Neun Jahre unter der Erde

Die phantastischen Erlebnisse des Kanoniers Iwanow

Von Gregor Iarcho Urheberrecht: Dammerts Werbedicnst G. m. b. H.

l.

Von allen Kriegserlebnissen ist dies hier wohl das merkwürdigste und abenteuerlichste und vielleicht auch das erschütterndste.

Bei Aufrüumungsarbeiteu in der polnischen Festung Ossowjetz wurde in einer verschütteten Kasematte ein lebender russischer Soldat gefunden, ein Teilnehmer des Weltkrieges, der volle neun Jahre unter der Erde ver­bracht hatte. Die Explosion eines .großen Geschosses mauerte den unglücklichen Mann bei' lebendigem Leibe ein. Die ganze Zeit eruäherte er sich von Fleisch und Milchkouserven, von denen er in den Kasematten un­geheure Mengen vorgefunden hatte. Auch der Vorrat an Kerzen reichte volle vier Jahre aus. Dann aber mußte der Gefangene fünf Jahre hindurch in absoluter Dunkelheit verbringen. Als man ihn fand, war er völlig behaart und machte den Eindruck eines gebrechlichen Greises. Die ersten Strahlen der Sonne raubten ihm die Sehkraft. Nach und nach überwand er aber die Blindheit. Die Polnischen Behörden schassten ihn zu­nächst nach Warschau, und von dort wurde er vor nicht langer Zeit weiter abgeschoben in seine Heimat, ins Dongebiet.

Die Zerstörung der Forts

Die Festung Ossowjetz brannte im Feuer des Weltkrieges. Donnernde Geschütze hatten die Forts in einem Umkreis von vielen Kilometern mit einem flammenden mörderischen Gurt umspannt. Nicht für einen Augenblick setzte die Kanonade aus.

Grelle Scheinwerfer glitten wie Mondfäden über denk Himmel, überquerten den Boden und legten verräterisch Helle Flecke auf die Hügel der Befestigungen, wo unter der Erd­oberfläche Kanonen standen und Zehntausende von Menschen lebten, die man Soldaten nannte. Schon jahrelang führten sie einen heldenhaften Kampf gegen ihresgleichen auf der an­deren Seite. Unheilverkündende Raketen zischten sich fast bis zu den Sternen hinauf, zerfielen in blutige Funken und erleuchteten noch greller die von den Scheinwerfern entdeckten Befestigungen. Dahin aber, wo sie hinwiesen, folgten ihnen Hunderte und Tausende von Tonnen ausgespieenen Eisens, das die eisenbetonierten, unterirdischen Gänge und Räume der Festung zerstören sollte. Die Erde zitterte wie bei einem Erdbeben.

In einer der unterirdischen Artilleriekasemattcn wurde fieberhaft gearbeitet. Trotz der ungeheuren Gefahr, die wie eine schwarze Wolke über dem Gewölbe hing, trotz ihrer großen Müdigkeit arbeiteten die Menschen ununterbrochen. Sie bewegten sich dabei ganz methodisch, etwa wie kleine Teile eines großen Ehrouometers. Die elektrischen Birnen beleuch­teten sie und die matten Leiber der gigantischen Geschütze, deren Mäuler aus dem kleinen Spalt der Fort-Kuppel hervorguckten.

Die mit Eisen versehenen Stiefelsohlen der Artilleristen schlugen laut gegen den Zementbodeu. Mau hielt die mecha­nische Speisung der Geschütze mit Munition im Gauge und lief alle Augenblicke eine kleine steinerne Treppe hinunter, um Meldung zu erstatten und neue, zentnerschwere Geschosse an- znforder».

Auf das KommandoFeuer" zuckte draußen der orange­farbene Blitz des Schusses aus, heulend und donnernd verließ das Geschoß das Kanonenrohr, und sofort setzten sich die Sol­daten keuchend und schwitzend von neuem in Bewegung. Wenn sie, um nach unten zu gelangen, die Stahltür der Kasematte anfrisscu, sahen sie in lange, tief unter der Erde liegende Gänge hinein.

Diese Gänge und die mit ihnen verbundenen Räume waren eigentlich ein kleines, abgeschlossenes» Städtchen für sich, das man kurzFort" nannte. In den oberen der unterirdischen Stockwerke bei elektrischem Licht und gewissen Bequemlichkeiten wohnten und ruhten die Artilleristen und die Soldaten der Genietruppe. Weiter unten lag ein Lazarett, dann folgten Küchen, Brotbäckercieu und Vorratskammern. Im Augen­blick bewohnten das Fort außer der eigentlichen Besatzung noch ganze Regimenter von Infanteristen, die in zermürben­dem Warten nicht wußten, wie man die Zeit bis zum entschei­denden Augenblick des zu erwartenden Sturmes am besten tot- schlagen sollte.

In den letzten Tagen hatte sich das Artillericfeuer be­deutend verstärkt, und die Verteidiger des Forts waren von einer nervösen Unruhe ergriffen. Jedesmal, wenn oben an der Erdoberfläche ein feindliches Geschoß krepierte, zuckten die Leute unwillkürlich zusammen, duckten sich und blickten ver­stohlen nach der aus Eisenbeton bestehenden Decke des Ge­wölbes. Zunächst vernahm man einen grollenden Donner, der so klang, als ob eine ganze Felswand hereiubrechen würde, dann aber verbreitete sich durch alle unterirdischen Räume ein Echo, und die Gänge selbst dröhnten wie hohle Rohre. Die fremden Kanonen schienen das Fort endlich gesunden zu haben.

Nun folgten mehrere heftige Detonationen hintereinander. Dann erscholl das Gedonner zusammenstürzenden Stein­gewölbes, und die Kasematte versank auf einmal in ein tiefes Dunkel. Das elektrische Licht erlosch, dichte Rauchschwaden des explodierenden Geschosses schoben sich nach allen Richtungen vor und fanden keinen Ausweg. -- Man war abgeschnitteu. Der einzige offen gebliebene Gang nach unten konnte ohne Lebensgefahr auch nicht mehr betreten werden. Aber die Geschütze verlangten unersättlich nach weiterer Speisung, und der Kommandeur befahl schließlich, neue Granaten von Hand zu Hand herbeizuschaffen.

Die Bemannung des zweiten Geschützes mußte wieder hin­unter. Von dicken Rauchschwaden umhüllt, bewegten sich die Soldaten langsam vorwärts. Kaum aber hatten sie einige Schritte zurückgelegt, als in die von oben hereingeschlagene Bresche Plötzlich wieder eine schwere Granate hereinfiel und aufheulend krepierte. Ihr folgten sofort viele kleinere Geschosse, und einige Minuten später waren die unterirdischen Gänge gänzlich zerstört.

Ein gellender Aufschrei der getroffenen Soldaten blieb ungehört im elementaren Gedröhne der Detonationen und der zusammenstürzeuden Eisenbetonmassen. Der Kanonier Iwa­now brach plötzlich durch, stürzte in einen endlosen Abgrund hinein, fiel immer tiefer und tiefer und verlor das Be­wußtsein .

Lebendig begraben

Niemand suchte den Kanonier Iwanow, weil man nur i gut wußte, daß dort, wo ein schweres Geschoß explodier von einem in der Nähe gewesenen Menschen hinterher nii einmal kleine Fleischsetzen mehr zu finden waren.

Iwanow hatte keine Ahnung davon, wie lange er bewuf los gewesen war und wo er sich befand. Ganz dunkel u: erinnerte er sich an das gelblichrote und schwarzgestreifte Feu der Explosion und an den endlosen Sturz. Jetzt aber war ei Grabesstille um chn, die ihm Kopfschmerzen verursachte ui Samen erfüllte. Entsetzen erfaßte ihn. Ring so dunkel, daß er nicht einmal seine eigene Hm sehen konnte. Lange dachte er darüber nach, ob er nur pha oder ob diese schwarze Grabesstille das Dunkel sein Bewußtlosigkeit war. Jeden Augenblick war Iwanow dara

gefaßt, grelles Tageslicht aufblitzen zu sehen und Menschen­stimmen zu vernehmen... Ein brandiger Durst zerriß ihm die Brust. Er wollte sich erheben, aber da begann es ihn wieder zu schwindeln, und er verlor erneut das Bewußtsein.

In seinen Fieberträumen sah er Wasser. Zunächst nur genau so viel, wie man braucht, um den Durst zu stillen, dann aber ganze Bäche voll. Schließlich sah er sich selbst als kleinen Knaben am Ufer des ihm vertrauten Dons. Aber er durfte aus irgendeinem Grunde mit den Wellen nicht in Berührung kommen. Er stöhnte und stürmte vor, aber sobald er das Wasser erreicht zu haben glaubte, wurde es gespensterhaft, ver­schwand, und von neuem trat das schwarze Schweigen ein.

!I.

Schließlich kam er endgültig zu sich. Er betastete sich den Kopf, die Hände und die Augen. Die Augen schienen unver­sehrt zu sein. Aber der Kopf, das Gesicht und die Hände waren von eingetrocknetem Blut überkrustet. Das war sehr unangenehm. Iwanow hatte Angst, sich zu bewegen, da er nicht wußte, wo er sich befand. Vielleicht lag er auf irgend­einem Vorsprung, von dein er Hinabstürzen könnte. Er rührte sich nicht. Als das blinde Schweigen der Dunkelheit und die Schmerzen völlig unerträglich wurden, zumal die Minuten so langsam dahinschlicheu, als ob sie Jahre wären, beschloß Iwanow, diesen Albdruck zu überwinden und lieber ein Ende mit Schrecken hcrbeizuführen, als diesen Schrecken ohne Ende noch länger zu ertragen. Unwillkürlich schloß er die Augen, obwohl er nichts sehen konnte und kroch auf allen Vieren ein wenig vorwärts. Dann erhob er sich, schwankte vor Schwäche und Kopfschwindel und machte einige Schritte.

Unter seinen Füßen waren glatte Steinfließen. Vor Freude stockte ihm der Atem. Plötzlich aber versengte ihn ein neuer entsetzlicher Gedanke. War er etwa erblindet? Zitternd schob er seine Rechte in die Tasche, holte eine Schachtel Streich­hölzer hervor und steckte eins davon an. Die kleine gelbe Flamme erstrahlte den im Dunkeln müde gewordenen Augen wie eine leuchtende Sonne.

Ich sehe! Ich sehe!" rief Iwanow beglückt. Da vernahm er ganz in der Nähe ein Geräusch, das von fallenden Tropfen herrühren mußte. Sein Durst packte ihn mit neuer Gewalt, und vor seinen Augen begannen farbige Ringe zu kreisen. Bor Schwäche sank er abermals zu Boden. Aber diesmal blieb er nicht lange liegen, sondern kroch weiter und steuerte dem Wassergeräusch zu. Der Durst trieb ihn vorwärts, und es gelang ihm, den Schwächeanfall zu überwinden. Als das ver­heißungsvolle Geräusch schon ganz nahe war, zündete er wieder ein Streichholz an.

Wasser!" stöhnte er, kniete vor einer großen Lache nieder und begann gierig zu trinken. Vor Wonne schloß er erneut die Augen. Als er dabei wieder außer Atem kam, machte er eine kleine Pause und ruhte sich erst mal ein wenig aus. Dann aber begann er von neuem zu trinken. Schließlich überkam ihn der Wunsch, den souderlmren See, auf deu er gestoßen war, auch zu sehen. Ein weiteres Streichholz flammte ans. Im Wasser erblickte Iwanow sein Spiegelbild und beugte sich wieder tiefer herab: halbirrsinnige gequälte Augen sahen zu ihm aus dem Wasser hervor. Er erschrak. Daun aber fing er an, das Blut vom Kopf wegzuwaschen. Dadurch wurden die Schmerzen etwas erträglicher. Daraufhin betastete er sich van neuem. Kein Knochen war gebrochen, er konnte sich ge­trost fortbcwegen. Er spürte keinen Hunger und er dachte au nichts anderes, als nur daran, sobald wie möglich aus diesen: furchtbaren Kellergrab hiuauszukommen. Als er dann zu­fällig auf den Gedanken kam. daß man ihn für vermißt halten und die Suche nach ihm aufgeben würde, überlicf cs ihn eis­kalt. Ein Entsetzen riß ihn hoch. Er sprang auf und stürzte ins Dunkel, aber schon im nächsten Augenblick stolperte er und fiel um. Nun mußte er wieder zu seinen bereits zur Neige gebenden Streichhölzern greifen. Er hatte es jedoch eilig, er lief immer weiter, er stieß andauernd gegen Fässer,

Den 7. März 1933.

Der Mürz war schon immer ein revolutionärer Bursch gewesen. Nun hat er wieder einen neuen Umsturz in sein Kerbholz zu schneiden. Fast über Nacht haben sich unsere poli­tischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Das ging uns bedächtigen Schwaben doch zu schnell. Wenn wir nicht das Radio gehabt hätten, wir hätten bei Gott noch das Erwachen verpaßt und verschlafen. Da war diesesmal schon preußischer Schneid dahinter. Bei deu Wahlen waren wir noch trotz der Siedehitze der gegensätzlichen Meinungen mit kühlem Blute bei der Sache. Wir waren in dieser Hinsicht ein Vorbild für andere Städte, wir haben maßvoll und diszipliniert in beiden Lagern, dem rechten und dem linken, zu kämpfen verstanden und sowohl Sieg als Niederlage in Würde ausgenommen. Am geschlagensten mußte die Deutsche Volkspartei sich aus ihrer seitherigen Stellung zurückzieheu:Friedland, deine Sterne sind erloschen". Für die Linksparteien haben die Verbote und Pressebeschränkungen wie ein Märzsturm gewirkt. Heute aber, zwei Tage nach der Wahl, sind wir schon einen schneidigeren Wind gewöhnt. Die politischen Väter der November-Revo­lution 18 werden von ihren Kindern in die hohe Schule der Revolutions-Taktik geschickt. Man lernt nie aus. Aber zur Nutzanwendung der Lehre werden sie es Wohl nie mehr brin­gen. .Das letzte Lichtlein der vormärzlichen Revolution die marxistische Presse ist am Erlöschen. SA. haben die Drucke­reien besetzt und die Betriebe geschlossen. Wo der Mantel fällt, muß der Herzog nach. Ohne Presse ist die Partei ein ver­sprengter Kriegshaufen ohne Feldherr. Für die bürgerliche Presse arbeitet die allmächtige Schere der Zensur. Daher rau­schen die Blätter heute alle schon in Braun sonst werden die Blätter erst im Herbst braun aber diesesmal schon im März; das Wunder ist über Nacht geschehen.

Den 8. März 1933.

Trotzdem, oder vielmehr erst recht jetzt, ist unser Stuttgart eine Stadt, in der sich leben läßt. Das hat auch unser Willy Recchert, das Meisterstück humorvoller schwällischer Plauderei, gedacht. Nachdem er sich gut ein paar Wochen in der euro­päischen Geographie herumgeschaukelt hat, ist er heute wieder frischeingereichert" mit neuen Einfällen in seine eigentliche Wirkungsstätte, ins Pavillion Exzelsior, zurückgekehrt. Dort schwäbelt er jetzt seine Schwänke, Witze und Glossen weiter und bringt selbst seine Zuhörer am Radio zum Lachen. Willy gehört zum Inventar in Stuttgart, er ist ein Stück schwäbischen Volkstums in Person geworden. Dazu ist er noch ein ganz gescheiter Schwabe. Wir Schwaben sind alle Helle sonst wäre er schon wie andere Prominenten auf Gastspiel­reisen nach Amerika und hätte seine Dollars dort jetzt nicht mehr zur Heimreise von der Bank gebracht. Statt dessen sitzt er jetzt vergnüglich im Exzelsior und schwäbelt allabendlich seine neuesten Schlager:Bitte recht schonend" zum Ergötzen seiner Stuttgarter Landsleute herunter.

Kisten und Kasten, über die er kletterte, denn er hoffte fest daß er irgendwo oben einen Lichtstrahl erblicken und einen Ausweg finden würde. Aber ringsherum war imer noch die­selbe schweigsame Nacht, und als Iwanow endlich vor Ver­zweiflung aufschrie, erscholl unter den hochgewölbten Beton­decken gellend der einsame Ruf eines lebendig begrabenen - Menschen.

Nach einer Weile machte Iwanow Halt und setzte sich er­schöpft auf irgendeinen Ballen.

Er war ganz iu Schweiß gebadet und wußte nicht, was er weiter tun sollte. Dabei betasteten seine Hände ganz un­willkürlich das weiche Etwas, auf dem er saß.

Schließlich regte sich seine Neugier und er untersuchte den Ballen näher. Er war Werg. Die schwache Streichholzflamme ! erleuchtete zugleich aber wieder einige Kisten, im Hintergrund ein offenes, eisernes Faß. Iwanow wußte, daß in solchen Fässern Kauonenfett aufbewahrt wurde. Abermals schlich sich eine schwache Hoffnung in sein Herz. Er löste aus einer Kiste ein Brett, wickelte das kleine Ende in etwas Werg, tauchte es in das flüssige Kauonenfett und zündete es an. Zinn hatte er eine Fackel in der Hand. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, daß er einen Brand verursachen könnte, schwenkte er seine Fackel hin und her und stürzte noch einmal vorwärts, ! um die Suche nach einem Ausgang fortzusetzen. Als er einige Minuten gelaufen war, geriet er in einen Wirrwarr von engen Gängen und begriff, daß er sich verirrt hatte. Ganze > Pyramiden von Fässern und Kisten erhoben sich zur hohen Betondecke, aber Iwanow interessierte sich fast gar nicht fin­den Inhalt und benutzte sie höchstens als Leitern, um nach . ollen zu klettern. Einmal gelang es ihm tatsächlich, die Decke ! zu erreichen. Ein Griff mit der Hand überzeugte ihn davon, - daß diese Decke aus Eisenbeton bestand. Er war also zwecklos. ^

Er stieg wieder hinunter und lief wie ein gehetztes Tier zurück. Dabei kam er auf den Gedanken, die Wände gleich- : falls zu untersuchen. Er rückte die Kisten zur Seite, rollte die Fässer fort und suchte nach einem Ausgang; er fand auch da keinen. An einer Stelle entdeckte er einen quadratischen Luft­schacht, der irgendwo seitwärts abbog, aber er war nicht hreiter, als daß mau gerade die Hand hineinstecken konnte.

Er war schon ganz schlaff. Dennoch gab er die Suche nicht auf. Plötzlich aber blieb er wie angewurzelt stehen. Von der > Decke herab hingen riesige eckige Schichten des von den furcht- l baren Geschossen zerwühlten Eisenbetons und gleich daneben an der Wand fand er noch einige Stufen der gesuchten ^ Treppe, die indessen durch den Einsturz der Decke völlig zu- i geschüttet war. Erst jetzt begriff Iwanow, daß er ins tiefste ! Kellcrgewölbe des Forts hinabgestürzt war, weit tiefer, als das Lazarett lag.

Ganz in der Nähe entdeckte er beim Licht seiner Fackel einen wahren Berg von Konservenbüchsen. Nun sagte er sich, daß er Wohl auf jene unterirdisch verborgenen Vorräte ge­stoßen war, von denen er schon früher gehört hatte, und die angeblich genügen sollten, um den Hunger jahrelang von der Bemannung des Forts fernzuhalten.

Indessen, was nutzten sic ihm jetzt? Hilflos sah er sich nach allen Seiten um was er jetzt brauchte, war ein Brech­eisen oder eine Spitzhacke. Denn er war sich klar: er war bei lebendigem Leibe begraben!

In einem Anfall von Verzweiflung stürzte er zu den scharfen Eisenbetonstücken vor, steckte die Hände zwischen die scharfen Kanten und brüllte auf wie ein wildes Tier, das man an die Kette gelegt hatte.

(Fortsetzung folgt.)

Hus Wett un6 L>eden

Studium ohne Vergünstigungen. Angesichts der großen j Zahl der Rcifeprüflinge, der Uebcrfülluug der Hochschulen und des akademischen Arbeitsmarktes haben die Unterrichts- Verwaltungen der Länder im Anschluß an die kürzlich bekannt- gegebene Verfügung des Reichsinuenmiuisters die Durchfüh­rung einer Vereinbarung beschlossen, durch die der Zugang der Reifeprüflinge zu den Hochschulen geregelt wird. Da­nach stellt die Prüsungsbehörde jeder Schule für jeden einzel- ! neu Reifeprüfling aktenmäßig fest, ob ihm vom Hochschul- > studium abzuraten ist. Wer dieses trotz des Abratcns ergreift, kann nicht damit rechnen, irgendwelche Studienvergünstig- > uugen zu erhalten. ' ,

Den 9. März 1933.

Draußen auf dem städtischen Fuhrparkplatz an der Türken­straße war heute ein lebhaftes Getriebe. Die Stadt verkaufte ihre überzähligen Pferde. Viele auswärtige Käufer waren da, so daß die Pferde alle einen guten Absatz fanden. Es wurden Höchstpreise bis 1200 Mark erzielt. Also auch für die städtischen Pferde kommt die neue amerikanische Heilslehre der Techno­kraten zu spät. Auch sie sind dem Moloch Technik zum Opfer gefallen. In der Frühe haben auch die unbemannten Ballonaufstiege der meteorologischen Station des Professor Regener zu Forschungszwecken erneut stattgcfunden. Die Bal­lone sind aus Gummi und mit Registrierapparaten zur Höhenstrahlungsmessung versehen. Die Finder der Ballone werden gebeten, die anfgefuudenen Ballone sofort an die zu­ständige Landeswetterwarte, Büchseustraße 56, abzuliefern. Professor Regencr hat mit dieser Art wissenschaftlicher Forsch­ung weit wichtigere Ergebnisse in der Höhenstrahlenforschung erreicht, als sein weltberühmter Rekord-Konkurrent Piccard.

Den 11. März 1933.

Nunmehr liegt auch der städtische Etat für 1933 vor. Er schließt mit einem Fehlbetrag von 1,13 Millionen Mark ab. Die Ausgaben sind auf 134,3 und die Einnahmen auf 133,1 Millionen Mark festgelegt. Die Hauptaufgabe war, eine neue steuerliche Belastung zu vermeiden. Darum wurde auch eine Erhöhung der fünffachen Bürgersteuer nicht weiter vorgenom- men.. Leider konnte aber auf eine stärkere Heranziehung der Biersteuer nicht verzichtet werden. Das Mehrerträgnis wird daraus auf 300000 Mark beziffert. Die ganze Gestaltung des städtischen Haushaltentwurfes ist noch so verhältnismäßig gut ausgefallen, weil die Fonds- und Restmittel und die Wert- abschreibungen der städtischen Werke weitgehend zum Ausgleich der Bilanz herangezogeu werden konnten. Hätte man davon abgesehen, dann wären 3,7 Millionen mehr Belastung übrig geblieben. Die gesamten städtischen Betriebe liefern für den Haushalt ungefähr 6 Millionen ab. Volkswirtschaftlich ist ja eine solche starke Abschreibung nicht zu befürworten, aber in der finanzpolitischen Zwangslage des städtischen Selbstverwal- tungskorpers muß man froh sein, daß mau noch Reserven zu Rückgriffen überhaupt vorrätig hat. Grundsätzlich ist zu sagen, daß die Reform unserer kommunalen Finanzwirtschaft mit der Neuordnung der Finanzpolitik in Reich und Ländern drin­gend und schnell nötig geworden ist. Die Einnahmen aus den städtischen Hofgiitern sind im Etat dieses Jahres nur mit 1800 Mark errechnet. Voriges Jahr prangte darin noch die stolze Summe von 18 000 Mark, die aber natürlich niemals einging. Die Betriebe rentierten sich schon längst nicht mehr und niemand weiß eigentlich, warum man den Verkauf der Guter immer noch verzögert. Erhöht wurden die Ausgaben bei der Feuerwehr von 644 000 Mark ans 855 000; für Zuschüsse an Anstalten und gemeinnützige Vereine sind 791000 Mark gegen 757 000 Mark letzten Jahres vorgesehen. Für die Ge- meindeumlage hat das Bürgermeisteramt vorsichtigerweise statt 16 Millionen nur 14 Millionen in Ansatz gebracht. Auch der Anteil der Reichseinkommensteuer wurde mit einer Million niederer bewertet, so daß nur noch 3,4 Millionen eingesetzt sind.