja dazu bestimmt, ihn zu einem Fest zu begleiten und zu schmücken, das sein Herz verwünschte und an dessen Zustandekommen sein kalt rechnender Verstand nicht wenig Schuld trug.
„Das Halstuch liegt schon auf Eurem Zimmer", versetzte Johanna fast im Flüstertöne, „auch Hut und Stiefel habe ich dorthin getragen . . ."
Kilian lächelte bitter. Sie sorgte für ihn bis zuletzt. Was trieb sie dazu, dies zu tun? — Dank allein konnte es nicht sein — nein. Dank nicht allein. — Sein Gewissen war nicht ruhig. Es hatte bei ihm oft in den letzten Tagen seine Stimme erhoben, aber nie mit solcher Gewalt wie gerade jetzt. Aus materialistischen Gründen führte er ein Mädchen an den Altar, das er nicht liebte — und überließ eine andere einem unbestimmten Schicksal, obwohl er sich schon längst darüber klar war. daß auch die letzte Faser seines Herzens nur ihr gehörte. Was konnte dieses heimatlose Geschöpf dafür, daß es sich in einer solch entsetzlichen Lage befand? — War es nicht auch ein Opfer dieses unseligen Krieges? — Eine große Tat war es von ihr, daß sie, um ihre Ehre zu retten, ins Ungewisse floh. War es nicht eigentlich seine Pflicht, sie dafür zu belohnen? — Doch seinem mahnenden Gewissen hielt der Verstand entgegen: Deine erste Pflicht ist es, den Hof deiner Väter wieder in Blüte zu bringen und damit deinem Lande zu dienen. Dafür mußt du die Liebe opfern. Aber davon noch abgesehen: Du mußt auch der Bärbel das Wort halten, das du ihr gegeben. — Und dann kam noch etwas anderes dazu, das ihn zu der Hochzeit mit der Bärbel drängte: die Furcht vor der Meinung der Menschen. Wie sollten sich die Leute
dazu stellen, wenn er jene Fremde, die bei einem Niederländer gewesen, an den Altar führte?" —
Draußen im Hof wurden Männerstimmen hörbar. „Kilian, wo steckst du?" rief jemand. Der Eisenbauei öffnete ein Fenster und sah hinaus. Einige Verwandte der Bärbel standen im Hof, alle recht feierlich und sonntäglich gekleidet. Kilian sah sie nicht gerne. Nur jetzt noch nicht diese Menschen in der Nähe. Hoffentlich blieben sie nicht und warteten. Er mußte versuchen, sie los zu werden.
„Ich komme gleich", sagte Kilian und lachte gezwungen auf. „Ich bin sofort da!"
„Die Braut wartet schon. Die Wagen sind zur Abfahrt bereit! Nun mach' bitte schnell!"
„Es ist gut, ich werde mich beeilen .. "
Kilian schloß das Fenster. Die Verwandten der Bärbel zogen wieder ab. Er atmete auf.
Er kam ins Zimmer zurück und griff nach den Kleidungsstücken.
„Mädchen, es tut mir leid, daß du gehen mußt, aber, du verstehst wohl — hä . . . Das Leben ist eben hart. Ich kann nichts dafür. Hätte dich gern behalten — jawohl aber. . ."
Sein Kopf wurde rot und er blickte verlegen zu Boden Dann warf er impulsiv die Kleider über den Arm ünd ging mit hastigen Schritten hinaus.
Als er draußen war, suchten ihre Blicke das Kruzifix das an der Wand hing. Ihre Hände krampften sich inern- ander, die Lippen bewegten sich. Vor sie auf den Boden fiel groß und breit eine Träne ... ....
Kilian stieg hinauf in sein Zimmer und kleidete rasch um. Noch nie war sein Gesicht so ärgerlich und m düster wie jetzt. Weshalb hatte er überhaupt noch mit r--- gesprochen? Es war doch ganz zwecklos — zwecklos überhaupt, so lange die Bärbel warten zu lasten und sich no.o allerlei Grübeleien hinzugeben, heute — am Hochzeitstage Schluß damit — vorbei! — Er stieß seine Füße durch du Samthose, zog sie hastig an und schnallte den bunten Gurte fest. Schnell legte er das weiße Halstuch an, warf sich on Weste über und stak auch bald in dem blauen Rock.
Da klopfte es leise gegen die Tür. _ . .
Er fuhr herum'und befahl einzutreten. Zögernd tra Johanna über die Schwelle.
„Was willst du?" fragte er mürrisch. ,
„Ein alter Herr ist unten - ich alaube der Bare Eurer Braut ... Er bittet Euch zu eilen. Man warie. schon."
(Fortsetzung folgt.)
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