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irr. ISS Montag den 22. August 1932 so. Jahrgang

Amtsblatt für den GberamtsbezirkNeuenbürg

Druck und Verlag der Meeh'schen Duchdruckeret (Inhaber Fr. Diesinger). Für die Schriftleitung verantwortlich Fr. Biesinger ln Neuenbtzrg.

Tage der Trauer um die Opfer der ..Mode"

34 Tote der »Niobe- geborgen

ÄVobe lrla§t um ihre Kinder

Va8 berühmte alt-8rieekisclie LUd>verk der I^jode, r^em kür un5 in die8en T^aZen, >vo die jungen "sode80pker des 8ckul3ckrkk8 »I^ivde" enälick den bluten de8 ^eere8 entri88en worden 5ind, einq^tra§i8cke LedeulunA rukommt. ttiobs, eine Oeslslt der §riecki8cken 8a§e, vkurde von den neidi5cken Oöttern ikrer dlükenden 8eck8!rne und 8eck8 l'öckler an einem einriZen ^axe beraubt.

K»el, 21. Aug. 30 Tote wurden heute aus dem Wrack der Niobe" geborgen: Oberleutnant z. S. Reinhardt, die Signal­gefreite Guck. Krabuß und Rothe, der Oberverwaltungsgast Engels und die Kadetten Rudlos, Heuer. Schlangenseld, Win­fried Schmidt. Gutfahr, Dr. Gelhaar, Plotzki, v. Türke. Frey­gang, Weißmüller, Funkler, Göring, Bnsz, Geiger. Lütke, Rie­nau, Kruse, Schrewc, Schulz, Gerlach, Andersen, v. Albedyll Hans Günther Schmidt, Meißenbach und Spätzier. Einen Toten hat man geborgen, dessen Identifizierung unmöglich ist; zwei Tote sind gestern geborgen worden und eine Leiche ist vor einigen Tagen an der Küste angeschwemmt gesunden worden. Nach den Mitteilungen der Marinebehörden ist nicht zu er­warten, daß im Wrack derNiobe" weitere Tote ausgefunden werden. Es ist eine furchtbare Enttäuschung, daß nach der Leichenbergung nicht weniger als 35 Mann von derNiobe"- Besatzung weiter vermißt bleiben.

Den ganzen Sonntag hindurch ist ununterbrochen an der Bergung der Leichen aus dem nunmehr völlig gehobenen, aus­gerichteten und schwimmsähigen Wrack derNiobe" gearbeitet worden. Es ist ein erschütternder Anblick: Ans dem Deck der beiden HebeschiffeKraft" undWille", des SchleppersSim- son" und des MarineleichtersHunte" steht Sarg an Sarg. An Bord der Schiffe herrscht Schweigen, nur ab und zu von gedämpften Kommandostimmen unterbrochen. Die meisten der zutage geförderten Leichen stammen aus dem mittschiffs vier Meter unter Deck gelegenen Unterrichtsraum derNiobe". Die Toten, deren Identifizierung keine allzu großen Schwierig­keiten bereitet, da alle Kleidungsstücke Erkennungszeichen mit Namen tragen, werden von Matrosen an Bord der Schisse aus Segeltuch gelegt; dann verrichten Aerzte und Sanitäter ihr trauriges Werk und es folgt die Einsargung an Ort und Stelle. Unter Deck aus dem Marineleicht: rHunte" werden die schwarzen Holzsärge in Reih und Glied ausgestellt.

Eine große Anzahl höherer Marineoffiziere hat sich an Bord der Totenschiffe eingesunden, am Ufer steht eine viel­hundertköpfige Menschenmenge. Man sieht viel Trauerklei­dung: Hinterbliebene derNiobe"-Opfer. Viele von ihnen sind bitter enttäuscht worden; denn man hatte mit Bestimmt­heit damit gerechnet, znm mindesten 50 Leichen aus derNiobe" zu bergen.

Morgen wird es hier in der Heikendorser Bucht wieder still und leer sein, denn nach der Bergung werden die Reste der Niobe" nach Kiel ins Marinearsenal abgeschleppt werden.

Die Beerdiguugsseierlichkeiten auf dem Mieter Garnison­friedhof werden am Dienstag nachmittag um 6 Uhr statt­finden. Infolge der räumlichen Schwierigkeiten ist Vorsorge getroffen worden, daß die Feier unter strengstem Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindet. Durch Rundfunkübertragung jedoch wird es Millionen möglich sein, den Ernst der Stunde mitzuerleben.

Sie Vlärre der Reichsregierring

Einig mit Luther

Berlin, 20. Aug. Die Verhandlungen zwischen dem Reichs­kabinett und dem Reichsbankpräsidenten Dr. Luther über die Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsprogramms haben jetzt, wie amtlich mitgeteilt wird, zu einer vollen EiNigung geführt, -Ach in den technischen Fragen der Kreditvorgabe. Einzelheiten darüber werden vorläufig nicht bekanntgegeben. Offenbar will eie Reichsregierung die öffentliche Diskussion abschneiden, bis Ae dem Reichstag ihren sogenanntenkonstruktiven Aufbau- plan" im ganzen borlegen kann.

Neben dem Arbeitsbeschaffungsprogramm soll der gesamte Plan vor allem die angekündigte Lockerung des Tarif- und Schlichtungswesens bringen. Auch die Kürzung der hohen Gehälter bei den vom Reich subventionierten Industrien, von der der Reichskanzler in seiner Rundfunkrede andeutungsweise sprach, soll in diesem Zusammenhang an Angriff genommen werden.

Das Reichskabinett wird in der nächsten Woche noch ein­mal zusammentreten, um sich abschließend mit dem sogenann­tenkonstruktiven Wiederaufbauplan" zu beschäftigen. Im Mittelpunkt dieses Programms steht die Arbeitsbeschaffung. Daneben lausen eine Reihe nicht unwesentlicher Maßnahmen M Wiederbelebung der Wirtschaft. Wahrscheinlich wird die Reichsregierung auch die Einrichtung von Beratungsstellen für "en Zinsabbau planen. Zwangseingriffe will sie nicht vor­nehmen. Es soll vielmehr auf friedlichem Wege versucht wer­den, die Zinslast zu verringern.

. Obwohl das Kabinett dieses Programm verabschiedet hat, wird sich der Kanzler zu einer Tagung des westfälischen Bau­ernvereins nach Münster begeben, wo er am 28. August in einer längeren Rede dieses Programm zu entwickeln gedenkt- Er wird also nicht mehr den Zusammentritt des neu gewählten Reichstages abwarten.

Sturm gegen die Gleichberechtigung

Deutscher Schritt in den nächsten Tagen

., Parts, 2N. Aug. Herriot empfang die französischen Bot- schafter in Washington, London und Berlin. Der Berliner Botschafter Francois Poncet erstattete ausführlichen Bericht »oex die innerpolitische Lage in Deutschland und de» beabsich­tigten Schritt der Rrtchsregicrung wegen Verhandlungen über

die militärische Gleichberechtigung. In französischen politischen Kreisen erwartet man in diesem Zusammenhang mit Sicherheit schon in den nächsten Tagen einen amtlichen Schritt des deut­schen Botschafters b. Hoesch bei der französischen Regierung, durch den die Frage der Gleichberechtigung in den militärischen Rüstungen aufgeworfen und Frankreich aufgefordert werden soll, sich zusammen mit den anderen europäischen Großmächten an den Verhandlungstisch zu setzen.

In der französischen Presse wird bereits jetzt lebhaft gegen die deutschen Forderungen protestiert, denen man jede juri­stische Berechtigung abspricht. DasEcho de Paris" erklärt, es sei unmöglich, Deutschland die Machtmittel in die Hand zu geben, die es ihm erlaubten, ein zweites Mal in Frankreich einzufallen. Vom Versailler Vertrag sei gerade noch so viel übrig geblieben, daß die Sicherheit Frankreichs garantiert werde. Die französische Regierung habe die Pflicht, znm ersten­mal den Forderungen Deutschlands, das glaube, alles sei ihm erlaubt, ein kategorisches Nein entgegenzustellen. Die radikal­sozialistischeEre Nouvelle" stellt die Behauptung aus, daß die Gleichheit der Rechte, wenn man sie Deutschland zugestehen würde, für die anderen Mächte eine Ungerechtigkeit bedeute. DerPetit Parisien" wirft die Frage aus, ob eine Reichsregic- rung, die auf so schwachen Füßen stehe, wie die jetzige, über­haupt die notwendige Autorität besitze, um Verhandlungen von derartig weittragender. Bedeutung anzuknüpsen. In Berlin werfe man diese Frage sicherlich nicht auf, da man anscheinend dort jeden Begriff über ein normales Politisches Leben ver­loren habe-

Todesurteil gegen Gorguloff bleibt

Paris, 20. Aug. Der Kassationshos, der höchste Gerichts­hof Frankreichs, hatte sich heute mit der Berufung des Präsi­dentenmörders Gorguloff gegen seine Verurteilung zum Tode zu befassen. Sowohl die sachlichen, wie die formellen Einwände des Mörders wurden zurückgewiesen. Der Generalstaatsanwalt Erklärte, daß die öffentliche Meinung Frankreichs unbedingte strengste Bestrafung für den Mörder an-dem Präsidenten Dou- mer fordere. Doumcr habe das beste Beispiel für seine öffent­liche und private Tugend gegeben. Es gäbe keinen zureichenden Grund, um das Todesurteil abzuändern.

Der Kassationshof beschloß entsprechend die Berufung zu verwerfen. Dem Ddörder bleibt jetzt nur noch, auf die-Gnade des neuen Präsidenten rechnen. Seine Frau hat übrigens bereits ein Begnadigungsgesuch eingereicht.

Auf dem Wege zum Wehrsport

Der Arbeitsausschuß deutscher Verbände lud die Presse zu einem Empfang, um denAusklärungsausschuß für natio­nale Sicherheit" in seiner Tätigkeit vorzustellen. Dieser Auf­klärung sausschuß wurde unmittelbar nach dem Scheitern der Genfer -Abrüstungskonferenz gebildet, mit dem Ziel, die deut­schen Wehransprüche durchzusetzen. Der Arbeitsausschuß, der als eine Dachorganisation zahlreicher Verbände zur Bekämp­fung der Kriegsschuldlüge gegründet wurde, hält setzt die Zeit für gekommen, die Aktivität des Kampfes um Gleichberech­tigung zu verstärken und gründete so den Ausklärungsausschuß für nationale Sicherheit.

Generalmajor a. D. v. Frankenberg wies auf den Wider­sinn einer Politik hin, die um angeblicher Sicherheiten willen ein Volk wehrhaft, das andere wehrlos macht und so den Keim ewigen Unfriedens, dauernder Unsicherheit in der europäischen Politik zu gefährlichem Wachstum treibt. Hätten irgendwelche Kreise noch Hoffnungen aus die Abrüstungskonferenz gesetzt, so sei das Ergebnis dieser Konferenz wenigstens im Bezug aus die Klarlegung der Tatsachen von Bedeutung gewesen. Nie­mand könne heute mehr daran zweifeln, daß auch die fran­zösische Linke die Ausrüstung, nicht die Abrüstung wolle.

Es ist kein Zufall, daß gerade jetzt dieser Äuskläruugs- cmsschuß hervortritt und in Anwesenheit eines Reichsmini­sters, mehrerer Staatssekretäre und zahlreicher Mitglieder der Reichspressestelle vor der in- und ausländischen Presse die For­derung erhebt, Deutschland müsse in seiner Wehr gleichberech­tigt neben Len Völkern stehen. Diese Kundgebung ist der Auftakt zu der Entwicklung einer Bewegung in Deutschland, die uns unter dem Namen des Wehrsports zwar schon ein Begriff geworden ist, die als Volksbewegung aber doch erst jetzt seinen Anfang nehmen soll. Der Wehrsport, von dem ein großer Teil der Jugend erfaßt werden wird, verletzt keines­wegs den Versailler Vertrag. Obwohl die anderen Länder, Frankreich an der Spitze, das in den Verträgen feierlich ge­gebene Abrüstungsversprechen nicht gehalten haben, hält Deutschland sich weiterhin an den Versailler Vertrag. So lie­gen auch in Bezug aus die Wehrsporttätigkeit eiue Reihe von Gutachten vor, von denen einige.-sogar aus dem Reichswehr- miuisterium kommen und in decke!: festgestellt wird, daß die vorgesehenen Hebungen nicht gegen den Versailler Vertrag verstoßen. Denn was dieser Wehrsport bezweckt, das kann kein Vertrag verbieten: die Belebung des Wehrgeistes, die körper­liche Ertüchtigung, die die Voraussetzung für eine spätere Wehrausbildung schafft.

Die Reichsregierung selbst wird die Initiative zur Durch­führung der Wehrsportbewegung ergreifen nud auch wesent­liche Mittel bereitstellen. Eine solche Aktion kann nur noch eine Frage von Tagen sein. Die Reichsregierung wird sich auch durch ein besonderes Kuratorium davon überzeugen, Laß die Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht verletzt wer­den. Dies kann umso eher geschehen, als es auch, nach über­einstimmender Ansicht der maßgeblichen Reichspolitiker, im Rahmen des Versailler Vertrags außerordentliche Möglich­keiten der Wehrsportausbildung gibt. Diese Möglichkeiten konnten bisher deshalb nicht ausgenutzt werden, weil die Wehr­sportgedanken nicht mit sondern gegen die früheren Regierun­gen durchgefochten werden mußten. Das Kleinkaliberschießen, Geländeübungen, Abwehr von Luftangriffen, Marschieren mit Gepäcklasten, Gymnastikübungen, die alle Organe des Körpers gleichmäßig ausbilden, all das ist erlaubt und wird setzt durchgeführt.

Das Reich übernimmt die Führung. Träger der Wehr­sportbewegung jedoch werden, wie es auch immer gefordert wurde, die großen Politischen Verbände. Von links bis rechts, vom Reichsbanner bis zu den Nationalsozialisten, werden sie hcrangezogen. Nicht nur ihre Erfahrungen und ihre Organi­sationen sollen genutzt werden, sondern noch etwas anderes: Angesichts der Notwendigkeit, den Wehrsport vorläufig frei­willig durchzuführcn, sind die Verbände am besten geeignet, Disziplin zu halten und die Jugend zu regelmäßiger Wehr- sportbetätigung zu veranlassen. In den Lägern des freiwil­ligen Arbeitsdienstes allerdings, in denen in großem Maßstabe Wehrsport getrieben werden wird, wird der Lagerführer gleich- zeitia der Wehrsvortführer sein.

Die Entwicklung des Wehrsportgedankens liegt in der großen politischen Linie: Abkehr von den Parteien und Zu­sammenfassung der jungen ausbauwilligen Kräfte aus allen Lägern. Auf eine solche lebendige Einheit verschiedenster poli­tischer Kräfte will sich Hindenburg und auch die Regierung v. Papen stützen.

Preußischer Landtag am 1. September

Berlln, 20. Aug. Ter Preußische Landtag ist zum 1. Sep­tember, 1 Uhr mittags, einberusen worden. Zur Beratung stehen Anträge im Zusammenhang mit der Bestellung des Reichskommissars in Preußen sowie verschiedene Anfragen und Anträge wegen der vorgekommenen Gewalttaten und Aus­schreitungen einschließlich des Antrags aus Auflösung der SA.-Formationen. Die Wahl des Preußischen Ministerpräsi­denten steht nicht aus der Tagesordnung der ersten Sitzung.

41 Kommunisten festgenomme«

vv. Solingen, 20. Aug. Auf der Haan-Hildener Heide nahmen gestern nacht Kommunisten eirw verbotene Gelände­übung vor. Als das Ucbersallkommando erschien, wurden die Beamte» von den Kommunisten beschossen. 41 Mann wurden festgenommen. Sie werden vor das Sondergericht..gestellt werden. .