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Amtsblatt für den GberamtsbezirkNeuenbüvg
Ns, 28«
Dienstag den V. Dezember LS32
S«. Iadrgang
Heute MchStagSeronnung
Neibunasloser Verlauf gesichert
Berlin, 5. Dez. Wie das Nachrichtenblatt des VdZ. aus parlamentarischen Kreisen hört, gilt es als wahrscheinlich, daß sich die Dezembertagung des Reichstags nicht mehr auf die konstituierenden Sitzungen beschränken wird. Nach der Wahl des Präsidiums wird, wahrscheinlich am Mittwoch nachmittag der neue Aeltestenrat zusammentreten, um die weiteren Dispositionen sestznlegen. Im Anschluß an die Konstituierung soll möglichst noch im Dezember eine Arbeitstagung des Reichstages stattfinden, und zwar ist beabsichtigt, als erste Vorlage einen Gesetzentwurf über die Regelung der Stellvertretung für den Reichspräsidenten zu beraten. Als Stellvertreter soll, wie es in einem Einzelfall schon einmal festgelegt war, der Reichsgerichtspräsident bestimmt werden. Darüber hinaus ist auch die Vornahme einer Amnestieberatung noch im Dezember wahrscheinlich. Ungeklärt ist noch der Termin der Regierungserklärung und der politischen Aussprache. Es ist durchaus möglich, daß diese auf den Januar vertagt wird. Damit würde auch eine Abstimmung über Mißtrauensanträge und Notverordnungen vorläufig nicht stattfinden, da diese Anträge auf jeden Fall erst mit der Aussprache über die Regierungserklärung verbunden werden sollen.
Die Besprechung des Rei^skanzlers mit dem Reichstagsprösidenteu
Berlin, 5. Dez. (Eig. Meldung.) Die Unterredung zwischen Reichskanzler von Schleicher und dem Reichstagspräsidenten Göring hat jetzt stattgefnnden. Wie von zuständiger Seite erklärt wird, ist aufgrund dieser Besprechung der reibungslose Ablauf der morgigen Reichstagssitzung gesichert. Der Reichstag wird sich morgen lediglich konstituieren. Weiteres kann über die Verhandlungen des Kanzlers mit dem Reichstagspräsidenten noch nicht gesagt werden, da die Besprechungen noch weiter fortgefnhrt werden. Es wäre denkbar, daß Göring auch mit den Parteiführern Fühlung nehmen wird. Reichskanzler v. Schleicher ist übrigens jederzeit bereit, die Erklärung der neuen Regierung im Reichstag ab- zngeben.
Die voraussichtliche Haltung der NSDAP.
Berlin, ö. Dez. Die nationalsozialistische Reichstagsfraktion hielt am Montag abend eine zweistündige Fraktionssitzung im Dienstgebäude des Reichstagspräsidenten Göring ab, in der Adolf Hitler in einstündigen Ausführungen die Richtlinien für die Haltung der Fraktion festlegte. lieber die Fraktionssitznng wurde ein längerer parteiamtlicher Bericht ansgegeben, in welchem insbesondere die Aeußerung Hitlers zu beachten ist, daß jedes Kompromiß abgelehnt werden müsse. Trotzdem glaubt man in parlamentarischen Kreisen nicht, daß es in der bevorstehenden kurzen Tagung des Reichstags schon zu einem ernsten Konflikt mit der Reichsregierung kommt. Man rechnet vielmehr damit, daß auch die Nationalsozialisten der Vertagung des Parlaments bis Mitte Januar zustimmen werden.
Im übrigen hat die nationalsozialistische Fraktion bereits am Montag ein Jnitiativgesetz beantragt, dessen sofortige Beratung sie verlangen wird. Es handelt sich um ein Stellvertretungsgesetz für den Reichspräsidenten, das mit versa ssungs- ändcrnder Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müßte und folgenden Wortlaut hat:
Artikel 51 der Reichsperfassung erhält folgende Fassung:
1. Der Reichspräsident wird im Falle seiner Verhinderung durch den Präsidenten des Reichsgerichts vertreten.
2. Das gleiche gilt für den Fall einer vorzeitigen Erledigung der Präsidentschaft bis zur Durchführung der neuen Wahl.
In der nationalsozialistischen Reichstagsfraktionssitzung nahm, wie die Reichspressestelle der NSDAP, mitteilt, Adolf Hitler das Wort und legte in mehr als einstündigen Ausführungen nach einem Rückblick auf die letzten politischen Ereignisse die Richtlinien fest, die für die Haltung der Reichstagsfraktion der NSDAP, im kommenden Kampfe maßgebend sein werden. Ausgehend von den immer gleichbleibenden weltanschaulichen Zielen und der großen nationalen Aufgabe der Bewegung, von der Millionen Deutscher die Erfüllung ihres Sehnens nach einer besseren deutschen Zukunft erwarten, gab er seiner durch nichts zu erschütternden Ueberzeugung Ausdruck, daß Energie und eiserne Zähigkeit der nationalsozialistischen Idee den Sieg sichern werden. Niemals habe eine große Bewegung gesiegt, wenn sie den Weg des Kompromisses eingeschlagen habe. Je mehr die Ereignisse zur Entscheidung drängten, umso mehr Opfer erfordere der Kampf. Entscheidend sei allein, wer in diesem Kampf das letzte Aufgebot und das letzte Bataillon auf die Walstatt bringe. Es sei nicht wahr, daß die NSDAP, in Thüringen eine Niederlage erlitten habe. Wenn man schon diese Gemeindewahlen als politischen Maßstab nehmen wolle, dann stelle er fest, daß die NSDAP, insgesamt in Thüringen prozentual im Verhältnis zu den anderen Parteien nicht znrückgegangen sei, sondern sogar gegenüber der letzten Reichstagswahl im Verhältnis etwas gewonnen habe. In zahlreichen Gemeinden sei sogar die Stimmenzahl der letzten Reichstagswahl überschritten worden. Nichts werde die nationalsozialistische Bewegung in ihrem Kampfeswillen und in ihrer Kampfesentschlossenheit erlahmen. Sie habe den längeren Arm und werde daher auch den letzten Sieg erringen.
Nachdem Adolf Hitler sodann die politischen Richtlinien für die Reichstagsfraktion im einzelnen bekanntgegeben hatte, schloß der Fraktionsvorsttzende Dr. Frick die Sitzung, indem er dem Führer namens der gesamten Fraktion das Gelöbnis unerschütterlicher und unverbrüchlicher Gefolgstreue in die Hand ablegte.
Fraktionssitzung der soz. Neichstagsfraktion
Berlin 5. Dez. lieber die Fraktionssitzung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion wird folgendes mitgeteilt:
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat sich in ihrer Sitzung am Montag nachmittag ausführlich mit der Politischen Lage und mit der Vorbereitung ihrer Arbeiten für die am Dienstag beginnende Tagung des Reichstags beschäftigt. Es wurde beschlossen, für die Wahl des Reichstagspräsidenten wieder Paul Löbe vorzuschlagen. Die sozialdemokratische Fraktion wird verlangen, daß der Reichstag sofort nach seiner Konstituierung die Erklärung der neuen Regierung entgegennimmt und daß sich daran eine Aussprache über die wichtigsten Politischen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Fragen anschließt. Die Fraktion wird sofort einen Mißtrauensant'rag gegen die Regierung von Schleicher einbringen, da die Zusammensetzung des neuen Kabinetts keine Gewähr dafür bietet, daß sich dessen Politik wesentlich von der des früheren Kabinetts unterscheiden wird. Als besonders vordringlich wird die Sozialdemokratie die schnellste Erledigung einer Reihe von ihr eingebrachten Anträge und Gesetzentwürfe fordern. Dazu gehören die Gewährung einer zusätzlichen Winterhilfe für- alle Unterstützungsempfänger und Hilfsbedürftigen, sowie der Erlaß einer Amnestie für politische Vergehen und Vergehen aus sozialer Not. Unter diese Amnestie würden auch die Verfahren im Anschluß an den Berliner Verkehrsstreik fallen. Ferner verlangt die Fraktion die Aufhebung der Terrornot- vcrordnung und der Sondcrgerichtc; die Wiedererhöhung der sozialpolitischen Leistungen auf den Stand vor Erlaß der Notverordnung vom 1-l. Juni 1932; die Beschaffung von Arbeit und eine großzügige Durchführung des Siedlnngswerks.
Gegen Uhr vertagte sich die Fraktion, um in einer Abendsitznng die Einzelheiten der weiteren von ihr noch im Reichstag einzubringenden Anträge sestznlegen
Offener Brief des GVA. an die NeichSregierunK
Berlin, 5. Dez. (Eig. Meldung.) Der Gewerkschaftsbund der Angestellten verbreitet einen offenen Brief an me Reichsregierung, in dem u. a. folgende Forderungen aufgestellt werden:
Wegfall der Bcdürftigkeitsprüfung in der Arbeitslosenfürsorge,
Beseitigung der Sonderbelastung der Angestellten in der Arbeitslosenhilfe,
Ausgleichung der Härten in der Gewährung der Winter- Zulage,
Zulassung gewerkschaftlicher Ersatzkassen auch in der Arbeitslosenversicherung.
Die Angestelltenversicherung mutz wieder das Recht zur selbständigen Beitrags- und Leistnngspolitik lediglich aus den Erfordernissen der Versicherten erhalten, Mittel der Angc- stelltenvcrsichernng dürfen nicht zugunsten anderer Verstche- rungszweige verwendet werden. Der Anspruch auf ein festes Monatsgehalt muß sichergestellt werden.
Weiter wird gefordert: Aufrechterhaltung und Ausbau des Kündigungsschutzes und aller Schutzbestimmungen im Schwerbeschädigtengesetz, wirksame Bekämpfung des Doppel- verdienertnms, Beseitigung des Provisionsvertreternnwesens,
Verbot aller Angestellten-Ueberarbeit, Aufhebung der Lohn- kürznngsverordnnng Aufhebung aller diktatorischen Eingriffe in die soziale Gesetzgebung
lieber diese aktuellen Forderungen hinaus spricht der GDA. die Erwartung aus, daß ein großzügiges öffentliches Arbeitsbeschaffnngsprogramm ins Werk gesetzt, die generelle Arbeitszeit verkürzt und auf die handelspolitische Abriegelung endgültig Verzicht geleistet wird.
Die Thüringer Wahle«
Weimar, 5. Dez. (Eig. Meldung.) Die letzten Ergebnisse der Thüringer Kommunal- und Kreisratswahlen, die am Montag eingingen, bestätigen die schon verzeichnetc Tatsache eines starken Stimmenrückganges infolge der allgemeinen Wahlmüdigkeit. Sehr bezeichnend ist das Resultat der Wahl zum Eisenacher Kreisrat. Hier haben bei einer Wahlbeteiligung von 70 Prozent die Nationalsozialisten gegenüber den letzten Reichstagswahlen mehr als 30 Prozent ihrer Stimmen eingebüßt, während der Landbund, der mit einzelnen bürgerlichen Gruppen zusammenging, seinen früheren Bestand von. vier Mandaten wieder erreichen konnte. Auch die Kommunisten haben einen fühlbaren Stimmenrückgang zu verzeichnen.
Die neugewählten Parlamente treten erst mit Beginn des Jahres 1933 in Tätigkeit.
Schleicher und die Auffenpolttik
Wenn aus den über die Maßen peinlichen und beschämenden Vorgängen der letzten vierzehn Tage eine Schlußfolgerung gezogen werden muß, so ist es die: Schluß mit der innenpolitischen Verkrampfung und dem hemmungslosen Machtkampf aller Jnteressenvertreter um den Einfluß in Staat und Wirtschaft, und zurück zu einer klaren und planvollen Außenpolitik. Denn während Deutschland der Welt ein Schauspiel bot, um das es wahrscheinlich nicht beneidet werden wird, haben sich in der Außenpolitik außerordentliche Umgruppierungen vollzogen, die für Deutschland Möglichkeiten erschließen, wie vielleicht seit Jahrzehnten nicht. Diese Veränderungen und Umgruppierungen drücken sich am deutlichsten in dem Presse-Echo aus, das die Ernennung eines preußischen Generals zum deutschen Reichskanzler sowohl in Paris als auch in London wachgerufen hat. Papen galt noch vor sechs Monaten als Favorit einer deutsch-französischen Verständigung. Man ist inzwischen in Paris zur Auffassung gelangt, daß hinter Papen nichts anderes stand als ein persönliches Gefühl und eine mehr Private Neigung; daß aber bei Schleicher weniger Gefühle und Neigungen als vielmehr ein eiskalter Verstand und eine nüchterne Vernunft den Ausschlag geben. So kommt die französische Presse, die ja viel stärker Ausfluß der amtlichen Meinung ist als die deutsche» dazu, solche Sätze auf das französische Volk loszulassen: „Das Programm des Generals von Schleicher für die Beziehungen zu Frankreich sei der Wahlspruch der französischen Republik: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!"
Vielleicht wird es dem neuen Reichskanzler Lei solcher Liebeserklärung angst und bange. Und doch wird ihm sein Verstand sagen, daß außenpolitische Möglichkeiten dort ausgenutzt werden müssen, wo sie sich bieten. Wo Papen wahrscheinlich ein Jneinanderklingen verwandter Herzen festgestellt haben würde, sieht — hoffentlich — Schleicher nichts anderes als eine französische Notwendigkeit, mit Deutschland in ein zwar vorübergehend gemeintes, aber politisch auswertbares Arbeitsverhältnis zu treten. Schon hat die von Schleicher inspirierte Note des Außenministers von Neurath an die auf der Genfer Abrüstungskonferenz vertretenen Staaten den Boden für künftige Verhandlungen vorbereitet. Denn diese Note enthält nichts anderes als die Zusicherung Deutschlands, den deutschen Heeresetat innerhalb der nächsten fünf Jahre nicht zu erhöhen, wenn den deutschen Bedürfnissen für die Entwicklung seiner Verteidigungskraft im Rabmen des jetzigen Etats Rechnung getragen wird. Stillschweigend wird Neurath an den Genfer Verhandlungen teilnehmen, und gewissermaßen über Nacht ist Deutschland wieder in das Spiel der Weltpolitik eingeschaltet.
Es soll keine Kritik an Brüning und Curtius bedeuten, wenn festgestellt wird, daß seit Stresemanns Tod der deutschen Außenpolitik die klare Initiative als auch die Folgerichtigkeit fehlte. Dies mag vielleicht weniger an Deutschland, als dem ununterbrochenen Wechsel in den außenpolitischen Konstellationen zuznrechnen sein. Jedenfalls besteht in den Hauptstädten der Welt die Zuversicht, daß mit Schleicher eine neue Phase der Außenpolitik begonnen hat. Französische Optimisten, die das Herz auf der Zunge tragen, sprechen bereits von Schleicher als von einem „militärischen Stresemann".
Amerika hat in der Schuldenfrage die kalte Schulter gezeigt. Das Interesse an der Genfer Abrüstungskonferenz ist in der amerikanischen Oefsentlichkeit erloschen. Roosevclt überläßt alle Entscheidungen einstweilen Hoover, und Hoover schiebt die Entscheidungen dem Kongreß zu. Der Kongreß aber wird ans viele Monate hinaus politisch aktionsnnfähig sein. So ist Europa in den jetzt beginnenden Genfer Verhandlungen unter sich, und wird wahrscheinlich im nächsten Jahr einer geschlossenen amerikanischen Front gegenüber- stehen. England erlebt mit stoischem Gesicht, aber mit leisem Beben in der Seele den Sturz seiner Währung und wird schon ans seinen Finanzsorgen heraus bereit sein, in der Ab- rüstnngsfrage Deutschland entgegenznkommen, wenn es selbst dabei ohne eine Sicherheitseinbußc Ersparnisse machen kann. Herriot stand in den letzten Wochen mehrfach vor dem Sturz, weil der ungeheure Fehlbetrag im französischen Staatshaushalt dem sparsamen französischen Rentner die Gefahren einer allzu militaristischen und auf das Prestige bedachten Politik Var Augen geführt hat. Die seither bereitwillig nach Warschau, Prag, Belgrad und Bukarest geflossenen Goldströmc französischer Anleihen sind jedenfalls versiegt. Dies bedeutet, daß in den französischen Vasallenstaaten des nahen Ostens sehr bald die wirtschaftliche Einsicht die politische Großmannssucht zurückdämmen muß, sollen diese Staaten nicht den Weg zum Staatsbankcrott gehen. Italien hat, ohne ans seine Fernziele zu verzichten, kein Interesse an einem erneuten Wettrüsten angesichts der immer offenkundiger werdenden englischen Schwäche, die gleichzeitig eine Verstärkung der militärischen Schlagkraft Frankreichs bedeutet. Gelingt cs Deutschland, schlüssig nachzuweisen, daß cs ihm lediglich um seine Sicherheit und nicht um ein neues Aufrüsten geht, vermag Deutschland auf der nächsten Weltwirtschaftskonfcrenz im Frühling seine wirtschaftliche Macht in die Wagschale zu werfen, so ist nicht einzusehen, warum cs dem Reichskanzler, der zugleich Wehr- und Verteidigungsminister Deutschlands ist, nicht gelingen sollte, neben einer Erhöhung der dcurschen Abwehrkraft auch gleichzeitig das Seine dazu Leizutragen» einer europäischen Zusammenarbeit den Weg zn bereiten.
In Rußland, wo man noch mitten im Aufbau steht und keine außenpolitischen Verwicklungen sich erlauben darf, —- weswegen man mit verdächtiger Eile alle „Nichtangriffspakte" unter Dach und Fach zu bringen versucht — schließt man ans der Vegrüßung Schleichers in Paris London und Warschau, der große Anti-Sowjetblock mit anschließendem Jnterven- tionsfeldzug nach Rußland sei auf dem Marsche. Mögen einige Phantasten oder Oelinteressenten der Westmächte an eine solche Politische Entwicklung glauben und sie anzufenern