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der angebliche Hauptmann die städtische Kaffe einer Revision unterzogen und sich 4000 ^ an­geeignet. Er ließ das Rathaus noch bis */-2Uhr bewachen und fuhr selbst in der Richtung nach Berlin davon, nachdem er vergeblich versucht hatte, den Sparkaffen-Rendanten in seine Gewalt zu bekommen. Um 2 Uhr nachts soll der Gauner noch in Berlin gesehen worden sein, doch ist es bisher nicht gelungen, seiner habhaft zu werden.

Berlin17.Okt. Zuder Beraubung derKöp e- nicker Stadtkasse werden noch folgende Einzel­heiten berichtet: Der Täter ist anscheinend ein früherer Unteroffizier oder hat einjährig-freiwillig gedient. Darauf deuten die Manieren und die Art und Weise hin, wie sich der Pseudo-Haupt­mann dem Bürgermeister Langerhans gegenüber benommen hat. Von anderer Seite wird mitge­teilt, daß der Verbrecher oder Geisteskranke, mit dem man es hier zu tun hat, vor Verübung seines genialen Streiches in der 3. Klasse in Uniform zwischen Arbeitern nach Berlin fuhr. Damals hat schon der Mann durch sein Betragen und durch seine unpassende Kleidung Aufsehen bei den Passagieren des Abteils erregt. Zur Ermittlung des falschen Hauptmanns wurde gestern Abend spät von Berlin aus angeordnet, daß alle verfügbaren Polizeimannschaften und auch Sol­daten zur Verfolgung herangezogen werden sollten. Es fanden denn auch noch in der Nacht in Köpenick und den Nachbarorten eine gründliche Razzia nach dem falschen Hauptmann statt, jedoch ohne Resultat.

Berlin 18. Okt. Die Vertreter sämt­licher deutscher Bergbau-Bezirke die gestern hier tagten, waren einmütig darüber, daß mit den Arbeiter-Organisationen, welche den be­kannten Lohnerhöhungs-Antrag eingereicht haben, nicht hierüber zu verhandeln ist, da sie als zu­ständige Vertreter der Gruben-Belegschaften nicht anzusehen seien. Ferner wurde allseitig festge­stellt, daß schon jetzt die Bergarbeiterlöhne nament­lich auch infolge der im letzten Jahre seitens der Bergverwaltungen überall vorgenommenen erheblichen Lohnerhöhungen so hohe sind, daß sie gegenüber den gesteigerten Lebensmittelpreisen durchaus ausreichend erscheinen.

Berlin 18. Okt. Mit dem 1. Januar 1907 wird die Leitung der Schutztruppen-Trans- porte für Südwestafrika auf die See-Transport- Abteilung des Reichs-Marineamts übergehen.

Frankfurt a. M. 18. Okt. Zur Köpe- nicker Raubaffäre meldet der Frankfurter General-Anzeiger: Bei der hiesigen Polizei ist eine Anzeige eingegangen, wonach die Annahme be­gründet erscheint, daß der Gauner, der die Köpe- nicker Stadtkaffe beraubte, identisch ist mit einem Frankfurter Friseur, dessen Signalement genau mit dem des Gesuchten übereinstimmt. Der Ver­dächtige hat vor einigen Jahren in großen Städten Bayerns ähnliche Manöver gemacht und es ist

ihm damals gelungen, mit Hilfe gefälschter Doku­mente sich in den Besitz einer staatlichen Kasse zu setzen. Er wurde jedoch kurze Zeit darauf verhaftet und erhielt eine schwere Freiheitsstrafe, die er jetzt verbüßt haben dürfte. Der Friseur hat sich zuletzt in Frankfurt aufgehalten, von wo er vor einigen Tagen verschwand. Eine Be­stätigung dieser Nachricht konnte das genannte Blatt bisher nicht erhalten.

Frankfurt a. M. 18. Okt. Die Polizei verhaftete gestern Abend im hiesigen Hauptbahn­hof einen mit dem Zug 6 Uhr 22 Min. aus Karlsruhe eingetroffenen jungen Mann aus Galizien, der sich Michael Lakuly nannte und beschuldigt wurde, unterwegs Diebereien verübt zu haben. Es wurden viele Geldbörsen und Wertgegenstände bei ihm gefunden.

Paris 18. Okr. Aus Tanger berichten hiesige Blätter: Beim letzten nationalen und religiösen Fest trat eins deutsch-feindliche Haltung der Marokkaner zu Tage. Man be­fürchtet das Ausbrechen einer Bewegung gegen die Ausländer.

Rom 18. Okt. Die Polizei verhaftete eine große Falsch münze rbande, die im Aus­lands zahlreiche Agenten unterhält.

Verwischtes.

Hohe Auszeichnung. Der Maschinen­fabrik Gritzner Aktiengesellschaft Durlach wurde auf der Weltausstellung in Mailand seitens der Preisjury die höchste Auszeichnung, der Grand Prix" für die von ihr ausgestellten Gritzner Nähmaschinen zuerkannt.

Ein Jagderlebnis des Kaisers. Ueber ein seltenes Jagdabenteuer des Kaisers, das ihm bei seinen jüngsten Jagden in den Ro- mintener Forsten zugestoßen ist, erhält der Berl. Lokalanz. folgende Mitteilung: Am 1. Oktober unternahm der Kaiser in Begleitung der beiden Oberförster aus Nassaven und Rominten eine Abendpirsche im Revier Warnen. Es war etwa Uhr nachmittags, der Himmel bewölkt, und daher im Wald schon etwas dunkel. Ueber eine Stunde hatte man gepirscht, ohne irgend ein Stück Wild zu Gesicht zu bekommen. Den Kaiser verdroß das sichtlich und er meinte resigniert zu den Herren:Und wenn ich eine Krähe aus der Luft schießen sollte, aber ohne Jagdbeute komme ich nicht nach Hause." Es sollte indessen anders kommen. Gegen 6 Uhr erreichte man eine offene Waldwiese und ein herrliches Bild, das das Herz eines jeden Weidmanns höher schlagen läßt, zeigte sich dem Kaiser ein Rudel von 8 Hirschen. Doch der Kaiser ließ das Gewehr sinken und stutzte, denn ihm fiel die offenbare Aufregung der Tiere auf, und in der Tat sollte schon der nächste Augenblick zeigen, daß sich zwei Hirsche zum Zwei­kampf rüsteten. Die stolzen Köpfe mit den ge­

waltigen Geweihen hoch und majestätisch empor­gehoben, Schaum vor dem Muno, so standen sich die Tiere gegenüber, während die anderen, lauter weibliche Hirsche, in respektvoller Entfernung der nun beginnenden Tragödie zuschauten. Der Kaiser und seine Begleiter zogen sich schnell hinter Bäume zurück, um ungestört dem interessanten Vorgang zuschauen zu können. Kaum war das geschehen, als beide Tiere mit den Vorderfüßen den Rasen zu schaufeln begannen und dann sofort auf­einander stürzten, die Geweihe ineinander ver­senkend. Das Schauspiel wurde nun so spannend, daß auch die Herren bis ins innerste Mark von ihm ergriffen wurden. Man hörte deutlich das Krachen der Geweihe, das Schnaufen der kämpf­enden Tiere, sah ihr Zurückgehen und wieder ihr Aufeinanderstürzen, bis schließlich Ermüdung ein­zutreten schien. Da machte der größere Hirsch nochmals einen Anlauf, und nun war es vielleicht um den kleineren geschehen da aber krachte ein Schuß und die Kugel des Kaisers streckte den angreifenden Hirsch nieder. In wilder Flucht sprengten die Tiere auseinander, doch der kleinere Hirsch kam vor Ermüdung nicht so schnell davon, und eine zweite Kugel des Kaisers machte auch ihm ein Ende. So herrlich wie das unerwartete Jagdabenteuer war aber auch die Beute, denn der Kaiser hatte einen Sechzehn- und einen Vierzehnender erlegt, denen eine halbe Stunde später noch ein Zwölfender folgte. An der Abend­tafel im Jagdhaus Rominten sagte der Kaiser: Eine so herrliche Abendpirsche ist mir noch nicht beschieden gewesen, ich werde den 1. Oktober 1906, das Warner Revier und jene dunkle Waldwiese nicht vergessen."

Bismarck und Lenbach. Der große Münchener Meister war nicht nur der unüber­troffene Maler des ersten Reichskanzlers, sondern auch sein häufiger Gast und gern gesehener Haus­freund. Man konnte also von ihm wertvolle Veröffentlichungen über Erlebtes und Erlauschtes aus dem Hause Bismarck erwarten, wenn der Maler zugleich auch ein Schriftsteller gewesen wäre. Aber wir müssen uns schon begnügen, aus seinen Bildern zu lesen, was er der Mit- und Nachwelt zu sagen hatte. Denn er hat es stets entschieden abgelehnt, etwas Geschriebenes von sich zu geben, und sogar mündlich wollte er sich nicht äußern über das, was er im vertrauten Umgang mit Bismarck und den Seinen gesehen und erfahren hatte. Aus einer Aufsatzreihe, die Professor Foureaud veröffentlicht, erfahren wir, wie Lenbach einer angesehenen Münchener Per­sönlichkeit gegenüber solche Zumutungen abgewiesen hat.Ich gestehe", sagt er,daß ich von Bismarck und über ihn viele junbekannt gebliebene Dinge weiß. Lassen Sie mich Ihnen nur sagen, daß sie alle zu Bismarcks Ehren sind. Ich schreibe mir nicht das Recht zu, das zu verbreiten, was er nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt hat; und

Ellinghaus fand einen Herrn in mittleren Jahren vor sich, dessen Aeußeres vertrauenerweckend war. Der Doktor empfing ihn mit großer Höflichkeit.

Ich komme um Erkundigungen über den Zustand eines Ihrer Patienten, Mr. Weller, einzuziehen," eröffnete Ellinghaus die Unterredung.

Weller? Würde gern zu Diensten stehen, Sir," erwiderte Mr. Harding,aber ein Mr. Weller befindet sich unter den mir überlieferten Patienten nicht. Doch schwebt mir vor, daß ich den Namen unter den Personalakten, die mir Mr. Bolton überliefert hat, gelesen habe, wir wollen gleich Nachsehen, was diese berichten."

Er nahm die Akten aus dem Schranke und fand bald William P. Weller.

Ellinghaus las:Ausgenommen am 10. April 18, bisher in der Heil-und Pfleganstalt Doktor Woods in Towertown. Leidet an Monomanie, ist Anfällen gefährlicher Tobsucht unterworfen."

Augenscheinlich später war hinzugefügt:Sein Zustand hat sich wesentlich gebessert, konnte am 21. Oktober als vorläufig genesen entlassen werden." Das war alles.

Der 21. Oktober war der Tag, an welchem Hohenthal Marylodge verlassen hatte.

Das ist alles," sagte Mr. Harding, der selbst überrascht schien von dem Lakonismus dieser Eintragungen.

Und," fragte der durch das kühne Raffinement Boltons verblüffte Ellinghaus,wo befindet sich Mr. Bolton?"

Er ist nach dem Osten verzogen, doch kenne ich seinen Aufenthalt nicht, auch bestehen keinerlei Beziehungen mehr zwischen uns, da Marylodge durch glatten Verkauf an mich übergegangen ist. Mr. Bolton sagte mir, daß er seiner Familie und besonders seiner Tochter wegen die Praxis in einer einsam gelegenen Anstalt aufgebe und auf seine alten Tage der Ruhe pflegen wolle."

Ellinghaus war sich nicht klar darüber, ob er Mr. Harding, der durchaus den Eindruck eines ehrlichen Mannes machte, in Hohenthals Ver­hältnisse einweihen sollte, und berührte diese deshalb nicht.

Sind von den früheren Bediensteten der Anstalt noch einige hier?"

Zwei der Wärter habe ich behalten, für die anderen ließ ich meine erprobten Leute eintreten, die ich mir in meiner Anstalt in Baltimore erzogen hatte. Wünschen Sie die aus der Zeit Mr. Boltons stammenden Leute zu sprechen?"

Es wäre mir angenehm, denn ich bin überrascht, Mr. Weller hier nicht mehr vorzufinden, ohne daß eine Andeutung vorhanden ist, wohin er sich begeben hat."

Leider kann ich nur über das Auskunft geben, was ich weiß, aber die Akten, soweit sie Mr. Weller betreffen, stehen Ihnen zu Gebote, wenn sich überhaupt noch etwas über ihn vorfindet."

Einer der Wärter wurde gerufen, es war der, mit dem Hohenthal einige Worte an der Mauer gewechselt hatte.

Sie haben Mr. Weller bedient," fragte ihn Ellinghaus.

Ja Sir, es war ein sanfter und lieber Patient, seitdem er sich be­ruhigt hatte."

Sie wissen nicht, wohin er gekommen ist?,,

Das weiß ich nicht, Sir!"

Er ist also gesund entlassen worden?"

Hm hm." Der Mann sah Dr. Harding fragend an.

Sprechen Sie nur, Miller, ganz offen, wir haben hier keine Ge­heimnisse."

Entlassen? Ich meine, daß Mr. Weller über die Mauer davon gegangen ist."

.Oh!"

Zwar wollte es Mr. Bolton nicht Wort haben, aber wir fanden