Neun Zahre unter -er Erde
Die phantastischen Erlebnisse des Kanoniers Iwanow
Von Gregor Jarcho 1. Fortsetzung.
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Ein Maulwurfsleben
Der vor Hunger stöhnende Mensch schlug beim Licht der Fackel die Konservenbüchse recht lange gegen die Steinmetzen des Futzbodens. Die Büchse war schon ganz zerbeult, ging aber nicht auf. Da ritz er wieder ein Brett aus einer Kiste und schlug die Konservenbüchse gegen den freigewordenen Nagel. Es etstand ein Loch, dann noch eins und noch eins. Nun griff der Mann hinein und ritz die Konservenbüchse mit blutenden Händen auseinander und begann gierig das Fleisch zu verschlingen. Als er gesättigt war, begab er sich aus die Suche nach dem Wasser. ,
Es dauerte ziemlich lange, ehe er den überfluteten Raum wieder finden konnte. Sobald er endlich seinen Durst gestillt hatte, rollte er sich auf einer Kiste zusammen und schlief ein.
Als er wieder wach wurde, muhte er lange Zeit darüber Nachdenken, was mit ihm geschehen war. Rings herum herrschte vollkommene Finsternis. Er verspürte gar keine Lust anfzustehcn. Der Kopf tat ihm entsetzlich weh, und die Verzweiflung raubte ihm die letzten Kräfte. Seine Fackel war, während er schlief, erloschen, aber er versuchte gar nicht, sie wieder anzustecken; das unruhige, flackernde Fackellicht, mit dessen Hilfe er gehofft hatte, einen Ausgang zu finden, schien ihm jetzt nutzlos zu sein, weckte in ihm einen Hatz und erinnerte ihn daran, dnh er wohl kaum je wieder natürliches Tageslicht erblicken würde.
In seinem ihm so unverhofft aufgezwungcnen Leben gab es weder Tage noch Nächte, und es war ihm unmöglich, den Ablauf der Zeit festzustellen. Er wutzte nicht mehr, wie oft er zum Wasser gegangen oder Konserven geholt hatte, er wutzte auch nicht, daß bei ihm Perioden klaren Bewußtseins von längeren Zeiträumen völliger Bewußtlosigkeit abgelöst wurden, und erst als er merkte, daß die unrasierten Bartstoppeln sehr lang gewachsen waren, begriff er, daß er dieses Lehen Wohl schon wochenlang führte. Sein Hemd und seine Hose waren, weil er auf Kisten schlief, an einigen Stellen durchgescheuert, und durch die entstandenen Löcher drang unangenehm die Kälte ein.
Er bemühte sich immer mehr und mehr, nur an die Vergangenheit zu denken. Er rief sich die flachen Ufer des Dons ins Gedächtnis zurück, die Kosakendörfer, die Häuser, die mit gelbem Stroh gedeckt waren, und die schneeweißen Gänse, die er als Knabe gehütet hatte. Alles war von warmem Sonnenlicht übergossen und durchtränkt, sowohl das gelbe Stroh der Dächer als auch das Flußwasser und das hohe grüne Gras, das die Gänse so gern fratzen. Iwanows Phantasie zeichnete ihm mit überdeutlicher Schärfe Bilder aus der Heimat, aber er brauchte nur die Augen anfzntun, um vom Dunkel und vom Schweigen sofort in die entsetzliche Wirklichkeit zurückgeworfen zu werden.
Als sein Körper sich nach und nach den neuen Bedingungen angepaßt hatte, unternahm er wieder eine größere Wanderschaft durch alle Gewölbe, um von neuem nach einer Spitzhacke oder einem Brecheisen zu suchen.
Im Kellerraum mit den Nahrungsvorräten stieß er auf eine Kiste, die nach getrocknetem Fleisch roch. Er schob die Kiste aus der Reihe der anderen hervor, brach sie auf und — er hatte sich nicht geirrt. Der Fund machte ihm Freude. Aber zwischen den übrigen Kisten entdeckte er deutliche Spuren der Anwesenheit von Ratten. Ihre furchtbaren Zähne hatten schon eine Reihe von Brettern angcknabbcrt; als aber Iwanow sie aufscheuchte und sie piepsend und schreiend zerstoben, war er froh, sic gefunden zu haben — es waren die einzigen lebenden Wesen, die kameradschaftlich sein Los teilten.
Lächelnd sah er einer dicken Ratte zu, die, ohne sich zu beeilen, seitwärts abbog. Die kleinen Aenglein des Tieres funkelten im Dunkeln wie zwei rote Glühlichter, und ganz unwillkürlich begann Iwanow darüber nachzudenken, wieso die Ratten so tief unter die Erde gelangen konnten, und ob es ihm möglich sein würde, den von ihnen eingeschlagenen Weg zu seiner Befreiung zu benutzen. Und nun wollte er wieder Licht haben. - - - -
Es ballerte wiederum ziemlich lange, bis er die bekannte tztelle mit den Fässern fand. Ganz in oer Nähe entdeckte er auch sehr viele kleine Kessel, wie sie von Soldaten zum Essenholen gebraucht wurden. Er nahm etwa fünfzig von ihnen und schleppte sie zu den Fässern mit Fett heran. Sobald er die ersten vier Kessel mit Fett gefüllt hatte, steckte er in sie einen Docht ans Werg und zündete die improvisierten Leuchtkörper an. Vier Feuer flammten in der Finsternis auf. Nun verfuhr Iwanow auch mit den übrigen Kesseln genau so und stellte sie brennend in allen Kreuzungen und in allen dunklen Ecken ans. Jetzt kämpfte er gegen das Dunkel und bekämpfte es mit seinen roten rauchigen Feuern. '
Er ernährte sich von Konserven, er löschte seinen Durst aus dem sonderbaren See. Er schlief viel und setzte dann, sobald er wieder wach war, hartnäckig seine Arbeit fort. Wahrscheinlich hatte diese Tätigkeit sehr viele Tage in Anspruch genommen, denn Hunger und Schlaf unterbrachen sie recht oft, dann aber ergoß sich zwischen die dunklen Berge der Kisten und Fässer ein flammendes Meer von Licht, und überall dort, wo früher undurchdringliches Dunkel geherrscht hatte, blinzelten jetzt kleine bebende Leuchttürmchen.
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Als die Ränder des Wasserbeckens mit einer ganzen Linie von Feuern umgeben waren, wurde ganz hoch oben im Gewölbe eine große quadratische -Oeffnung sichtbar, in die man mühelos hineinkriechcn konnte. Vielleicht war das der Weg zur Freiheit! Sehnsüchtig blickte der Gefangene zum schwarzen unerreichbaren Loch hinauf. Er überlegte sich hin und her, wie er Wohl hinaufklettern könnte. Im Wasser konnte er ja keine Leiter errichten, und dieses Wasser auszulassen war ja gleichfalls unmöglich.
Aber Plötzlich begann er laut über sich selbst zu lachen und das schluchzende Gelächter fand in den unterirdischen Gängen ein mehrfaches Echo. Es war ihm nämlich ein neuer glücklicher Gedanke gekommen: er brauchte ja nur die leeren öder auch die vollen' Fässer heranzuholen, sie miteinander zu verbinden und aus ihnen leere Kisten aufzustelleu. Die Kisten wiederum konnte er mit ihren eigenen Nägeln aneinander heften. In der freien Zeit aber mußte er natürlich weiter nach einem Brecheisen oder nach einer Spitzhacke suchen. Es war ja möglich, daß er durch das Loch im Gewölbe nicht gleich ins Freie gelangen, daß er dort eine verschüttete Treppe finden und sie erst freilegen müßte.
Er trat zurück, um in Ruhe besser nachzudenken. Als er aber die Wand erreicht hatte, entdeckte er seitwärts einen neuen Berg von Kisten. Sofort begann er einige von ihnen anfzubrechen. Er machte jetzt oft kleine Stichproben, weil er in einer der Kisten doch noch das notwendige Brecheisen zu finden hoffte. Diesmal stieß er aber zu seiner großer: Ueber- raschung auf Kerzen.
Lange dachte er darüber nach, wie er Wohl diesen Fund am besten ausnutzen könnte. Dabei verfiel er plötzlich auf eine Idee, die ihm so gut erschien, daß er einen Freudenschrei ausstieb: Jetzt würde er eine Uhr und einen Kalender haben!
„Morgen, übermorgen, gestern, heute, vorgestern, nächste Woche..." dachte der Mensch, der die Maße der Zeit verloren hatte. „Eine Kerze hrennt genau eine Nacht lang. Macht man nun ans jeder Kerze zwölf voneinander gleich weit entfernte Striche, so hat man auch die Stunden!"
Der Unglückliche freute sich sehr darüber, obwohl ihm gerade die Zeiteinteilung gleich sein konnte. Die Keller lagen viel zu tief und wurden selbst von den großen Temperaturwechseln an der Erdoberfläche gar nicht erreicht.
Es gab hier auch nichts Lebendiges außer den Ratten. Nicht einmal Moos hätte ans dem Eisenbeton wachsen können. In der langen Zeit, die Iwanow hier bereits verbracht hatte, war nur das Wasser, von dem der Keller überschwemmt war, etwas grünlich geworden. Andere Zeichen gab die Zeit nicht.
Es war ihm auch nicht klar, daß jeder Robinson, auf ganz gleich welcher unbewohnten Insel, im Vergleich mit ihm als ein Glückspilz angesehen werden mußte. Die Robinsons auf einsamen Inseln, in unerforschten Ländern und sogar in Polargebieten, konnten je einen freien Kampf um ihr Dasein führen, der unterirdische Robinson des Weltkrieges aber war ein Sohn seiner Epoche — der Zeit der Technik, der Maschinen und des Eisenbetons — und sein Dasein verlief in einer riesigen dunklen, steinernen Büchse mit so starken Wänden, daß er einen Irrsinn begangen hätte, auch nur den Versuch zu machen, sie zu zerstören. Sie waren fester als Granit. Hier gab es kein Gestade des Ozeans und leinen blauen Himmel; hier gab es nichts außer Steinen, Ratten und Verzweiflung. Dutzende von Metern unter der Erde befand sich das Gefängnis des unglücklichen Iwanow, und es blieb ihm nichts weiter übrig, als alle seine Bemühungen auf die Suche nach einem vielleicht durch Zufall doch noch zu findenden Ausweg zrt richten.
Sehr viel Zeit brauchte er zur Untersuchung der Fußböden. Da er aber doch nichts entdeckte, mußte er diese Zeit als verloren betrachten. Jetzt, nachdem die Kerzen ihm die Stunden anzeigten, hoffte er, klarer und leichter arbeiten zu können. Außerdem nahm er sich vor, beim Essen und Schlafen eine Regelmäßigkeit einzuführen. Er brauchte ja nur auf jeder Kerze in derselben Höhe dasselbe Zeichen anzubringen.
Dieser Gedanke gefiel ihm ausgezeichnet, und er ging an seine Verwirklichung. Das ergab eine feine Arbeit, und sie machte ihm auch Spaß, nur daß er beim ungewohnten Hantieren mit Bitternis feststellen mußte, daß er wahrscheinlich bereits über ein halbes Jahr lang unter der Erde saß, da seine Nägel inzwischen ungeheuer lang gewachsen waren. Er biß sie sich kurz entschlossen fort. Dann fiel ihm auf, daß seine Finger auf dem weißen Stearin furchtbar schmutzige Spuren hinterließen. Er begann sich zu schämen und beschloß, in den Vorräten, die dem Lazarett gehörten, nach Seife zu suchen, um sich waschen zu können. Jetzt, da er sich sozusagen eine Lichtuhr eingerichtet hatte, erschien es ihm durchaus nicht merkwürdig, daß ihm endlich Gedanken an ein in jeder Weise geregeltes Leben kamen. Er, der unterirdische Gefangene, begann jedenfalls, seine „Wohnung" auszubauen. An einer Stelle, die hoch über dem Fußboden lag, befand sich eine Terrasse und darüber ein Vorsprung, der für die Raiten un- erreichhar war. Dort oben wollte er die Lichtuhr, die zugleich sein Lichtkalender war, anbringen. Die überall umherschwirrenden Ratten sollten die brennende Kerze auch nicht zufälligerweise umstoßen können. Dann begann er auch an die Möglichkeit einer neuen Erkrankung zu denken, und daraus ergaben sich wiederum viele Probleme. Sein ganzer Hausrat — ein kleines Kochgeschirr zum Aufwärmen der Konserven,
die eiserne Tonne mit dem Wasser, das zum Waschen bestimmt war, und der flache Deckel einer gut aufgegangenen Konservenbüchse, der nun einen Teller ersetzte — alles das schlevvte ->f- zur Terrasse heran.
(Fortsetzung folgt.)
Kreuzwort-Rätsel
Waagerecht: 1. Handelsobjckt, 4. Sinnesorgan, 7. Mäuneruame, 9. Vorbild, 10. Himmelskörper, 11. Tongeschlecht, 13. Zeitabschnitt, 14. engl. Bier, 15- Sinnesorgan, 17. Längenmaß, 19. Musikwerk, 2l. Stütze, 23. Verbindung 34. Frauenname, 25. Farbe, 27. Farbe, 29. König der griechischen Sage, 30. Himmelsbewohner, 31. römischer Gott, 32. Schlagzeug. Senkrecht: 1. Teil eines Raumes, 2. chemisches Erzeugnis, 3. Naturerscheinung, 4. Abschiedsgruß, 5. Körper- flüssigkcit, 6. Märchengestalt, 8. musikalisches Zeichen, 9. Frauenname, 12. Kriechtier, 14. Opfertisch, 16. persönliches Fürwort, 18. altes Gewicht, 19. Verwandter, 20. Papiermaß,
21. Erzählung, 22. Teil des Hauses, 23. Frauenname, 28. Tierprodnkt, 27. Schankstätte, 28. räumlicher Begriff.
Silben-Rätsel
Ans den Silben a a ca che dach Lek der diz don dor em ha im kcr kon la ma me ne ner nor nu puls schee spra su tat te tri ul ur wet ze sind 15 Wörter zu bilden, deren erste und vierte Buchstaben, von oben nach unten gelesen, ein Sprichwort ergeben.
1. Abmachung, 2. Blutgefäß, 3. Verständigungsmittel, 4. Antrieb, 5. Stadt in Südspanien, 6. Fleischgericht, 7. Beruf, 8. Frauenname, 9. Schicksalsgöttin, 10. Raubvogel, 11. Baum.
12. Pelzart, 13. Naturerscheinung, 14. Tierfuß, 15. Franen- name.
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Lösungen der letzten Rätselecke
Kreuzwort-Rätsel. Waagerecht: 1. Ball, 3. Baß, 5. Insel, 7. Gertrud, 9. Lord, 11. Tand, 13. Abt, 15. Hera, 16. Olpe, 17. Sir, 19. Lehe, 21. Ried, 23. Engadin, 24. Tanne„ 25. Bude, 26. Senf. Senkrecht: 1. Beil, 2. Lied, 3. Blut,. 4. Sand, 6. Stab, 7. Grieche/ 8. Dauphin, 10. Ochse, 12. Niere,
13. Aas, 14. Tor. 18. Iwan, 19. Laub, 20. Ente, 21 . Ries,
22. Dorf.
Silben-Rätsel: In seinem Tun offenbart sich der Mensch. 1. Iran, 2. Nachbar, 3. Salat, 4. Eger, 5. Insterburg; 6. Nessel, 7. Erwin, 8. München, 9. Tandem, 10. Ulme, 11. Nahrung, 12. Olymp, 13. Faden, 14. Finnland, 15. Einfchränkung.
Birkenfelder Fauiilieu-Ehrorrik
in der Zeit vom 1. bis 28. Februar 1»33 Geburten:
8. 2.: Mina Elise, T. des Karl Friedrich Roth, Ringmackier,.
und der Wilhelmine geb. Brorein;
15. 2.: Waltraud Frida, T. des Eugen Karl Seeger, Mechaniker, und der Hedwig geb. Wöhr;
15. 2.: Walter, S. der Maria Goggelmann.
Eheschließungen:
13. 2.: Franz Josef Bernauer, Mechaniker, mit Dora Merk; 24. 2.: Karl Artur Waldhauer, Modellschreinermeister, mit Elsa Ganzhorn.
Sterbefälle:
9. 2.: Mina Elise Roth, 1 Tag altes Kind des Karl Friedrich
Roth, Ringmacher;'
24. 2.: Johannes Samuel Winter, Landwirt, 7814 Jahre alt; 24. 2.: Ester Waltraud Heinz, 14 Jahre altes Kind des Wilh- Heinz, Goldarbeiter.
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Dann yskt ss vns ani Lcknürcks». klacksinandsr kornrnsn Ladsivannsn.Wascktiscks.Ioilsttsn. Lödsn. I^snstsr. lürsn. Olccs. korLsUan. Kristall und allss Qsrät su sinsrn Qlans. daL sinsrn das ttsrr irn I-sibs lackt! kur ivsniys kfsnniys sins straklsnd saubsrs Woknuny in dsr kaldsn 2s!t vns sonst! Nenn c/ie KanLe lac/it, /rat rie (>üi) reinFemac^k/