Ebingen, 5. Dczbr. (Ein gemeiner Rmib.) Ein frecher Raub wurde gier durch einen jüngeren Burschen an einer 82jä>irigen Frau im tzausgong der Kirchgravenschule verübt. Die 82jäbrige Frau Pauline Fäh, Witwe, holte auf dem Postamt ihre Invalidenrente jm Betrag von 21,90 Mark. Nach dem Verlassen des Postamts wurde die Frau von einem jüngeren Burschen, der sie anscheinend beim Empfang oder beim Einstecken des Geldes beobachtet hatte, bis in ihren Hausgang verfolgt. Im Hnusgang selbst ging der Täter von hinten her auf die Frau zu, entriß ihr das Täschchen, in das sie ihre Rente gesteckt hatte, und flüchtete. Bon der Polizei wurden sofort Erhebungen angestellt und bereits verschiedene verdächtige Personen aufgegriffen und gegenübergestellt.
Handelspolitische Frage«
Stuttgart, 5. Dez. In der letzten Sitzung des Verwal- tungs- und Wirtschaftsausschusses des Landtags berichtete Oberrcgiernngsrat Dr. Schiller über die Maßnahmen, die die wiirttembergische Regierung auf dem Gebiet der Handelspolitik zu Gunsteil der Land- und Forstwirtschaft ergriffen hat. Ausgehend von dem Beschluß des Landtags vom 15. Oktober 1932, wonach bei allen Maßnahmen zur Stärkung des Binnenmarktes und zum Schutz der Landwirtschaft »auf die württem- bcrgische Ausfnhrindustric Rücksicht genommen werden solle, zeigte er, daß die deutsche Handelsbilanz im Verhältnis zur Mehrzahl der von den Kontingenticrungspläncn der Reichsregierung berührten Staaten in außerordentlich starkem Matze aktiv sei. Deutschland habe im Handelsverkehr mit den skandinavischeil Ländern, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Schweiz nnd Italien in jedem der beiden Jahre 1930 und 1931 einen Ausfuhrüberschuß von zusammen über 3 Milliarden Reichsmark gehabt, und auch im ersten Halbjahr 1032 betrage er noch gegen 900 Millionen RM., sei also trotz des allgemeinen Preisrückgangs nnd der Wirtschaftskrise nur um ein starkes Drittel zurückgegangen. Jnnenwirt- schaftlich könne die Landwirtschaft den Wegfall der Ausfuhr nicht ersetzen. Lehrreich sei die Entwicklung des Außenhandels Dänemarks, das hauptsächlich von Deutschland, Großbritannien lind den Vereinigten Staaten mit Jndustrieerzcug- nissen beliefert werde. Nach der dänischen Statistik habe sich das Kräfteverhältnis von Deutschland zu Gunsten Großbritanniens um 72 Millionen RM. verschoben, wenn man die bisherige Gesamteinfuhr dieser drei Länder nach Dämemark im Jahre 1932 mit ihrem verhältnismäßigeil Anteil im Jahr 1931 vergleiche. Dieser Reinverlnst Deutschlands an Aufträgen in Höhe voll 72 Mill. RM. zu Gunsten Großbritanniens > sei nicht etwa durch die Währungsverhältnisse Dänemarks und Großbritannien hervorgcrufen, da die Vereinigten Staaten ihren Anteil an der dänischen Einfuhr fast in voller Höhe behaupten konnten. Als Ursache müsse man vielmehr die Maßnahmen der deutschen Handelspolitik in Verbindung mit einer außerordentlich geschickten englischen Werbung ansehen. Die wiirttembergische Regierung hatte im Dezember 1931 mit gro- - ßcm Nachdruck einen besseren handelspolitischen Schutz der deutschen Buttcrerzeugung gefordert. Die Art jedoch, wie daraufhin im Februar der Bnttcrzoll von der Reichsregieruug ! neu geregelt wurde, hatte sich viel schärfer gegen das an der Buttereinfuhr nach Deutschland am meisten beteiligte Dänemark ausgewirkt als gegenüber allen anderen Buller liefern- ! den Ländern. Erst vor wenigen Wochen ist es gelungen, i unter Uebergang vom absoluten znm proportionalen Kontingent eine Regelung der deutschen Bnttereinflihr zu finden, die ! alle Einfuhrländer im gleichen Verhältnis trifft und deshalb die dänische Mißstimmung gegen die deutsche Außenhandelspolitik wieder einigermaßen besänftigt hat.
Ailf zwei Gebieten habe das Wirtschafts-Ministerium seit langem eine Kontingentierung gefordert, beim Gemüse und beim Schnittholz. Beim letzteren hätte cs sich darum gehandelt, die seit der Kündigung des Schwcdenvertrags Anfang Juli 1932 einsetzende Voreinfuhr von Schnittholz, die bis zum Ablauf des Schwedcnvertrags am 15. Februar 1933 zum alten gebundenen Zollsatz möglich ist, zu unterbinden. Auf dem Gebiet der Häute und Felle dagegen habe sich das Wirt- schaftsministerinm gegen eine Kontingentierung gewandt, weil die hochentwickelte deutsche Lederindustrie, von der ein Anteil von mehr als 16 Prozent auf Württemberg entfällt, nur 1)5 Prozent ihres Gesamtbedarfs aus dem Inland zu decken vermöge; eine Einschränkung der Einfuhr von Häuten nnd Fellen durch Kontingentierung würde also einen Teil des Bedarfs der deutschen Lederindustrie unbefriedigt lassen. Hier sei also das Mittel der Kontingentierung keine geeignete handelspolitische Maßnahme. Ferner habe sich das Wirtschafts- Ministerium wiederholt eingesetzt zu Gunsten der deutschen Erzeugung an Eiern und an Obst. Neben handelspolitischen
Roman von Friedrich Lange.
Urheberschutz: Verlag F. Lange, Hohenstein-Er. (Sa.)
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Ihre Gedanken waren beim Abschied gestern. „Fahr mit, Toni, drüben beginnen wir ein neues Leben!"
Kerkhof saß noch immer reglos, mit erstarrtem Gefichts- ausdrnck, den Menschen im Arm, von dem er Rechenschaft zu fordern gedachte. Ein Höherer hatte eingegriffen . . .
,Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr!'
XXVI.
Von Kufstein aus — bis dahin hatte er dem Toten das Geleit gegeben — fuhr Kerkhoff andern Tags nach Adelholzen. Er hatte sein Eigentum, die Zeichnung mit den technischen Angaben über den neuen Semaphor, wieder an sich gebracht, aber ihm lag nun fast gar nichts mehr daran. Das Erleben des gestrigen Tages war zu stark und einprägsam gewesen. Davor versank alles andere. Heute kam Kerkhoff die Wiederbesitzergreifung seines geistigen Gutes beinahe kleinlich vor. Um diesen Preis hatte er es bestimmt nicht gewünscht.
Toni Geislinger war in Kufstein geblieben. Sie tat für den Abgeschiedenen die letzten Gänge zu den Behörden, sie, der einzige Mensch auf Erden, der ihm auch im Tode nahe stand.
Der einzige-?
Kerkhoff sollte bald genug erfahren, daß es noch einen gab, der herbsten Anteil an dem Los des Abgestürzten nahm. Und wieder war es ein Mädel: Ursula Josephh!
Wie konnte das auch anders sein: Unter den Männern hatte der Herzensbrecher Vidor so gut wie keinen Freund, dafür um so mehr unter dem schönen Geschlechte. In Salzburg zerdrückte so manches braun- oder goldtzaarige Mädel eine Träne beim Lesen der Zeitungsnachrichten von dem neuesten Drama im Kaisergebirge.
Kerkhoff fand Ursula in der Bibliothek des Vaters. Dieser große, schöne Raum erhielt Oberlicht, das seltsam verklärend wirkte und den Gegenständen die harten Konturen nahm. Beim Auftauchen des Geliebten legte Ursula das Buch, in dem sie gelesen hatte, zur Seite.
„Grüß Gott, Eberhard! Wo warst du gestern? Ich habe vergebens versucht, dich telephonisch zu erreichen."
Sie sagte das lachend, ohne Vorwurf.
Kerkhoff hielt ihre Hände und sah rhr in die Augen, als er sein Erleben preisgab.
„Gestern war ich mit der Bergungskolonne auf dem To- tenkirchl, Vidor holen. Leider haben wir ihn nicht retten können. Jm Temelswurzgarten ist er in meinen Armen gestorben."
Maßnahmen sei auch auf Frachterleichterungen für Gerste nnd Hafer und für Holz hingewirkt worden, allervings zum Teil, wie z. B. beim Hafer, bis jetzt ohne Erfolg. In der Forderung der Aufhebung der für die Städte München und Frankfurt bestehenden Rcexpedition für Gemüse und Obst sei das Wirtschaftsministerinm leider fast von allen Seiten im Stich gelassen worden.
«snÄS? unü Verkek?
Stuttgart 6. Dezember (Mostokstmarkt auf dem Nordbahnhof.) Seit 2. Dezembewmurden 15 Wagen neu zugefiihrt Nach auswärts sind inzwischen acht Wagen abaegangen. Preis heute wagenweiie für 10000 Kg. van 880-1120 Mark'im Kleinvcrkauf 5.00—6.10 RM. für einen Zentner. Marktlage lebhaft.
Stuttgart, 6. Dez. (Schlachtviehmarkt.) Dem Dienstagmarkt am Stadt. Vieh- und Schtachthof wurden zugeführt: 43 Ochsen (unverkauft 13), 55 (5) Bullen, 275 (20) Iungbullen, 242 (7) Kühe, 421 (51) Rinder, 1433 Kälber, 2608 (230) Schweine, 7 Schafe, 10 Spanferkel. Eilvs aus je I Ztr. Lebendgewicht: Ochsen s 28—30 «letzter Markt: —), v 24 -26 (-), c 21 23 ( >, Bullen s 23- 24 (unv.), d 21—22 (unv), c 20-21 (—), Kühe a 21-24 (—), d 16—18(—), c 11-14 (-), ck 8—10 (-), Rinder a 30-33 (-), b 24—28 (unv.), e 20—23 (unv.), Kälber r> 30—33 (unv), c 25-28 (unv), ä 21 — 24 (unv ), Schweine s fette über 300 Pfd. 42 43 (44—45), k voll- fleischige von 240—300 Pfd. 41—43 143—44), c von 200—240 Pfd. 40-42 (42-441, ä von 160—200 Pfd. 38—40 (41-42), e fleischige von 120—160 Psd. 36-38 (—1, Sauen 28—33 (—). Mk. Marktoerlauf: Großvieh ruhig, Ueberstand, Kälber ruhig, Schweine langsam, Ueberstand.
Pforzheim, 5. Dez. (Schlachtviehmarkt). Aufgetriebe» waren 631 Tiere und zwar 7 Ochsen, 13 Kühe, 45 Rinder, 26 Farren, 2g Kälber und 511 Schweine. Der Markt verlies mäßig belebl. Der Ueberstand betrug 8 Stück Großvieh und 40 Schweine. Die Preise für ein Pfd. Lebendgewicht waren: Ochsen s 28—30, v 25—27, Farren s 24, b und c 22—20, Kühe a 22, d und e 18—12, Rin er s 31—33, d 26 bis 29, Kälber d 35—38, c 30—34, Schweine d 43—44, c 42-43.
Pforzheim, 5. Dez. (Pferdemackt). Zugeführt waren 57 Pferde. Vorwiegend waren Pferde aus der Landwirtschaft zugetriebcn. Die Preise waren folgende: Leichte Pferde 200—400 Mk. mittlere 500 dis 850 Mk., schwere 900—i2av Mk. Der nächste Pferdemarkt findet am Montag den 2. Januar 1933 statt.
Karlsruhe, 5. Dez. (Biehmarkt.) Zufuhr: 23 Ochsen, 38 Bullen, 46 Kühe, 131 Färsen, 150 Kälber, 1131 Schweine. Preis für den Zentner Lebendgewicht: Ochsen s 24—30, d 21—25, c 19—2l, ck 18 bis 19, Bullen s 21—22, d 18-19, c 17-18, rl 14—17, Kühe a 15—20, Färsen s 26-32, d 18—24, Kälber d 34—36, c 31—34, ä 27—31, e 15—20, Schweine d 43—45, c 42-45, ck 39-43, e 37 bis 39, k —, § 29—33. Verlauf des Marktes: Großvieh und Schweine langsam, geringer Ueberstand, Kälber langsam, geräumt.
Tokio, 6. Dez. Der japanische Zerstörer „Sawarabi" ist bei Formosa gesunken. 106 Mann der Besatzung werden vermißt. Nur langsam laufen nähere Einzelheiten über die Katastrophe ein. Entgegen ersten Berichten ist das Schiff nicht abgesackt, sondern gekentert. Es treibt kieloben, so daß Hoffnung besteht, cs noch bergen zu können. Leider ist über das Schicksal der vermißten 106 Mann noch nichts bekannt; man befürchtet, daß sie alle nms Leben gekommen sind.
Der Krieg in der Mandschurei
Moskau, 6. Dez. Der chinesische General Supingwest, der in der westlichen Mandschurei gegen die Japaner kämpfte, ist von den Japanern geschlagen und auf der Flucht mit seinem ganzen Stab und einer Anzahl Soldaten auf sowjetrnssisches Gebiet übergetreten. Der Uebertritt der Flüchtenden erfolgte trotz des Widerspruchs der russischen Behörden. General Supingwen, seine Offiziere und Soldaten wurden auf russischem Boden entwaffnet nnd interniert. Bisher wird die Zahl der Internierten mit 1000 gemeldet. Japanische Zivilgefangene, die in der Gewalt des Generals waren, sind mit ihm ans russischem Boden eingetroffen. Sie wurden hier freigelassen und können ungehindert nach Japan znrttckkehrcn.
Die Telegraphen-Agcntnr der Sowjet-Union verbreitet hierzu folgende Meldung aus Tschita: Von der Station Mandschurin aus begann die Flucht der Armee des Generals Supingwen ans Sowjctgebict. Der chinesische Kommandant von Mandschurin erschien bei dem Stationsvorstand von Mandschnria und forderte die Abfertigung von Zügen nach
Er sagte das sehr ernst, sehr sachlich. Und fühlte die Hände Ursulas in den seinen erkalten. Der Raum schien sich zu verfinstern, graue Schatten stürzten über das Mädchen hin, löschten den Glanz der Augen, bogen die Freude des Mundes rn Schmerz um.
„Vidor tot-"
.. Wie in unbegreiflichem Staunen sank Ursula auf den nächsten Stuhl. Die Bücherrücken auf den Regalen und in den Schränken führten einen wirren Reigen auf. Die ganze Einrichtung begann sanft zu schaukeln.
Mühsam ihre Schwäche meisternd, barg das Mädchen das Gesicht in den Händen.
Vidor tot — abgestürzt von dem männermordenden Berg!
Kerkhoff stand fassungslos. Sein Herz krumpfte sich zusammen. Sollte er auf den Toten noch eifersüchtig sein? Er hatte geglaubt. Ursula habe überwunden und würde diese Schreckenskunde tapfer tragen.
Leise und teilnehmend fragte er, seine Hand leicht auf ihre Schulter legend: „Trifft es diw so hart, Ursel?"
Kein Seufzer, kein ersticktes Aufschlnchzen verriet, wie es in ihr ausschaute. Sie hatte sich setzt schon wieder in der Gewalt, als. sie die Hände vom Gesicht nahm und bat: „Laß mich allein — Eberhard . . ."
Er machte im Augenblick keine gute Figur, wie er so fassungslos vor der zusammengerissenen, merkwürdig kühlen Ursula Josephh stand. Ihr Verhalten — wie ein Schlag traf ihn das. Mit den Augen tastete er unsicher ihr Profil ab (sie hielt den Kopf abgewandt, nach der linken Schulter geneigt). In einer illustrierten Zeitung hatte er einmal die altägyptische Königin Nofretete gesehen. Ursula hatte denselben wunderbar geschwungenen Mund, Las energische Kinn und — im Augenblick — den hoheitsvollen Königinnenstolz.
Wortlos gmg Kerkhoff, gehorsam wie ein Page. Sein Gesicht, dieses seit gestern schärfer gemeißelte Bergsteigcr- gesicht,, war verschlossen.
Wie ein Trunkener torkelte er die Straße hinab. Die Sonne, diese geliebte Lebcnsspendcrin, blendete ihn. Er vermochte, kaum die Augen zu öffnen. Und die Füße drohten den Dienst zu versagen. Gestern aus handbreitem Fels waren sie sicherer gewesen, als heute ans der gefahrlosen Landstraße.
Sepp mm mit dem leeren Wagen vom Bahnhof. Als er Kerkhoff sah, stoppte er ab.
„Bitt schön, steigen S'ein. Ich fahr Eahna nach Feldwies."
Kerkhoff war ihm dankbar, aber er setzte sich nicht, wie sonst, neben den Chauffeur, sondern nahm auf einem der Hinteren Sitze Platz. Nur jetzt keine Unterhaltung! Wenn einem das geliebte Mädel, das man nach harten Kämpfen und Sehnsüchten erobert zu baben glaubte, die Türe weist, ist man nicht zu einem Plansch aufgelegt.
Der Gasteiger Sepp ahnte, woher der Wind blies.
. . . Der kommt von seiner Herzallerliebsten und schneid a Gesicht ,als ob ihm die Hühner 's Brot weggtragen hätten .. . stellte er ganz insgeheim und ziemlich respektlos Lei sich fest.
dem Sowjetgebiet. Da sich der Stationsvorstand weigerte, erklärte der Kommandant, daß er Züge mit Waffengewalt absenden werde. Chinesische Soldaten zerbrachen unter dem Kommando von Offizieren die Schlösser der Weichen und sandten Züge ohne Beobachtung irgendwelcher Eisenbahnvorschriften ab. In der Nacht zum 5. Dezember brach von der Station Mandschnria ans ein aus 43 Wagen bestehender Zug ans sowjetrussisches Gebiet durch. Er wurde von Truppen des Sowjetgrenzschntzes angehalten.
GeriüttSsaal
1« Jahre Zuchthaus für die Conweiler Brandstifter
Tübingen, 6. Dez. (Schwurgericht.) Die Vernehmung der Angektagten, die alle aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden, zeitigte wesentlich dasjenige Tatbild, das der Anklage zugrunde liegt. Zum Brand Engelhardt wurde zuerst vernommen die Agathe Duß, die ihr Tun auf schlechte Geschäftsverhältuisse in ihrem Krämerladen zurncksührt, die bei Erwerbslosen usw. etliche 1000 Mark Ausstänüe hat und somit nicht mehr in der Lage ist, Waren einzukanfen. Ihre Jahreseinnahme sei auf 800 Mk. gesunken. Auf die Frage des Vorsitzenden, Landgerichtsdirektor Nürk, wie sie zu ihrem Vorgehen gekommen sei, antwortete sie: aus Not, was so zu erklären ist, daß auch sie dachte, dann gebe es wieder Arbeit und ihre Schuldner könnten sie befriedigen. Anderseits hatte der Angeklagte Engelhardt gegenüber dem Ehemann Duß eine Bnrgschaftsverpslichtnng von 900 Mark, sie hingegen haben gegenüber dem Angeklagten Bäuerle eine Verpflichtung auf laufenden Kredit bis zu 2000 Mark, wofür B. hypothekarische Sicherheit verlangte. Diese Zusammenhänge begründeten die Not. Engelhardt sei öfters in ihren Laden gekommen und habe geklagt, wie schlecht er dran sei. Ihm wäre geholfen, wenn sein Haus abbrennen würde — er selbst könne es nicht tun, er würde gern was dran rücken, wenn jemand ausfindig gemacht werden könnte. Er bat die Duß, jemand zu suchen. Nachdem König versagte, trat die D. an den Angeklagten Klink heran, dem 150—200 Mark versprochen wurden. Bei einer diesbezüglichen Unterredung mit dem Angeklagten Bäuerle, der Gemeinderat und Feuerwehrtommandant von Conweiler ist, habe dieser auf König hingewiesen i. S. der Anklage. Bäuerle bestreitet die ihm zur Last gelegte Aeußerung. Aber die Duß soll ihm gesagt haben, „horch, erschrick nicht, wenn du vielleicht geweckt wirst, wir wollen das Engelhardsche Haus anzünden". Zu ihr und zu Klink habe Engelhardt gesagt: Jedes soll das Maul halten, dann komme man aus der Sache heraus. Zu Klink soll auf Geheiß des E. die D. noch gesagt haben, „er solls recht machen, daß nichts stehen bleibe".
Klink ist öfters zu der Dnh in den Laden gekommen, dieselbe habe ihm wiederholt zugeredet, das Engelhardtsche Haus in Brand zu stecken. Die Entlohnung von 200 Mark habe ihn als Arbeitslosen verlockt, dennoch habe er lange gezögert. Als man ihm dann den genauen Beschrieb gab, wie er Vorgehen soll, habe er sich überreden lassen und sei dann unter die Feuerwehrleute gegangen bei den Löscharbeiten. Er habe starke Gewissensbisse empfunden und die Sache tue ihm sehr leid.
Engelhardt gibt u. a. an: Der Brand bei Bischer und Rentschler habe in ihm den Wunsch entfacht, wenn nur auch sein Haus abbrennen würde, so habe er sich mir der Duß ausgesprochen, dann würde er seine Schulden los. Wenn ihm so ein Heil widerfahren würde, wie der Vischer-Brand, wäre er froh, dann wäre es ihm auch recht. Ein in diesem Sinn vor dem Polizeipräsidium Stuttgart abgegebenes klares Geständnis hat E. widerrufen, will unter Druck nnd Erregung gestanden sein, was aber durch den vernehmenden Kriminalinspektor Wirth widerlegt wird. E. hat einen Mobiliarschaden von 4052 Mark angemeldet, 851 Mark dagegen erhalten.
Angeklagter Bäuerle bestätigt bei dem Brand Engelhardt die Unterredung mit der D., bestreitet aber frühere positivere Angaben, er sei im Gegenteil über die Mitteilung der Duß erschrocken und habe gesagt, er tue seine Pflicht! Er habe nicht im Ernst an die Tatausführung geglaubt. Auf die Frage des Vorsitzenden, er habe, als es bei Engelhardt brannte, doch gewußt, daß die Duß dahinter stecke, sagt B-, er habe es vermutet. Ans weiteren Vorhalt, weshalb er als Gemcinderat und Feucrwehrkomamndant die Kenntnis nicht, wie es seine Pflicht war, zur Anzeige brachte, erwiderte B., er wollte nichts mit der Sache zu tun haben, und es als Geschäftsmann mit der Kundschaft nicht verderben. Später hat ja B. bei Befragen seitens der Kriminalbeamten, di» in B. den geeigneten Vertrauensmann wähnten, wer nach seiner Ansicht in Ver-
An diesem Tage lag Kerkhoff den Rest des Nachmittags wie erschlagen im Schatten seines Hauses. Einen ganzen Stapel Bücher hatte er neben sich liegen, aber keines rührte er an. Der Teufel sollte alle Romane der Well holen! Was wußten die armseligen Skribenten vom Leben von diesem grausamen, jauchzenden, zermürbenden Leben das heute einen Menschen mit unfaßbarem Glück Überschuh tete, um ihn morgen in den OrkuS der Verzweiflung zi Wirbeln!
Wütend, mit Zorn gegen sich und die ganze Welt ge laden, schleuderte Kerkhoff die Bücher von sich, bis vor die Schwelle des Hauses. Daun sprang er ans, reckte und streckte die sehnigen Arme gegen das Blau des Himmels schrie seine Verzweiflung hinaus: „Herrgott, was ist das für eine Welt? Dem lebenden Vidor konnte ich Urinla abjagen, der tote nimmt sie mir wieder!"
Wie vernichtet sank er lang hin in das hohe und duftende Gras der Paar Quadratnieter Erde, die ihm gehörten. Dort blieb er liegen bis zum Einbruch der Dämmerung. Die An- strcngnigen des vergangenen Tages, dieser halsbrecherischen wonr ans das Totenkirchl, zwickten nnd zwackten hier nnd da in den Muskeln und Gelenken. Aber das mar nichts Kcrk- hoff hätte über diesen kleinen Bergkater gelacht, wenn nicht die,e andere Belastung gewesen wäre dieser furchtbare seelische Druck, dieses Kreisen der Gedanken um Urs^--'
Es wurde keine gute Nacht. Erst gegen Morgen fiel Kerkhoff in einen Schlaf der Erschöpfung. Nnd als er am späten Vormittag erwachte, waren sofort wieder alle Bilder von gestern lebendig! Da rief er fernmündlich einen Mietwagen herzu nnd tat das. was am wenigsten in seiner Absicht lag: Er fuhr nach Adelholzcn. ins Sanatorium des Dr. Josephh!
Sonst galt jeden Morgen der erste Blick dem Wilden Kaiser. Heute beachtete er ihn nicht.
„Ich mag die Berge nicht mehr sehen! Ich werde morgen an die See fahren!" knurrte er bösartig vor sich hin. Er war gekränkt und töricht wie ein Kind.
Ursula bekam er nicht zu sehen. Sie ließ sich vor ihm verleugnen. Sic sei unpäßlich und außerstande Besuch zu empfangen, wurde ihm gesagt. Ihm war. als treffe ihi mitten im Sommer ein Frosthauch. Nun machte er gar nicht erst den Versuch, bistzn ihr vorzudringen.
Er hatte ein heftiges Wort auf der Zunge aber im letzten Augenblick beherrschte er sich. Nur die Haut an den Backenknochen spannte sich glatt und braun wie Leder.
Dann fing ihn der Sanitätsrat ab. Der kam hastig und jugendlich elastisch von unten heraus, immer gleich drei' Stufen auf einmal nehmend. Es gab auch einen Fahrstuhl im Hause, aber den verschmähte der Alte. Es war bei ihm zur fixen Idee geworden, daß Treppensteigen jung erhalte. Und weil er es sagte, glaubten es ihm sämtliche Insassen seines großen Hauses und taten es ihm gleich.
(Fortsetzung folgt.)