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Amtsblatt für den GberamtsbezirkNeuenbürg

_ Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdructeret (Inhaber Fr. Biesinger). Für die Schriftleitung verantwortlich Fr. Biesinger in Neuenbffrg.

m. 248 Samstag den 22. Oktober 1S32 so. Jahrgang

Kmylervechsel nach der Wahl?

Die »Tägliche Rundschau': Neues überparteiliches Kabinett

Berlin, 21. Okt. DieTägliche Rundschau" beschäftigt sich heilte in einem ArtikelPapens Stellung erschüttert?" mit dem Schicksal des Reichskanzlers und seines Kabinetts nach den Wahlen. Das Blatt meint, der geschlossene Wider­stand aller Parteien, mit Ausnahme der Deutschnationalen, der berufsständischen Organisationen, der Bauern, Angestell­ten und Arbeiter habe dem Reichskanzler den Boden entzogen, aus dem er unter Berufung aus das Volk regieren könne. Er stütze sich zwar noch auf das Vertrauen des Reichspräsidenten. Man dürfe aber nicht außer acht lassen, daß Herr von Hin- denburg seinerzeit den Reichskanzler nur mit dem Hinweis beauftragt habe, ein großzügiges Arbeitsprogramm durchzu­führen, dessen Lasten übrigens nicht auf den Rücken des deut­schen Arbeiters abgewälzt werden sollten. Deshalb hält es dieTägliche Rundschau" nicht für unwahrscheinlich, daß nach dem 6. November ein Kanzlerwechsel unumgänglich sein werde.

Das Blatt hat auch schon recht bestimmte Vorstellungen über Aussehen und Aufgaben der Nachfolgerin der Regierung Papen.Das kommende Kabinett wird", so heißt es,ein Kabinett der Arbeitsbeschaffung sein und wahrscheinlich aus­drücklich zu diesem sachlichen Ziel gebildet werden. Es wird also den Versuch machen, eine Reihe politisch widerstrebender Kräfte auf sachlicher Basis zusammenzufassen. Es wird in­folgedessen insofern die Note der Ueberparteilichkeit des Prä­sidialkabinetts bewahren, sich aber auch personell enger auf Persönlichkeiten der NSDAP., des Zentrums, der Gewerk­schaften aller Richtungen und des Bauerntums stützen..." Feste Vorstellungen über die Nachfolger Papens existieren Wohl noch nicht. Jedoch stünden neben einigen Persönlich­keiten des heutigen Kabinetts Leute wie Gregor Straffer,

Schacht, Gerecke, Nadolny und Freiherr von Lüninck zur Ver­fügung sowie einige Namen von den Gewerkschaften.

Sie Neichsregierung gegen Behauptungen Hitlers in -er AdeMtungSfeage

vv. Berlin, 21. Okt. Amtlich wird mitgeteilt: In einem offenen Brief an den Reichskanzler hat Adolf Hitler Behaup­tungen über den Standpunkt der deutschen Regierung in der Abrüstuugsfrage ausgestellt^ die im Interesse der deutschen Außenpolitik auf das schärftte znrückgewiesen werden müssen.

Hitler behauptet: Deutschland sei mit einem Aufrüstungs- programM vor die Welt getreten; es habe die Forderung nach einer 300 OOO-Manu-Armee erhoben; es habe ferner den Bau von Großkampfschiffen usw. gefordert.

Diese drei Behauptungen sind in vollem Umfange un­wahr. Deutschland hat niemals andere Forderungen erhoben als diejenigen, welche das veröffentlichte Memorandum vom 29. August enthält. Es verlangt nach wie vor, daß die ande­ren Staaten auf einen Stand abrüsten, der unter Berück­sichtigung der besonderen Verhältnisse jeden Landes demjeni­gen Rüstungsstand entspricht, der uns durch den Versailler Vertrag auferlegt worden ist. Trägt die Abrüstungskonferenz dieser unserer grundsätzlichen Forderung nicht Rechnung, so müssen wir verlangen, daß nicht weiter zweierlei Recht gilt, sondern daß die in Genf abzuschließende Abrüstungskonven­tion auch auf Deutschland Anwendung findet. Deutschland fordert auch in diesem Falle keine Aufrüstung. Der Zustand darf aber nicht weiter bestehen, daß uns grundsätzlich Waffen verboteir sind, die anderen Staaten als unentbehrliche Mittel der Verteidigung erlaubt bleiben.

Die Rcichsregierung stellt in aller Oeffentlichkeit fest, daß Herr Adolf Hitler in seinem offenen Brief vom 20. Oktober unwahre Behauptungen erhoben hat, die geeignet sind, das Bild der deutschen Außenpolitik zu verfälschen und damit das Interesse des deutschen Volkes auf das schwerste zu schädigen. Das Urteil über dieses Verhalten des Herrn Hitler überläßt die Regierung dem deutschen Volke.

Eine Warnung in letzter Stunde

Stuttgart, 21. Okt. Wirtschaftsminister Dr. Maier setzt imNeuen Tagblatt" seine Betrachtungen über Einfuhrkon­tingente und württembergische Wirtschaft fort. Er kommt dabei zu folgenden Schlußbemerkungen: Die württember­gische Wirtschaft ist in diesen handelspolitischen Fragen in einem schweren Interessengegensatz, da sie einmal eine aus­gesprochene Exportindustrie beherbergt und andererseits ge­rade Lei uns die bäuerliche Veredelungswirtschaft beheimatet ist. Wir haben doppelt Anlaß, auf diesem heiklen Gebiet zu­sammenzuarbeiten. Was für das ganze Reich Geltung hat, das gilt für Württemberg doppelt und dreifach. Wir können uns nicht selbst ernähren. Die Hälfte des Brotgetreides und außerdem viele andere Nahrungsmittel kommen von aus­wärts. Selten gilt für ein Land mehr das Wort, daß nicht die Sachwerte, sondern die menschlichen Arbeitskräfte die wirklichen Werte einer Volkswirtschaft sind, als für Württem­berg. Wir können die Jndustriearbeiterschaft nur so ernäh­ren, diese besten Kunden der Landwirtschaft nur so konsum- fähig erhalten, daß wir Rohstoffe kaufen, in diese Rohstoffe die Arbeit der Menschen legen, die Rohstoffe zu hochwertigen Waren nmgestalten und diese Waren wieder verkaufen in die weite Welt. Entfällt die Möglichkeit zu dieser Art wirtschaft- sicher Betätigung, so ist die württembergische Gesamtwirt­schaft nicht allein die Industrie! zu 10 Prozent lahm­gelegt. Die Hälfte der württ. Bevölkerung kann sehen, wo sie "leibt. Es ist augenfällig, daß ein solcher Ausfall an Kauf­kraft in allererster Linie auch die württemb. Landwirtschaft schwer schädigen würde. An Dutzenden von Beispielen sehen wir, wie die Wirtschaftspolitik des Reiches sich immer rück­sichtsloser an den Bedürfnissen des Norden und des Ostens orientiert, daß die Wirtschaftspolitik in steigendem Maße auf unserem Rücken ausgetragen wird. Wir warnen in letzter stunde: geht es in dieser Weise und in diesem Tempo weiter, so wird ein wirtschaftlich gesundes Gebiet wie unser Land unfehlbar zu Grunde gerichtet!

Die Festsetzung des deutschen Dutterkonttngents

Berlin, 21. Okt. (Eig. Meldung.) Zu der Festsetzung des neuen deutschen Butterkontingents auf 55 000 Tonnen pro " 0 ahr erfahren wir ans Kreisen des Reichsernährungsmini- Itenums, daß die Buttereinfuhr im vergangenen Jahr sich auf insgesamt 100 000 Tonnen belaufen hat. Im Jahre 1932 sijurde sie unter den bisherigen Zollsätzen sich auf vielleicht 1.2 000 Tonnen belaufen haben. Bisher gab es 5 verschiedene Zollsätze für Butter, deren Durchschnitt 67 'Mark für den Doppelzentner im gegenwärtigen Jahre betrug. Dadurch, daß setzt der Zoll auf 75 Mark für den Doppelzentner und ein Gesamtkontingent festgesetzt worden ist, ist die Voraussetzung Wr eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Milchwirtschaft geschaffen.

SPD. kündigt umfangreiche Sozialisierungs- Anträge au

Kiel, 21. Okt. (Eig. Meldung.) In drei Massenkund­gebungen der SPD. kündigte Professor Erik Noelting um­

fangreiche Sozialisierungsanträge der SPD. an. Für diese Anträge werde man eine Volksbewegung schaffen, der keine Regierung gewachsen sei. Sozialisierung der Schlüsselindu­strien sei heute durchaus möglich und entspreche dem Wunsche von vier Fünfteln der Bevölkerung.

Ein neuer SklareMandal r

Die entwürdigende Liste der Skandale wird nun um einen weiteren Fall bereichert. Es handelt sich um die Preußisch- Süddeutsche Staatslotterie. Die Geschichte ist dort schon so anrüchig geworden, daß die Staatsanwaltschaft sich den Fall etwas näher ansah. Es handelt sich vor allem, wie derFri- dericus", dem nur die Verantwortung überlassen müssen, dar­legt, um einen skandalösen Stelleuschacher. Da weiß z. B. der Direktor P. seine Tochter und seinen Sohn im Posten der Preuß.-Südd. Staatslotterie unterzubringen. Der einstige Finanzminister Höpker-Aschoff besorgte seinem Schwiegervater und der Abgeordnete Bischofs seinem Sohne Einuahmestel- len. Dabei sollten diese Stellen gerade Kriegsbeschädigten Vorbehalten sein, die natürlich in zahlreichen Fällen leer aus­gingen. Am schwerwiegendsten von allen Anklagen über den Stellenschacher Lei der Preuß.-Südd. Staatslotterie ist eine dem Oberstaatsanwalt in Berlin zugeleitete eidesstattliche Versicherung eines bisherigen Lotterieeinnehmers, aus der hervorgeht, daß ein gewisser Herr Böhm, der einen mit Zucht­hausstrafe geahndeten Ziehungsbetrng verübte, den Ausspruch tat:Die Direktion bewilligt mir alles, weil ich zuviel von den Schweinereien weiß, die dort herrschen!" Ein bekannter Kriminalist gab im Zusammenhang mit den Anschuldigun­gen gegen die Preußisch-Süddeutsche Staatslotterie der Be­fürchtung Ausdruck, daß sich hier eine Art Sklarekskandal zu entwickeln droht.

Keine Auflösung österreichischer Hochschule«

rv. Wien, 21. Okt. Der Präsident des Verbandes der österreichischen Hochschulen, Professor Dr. Gleispach, ist heute vormittag bei dem Unterrichtsminister Rintelen wegen der Sparmaßnahmen im Hochschulwesen vorstellig geworden. Der Uuterrichtsminister wies darauf hin, daß er sich sofort nach seiner Rückkehr aus London mit dem Bundeskanzler und den beteiligten Reffortstellen ins Einvernehmen gesetzt habe, und erklärte, daß die Gefahr der Auflösung einzelner Fakultäten als abgewendct bezeichnet werden könne.

45 000 Kriegsflugzeuge in Frankreich zuviel

Wenn Frankreich sein Rüstungsversprecheu von Versailles einlösen wollte, müßte es 45 000 Bomben-, Jagd-, Aufklä- rungs-, Torpedo-, Schul- usw. Flugzeuge zerstören. Selbst­verständlich denkt Frankreich niemals daran, seine Luftflotte abzurüsten, ivie Major Erochu im offiziellen Organ des französischen Luftministeriums in derRevue des Force Aeriennes" jüngst schrieb:Die damaligen geringen Lei­stungen dürfen nicht überraschen. Unsere heutigen Bomben­regimenter würden nicht 4 bis 6 Tonnen im Monat, sondern 500 bis 600 Tonnen täglich abwerfen, d. h. so schnell, daß der Gegner nicht einmal Zeit zu entsprechenden Verteidigungs­maßnahmen fände."

Aegiermigsleiseu in aller Welt

Weltpolitische Wochenschau

(Nachdruck verboten.)

is- Eine Liste all der Staaten, in denen heute Regie­rungskrisen mehr oder minder offen ausgebrochen sind, würde sehr laug sein. In Europa fühlt sich, von den roma­nischen Staaten (außer Belgien) abgesehen, keine Regierung mehr sicher. Amerika erwartet ein neues Regierungshaupt nach den Wahlen und Rußlands blutgetränkter Herrscher war in letzter Zeit zahlreichen Angriffen seiner Gegner aus­gesetzt. Die Sorgen der Herrscher von China sind bereits chronisch geworden.

Im Herzen Europas, in unserem Vater lau de, tobt wieder einmal der Wahlkrieg. 250 000 Wahlversammlungen sollen abgehalten werden. Es trifft also auf 240 Deutsche eine Wahlversammlung. Leider mehren sich wieder die politischen Todesopfer. Der Reichskanzler selbst entwickelt eine auf­fallend große Redefrendigkeit, die ihm aber bisher bei den Parteien keine große Gegenliebe einbrachte. Er steht nach wie vor allein auf weiter Flur. Nur die Deutschnationalen, die schon bei der bekannten Reichstagssitzung für ihn stimmten, stehen auf seiner Seite. Der deutsche Reichskanzler will be­kanntlich das Parlament noch einmal auflöfen, wenn es ihm die Gefolgschaft versagt. Ob aber der Reichspräsident dafür zu haben ist, der schon bei der letzten Reichstagsauflösung ernste Bedenken hegte, das ist allerdings eine andere Frage.

Der jüngste Versuch Frankreichs, die Baude mit Spanien fester zu knüpfen, ist ein Glied in der Kette der zahlreichen Verträge und Bündnisse, die Frankreich schloß. Dieser Ver­trag richtet sich gegen Italien und England; denn Spanien kann Gibraltar besetzen. Und Gibraltar bildet Englands Schlüssel zum Mittelmeer. Während noch vor kur­zem französische Staatsmänner von der Erneuerung des Freuudschaftsbundes mit England schwärmten, rächt sich Her- riot für die englische Haltung in der Tribut- und Gleich­berechtigungsfrage in dieser empfindlichen Weise. Er will England unter allen Umständen mürbe machen und alles auf­bieten, um das Jnselreich bei den kommenden Auseinander­setzungen auf seiner Seite zu halten, und sei es auch mit Hilfe ernster Drohungen.

Die Vier Mächtekonferenz ist ins Wasser gefallen. Frankreich ist froh darüber. England zeigt sich jedoch ent­täuscht. Es konnte aber unmöglich auf eine deutsche Zustim­mung rechnen, nachdem es bei den Verhandlungen mit Her- riot so nachgiebig war.

Der ganze Süd osten Europas leidet unter Regierungs­krisen. In der Tschechei muß empfindlich gespart werden. Die Deutschenverfolgung darf nicht mehr so viel Geld schlucken. Oesterreich kann mit seinem Parlament nicht die nötigen Sparmaßnahmen ergreifen. Ungarn erwartet sich von seiner neuen Regierung endlich entscheidende Taten. Auch soll jetzt das Deutschtum dort besser berücksichtigt werden (bahnen sich wirtschaftliche Verhandlungen zwischen Ungarn und Deutschland an?). Südslawien steht vor dem Staats­bankrott. Kroatien rüstet zur Revolution. Rumä­nien weiß sich aus seiner Katastrophe nicht zu retten und Bulgarien befürchtet bedenkliche Kommunistenunruhen. Griechenland steckt mitten in Regicrungsschwierigkei- ten. Im Norden Europas drohen nicht minder schwarze Wetterwolken. Im englischen P a r t e i g e b ä u d e kni­stert es bedenklich und die englische Regierung muß alle Vorsicht anwenden, um sich halten zu können. Belgien ver­sucht durch einen Regierungswechsel der Schwierigkeiten einigermaßen Herr zu werden. Der Memeler Kreis­tag wurde nun aufgelöst, weil verschiedene Wahlberechtigte verhindert wurden, an seiner Wahl teilzunehmen.

Jenseits des großen Wassers ist die politische Unruhe nicht minder groß als auf unserem Kontinent. Mit einem Riesen­aufwand von Reklame werben die Parteien. Hoover scheint sein Ende zu ahnen. In einer Wahlrede bemerkte er, man solle doch jetzt seine Wiederaufbauorganisation nicht ändern, sie würde schließlich doch den Aufstieg anbahnen. Hoover hat aber nun Zeit genug gehabt, entsprechende Wiederaufbau­organisationen ins Leben zu rufen. Seine verhängnisvolle Zollpolitik zerstörte bekanntlich, im Verein mit den 'Repara­tionen, die weltwirtschaftlichen Verflechtungen, bis es zur Katastrophe kam.

Abseits vom großen politischen Getümmel schlummert der Völkerbund. Er hat seine 13. Tagung gut Überstauden und läßt sich durch die Alltagssorgen der Politik nicht aus der Fassung bringen. Auch über die Herausforderung der Japaner, die den bekannten Mandschureibericht der Völ- kerbundskommission vorerst nicht als Grundlage weiterer Verhandlungen anerkennen wollen, regte sich Genf nicht auf.

Sturmszenen im österreichischen Nationalen!

.. Wien, 21. Okt. Im Nationalrat kam es heute zu einer stürmischen Szene. Als der neue Staatssekretär Feh gespro­chen hatte, rief Dr. Bauer dem Bundeskanzler verschiedentlich aus der Tribüne nicht verständliche, aber offenbar aufreizende Worte zu, woraus Dr. Dollfuß zu Dr. Bauer sagte:Sie sind ein Bolschewik, der es nur mit der proletarischen Diktatur, aber nicht mit der Demokratie ernst meint." Dr. Bauer erwiderte:Besser ein christlicher Bolschewik, als ein Mann, ^r wden Augenblick seine Gesinnung wechselt". Hieraus er­hob sich ein ungeheurer Tumult. Von einer der Bänke des Hermatblocks wurde ein Tintenfaß geworfen. Dem Präsiden- ten Renner gelang cs nur mit Mühe, angesichts der Erregung des Haukes der von ihm angeordneten Unterbrechung der Sitzung Geltung zu verschaffen und die Abgeordneten zum Verlassen des Saales zu bewegen.