Neubildung der württembergischen Negierung
Neuwahl des Staatspräsidenten und des Landtagspräfideuleu
SCB. Stuttgart, 15. März. Das Plenum des Landtags trat, nachdem die Sitzung am Samstag plötzlich abgesagt worden war, heute nachmittag 3.15 Uhr zur Wahl des Staatspräsidenten und des Landtagspräsidenten zusammen. Der Lalbmondsaal bot das gleiche Bild wie am Samstag. Zuschauertribüne, Pressegalerie, Beamtenloge sind voll besetzt. Vor dem Ministertisch und Präsidententisch stehen vier Mikrophone, da der Sitzungsverlauf auf Schallplatten ausgenommen wird. Jeder Besucher wird im Landtagsgebäude von Kriminalbeamten wieder streng kontrolliert und auch körperlich untersucht. Selbst die Presse hat sich dieser Prozedur zu unterwerfen. Ueberall im Gebäude, auch auf den Galerien sind Polizeibeamte verteilt. Auf der Straße vor dem Eingang zum Landtag hatte sich wieder eine große Zuschauermenge eingefunden. Kurz nach 3 Uhr erschienen die ersten Abgeordneten im Saal. Die nationalsozialistischen Abgeordneten kommen mit Ausnahme des Abg. Blankenhorn in ihren Uniformen. Zuletzt erscheinen die sozialdemokratischen Abgeordneten. Kommunisten sind nicht anwesend. Vom Zentrum fehlen die Abgeordneten Dr. Bolz und Dr. Beherle. Beurlaubt ist Abg. Weimer (Soz.). Krank sind gemeldet Abg. Körner (BB.) und König (Ztr.). Unmittelbar hinter dem Präsidentenstuhl steht der Polizeikommissar v. Jagow mit einem Polizeioffizier und einem SS.-Führer.
Unter großer Spannung eröffnet Landtagsprüsideut Prof. Mergenthaler um 3.15 Uhr die Sitzung mit folgender Ansprache: Ich habe Sie zu einer ernsten und wichtigen Sitzung telegraphisch hierher berufen. Die grnndstürzende Umgestaltung, die am 30. Januar mit der Bildung der Nationalregierung im Reich unter Führung Adolf Hitlers eingeleitet wurde, ist am 5. März durch das Volk mit unerhörter Wucht und Eindringlichkeit bestätigt worden. Unter die No- vemberrcvolte von 1918 ist endgültig ein Schlußstrich gezogen. Es steht auf der Geist des 1. August 1914, der Geist der feldgrauen Front. Auch in Württemberg wirkt das Wahlergebnis vom 5. März wie eine nationale Revolution. Am Landtag liegt es, daraus die Folgerungen zu ziehen und durch die Wahl eines Staatspräsidenten eine neue Grundlage zu schaffen, damit ungesäumt daran gegangen werden kann, Aufbauarbeit im Geiste der nationalen Freiheit, der Ehre und der sozialen Gerechtigkeit zu leisten.
Sodann wurde in die Tagesordnung eingetreten. Der erste Punkt ist Wahl des Staatspräsidenten. Durch Namensaufruf wird festgestellt, das 66 vou insgesamt 80 Abgeordneten anwesend sind. Das Haus ist somit beschlußfähig. Die Wahl selbst erfolgt schriftlich mittels verdeckter Stimmzettel. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist gewählt, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Weiße Stimmzettel oder solche mit Enthaltung werden nur bei der Feststellung der Beschlußfähigkeit, nicht aber bei der Wahl selbst, mitgezählt. Um 15.30 Uhr verkündet Landtagspräsident Mergenthaler folgendes Ergebnis der Staatsprästdentenwahl: An der Wahl beteiligten sich 68 Abgeordnete. Es erhielten Stimmen: der nationalsozialistische Abgeordnete Murr 36 (Nationalsozialisten, Bauernbund, Dcutschnationale u. Christlicher Bolksdieust), der sozialdemokratische Abg. Keil 12, der sozialdemokratische Abg. Pflüger 1. Weiße Zettel wurden 19 (Ztr., Dem.) abgegeben. Bei 49 gültigen Stimmen beträgt die absolute Mehrheit 25. Der Abgeordnete Murr ist somit verfassungsmäßig zum württembergischen Staatspräsidenten gewählt. (Stürmische Heilrufe bei den Nationalsozialisten.)
Auf die Frgae des Landtagsvräsidenten erklärte Abg. Murr kurz, daß er die Wahl annehme.
Der neu gewählte Staatspräsident Murr begibt sich zum Platz des Landtagspräsidentön, der, während alle Abgeordneten sich von ihren Plätzen erhoben, sofort die Vereidigung vornimmt. Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre Treue der Reichsvcrfassung und der Landesverfassung, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten."
Während Staatspräsident Murr sich zum Ministertisch begibt, bringen die nationalsozialistischen Abgeordneten auf die Aufforderung des Abg. Dr. Jonathan Schmid ein Sieg-Heil! auf die nationale Revolution und ihren Führer aus.
Staatspräsident Murr dankte für das durch die Wahl
ihm entgegengebrachte Vertrauen und erklärte, daß er das Innen- und das Wirtschaftsministerium selbst übernehmen werde. Er beruft sodann zum Kult- und Justizminister den Landtagspräsidcnten Prof. Mergenthaler (NS.), zum Finanzminister den bisherigen Finanzminister Dr. Dehlinger (DN.) und bestimmt als seinen Stellvertreter den Kultminister Mergenthaler.
Beide Herren nehmen die Wahl an.
Staatspräsident Murr gibt die weitere Erklärung ab, daß das Staatsministerium die Absicht habe, den Abgeordneten Hirzel (DN.) zum ehrenamtlichen Staatsrat mit beratender Stimme zu berufen. Das Staatsministerium beabsichtige weiter, zur gegebenen Zeit mit einer Regierungserklärung vor den Landtag zu treten.
Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion gibt sodann Abg. Ulrich folgende Erklärung ab, in die Landtagspräsident Mergenthaler jedoch vorher Einsicht genommen hatte: Die sozialdemokratische Fraktion des Württ. Landtags hat bei der Wahl des Staatspräsidenten aus grundsätzlichen Erwägungen für einen eigenen Kandidaten gestimmt. In dem Ergebnis der Reichstagswahl vom 5. März 1933 erblickt die sozialdemokratische Fraktion, obgleich die Waffen im Wahlkampf höchst ungleich verteilt waren, einen Willensausdruck des Volkes, der die Politik der Deutschen Nation entscheidend beeinflussen wird, die Mitarbeit des in der Minderheit gebliebenen großen Volksteils aber nicht ausschließen darf. Die sozialdemokratische Fraktion wird der neuen Landesregierung gegenüber dieselbe sachliche Stellung eiunchmen, die stets, auch gegenüber den rein bürgerlichen Regierungen der letzten neun Jahre, ein Kennzeichen ihrer Politik gewesen ist. Das oberste Ziel der sozialdemokratischen Fraktion bleibt die Hebung der sozialen, kulturellen und nationalen Wohlfahrt des schaffenden Volkes in Stadt und Land. Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden auf dem Boden des Rechtsstaates, in dem die Achtung vor Gesetz und Verfassung höchste Pflicht von Volk und Regierung ist.
Damit ist die Neubildung der Württ. Regierung vollzogen.
Der Landtag schreitet sofort zur Neuwahl desLand- tagspräsidenten. Der Abg. Waldmann (NS.) schlägt im Namen seiner Fraktion den Abg. Dr. Jonathan Schmid vor. Die Wahl ist wiederum schriftlich. Das Ergebnis ist folgendes: An der Wahl beteiligten sich 68 Abgeordnete. Es erhielten der Abg. Dr. Jonathan- Schmid (NS.) 50 Stimmen (NS., BB., DN., Ztr., Ehr. Vd.), Abg. Dr. Ströbel (BB.) 1 Stimme, Weiße Zettel wurden 17 (Soz., Dem.) abgegeben.
Der Abg. Dr. Jonathan Schmid ist somit zum Landtagspräsidenten gewählt. Er nimmt die Wahl an und dankt für das Vertrauen. Es werde ihm Ehre und Pflicht sein, die Geschäfte so zu führen, daß er das Vertrauen der Landtags- Mitglieder sich erwerbe. Dann dankt er dem bisherigen Landtagspräsidcnten Mergenthaler für seine bisherige Mühewaltung.
Präsident Mergenthaler, der die Verhandlungen weiter leitet, trägt den Wunsch der Regierungsparteien vor, den Landtag bis zum 1. April zu vertagen und es dann in das Ermessen des neuen Präsidenten zu stellen, den Landtag wieder einzuberufen.
Abg. Pflüger (Soz.) weist ans das Recht der Abgeordneten hin, wonach ein Drittel der Abgeordneten das Recht habe, die Landtagseinberufung zu fordern. Außerdem müsse das Recht des Aeltcstenrates gewahrt bleiben.
Präsident Mergenthaler erwidert, der Vorschlag sei darauf znrückzuführen, daß nach autoritativer Auskunft zunächst die Verhältnisse im Reich geklärt werden müssen. Das werde nicht vor dem 1. April der Fall sein. Bis zu diesem Zeitpunkt müsse unter allen Umständen gewartet werden.
Da sich gegen den Vorschlag des Präsidenten kein Widerspruch erhebt, wird der Vcrtagungsantrag angenommen.
Landtagspräsideut Mergenthaler schließt die Sitzung mit einem Sieg-Heil auf das deutsche Vaterland, das Heimatland Württemberg, aus den Reichspräsidenten und den Reichskanzler. Zum Schluß stimmen die nationalsozialistischen Abgeordneten das Deutschlandlied an, das auch von den anderen Abgeordneten mitgcsungen wurde.
Nach nur halbstündiger Dauer war die denkwürdige Sitzung um -H4 Uhr zu Ende.
Programmatische Erklärungen der neuen württ. Minister
Nationalsozialistische Siegeskundgebuug
Stuttgart, 15. März. Anläßlich der Machtübernahme in Württemberg veranstalteten die Nationalsozialisten am Mittwoch abend einen imposanten Fackelzug, an dem die SÄ., SS. die Hitlerjugend, der Stahlhelm, der Freiwillige Arbeitsdienst die Schutzpolizei, uniformierte Beamte der Eisenbahn, der Post und ddr Straßenbahn, ferner die studentischen Korporationen teilnahmen. Der Fackelzug, der vom Braunen Haus in der Goethestraße ansging und durch verschiedene Straßen der Innenstadt zog, endete im Hof des Neuen Schlosses, wo sich bereits eine nach vielen Zehntausenden zählende Menschenmenge eingefnnden hatte. Bei der anschließenden Riesenkundgebung hielten die neuen nationalsozialistischen Minister kurze Ansprachen.
Der neue Staatspräsident und Innenminister Murr, führte ans, keine Macht werde imstande sein, die neugebildete nationale Regierung in Württemberg jemals aus ihrer Position zu verdrängen. Das System vom 9. November liegt jetzt am Boden. Die Schmach ist gesühnt. Die neue Regierung weiß, daß eine riesenhafte Verantwortung auf ihren Schultern liegt. Mit ihren ersten Maßnahmen hat sie bereits bei sich selbst angefangen, indem sie die Ministerzahl von 5 auf 3 einschrünkte. Die neue Regierung wird auch, soweit es sich um Nationalsozialisten handelt, die alte Forderung auf Beschränkung der Ministergehälter auf 12 000 RM. erfüllen. Als Innenminister sei er bestrebt, die SA. und die SS. in den Staat einznbauen. Die SÄ. müsse in Zukunft genau so bewaffnet sein wie die Polizei. Niemals wird die neue Regierung dulden, daß ihre Maßnahmen in den Gemeinden irgendwie sabo- tert wird. Mit harter Faust wird sie daher auch bei den Gemeinden durchgreifen. Die vordringlichste Aufgabe der Regierung ist, der Ärbeitslosigkeit auf den Leib zu rücken. Auch für den Bauern wird die Regierung alles tun, was in ihren Kräften steht. Alle Stände werden von der Regierung Hilfe erfahren. Die Regierung bietet jedem die Hand, der mithelfen will, sie wird aber mit aller Brutalität jeden Niederschlagen, der sich ihr entgegenstellt.
Kult- und Justizminister Mergenthaler erklärte in seiner Ansprache: Wenn heute der letzte württembergische König, der in Ludwigsburg im kühlen Grabe schlummert, vom Himmel hcrniedersicht auf sein Schwabenvolk, dann wird er die heilige nationalsozialistische Bewegung segnen, weil der Novemberstaat beseitigt ist. In allen Amtsstuben soll man es jetzt wissen, daß die nationalsozialistische Bewegung anrückt, um dem Staat und dem Volk ihr Gepräge zu geben. Wir haben im Süden Deutschlands ein Bollwerk aufgerichtet, eine Klammer für die Einheit des Reiches. Jeden Versuch, die Einheit des Reiches zu gefährden, werden wir mit allen Mitteln Niederschlagen. Wir wollen nicht die Eigenart der Länder zerstören, sondern daß die verschiedenen Fähigkeiten der deutschen Stämme am Neubau des dritten Reiches Mitwirken. Als Kult- minister, so führte Prof. Mergenthaler weiter aus, sehe er seine Aufgabe darin, daß die deutsche Jugeird im Geist der nationalen Freiheit erzogen werde und weiter, daß im Landes- theatcr nur deutsche Kunst gepflegt werde. Als Justizminister sehe er seine Aufgabe nicht darin, in Paragraphen zu ersticken, sondern er wolle die Justiz so gestalten, daß das berechtigte sittliche Rechtsempfinden des deutschen Volkes dadurch befriedigt wird. Er werde zu verhindern wissen, daß nationale Männer, nur weil sie ihr Vaterland über alles lieben, in die Gefängnisse gesteckt werden. Vor ganz Württemberg erkläre er, daß er die Sünden und Fehler der Bergangenheit im Wege des Gnadcnrechts wieder gutmachen werde. Beide Redner fänden begeisterten Beifall.
Die Kundgebung schloß mit dem Deutschland-Lied, dem Horst-Wessel-Lied und einem dreifachen Sieg-Heil auf Hinden- burg und Adolf Hitler.
Stuttgart, 15. März. Der Poüzeikommissar für das Land Württemberg gibt bekannt: Im Laufe der letzten Tage wurde eine Reihe von Persönlichkeiten, gegen die Gewalttätigkeiten begangen oder versucht wurden, zu ihrer eigenen Sicherheit in Schutzhast genommen. Ich nehme dies zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß diejenigen Personen, die sich aus irgendwelchen, insbesondere aus politischen oder rassenmäßigen Gründen irgendwie bedroht fühlen, sich jederzeit in polizeiliche Schutzhast begeben können.
(12. Fortsetzung.)
Wo die Pferde standen, knisterte es leise im Stroh Das Tageslicht, welches spärlich durch die vergitterten Fenster kam, begann noch mehr zu verblassen, und machte einem fahlen Dämmer Platz. Draußen, auf dem Pflaster des Hofes, trieben ein paar erste, früh verwelkte Blätter ihr Fangspiel miteinander.
„Suse!" bettelte Malnows Stimme durch das lastende Schweigen, das nur durch den Hufschlag eines Pferdes unterbrochen wurde, „Suse-weißt du denn nicht, daß meines
Lebens ganze Seligkeit in deinen Händen liegt? — Ahnst du denn-"
Ein gelbes Strahlenbündel zuckte vom Himmel und erfüllte das Dunkel des Stalles mit grellem Licht. Malnow sah nichts, als daß die zitternden Arme des geliebten Mädchens sich nach ihm streckten. Mit beiden Händen griff er nach dem schlanken Leib, der ihm nicht widerstrebte. „Du — du! Sprich nur ein Wort, damit mein Glück voll ist!" flehte er heiser. „Küß mich nur em einziges Mal, damit ich weiß, daß ich dir im Herzen brenne, wie du mir!"
Ihre Lippen blühten ihm entgegen, während ihre Lider sich senkten: „Dieter!" Ihre Stimme bebte in Scheu und Jauchzen. „Dieter!"
Mit beiden Händen umklammerte sie. seinen Hals, als draußen ein Rollen über die Erde h'nging
„Was fürchtest du, mein Mädchen?" flüsterte er an ihrem Ohr. „Bin ich nicht bei dir? — Der Himmel zürnt nicht über unsere Liebe! Er mahnt nur! Mahnt dich, mein Kleines, mir treu zu sein!"
Sie schrak aufs neue zusammen, als von draußen ein violettes Licht durch die offene Tür rann. „Ich fürchte mich so unsagbar, Dieter!"
„Und bist doch in meinen Armen, Kind!"
Sie stammelte etwas an seinem Hals und barg das Gesicht gegen seine Brust, als schwefelfarbenes Licht den Raum durchzuckte und ein nervenerschütterndes Dröhnen über das Dach dahingmg.
Frau von Recklinhausen rief nach der Tochter. Man hörte draußen Schritte über die Steine springen.
Als Gradnitz unter die Türe trat, um Suse unter seinen
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Schirm zu nehmen, da bereits die ersten schweren Tropfen fielen, stand Malnow neben den Pferden und beschwichtigte die etwas aufgeregte Stute, indem er ihr über die Mähne streichelte.
„Kommen Sie mit, Herr Malnow!" hörte ihn Suse Hereinrusen.
„Ich bleibe besser bei den Pferden!" kam es ruhig zurück. „Sobald der Regen nachgelassen hat, werde ich Vorfahren. Darf ich den Bocksitz für Sie zurechtrichien, gnädiges Fräulein?"
Das „Ja" kam rasch ohne jede Spur von Trotz oder Auflehnung.
Dieters Blick folgte der geliebten Gestalr. bis diese mit einem flüchtigen Zurückweiiden des Kopfes im Eingang der Gasträume verschwand.
Im Atelier der MonLan-Filmgesellschaft herrschte eine Hitze, die fähig gewesen wäre, Steine zu Brei zu schmelzen Den Schauspielern rann zeitweilig die Schminke von den Gesichtern, wurde sofort wieder aufgefrischt und die schweren Schiebetüren, welche nach dem Nymphenburger Park führten, zurückgerollt
Ein paar hundert Lippen öffneten sich dürstend. Schweißgebadete Körper ließen sich von der Luft umspülen, die an der Hitze des Ateliers gemessen, wie ein kühles Bad wirkte.
Alfred Swensen tupfte mit seinem Seidentaschentuch über Mund und Augen. Die Lider zur Hälfte geschlossen, laß er in dem Klubstuhl zurückgelehnt, der in der nächstfolgenden Szene zur Ausstattung eines Hotelzimmers mit beitragen mußte.
Ringsum klopfte, hämmerte und sägte es. Ein Dutzend Arbeiter waren beschäftigt, die Halle eines schottischen Landsitzes aufzubauen. Hoch oben saß ein Maler auf einem Gerüst und zauberte eine Dschungelwildnis auf die Leinwand.
Ein schrilles Pfeifsignal gellte durch die weiten Räume des Ateliers. „Türen zu! — Es geht wieder los. meine Herrschaften! — Rasch! Rasch! Die Kapelle an ihren Platz, bitte. Rücken Sie das Klavier etwas weiter nach rechts! Man hört sonst nichts! Machen Sie vorwärts, mein Lieber! Sie stehen uns nur im Wege!" Der graue Kittel des Hilfsregisseurs flatterte aufgeregt im Gewirr der Menschen hin und her.
Neuhoff, der Allgewaltige und Oberregisseur der Montan- Filmgesellschaft besprach mit Swensen die Szene, die jetzt gedreht werden sollte. Der Star lächelte apathisch, fuhr mit nervösen Fingern durch das Haar und wurde sofort wieder von dem Friseur kunstgerecht in Form gesetzt.
„Das Ganze ist Ihnen also nun klar, nicht wahr, lieber Swensen!" flötete Neuhoff, dem ungemein viel daran lag.
den Künstler bei Laune zu erhalten Dreier war ohnehin schlecht disponiert und hatte schon zweimal gebeten, für eine Viertelstunde Pause zu machen und auch sonst allerlei Mätzchen in Szene gesetzt, durch die eine Malis .Pest vergeudet wurde.
Daß es da irgendwie in der Eye nicyi cmppw, war unschwer herauszuklügeln Künstler waren nur charmant, so lange sie i'olo auftraten, sobald ein zweiter sich dazu gesellte, führten die Temperamente Krieg Die weiße Türe mit den vergoldeten Ornamenten in den Rechtecksfeldern wurde plötzlich' aufgerissen und zeigte das szenenbild nebenan: das Schlafzimmer einer Herzogin, deren Ruhebett ein Hügel von seidenen Kissen und Decken mar. „Was ist denn los, Neuhoff?" schrillte eine Frauenstimme. „Hast du denn immer noch nicht begriffen, Fred? Das ist ja nr der Tat zum Auswachsen! Sagen Sie den Musikern, daß sie einen Schlager spielen! Ich schlafe sonst auf dem Flecke ein! Dann konnl ihr sehen, wie ibr mich wieder :n Stimmung bringt."
Der nackte Arm, der die Tür zuruckgehalien hatte, verschwand. Das Gold der Ornamente in den Feldern glänzte im Licht der Quecksilberlampen schillernd aus. Swensen seufzte so hörbar, daß der Regisseur teilnehmend nach ihm hinblickte
„Die Frau Gemahlin hat einen bösen Tag," tröstete er. „Haben Sie Geduld," mahnte er bittend „Morgen ist alles wieder anders."
^ „Nichts ist anders," brauste der Künstler auf, glitt in den Stuhl zurück und horchte mit geteiltem Ohr. was Neuhoff ihm erklärte:
„Sie kommen letzt nach drei Jahren Abwesenheit zu Ihrer Frau zurück, lieber Swensen und finden sie in den Armen eines anderen!-Haben Sie begriffen. Herr Swensen?"
Ein gelangweiltes Nicken war die ganze Antwort. ^
Neuhoffs Stimme schraubte sich etwas in die Höhe: „wie sind erst fassungslos vor Schmerz! — Dann geraten Sie in Zorn! Dann in Wut! Und in dieser Wut erschlagen Sie den Liebhaber Ihrer Gattin. — Sie haben mich doch verstanden, lieber Swensen?"
„Ja!"
„Also gut!" Der Regisseur atmete auf. „Gnädige Frau!" Er riß die Verbindungstüre zurück und gab der Diva, die mit einem Herrn im Frack auf dem Ruhebett saß, ein Zeichen.
„Es kann losgehen! Die Musik bitte!-Die Lampen
auf! Ruhe!" donnerte er nach rückwärts, wo die Arbeiter noch immer sägten und hämmerten, und das Lachen und Sprechen der Komparsen durcheinanderflutete. „Mehr Licht' rief er den die Lampen bedienenden Arbeitern zu.
(Fortsetzung folgt.)